Zwischenlandung bei Direktflügen

LG Bonn: Zwischenlandung bei Direktflügen

Eine Reisende kündigt ihren Reisevertrag, weil der Veranstalter die zugesicherte Airline austauschte. Sie verlangt nun von dem Beklagten eine Schadensersatzzahlung wegen vertraglicher Schlechtleistung.

Das Landgericht Bonn hat die Klage abgewiesen. In dem Wechsel der Fluggesellschaft sei kein wirksamer Kündigungsgrund zu sehen. Ein Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin daher nicht zu.

LG Bonn 5 S 165/00 (Aktenzeichen)
LG Bonn: LG Bonn, Urt. vom 07.03.2001
Rechtsweg: LG Bonn, Urt. v. 07.03.2001, Az: 5 S 165/00
AG Bonn, Urt. v. 24.08.2000, Az: 7 C 549/99
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Landgericht Bonn

1. Urteil vom 07. März 2001

Aktenzeichen: 5 S 165/00

Leitsatz:

2. Ist in einem Reisevertrag eine Eigenschaft zugesichert (hier: Beförderung mit einer bestimmten Fluggesellschaft), bestimmt sich die Zumutbarkeit einer alternativ angebotenen Leistung nach objektiven Kriterien.

Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einem privaten Reiseveranstalter einen Urlaub. Im Reisevertrag war das befördernde Lustfahrtunternehmen konkret genannt. Als der Veranstalter die Airline kurzfristig durch eine andere ersetzt, kündigt die Klägerin den Reisevertrag.
Wegen der eingetretenen Vertragsverletzung verlangt sie nun Schadensersatz wegen eines Reisemangels nach §651f BGB.
Der Veranstalter weigert sich der Zahlung. In dem Wechsel der Fluggesellschaft sei kein wirksamer Kündigungsgrund zu sehen.

Das Landgericht Bonn hat die Klage abgewiesen. Ist in einem Reisevertrag eine Eigenschaft zugesichert (hier: Beförderung mit einer bestimmten Fluggesellschaft), bestimmt sich die Zumutbarkeit einer alternativ angebotenen Leistung nach objektiven Kriterien.
Im Rahmen dieses objektiven Maßstabes ist auf die Sichtweise eines normalen Durchschnittsreisenden abzustellen, besondere Befindlichkeiten des Reisenden bleiben außer Betracht.

Eine erhebliche Beeinträchtigung des für sich genommen wesentlichen Leistungsbestandteils Transport ist daher nur dann anzunehmen, wenn durch die Auswechslung der Fluggesellschaft eine gravierende Verschlechterung der Reiseleistung eintritt.
Dies sei vorliegend zu verneinen. Durch den Wechsel des Luftfrachtführers würden sich keine Änderungen ergeben, die die Reiseleistung beeinflussen.

Tenor

4. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 24. August 2000, 7 C 549/99, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

5. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage aus zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Ein aus einer berechtigten Kündigung des Reisevertrages nach § 651 c Abs. 1 BGB resultierender Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises besteht nicht. Die von der Klägerin erklärte Kündigung war nicht wirksam.

6. Zunächst ist allerdings festzuhalten, daß die Beklagte eine im Reisevertrag zugesicherte Eigenschaft nicht erfüllt hat. Sie hat die Fluggesellschaft von … auf … ausgewechselt. Der Transport mit der Fluggesellschaft … war aber als zugesicherte Eigenschaft im Rahmen des Vertragsverhältnisses anzusehen. Hiervon gehen die Parteien übereinstimmend aus.

7. Eine Kündigung des Reisevertrages wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft kommt nach § 651 e Abs. 1 S. 1 BGB jedoch nur dann in Betracht, wenn die nach § 651 c Abs. 1 BGB mangelhafte Reise auch erheblich beeinträchtigt. Alternativ ist eine Kündigung dann möglich, wenn die weitere Fortsetzung der Reise gemäß § 651 e Abs. 1 S. 2 BGB für den Reisenden aufgrund von dem Veranstalter erkennbaren Umständen subjektiv nicht mehr zumutbar ist. Nach beiden Varianten war die Klägerin nicht zur Kündigung berechtigt.

8. Eine objektiv als erheblich anzusehende Beeinträchtigung der Reiseleistung lag nicht vor. Im Rahmen dieses objektiven Maßstabes ist auf die Sichtweise eines normalen Durchschnittsreisenden abzustellen, besondere Befindlichkeiten der Klägerin bzw. ihres mitreisenden Ehemannes bleiben außer Betracht. Eine erhebliche Beeinträchtigung des für sich genommen wesentlichen Leistungsbestandteils Transport ist daher nur dann anzunehmen, wenn durch die Auswechslung der Fluggesellschaft eine gravierende Verschlechterung der Reiseleistung eintritt. Dies setzt voraus, daß zugesicherte und tatsächliche Fluggesellschaft qualitativ maßgeblich voneinander abweichen. Hierzu sind keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Bekannt ist lediglich, daß es sich bei der Firma … um ein Tochterunternehmen der belgischen Fluggesellschaft … handelte.

9. Der Transport sollte damit nach wie vor durch eine europäische Fluggesellschaft erfolgen. Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, daß dies allein kein taugliches Kriterium zur Einordnung der Zuverlässigkeit einer Fluglinie ist. Auch innerhalb Europas gibt es bekanntermaßen ganz erhebliche Qualitätsabweichungen. Zur Rechtfertigung der Kündigung müßte die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch weitere Umstände vortragen, welche die Abweichung des Transportunternehmens insgesamt als erheblich ansehen lassen. Hier sind an die Darlegungslast allerdings keine besonderen Anforderungen zu stellen, denn es ist dem Reisenden in der Regel unmöglich zu beurteilen, ob etwa die Wartungsleistungen oder Ausbildung des Personals bei der Fluggesellschaft deutschen Standards entsprechen. Als maßgebliche Umstände kommen aber etwa in Betracht: ein schlechter Ruf der Fluggesellschaft aufgrund von Vorkommnissen in der Vergangenheit oder die Nutzung erkennbar alten Fluggerätes anstatt moderner, komfortabler Flugzeuge der gebuchten Airline. Da die Kammer auf derartige Umstände keinerlei Hinweise hat, kann insgesamt die Auswechslung der Fluggesellschaft nicht als erheblich angesehen werden.

10. Eine wirksame Kündigung kommt darüber hinaus nicht unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Unzumutbarkeit (§ 651 e Abs. 1 S. 2 BGB) in Betracht. Zwar ist hier auf die individuellen Verhältnisse der Reisenden Rücksicht zu nehmen. Gleichwohl war aus Sicht der Kammer für die Klägerin und ihren Ehemann ein Transport mit der Gesellschaft … zumutbar. Hier kann dahinstehen, ob und inwieweit der Ehemann der Klägerin anläßlich der Buchung im Reisebüro auf seine Asthma-Erkrankung bzw. seine Flugangst hingewiesen hat. Eine Kündigung des Reisevertrages wegen subjektiver Unzumutbarkeit muß nämlich auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Zwar stellt dieser Kündigungsgrund die subjektiven Befindlichkeiten des Reisenden in der Vordergrund, es muß sich aber auch aus seiner Sicht um Umstände handeln, die so gravierend sind, daß ihm eine Fortsetzung der Reise schlechthin nicht zugemutet werden kann. Die unterstellte Flugangst des Ehemannes der Klägerin stellt einen solchen Umstand nicht dar.

11. Jeder, der mit Flugangst eine Flugreise unternimmt, muß mit bestimmten Umständen rechnen, die Angstzustände bei ihm auslösen können. Hier sind zunächst eine Vielzahl von Anlässen denkbar, die von der Fluggesellschaft unabhängig sind (z.B. Turbulenzen durch schlechtes Wetter). Auch ein Wechsel der Fluggesellschaft ist aus Sicht des Reisenden von vornherein nicht immer auszuschließen. Unter bestimmten Umständen wird er hiergegen auch keine begründeten Einwände hegen können. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Fluggesellschaften auch nach seiner Kenntnis in jeder Hinsicht vergleichbar sind. In diesen Fällen kann auch individuelle Flugangst kein maßgeblicher Faktor sein. Wer mit Flugangst eine Reise unternimmt, muß jedenfalls solchen Gegebenheiten gewachsen sein, die im internationalen Luftverkehr üblich sind. Flugangst kann mithin nur dann zur Kündigung des Reisevertrages führen, wenn darüber hinaus Umstände vorliegen, welche die vorhandene Flugangst in besonderer, die Grenze der Unzumutbarkeit übersteigende Weise intensiviert haben.

12. Zu Gunsten der Klägerin kann in diesem Zusammenhang nur angeführt werden, daß man sich unmittelbar vor Reiseantritt mit einer dem Namen nach unbekannten Gesellschaft konfrontiert sah. Es ist nicht zu verkennen, daß hierdurch vorhandene Befürchtungen gesteigert werden können. In dieser Situation hätte aber von der Klägerin wenigstens verlangt werden können, sich über die näheren Umstände zu informieren. Allein durch eine kurze Rückfrage beim … Personal hätten Einzelheiten zur Fluggesellschaft … erfragt werden können. Die Klägerin hätte sich dadurch vergewissern können, daß es sich um eine europäische Fluggesellschaft mit modernen Flugzeugen handelte. Das alles hat die Klägerin nicht getan, sondern allein aufgrund der ihr unbekannten Gesellschaft entschieden, nicht zu fliegen. Daß ihr eine kurze, sachliche Nachfrage in der konkreten Situation vor dem Einsteigen nicht möglich oder zumutbar war, ist nicht ersichtlich.

13. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht hat, aufgrund der Absprachen im Reisebüro habe sie im Sinne einer Geschäftsgrundlage des Reisevertrages von einer Beförderung mit … ausgehen können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine über eine Zusicherung der Fluggesellschaft gemäß § 651 c) Abs. 1 BGB hinausgehende rechtliche Bedeutung kommt dieser Erklärung nicht zu. Jeder Durchschnittsreisende, auf dessen Sicht es hier allein ankommt, weiß um die tatsächlichen Umstände des modernen Massentourismus. Ein Austausch der Fluggesellschaft läßt sich nicht immer vermeiden. Erklärungen bei Vertragsabschluß in dem Sinne zu werten, daß die Parteien solche Umstände in jedem Falle ausschließen wollten, ist vor diesem Hintergrund aus Sicht vernünftiger Vertragsparteien nicht realistisch, denn eine solche Deutung ginge an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei.

14. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

15. Gegenstandswert: 1.578,– DM

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