Keine Ausgleichszahlung gemäß Fluggastrechteverordnung wegen Nichtbeförderung im Falle des Downgrading in die Economy Class
Keine Ausgleichszahlung gemäß Fluggastrechteverordnung wegen Nichtbeförderung im Falle des Downgrading in die Economy Class
Eine Familie buchte Urlaubsflüge und einen Hotelaufenthalt, erfuhr jedoch am Vortag der Abreise, dass die Flüge von Premium Economy auf Economy Class heruntergestuft worden waren. Die Familie stornierte die Reise und klagte auf Ersatz der Reisekosten sowie auf Ausgleichszahlungen wegen Nichtbeförderung.
Das Gericht gab der Klage teilweise statt. Eine Erstattung der Reisekosten sei angebracht, die Ausgleichszahlungen aber nicht, da ein Downgrading nicht als Nichtbeförderung zu betrachten sei.
LG Landshut | 41 O 2511/16 (Aktenzeichen) |
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LG Landshut: | LG Landshut, Urt. vom 04.05.2017 |
Rechtsweg: | LG Landshut, Urt. v. 04.05.2017, Az: 41 O 2511/16 |
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Leitsatz:
2. Ein Fall des Downgrading bei der Flugbeförderung ist nicht mit einer Nichtbeförderung gleichzustellen. Insofern entsteht auch kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen wegen Nichtbeförderung.
Zusammenfassung:
3. Eine Familie buchte Flüge in die Dominikanische Republik sowie Hin- und Rückflüge für den Aufenthalt. Einen Tag vor der Abreise wurden sie von der Fluggesellschaft informiert, dass die gebuchte Premium Economy Class überbucht sei und ein Downgrading durchgeführt werden musste, so dass die Familie nun Economy Class fliegen würde.
Der Familienvater stornierte die Hotelbuchung und trat vom Beförderungsvertrag zurück. Daraufhin klagte die Mutter gegen die Fluggesellschaft auf Ersatz der Reisekosten, bzw. Stornokosten, in Höhe von über 10.000 €. Des Weiteren klagte sie auf Ausgleichszahlungen wegen Nichtbeförderung.
Das Gericht gab der Klägerin im ersten Punkt recht, im zweiten jedoch nicht. Ein Downgrading sei kein Fall von Nichtbeförderung, weshalb eine Ausgleichszahlung nicht angebracht sei.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) EUR 10.587,36 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von EUR 958,18 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.05.2016 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage der Klägerin zu 1) abgewiesen.
Die Klage der Klägerin zu 2) wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen samtverbindlich 15 % und die Beklagte 85 %. Die Klägerin zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
5. Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen einer infolge Überbuchung fehlgeschlagenen Urlaubsreise.
6. Am 09.01.2016 buchte der Ehemann der Klägerin zu 1) … für sich selbst, seine Frau (die Klägerin zu 1) und seine Tochter (die Klägerin zu 2) Hin- und Rückflüge von München in die Dominikanische Republik in der Buchungskategorie Premium Economy Class zum Gesamtpreis von EUR 3.379,94. Am folgenden Tag buchte er außerdem ein Hotel für die Familie für den Zeitraum 19.03.2016–03.04.2016 zum Preis von umgerechnet EUR 7.622,41.
7. Am 26.02.2016 teilte die Beklagte Herrn … mit, die Flugbeförderung werde anders als angekündigt nicht durch die Beklagte selbst, sondern durch die Fluggesellschaft HiFly durchgeführt. Am 18.03.2016 – dem Vorabend des Fluges – informierte die Beklagte Herr … dass die von ihm gewählte Buchungsklasse überbucht sei, dass man jedoch eine vertragsgemäße Beförderung noch sicherstellen werde. Am Abflugtag (19.03.2016) erfuhren Herr … und seine Familie, dass sie wegen Überbuchung der zugesagten Premium Economy Class in die Economy Class herabgestuft worden seien. Ein Ersatzflug sei nicht verfügbar. Daraufhin erklärte Herr … den Rücktritt vom Flugbeförderungsvertrag. In der Folge stornierte er auch den Unterbringungsvertrag mit dem Hotel am Zielort.
8. Mit Erklärung vom 01.08.2016 trat Herr … seine vertraglichen Ansprüche gegen die Beklagte umfassend an seine Ehefrau, die Klägerin zu 1) ab, die diese Abtretung annahm.
9. Die Klägerin zu 1) trägt vor,
ihr Ehemann habe bewusst aus Komfortgründen die Premium Economy Class gewählt. Wenn sie rechtzeitig davon erfahren hätten, dass in dieser Klasse keine Plätze zur Verfügung stünden, hätten sie die Reise schon vorher storniert. Ihr Schaden bestehe In dem gezahlten Reisepreis von EUR 3.379,94, den nutzlos aufgewendeten Hotelkosten von EUR 7.622,41 sowie den Taxikosten zum Flughafen von EUR 75,–. Außerdem stehe ihnen jeweils eine Ausgleichspauschale wegen Nichtbeförderung nach Art. 4 der Fluggastrechte-Verordnung (EUR 600,– pro Person) zu.
Die Klägerin zu 2) hat sich dem Sachvortrag der Klägerin zu 1) angeschlossen.
10. In der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2017 haben die Klägerinnen zuletzt beantragt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) EUR 11.787,36 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagter wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) EUR 600,00 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2016 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) vorgerichtliche Anwaltsgebühren i.H.v. EUR 958,18 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2016 zu bezahlen.
11. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
12. Ihrer Auffassung nach ist die Klägerin zu 1) nicht aktivlegitimiert und die Klägerin zu 2) als Minderjährige prozessunfähig. Außerdem hätten die Klägerinnen in der Premium Economy Class gebucht, bei der es sich nicht etwa um eine gesonderte Buchungsklasse wie die Business Class, sondern lediglich um die Economy Class mit Zusatzleistungen handele. Wenn den Klägerinnen also die Beförderung in der Economy Class angeboten worden sei, habe für sie bzw. den Zedenten … kein Rücktrittsgrund bestanden. Die Voraussetzung für die Zahlung einer Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-Verordnung lägen ebenfalls nicht vor. Im Übrigen hätten die Klägerinnen gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, da sie die Reise rechtzeitig hätten stornieren können. Bei den Taxikosten handele es sich um Sowiesokosten. Jedenfalls wären etwaige Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechte-Verordnung auf Schadensersatzansprüche der Klägerinnen anzurechnen.
13. Im Übrigen wird auf den zwischen den Parteien gewechselten Schriftverkehr verwiesen.
14. Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2017 ausführlich erörtert. Auf das diesbezügliche Protokoll wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
15. Die zulässige Klage der Klägerin zu 1) hat ganz überwiegend Erfolg. Diejenige der Klägerin zu 2) ist zwar zulässig, nachdem die Klägerin zu 2) durch ihre Eltern gesetzlich vertreten wurde, allerdings unbegründet.
16. Die Klägerin zu 1) kann von der Beklagten den Ersatz des Nichtbeförderungsschadens wegen Erfüllungsverweigerung aus abgetretenem Recht verlangen.
17. Dem Ehemann der Klägerin zu 1. … der sämtliche Reiseleistungen bei der Beklagten gebucht hatte, stand wegen Nichtbeförderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gem. §§ 631, 281 Abs. 1 und 2, § 280 Abs. 1 BGB zu, der auch durch Unionsrecht nicht ausgeschlossen ist.
18. Die Beklagte hat die von ihr vertraglich geschuldete Beförderungsleistung gegenüber dem Zedenten … und den Klägerinnen nicht erbracht und ist damit dem Zedenten … schadensersatzpflichtig geworden.
19. Ausweislich ihrer Buchungsbestätigung (Anlage K 1) hat die Beklagte der Familie … die Beförderung in der sogenannten Premium Economy Class zugesagt. An dem damit geschuldenen Leistungsumfang hat sich durch die Mitteilung der Beklagten vom 26.02.2016 (Anlage K 3) nichts geändert, da diese lediglich die Frage der ausführenden Fluggesellschaft betraf.
20. Das schriftliche Änderungsangebot der Beklagten („Änderung der Beförderungsklasse“) vom 19.03.2016 hat der Zedent … nicht angenommen. Dieses Dokument widerlegt zunächst die Einlassung der Beklagten, bei dem Wechsel von der Premium Economy Class auf die Economy Class handele es sich nicht um einen Wechsel der Buchungsklasse (downgrading), wie er etwa beim Wechsel von der Business Class auf die Economy Class gegeben sei. Aus dem Dokument ergibt sich das genaue Gegenteil: Es stellt gerade hinsichtlich des downgrading ausdrücklich die Business Class und die Premium Economy Class gleich.
21. Der Zedent … war auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, das Angebot der Beklagten auf ein downgrading anzunehmen.
22. Aus dem genannten Dokument ergibt sich ferner, dass die Beklagte der klägerischen Familie am Abflugtag die Beförderung in der geschuldeten Beförderungsklasse verweigert hat. Unter diesen Umständen war eine Fristsetzung gegenüber der Beklagten entbehrlich (§ 281 Abs. 2 BGB), und der Zedent … konnte von der Beklagten gem. § 280 Abs. 1 und 3 BGB seinen gesamten Nichterfüllungsschaden verlangen.
23. Dieser Anspruch geht zwar über die Rechtsfolgen hinaus, die Art. 10 Abs. 2 der hier anwendbaren Fluggastrechte-Verordnung für den Fall des downgrading vorsieht. Die Fluggastrechte-Verordnung schließt jedoch insoweit gemäß ihrem Art. 12 Abs. 1 Satz 2 weitergehende Rechtsbehelfe mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen nicht aus (vgl. Bollweg in: Staudinger/Keiler, Kommentar zur Fluggastrechte-Verordnung, Art. 12 Rn. 9).
24. Der Nichterfüllungsschaden des Zedenten … bestand zum Einen in dem bezahlten Flugpreis von insgesamt EUR 3.379,94 sowie in den Taxikosten von EUR 75,–. Zum anderen hat er die Unterbringungskosten (EUR 7.622,41) vergeblich aufgewandt. Den letztgenannten Schaden konnte er auch angesichts der für das Hotel geltenden Stornierungsbedingungen (vgl. zu diesen Anlage K 2) bei einer Stornierung am Anreisetag nicht mehr abwenden.
25. Sein Gesamtanspruch gegen die Beklagte belief sich folglich auf EUR 11.077,35; abzüglich der Zahlung der Beklagten von EUR 489,99 am 09.05.2016 verbleibt eine Restforderung von EUR 10.587,36.
26. Der zugehörige Zinsanspruch folgt aus dem Verzug der Beklagten am 16.04.2016 (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt für die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Zedenten ….
27. Die vorbezeichneten Ansprüche hat der Zedent … mit Vertrag vom 01.08.2016 (Anlage zum klägerischem Schriftsatz vom 18.01.2017) an die Klägerin zu 1) abgetreten, die diese Abtretung angenommen hat. Die Klägerin zu 1) ist folglich in diesem Umfang aktivlegitimiert.
28. Ansprüche auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) Fluggastrechte-Verordnung stehen dagegen dem Zedenten … und den Klägerinnen nicht zu. Denn der Fall des downgrading (Art. 10 Abs. 2 Fluggastrechte-Verordnung) stellt unionsrechtlich gerade keinen der Nichtbeförderung im Sinne des Art. 2 lit j) Fluggastrechte-Verordnung dar (vgl. nur Keiler in: Staudinger/Keiler, Kommentar zur Fluggastrechte-Verordnung, Art. 10 Rn. 7), auf den Art. 4 Abs. 3 Fluggastrechte-Verordnung abhebt. Die Frage einer Konkurrenz mit nationalrechtlichen Schadensersatzansprüchen (vgl. dazu Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Fluggastrechte-Verordnung) stellt sich damit vorliegend nicht.
29. Der unionsrechtliche Minderungsanspruch des Zedenten … wegen des downgrading (vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. c) Fluggastrechte-Verordnung: 75 % des Flugpreises, hier EUR 1.267,48) wird vorliegend durch den umfassenden nationalrechtlichen Schadensersatzanspruch des Zedenten … nach §§ 281, 280 Abs. 1 BGB (vgl. oben Ziffer I.1.) konsumiert.
30. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.
31. Der Anspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
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