Rücktritt wegen Nichtbeförderung in einer gebuchten Komfort-Klasse

LG Duisburg: Rücktritt wegen Nichtbeförderung in einer gebuchten Komfort-Klasse

Der Kläger trat vom Reisevertrag zurück und verlangte von dem beklagten Reiseveranstalter die Rückzahlung des Reisepreises, weil die Beförderung in der gebuchten Komfort-Klasse nicht möglich war.

Das LG Duisburg hat dem Kläger die Zahlung zugesprochen und entschieden, dass die Beförderung mit einer anderen Klasse als versprochen zum Rücktritt berechtigt.

LG Duisburg 1 O 229/06 (Aktenzeichen)
LG Duisburg: LG Duisburg, Urt. vom 19.01.2007
Rechtsweg: LG Duisburg, Urt. v. 19.01.2007, Az: 1 O 229/06
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Landgericht Duisburg

1. Urteil vom 19.01.2007

Aktenzeichen: 1 O 229/06


Leitsätze
:

2. Die Vereinbarung der Beförderung mit einer bestimmten Komfort-Klasse stellt eine vertragliche Zusicherung dar.

Bei Nichteinhaltung dieser Zusicherung ist der Reisende zum Rücktritt vom Reisevertrag berechtigt.


Zusammenfassung
:

3. Der Kläger buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter, für sich und seine Frau, eine Pauschalreise nach Punta Cana. Der Gesamtreisepreis betrug 5.042,00 Euro. Darin war unter anderem die Beförderung (Hin -und Rückflug) in der „Frist Comfort Class“ enthalten. Diese Buchung wurde dem Kläger von dem Beklagten bestätigt. Dabei hat der Beklagte übersehen, dass die Fluggesellschaft die Beförderung in „First Comfort“ nur für den Rückflug bestätigt hatte, weil der Hinflug in dieser Klasse bereits ausgebucht war. Für den Hinflug wurden für den Kläger und seine Frau zwei Plätze in „Economy Class“ reserviert.  Als der Kläger dies am Flughafen erfuhr, entschied er sich, nach einem vergeblichen Versuch den Veranstalter zu kontaktieren, die Reise nicht anzutreten. Der Kläger verlangt die Rückzahlung des gesamten Reisepreises.

Das LG Duisburg hat im Sinne des Klägers entschieden und ihm die Rückzahlung des Reisepreises zugesprochen. Eine bestätigte Beförderung in einer gebuchten Komfort-Klasse (hier: Hin- und Rückflug in der First Comfort Class der Fluggesellschaft bei einem Langstreckenflug) stellt eine Zusicherung einer Reiseeigenschaft dar. Die Nichteinhaltung dieser Zusicherung ist ein Reisemangel, der als eine erhebliche Reisebeeinträchtigung anzusehen ist und deshalb zum Rücktritt berechtigt. Der Reiseveranstalter ist daher verpflichtet den gesamten Reisepreis an den Kläger zurückzuzahlen.


Tenor
:

4. Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 5.042,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der beizutreibenden Beträge vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten am 08.02.2006 für sich und seine Ehefrau eine Flugpauschalreise von Berlin-Schönefeld (Abflug 25.03.2006) nach Punta Cana (Rückflug 07.04.2006). Der Gesamtreisepreis betrug 5.042,00 Euro. Darin sind enthalten die Beförderung bei Hin -und Rückflug in der „Frist Comfort Class“ der Fluggesellschaft mit einem Mehrpreis von 1.300,00 Euro für beide Personen. Diese Buchung wurde dem Kläger von der Beklagten bestätigt. Dabei war übersehen worden, dass die Fluggesellschaft die Beförderung in „First Comfort“ nur für den Rückflug bestätigt hatte, weil der Hinflug in dieser Klasse bereits ausgebucht war.

6. Der Hinflug sollte am 25.03.2005 mit … um 08:50 Uhr erfolgen. Beim Einchecken erfuhr der Kläger, dass die Buchung in der gewünschten Klasse nur für den Rückflug feststehe. Für den Hinflug stünden er und seine Ehefrau auf einer Warteliste. Die Beklagte war über die angegebene Hotline nicht zu erreichen, weil diese erst ab 09:00 Uhr besetzt ist. Der Kläger und seine Frau traten die Reise nicht an. Sie forderten unter dem 07.04.2006 von der Beklagten die Rückzahlung des Reisepreises und Schadenersatz für 12 Tage vertanen Urlaub in Höhe von 72,00 Euro je Person und Tag, zusammen 1.728,00 Euro.

7. Der Kläger trägt vor, bei einem Langenstreckenflug mit 10 – 12 Stunden sei der Wechsel von der gebuchten Flugklasse in die Touristenklasse eine unzumutbare Änderung. Es komme noch hinzu, dass seine Ehefrau am linken Kniegelenk erkrankt sei, weswegen im November 2006 eine Operation bevorgestanden habe. Sie habe wegen der Sitzenge nicht in der Touristenklasse fliegen können. Im übrigen bestreite er, dass dort überhaupt freie Plätze zur Verfügung standen.

8. Der Kläger beantragt,

9. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.770,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2006 zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

11. unter Anerkennung der Klageforderung in Höhe von 650,00 Euro die darüber hinausgehende Klage abzuweisen.

12. Die Beklagte trägt vor, der Kläger und seine Ehefrau hätten am 25.03.2006 um 08:50 Uhr den vorgesehenen Flug in der „Economy Class“ antreten können. Dort habe es insgesamt 54 freie Sitzplätze gegeben und dort sei der Kläger mit seiner Frau auch eingecheckt worden. Lediglich für die „First Comfort Class“ habe er auf der Warteliste gestanden. Dort seien allerdings keine Plätze frei geworden. Für den Rückflug hätten die gebuchten Plätze mit der bestätigten Sitzplatzreservierung zur Verfügung gestanden. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, vom Reisevertrag zurückzutreten, weil die „First Comfort“ Leistungen aus Anlass des Hinfluges nicht erbracht werden konnten. Das sei ein Reisemangel, der die Erheblichkeitsgrenze nicht überschreite. Berechtigt sei lediglich die anerkannte Minderung in Höhe des Zuschlages für den Hinflug.

13. Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist in Höhe des gesamten Reisepreises vom 5.042,00 Euro begründet, darüber hinaus nicht. Der Kläger hat den Reisevertrag zu Recht nach § 651 e gekündigt.

15. Der Nichtantritt einer gebuchten Pauschalreise ist eine durch tatsächliches Verhalten schlüssig erklärte Kündigung des Reisevertrages. Auf diese Weise wird nämlich deutlich, dass die gebuchten Leistungen nicht in Anspruch genommen werden sollen. Die Deutung des Nichtantritts der Reise als Rücktritt nach § 651 i BGB kann wegen der damit verbundenen Stornokosten nicht vorgenommen werden.

16. Der Kläger war wegen der nicht bestehenden Möglichkeit, den Hinflug in der gebuchten „First Comfort Class“ anzutreten, zum Rücktritt vom Reisevertrag berechtigt. Die bestätigte Beförderung in einer gebuchten Komfortstufe stellt sich rechtlich als die Zusicherung einer Reiseeigenschaft dar. Die Nichteinhaltung dieser Zusicherung ist nach § 651 c BGB ein Reisemangel. Dieser Mangel stellt im Streitfall auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise dar.

17. Es ist unstreitig geworden, dass eine Beförderung des Klägers und seiner Ehefrau beim Hinflug in der „First Comfort Class“ nicht möglich war. Das bedeutet aber, dass dem eingetretenen Reisemangel nicht abgeholfen werden konnte, denn die Verweisung auf eine Beförderung in der „Economy Class“ ist keine zumutbare Alternative. Das Reisen in einem ergonomisch geformten Sitz mit besonders breiter Sitzfläche, hohem Sitzabstand mit einstellbarer Ruhesesselfunktion in einem abgesonderten Raum heben sich von den beengten Verhältnissen in der „Economy Class“ deutlich ab. Sie bedeuten nicht nur ein beträchtlich höheres Maß an Bequemlichkeit, sondern ermöglichen auch eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit um den gesundheitlichen Gefahren des langen Stillsitzens zu begegnen. Diese Umstände haben bei einem Langstreckenflug mit 10 bis 12 Stunden Dauer ein herausragendes Gewicht. Die umfangreiche Getränkeauswahl während des ganzen Fluges und die Menüauswahl verstärken das Gefühl des Wohlbefindens weiter wie die komfortable Unterbringung während der Wartezeiten auf dem Flughafen. In beiden Flugklassen kommt der Reisende ans Reiseziel. Über diese Gemeinsamkeit hinaus bewegt sich der Reisende in der hochwertigen Klasse in einer anderen Dimension.

18. Die Beklagte beruft sich nicht darauf, sie hätte den Kläger und seine Ehefrau am Abreisetag mit einem anderen Flugzeug in der „Business Class“ befördern lassen, wenn er sich nach 09:00 Uhr mit ihr in Verbindung gesetzt hätte. Diese Abhilfemöglichkeit ist damit auch nicht erkennbar. Eine Flugpauschalreise ohne die Möglichkeit eines zumutbaren Hinfluges ist nicht durchführbar. Der Reisepreis ist nach § 651 e Abs. 3 BGB zurückzuzahlen.

19. Schadenersatz für vertanen Urlaub steht dem Kläger und seiner Ehefrau nicht zu, weil die Urlaubsreise erst gar nicht angetreten worden ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich keinen Ersatzurlaub zu einem anderen Zeitpunkt anstelle des ausgefallenen Urlaubs nehmen konnte.

20. Auf den zuerkannten Betrag stehen dem Kläger auch die geforderten Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe zu.

21. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.

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