Biss durch Esel in Tunesien

OLG Celle: Biss durch Esel in Tunesien

Während eines Tunesien-Urlaubs wird ein Reisender von einem Esel gebissen. Obwohl ich der Zwischenfall in einem für Hotelgäste nicht zugänglichen Bereich ereignete, verlangt der Kläger nun von seinem Reiseveranstalter ein Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht Celle hat die Klage abgewiesen. Der Veranstalter trage keine Verantwortung für Zwischenfälle, die auf ein unvorsichtiges Handeln des Urlaubers zurückzuführen sind.

OLG Celle 11 U 70/02 (Aktenzeichen)
OLG Celle: OLG Celle, Urt. vom 31.10.2002
Rechtsweg: OLG Celle, Urt. v. 31.10.2002, Az: 11 U 70/02
LG Hannover, Urt. v. 08.02.2002, Az: 8 O 3251/01
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Oberlandesgericht Celle

1. Urteil vom 31. Oktober 2002

Aktenzeichen: 11 U 70/02

Leitsatz:

2. Wird ein Reisender in einem Land wo Esel als Nutztiere gelten, von einem gebissen, so steht dem Reisenden kein Schadensersatz zu, wenn der Esel sich in einem Bereich aufhält in den der Reisende keinen Zutritt hat.

Zusammenfassung:

3. Ein Urlauber buchte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Tunesien. Im Außenbereich des Hotels befand sich ein abgegrenzter Hof, auf dem der Hotelbesitzer Esel hielt. Als der Kläger die Abgrenzung überschritt, um sich den Eseln zu nähern, wurde er von einem der Tiere gebissen.
Er verlangt nun ein Schmerzensgeld vom beklagten Reiseveranstalter.

Das Oberlandesgericht Celle hat die Klage abgewiesen. Als sich der Kläger den Tieren näherte, handelte er eigenständig und unvorsichtig. Der Reiseveranstalter könne nicht für das unverantwortliche Handeln des Klägers in Haftung genommen werden.
Grundlage für ein Schmerzensgeld nach §823 I BGB sei eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten.

Vorliegend sei zwischen den Tieren und den Besuchern jedoch für ausreichend Abstand gesorgt worden. Da Esel als Nutztiere in Tunesien üblicherweise in Hausnähe gehalten werden, könne dem Beklagten auch diese Tatsache nicht negativ angerechnet werden.
Da keine fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung von Sicherungs- bzw. Schutzpflichten des Veranstalters festgestellt werden konnten, sei die Klage auf Schmerzensgeld somit unbegründet.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 8. Februar 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 20.000 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

5. Der zum Vorfallszeitpunkt 9 Jahre und 10 Monate alte Kläger verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin Schmerzensgeld und Ersatz von Zukunftsschäden, weil ihn während eines Urlaubsaufenthaltes in Tunesien ein Esel in den Unterarm biss.

6. Die Eltern des Klägers hatten für sich, den Kläger und dessen jüngeren Bruder für die Zeit vom 28. August bis 11. September 2000 eine Pauschalreise nach …/Tunesien gebucht. Am 5. September 2000 biss ein angepflockter Esel den Kläger, als dieser sich dem Tier in Begleitung seines jüngeren Bruders näherte. Das Tier wurde unstreitig regelmäßig dazu eingesetzt, Müllbehältnisse am Strand zu tragen, wenn der Strand – außerhalb des Hotelgeländes – durch eine vom Hotelpersonal beauftragte Person gereinigt wurde.

7. Zum Ort, an dem der Esel angepflockt war, hatte die Beklagte in erster Instanz vorgetragen, der Esel habe naturgemäß nicht mitten im Hotelgelände gestanden, „sondern auf einem kleinen, abseitigen Wiesenteil, der am äußersten Rand der Hotelanlage hinter der Küche lag und nur über einen Betriebshof, vorbei an Mülltonnen und sonstigen Gerätschaften, erreicht werden kann“ (GA 31 f.). Auf diesen Vortrag hatte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. August 2001 in der folgenden Weise reagiert:

8. „Auch der Hinweis der Beklagten, dass der Esel sich nicht mitten im Hotelgelände, sondern auf einem kleinen, abseitigen Wiesenteil am äußersten Rand der Anlage hinter der Küche befunden hat, geht fehl. Wer für Hotelanlagen, die besonders kinderfreundlich sind, wirbt, der muss auch wissen, dass Kinder nicht unbedingt mitten auf der Hotelwiese spielen, sondern von einer kindertypischen Neugier getrieben, auch in den Winkeln auf „Abenteuersuche“ gehen. …

9. Eine Pflichtverletzung lag eben genau hierin, dass man angenommen hat, dass dort, wo der Esel unbeaufsichtigt angepflockt war, nämlich im „hintersten Winkel“, erreichbar nur über den unattraktiven Küchenvorhof ohnehin kein Hotelgast geht, sodass weitere Vorsichtsmaßnahmen entbehrlich sind.“

10. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

11. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht Tierhalterin des Esels gewesen, weil feststehe, dass der nicht zum Personal gehörende Halter des Esels vom Hotel beauftragt worden sei, den Strand zu reinigen. Auch eine eigene Verkehrssicherungspflicht habe die Beklagte nicht verletzt. Dergleichen komme nur in Betracht, wenn Tiere in der Anlage für die Gäste vorgehalten würden. So habe es beim in Rede stehenden Esel jedoch nicht gelegen. Zurückzuführen sei die Verletzung des Klägers nach Ansicht der Kammer vielmehr auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern, die damit hätten rechnen müssen, dass Kinder im Alter des Klägers die Hotelanlage in allen Richtungen erkunden würden.

12. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

13. Der Kläger erweitert und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und stützt sich allein noch auf eine mögliche Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte. Er meint, in einem explizit als kinderfreundlich angepriesenen Hotel müsse der Reiseveranstalter damit rechnen, dass die jungen Gäste an alle Orte des Hotelgeländes gehen würden. Gerade weil Esel ihrer Natur nach keilen und beißen könnten, habe es der Beklagten oblegen, dafür zu sorgen, dass das Tier nicht uneingezäunt und unbeaufsichtigt bleiben konnte.

14. Zum Ort des Geschehens trägt der Kläger nunmehr vor, dass das Tier zwar in der äußersten Ecke der Hotelanlage angebunden gewesen sei, indes in unmittelbarer Nähe der Sportanlagen und keineswegs vom übrigen Bereich durch Gebäude oder sonstige Hindernisse abgegrenzt, sondern frei zugänglich.

15. Der Kläger beantragt,

16. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld wegen der am 5. September 2000 erlittenen Bissverletzung und Attestkosten in Höhe von 146,20 DM (= 74,75 €) zu zahlen,

17. sowie

18. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus der Tierbissverletzung vom 5. September 2000 zu ersetzen, soweit nicht ein gesetzlicher Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger erfolgt (ist).

19. Die Beklagte beantragt,

20. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

21. Auch sie erweitert und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behauptet, das Tier sei gutartig und folglich sei der Biss nur dadurch erklärlich, dass der Kläger den Esel geärgert und drangsaliert haben müsse.

22. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

23. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

24. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von deren eigenen Verkehrssicherungspflichten zu, worauf der Kläger die Berufung beschränkt hat.

25. Der Senat vermag im Streitfall nicht festzustellen, dass das Unfallgeschehen, bei dem der Kläger zu Schaden gekommen ist, auf einer Verletzung einer eigenen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten beruht.

26. Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, dass den Reiseveranstalter eigene Verkehrssicherungspflichten treffen und dass er auch im Wege eigener Prüfungs- und Überwachungsmaßnahmen dafür zu sorgen hat, dass die unter Vertrag genommene Hotelanlage verkehrssicher ist, dass Gefahrenquellen für die von dem Reiseveranstalter dort untergebrachten Reisegäste beseitigt werden oder gar nicht erst auftreten können.

27. Zwar hat die Beklagte im Streitfall nicht im Einzelnen vorgetragen, wann derartige Kontrollen bei der in Rede stehenden Hotelanlage zuletzt durchgeführt wurden, worauf sie sich erstreckten und in welchen Abständen sie vorgenommen wurden. Dies bleibt jedoch im Streitfall ohne Einfluss, weil sich nicht feststellen lässt, dass der Esel regelmäßig an dem Ort angepflockt gewesen ist, an dem sich das Unfallgeschehen zugetragen haben soll. Aus diesem Grunde kann schon nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei den notwendigen Kontrollen hätte feststellen können, dass dies geschieht. Selbst der Kläger und seine Eltern behaupten nicht, dass der Esel stets oder auch nur mehrfach während ihres Aufenthalts an dem fraglichen Ort gestanden hat.

28. Ferner ist nicht zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Esel in der Nähe der Sportanlagen und damit in dem Bereich des Hotelgeländes, in dem Touristen sich regelmäßig aufhielten, am Unfalltage unbeaufsichtigt angepflockt gewesen ist. Dieser erstmals in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag des Klägers in unbeachtlich, weil der Kläger in erster Instanz zugestanden hat, dass der Esel im hintersten Winkel des Hotelgeländes angepflockt war, den man nur über den unattraktiven Küchenhof, über den ohnehin normalerweise kein Hotelgast gehe, erreichen könne (Bl. 5 des Schriftsatzes vom 28. August 2001; GA 39). Mit diesem erstinstanzlichen Vorbringen hatte der Kläger das Vorbringen der Beklagten zum Aufstellungsort des Esels von Bl. 2 f. der Klageerwiderung vom 16. August 2001 inhaltlich bestätigt und mithin im Sinne von § 288 ZPO zugestanden. Der Kläger hat weder dargelegt, warum sein eigenes erstinstanzliches Vorbringen unzutreffend gewesen sein soll, noch unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 290 ZPO den Wechsel des Vortrages insoweit erklärt und entschuldigt. Dementsprechend ist der Kläger an seinem erstinstanzlichen Vorbringen festzuhalten.

29. Hätte die Beklagte bei einer Kontrolle an einer abseitigen Stelle, wie der Aufstellungsort des Esels auf einem kleinen Wiesenstück hinter dem Küchenhof einzuordnen ist, das angepflockte Tier vorgefunden, hätte die Beklagte diese Aufstellung des Tieres nicht beanstanden müssen. Dabei fällt ins Gewicht, dass in einem Land wie Tunesien Esel landestypische Arbeitstiere darstellen. Für den in Rede stehenden Esel galt nichts anderes. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass ihm der Esel etwa im Rahmen des Kinderclubs als Streicheltier bekannt geworden wäre. Dementsprechend musste die Beklagte auch bei Anwendung aller ihr abzuverlangenden Sorgfalt nicht dafür sorgen, dass dem angepflockten Tier an abgelegener Stelle noch weitere Umzäunungen oder eine Person zur Bewachung beigegeben werden mussten.

30. Im Übrigen vermag der Kläger den von ihm behaupteten Unfallhergang, wonach er den Esel nicht geärgert und zu dem Biss veranlasst haben will, nicht unter Beweis zu stellen, nachdem es Zeugen für den Hergang des Geschehens nicht gibt.

31. Auf ein Mitverschulden seiner Eltern, die gegenüber dem Kläger eine Aufsichtspflicht traf, wenn sie ihn nicht in die Obhut der Kinderbetreuung gaben, was für den Vorfallszeitpunkt nicht behauptet wird, kommt es nach alledem nicht an.

32. Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten und auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

33. Zur Zulassung der Revision hat der Senat keinen Anlass gesehen. Auch die Parteien haben insoweit nichts vorgetragen, das zu anderer Beurteilung Anlass gegeben hätte.

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