Kein Reisemangel bei zweistündiger Abflugverspätung
AG Rostock: Kein Reisemangel bei zweistündiger Abflugverspätung
Der Kläger hatte bei der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, eine Pauschalreise inklusive Hin- und Rückflug gebucht. Der Kläger beanstandet nun zum einen, dass der Hinflug sich um zwei Stunden verspätete. Außerdem sei am Flughafen keine Reiseleitung anzutreffen gewesen, weswegen er nun eine Minderung des Reisepreises fordert.
Das Amtsgericht in Rostock weist die Klage ab. Die Beklagte hatte dem Kläger keine Reiseleitung am Flughafen versprochen, folglich könne der Reisepreis diesbezüglich auch nicht gemindert werden. Des Weiteren könne der Reisepreis erst ab einer Verspätung von 5 Stunden um 5% des Reisepreises pro Stunde gemindert werden.
AG Rostock | 47 C 299/11 (Aktenzeichen) |
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AG Rostock: | AG Rostock, Urt. vom 04.04.2012 |
Rechtsweg: | AG Rostock, Urt. v. 04.04.2012, Az: 47 C 299/11 |
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Leitsätze:
2. Ein Reisemangel liegt nur dann vor, wenn der Reiseveranstalter einer im Reisevertrag vereinbarten Pflicht nicht nachkommt.
Der Reisepreis kann wegen einer Flugverspätung erst ab 5 Stunden mit 5% des Reisepreises pro Stunde gemindert werden.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte bei der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, eine Pauschalreise. In dieser Pauschalreise waren auch der Hin- und Rückflug inbegriffen. Der Hinflug verspätete sich um zwei Stunden. Außerdem beklagte der Kläger, dass am Flughafen keine Reiseleitung anzutreffen gewesen sei. Der Kläger verlangt deshalb von der Beklagten eine Minderung des Reisepreises wegen der Flugverspätung und der fehlenden Reiseleitung am Flughafen.
Das Amtsgericht in Rostock sprach dem Kläger keine Reisepreisminderung gem. § 651 d Abs. 1 BGB zu, die die von der Beklagten bereits geleisteten Zahlungen überstiegen. Der Reisepreis könne zum einen erst ab einer Verspätung von 5 Stunden um 5% des Reisepreises pro Stunde gemindert werden. Bei einer Verspätung von 2 Stunden handele es sich laut dem AG Rostock lediglich um eine Unannehmlichkeit.
Bezüglich der fehlenden Reiseleitung führte das Gericht zum anderen aus, dass ein Reisemangel überhaupt nur dann vorliegen könne, wenn der Reiseveranstalter einer versprochenen Pflicht aus dem Reisevertrag nicht nachkomme. Die Beklagte hatte dem Kläger aber vertraglich keine Reiseleitung am Flughafen versprochen, folglich könne der Reisepreis wegen einer fehlenden Reiseleitung auch nicht gemindert werden.
Tenor:
4. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
5. Der Kläger macht Minderungs- und Schadensersatzansprüche nach einer Pauschalreise geltend.
6. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Kreuzfahrt vom 04.12.2010 bis 11.12.2010 auf der … . Ziel waren die Kanarischen Inseln sowie Madeira. Der Reisepreis betrug für beide Personen zusammen 2.298,00 €.
7. Der Hinflug von Düsseldorf nach Teneriffa sollte am 04.12.2010 um 9:50 Uhr starten. Auf Grund eines Fluglotsenstreiks in Spanien startete das Flugzeug erst um 19:00 Uhr. Die für die Beklagte zuständige Reiseleiterin hatte dem Kläger auf dem Flughafen zunächst mitgeteilt, dass unter Umständen kein Flug erfolgen könne und später darauf bestand, dass der Flug um 19:00 Uhr vom Kläger und seiner Ehefrau wahrgenommen werde. Weitere Informationen erhielt der Kläger nicht.
8. Aufgrund des verschobenen Fluges erreichten der Kläger und seine Ehefrau das Schiff erst gegen 02:30 Uhr am 05.12.2010. Die Koffer des Klägers und seiner Ehefrau waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht angekommen, sondern erst am 05.12.2010 gegen 20:00 Uhr auf dem Schiff verfügbar. Aus diesem Grunde kauften der Kläger und seine Ehefrau am 05.12.2010 ein Hemd und eine Bluse zu einem Gesamtpreis in Höhe von 68,00 €.
9. Im Zusammenhang mit dem Fluglotsenstreik in Spanien und den verspäteten Flügen legte das Schiff nicht wie geplant am Abend des 04.12.2010 sondern erst am Abend des 05.12.2010 ab. Hierdurch kam es auch zu einer Änderung der Reiseroute. Das Anlaufen der Insel Fuerteventura entfiel. Zur Darstellung der geplanten und tatsächlichen Reiseroute wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 01.12.2011 (Bl. 39 ff. d.A.) Bezug genommen.
10. Der Rückflug von Teneriffa nach Düsseldorf sollte planmäßig um 14:50 Uhr starten; Ankunftszeit war 20:10. Dieser Rückflug verspätete sich um zwei Stunden. Der Kläger, welcher ein Rail & Fly Ticket bei der Beklagten gebucht hatte, hatte geplant, um 21:28 Uhr mit dem Zug nach Minden zu fahren. Der Zug wäre um 23:45 in Minden angekommen. Auf Grund der Flugverspätung sowie mangels anderweitiger Verbindungen fuhren der Kläger und seine Ehefrau um 23:00 Uhr mit dem Zug bis Hamm, wo sie um 1:00 Uhr eintrafen. Zur Vermeidung einer Weiterfahrt über Bielefeld und einem dortigen fünfstündigen Aufenthalt ließen sich der Kläger und seine Ehefrau von ihrem Sohn abholen, so dass sie gegen 3:00 Uhr in Minden eintrafen. Durch die Abholung entstanden Fahrtkosten in Höhe von 73,80 €.
11. Mit der Klage fordert der Kläger für die Verspätung des Hinfluges eine Minderung des Tagesreisepreises im Umfang von 30%, d.h. in Höhe von 98,49 €, „für die fehlende Reiseleitung und mangelnde Information durch die Beklagte am Abflughafen“ eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 50,00 € sowie eine Minderung im Umfang eines Tagesreisepreises in Höhe von 328,28 € wegen der Verkürzung der Reise um einen Tag. Weiterhin fordert er Schadensersatz in Höhe von 68,00 € (Kleidung) und 73,80 € (Fahrtkosten). Außerdem macht der Kläger Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit im Zusammenhang mit der Ankunft auf dem Schiff um 2:30 Uhr, der Verkürzung der Reise und einer weiteren strittigen Unannehmlichkeit in Höhe von jeweils 330,00 € für sich und seine Ehefrau geltend.
12. Die Beklagte zahlte an den Kläger 400,00 € sowie schrieb dessen Bordguthaben einen weiteren Betrag in Höhe von 140,00 € gut. Diese Beträge fanden bei der Berechnung der Klageforderung Berücksichtigung.
13. Der Kläger behauptet, am 05.12.2010 hätte seine Ehefrau zwischen 5:00 und 6:00 Uhr festgestellt, dass nach Bedienen der Toilettenspülung das WC übergelaufen sei. Es sei ein Techniker des Schiffes gekommen um die Toilette zu reparieren, die Nachtruhe sei damit beendet gewesen. Er ist der Meinung, dies sowie die Ankunft auf dem Schiff erst in den frühen Morgenstunden des 05.12.2010, d.h. eine Nachtruhe von nur zwei bis drei Stunden, seien bei der Schadensersatzforderung für entgangene Urlaubsfreuden zu berücksichtigen.
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 408,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2011 zu zahlen sowie weitere 330,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über den Basiszinssatz seit dem 09.03.2011 an die Ehefrau des Klägers zu zahlen.
18. Sie ist der Auffassung, wegen der Verspätung des Hinfluges bestehe ein Minderungsanspruch im Umfang von 25% des Tagesreisepreises. Im Übrigen seien sämtliche berechtigten Ansprüche des Klägers durch die geleisteten Zahlungen abgegolten.
19. Der Kläger hatte zunächst einen Betrag von 742,50 € gefordert, die Klage dann mit Zustimmung der Beklagten in Höhe von 3,93 € zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
21. Bedenken gegen die Zulässigkeit bestehen insbesondere nicht, soweit der Kläger die Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 330,00 € „an die Ehefrau des Klägers“ fordert. Es fehlt nicht an der hinreichenden Bestimmung des Klageantrages, weil diese auslegbar ist. Den übrigen Ausführungen ist unschwer zu entnehmen, dass es sich bei der Ehefrau des Klägers um die als Zeugin benannte Frau Monika Ebert handelt.
22. Die Klage ist unbegründet.
23. Der Kläger hat über die geleisteten Zahlungen der Beklagten hinaus keine weiteren Ansprüche auf Minderung des Reisepreises bzw. Schadensersatzzahlungen im Zusammenhang bei der Beklagten für den Zeitraum vom 04.12.2010 bis 11.12.2010 gebuchten Reise auf der … .
24. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 651 d Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises im Zusammenhang mit dem verspäteten Hinflug und der Verkürzung der Reise um einen Tag und dem damit verbundenen Nichtanlaufen der Insel Fuerteventura in Höhe von insgesamt 426,77 €.
25. Die Berechtigung zur Minderung im Zusammenhang mit der Verkürzung der Reise und dem Nichtanlaufen der Insel Fuerteventura in Höhe eines Tagesreisepreises, d.h. in Höhe von 328,28 € steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Gleiches gilt für die grundsätzliche Minderungsberechtigung im Zusammenhang mit der Verspätung des Hinfluges. Das Gericht folgt insofern der herrschenden Meinung, dass ab der fünften Verspätungsstunde ein Prozentsatz von 5% des Tagesreisepreises je Stunde zu berechnen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten berechnet sich die Minderung wegen des letztgenannten Mangels unter Berücksichtigung der geplanten Startzeit 9:50 Uhr und der tatsächlichen Startzeit um 19:00 Uhr mit sechs Stunden. Die angefangene zehnte Verspätungsstunde ist bei der Berechnung des Minderungsanspruches mit zu berücksichtigen. Demzufolge errechnet sich bei einem Gesamtreisepreis in Höhe von 2.298,00 € und einem Tagesreisepreis in Höhe von 328,28 € ein berechtigter Minderungsanspruch für den verspäteten Hinflug in Höhe von 98,49 €.
26. Weitere Minderungsansprüche bestehen nicht.
27. Soweit es im Zusammenhang mit der Routenänderung auch zu Verkürzungen von Liegezeiten kam (Madeira: Statt 28 Stunden nunmehr 24 Stunden; Lanzarote statt der Ablegezeit um 18:00 Uhr nunmehr Ablegen um 15:00 Uhr und La Palma statt der Ablegezeit um 20:00 Uhr nunmehr Ablegen um 18:00 Uhr), bedarf es keine Entscheidung darüber, ob hieraus Minderungsansprüche gerechtfertigt wären, weil der Kläger insofern keine Minderungsansprüche geltend macht. Gleiches gilt hinsichtlich der verspäteten Ankunft der Koffer des Klägers und seiner Ehefrau auf dem Schiff. Auch hier wird kein Minderungsanspruch geltend gemacht.
28. Der geltend gemachte Minderungsbetrag in Höhe von 50,00 € wegen „fehlender Reiseleitung und mangelnder Information durch die Beklage am Abflughafen“ ist unbegründet.
29. Dem klägerischen Vortrag ist nicht zu entnehmen, welche geschuldeten Leistungen die Beklagte konkret nicht erbrachte. Persönliche Vorstellungen über die Betreuung am Flughafen rechtfertigen alleine keine Feststellung eines Mangels.
30. Soweit der Kläger Schadensersatz bzw. Erstattung des Kaufpreises für Anschaffung eines Hemdes und einer Bluse in Höhe von 68,00 € fordert, steht die grundsätzliche Berechtigung für die Anschaffung von Ersatzkleidung auf Grund fehlenden Gepäcks ebenfalls nicht im Streit. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger Anspruch auf Ersatz der gesamten Kosten oder, wie von der Beklagten vertreten, lediglich auf Ersatz von 50% der Kosten hat. Selbst bei Berücksichtigung der gesamten Kosten in Höhe von 68,00 € hätte der Kläger gegen die Beklagte einschließlich der berechtigen Minderungsansprüche eine berechtigte Gesamtforderung in Höhe von 494,77 €. Unter Einbeziehung der Gutschrift für das Bordguthaben in Höhe von 140,00 €, welche auch der Kläger bei der Berechnung seiner Klageforderung berücksichtigt, sowie der erhaltenen Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 400,00 € hat der Kläger insgesamt 540,00 € von der Beklagten erhalten. Sämtliche Ansprüche des Klägers sind somit – auch bei vollständiger Berücksichtigung der Kosten für die Anschaffung von Ersatzkleidung – abgegolten.
31. Die Forderung auf Erstattung der im Zusammenhang mit dem verspäteten Rückflug entstandenen Fahrtkosten ist unbegründet.
32. Gemäß § 651 f Abs. 1 BGB kann der Reisende unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs wäre demzufolge ein Mangel der Reise im Sinne von § 651 c Abs. 1 BGB. Ein solcher ist nicht festzustellen. Die Verspätung eines Fluges um zwei Stunden stellt noch keinen Mangel, sondern lediglich eine Unannehmlichkeit dar. Hinzu kommt, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Buchung des Rail & Fly Tickets keine bestimmte Zugverbindung für die Rückfahrt schuldete.
33. Ebenfalls unbegründet sind die Forderungen des Klägers auf Ersatzzahlungen wegen entgangener bzw. vertaner Urlaubsfreude. Wie bereits dargelegt, setzt ein entsprechender Anspruch gemäß 651 f Abs. 1 BGB ein Verschulden des Reiseveranstalters voraus. Dieses wird zwar gesetzlich vermutet, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht festzustellen. Unstrittig beruhten sowohl die Verkürzung der Nachtruhe vom 04.12.2010 zum 05.12.2010 als auch die Verkürzung der Reiseroute um einen Tag einschließlich des Wegfalls des Anlaufens der Insel Fuerteventura auf den Fluglotsenstreik in Spanien. Dieser ist der Beklagten nicht zuzurechnen.
34. Soweit der Kläger seinen Schadensersatzforderungen auch die Verkürzung der Nachtruhe wegen einer defekten Toilette zugrunde legt, genügt diese Tatsache alleine nicht, um einen Schadensersatzanspruch zu rechtfertigen. Die defekte Toilette (die Richtigkeit des klägerischen Vortrages unterstellt), die im Übrigen auch nach dem Vortrag des Klägers umgehend repariert wurde, stellte lediglich eine Unannehmlichkeit und keinen Mangel dar.
35. Mangels bestehender Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen.
36. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 ZPO.
37. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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