Hinweispflicht des Reiseveranstalters auf Visumserfordernis bei ausländischen Reisenden

LG Frankfurt: Hinweispflicht des Reiseveranstalters auf Visumserfordernis bei ausländischen Reisenden

Ein italienischer Urlauber verklagt ein deutsches Reiseunternehmen auf Schadensersatz, weil er im Vorfeld seiner Reise nicht über die bestehende Visumspflicht in seinem Urlaubsort informiert wurde und seinen Urlaub so nicht wahrnehmen konnte.
Das Landgericht Frankfurt bejaht eine Hinweispflicht des Reiseveranstalters und spricht dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz zu.

LG Frankfurt 2-24 S 181/12 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 26.09.2013
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 26.09.2013, Az: 2-24 S 181/12
AG Frankfurt, Urt. v. 31.07.2012, Az: 31 C 585/11 (74)
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Hessen-Gerichtsurteile

Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 26.09.2013

Aktenzeichen: 2-24 S 181/12

Leitsatz:

2. Bucht ein ausländischer Staatsbürger bei einem deutschen Reiseveranstalter eine Reise in ein Visumpflichtiges Land, so muss der Reiseveranstalter den Reisenden auf das Visumserfordernis hinweisen, wenn Anhaltspunkte für seine ausländische Staatsbürgerschaft bestehen.

Zusammenfassung:

3. In diesem Urteil begehrt ein italienischer Kläger von einem deutschen Reiseveranstalter Schadensersatz. Grund hierfür war, dass der italienische Reisende bei dem deutschen Reiseveranstalter eine Reise in die USA buchte. Für die Einreise in die USA benötigen italienische Staatsbürger, im Gegensatz zu deutschen Staatsbürgern, ein Visum. Der Reiseveranstalter hatte den Reisenden bei der Buchung nicht auf das Visumserfordernis hingewiesen.
Nach Ansicht des Landgerichts in Frankfurt ist ein deutscher Reiseveranstalter, sobald ein Anhaltspunkt für die ausländische Staatsbürgerschaft eines Reisenden gegeben ist, verpflichtet,  diesen auf das Visumserfordernis hinzuweisen. Diese Hinweispflicht ergebe sich schon aus den allgemeinen reisevertraglichen Grundsätzen.

 

Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.07.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 31 C 585/11 (74), teilweise wie folgt abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.08.2011 wird insoweit aufgehoben als die Beklagte nunmehr verurteilt wird, an die Klägerin 1.334,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 26.05.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.08.2011 aufrechterhalten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz zu tragen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 44 % und die Beklagte zu 56 % zu tragen. Die

Kosten der Streithelferin haben die Klägerin zu 44 % und die Streithelferin zu 56 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

5. Die Klägerin, die italienische Staatsangehörige ist, begehrt von der Beklagten als Reiseveranstalterin aus eigenem und abgetretenem Recht Minderung und Schadenersatz wegen einer Informationspflichtverletzung bzgl. Pass- und Visumserfordernissen.

6. Der Ehemann der Klägerin, Herr … buchte im Reisebüro der Streithelferin, dem Reisebüro „…“, Anfang Dezember 2009 für sich und seine Ehefrau, die Klägerin, eine Reise nach New York in das Hotel … für die Zeit vom 25.02.2010 bis 01.03.2010 zu einem Gesamtreisepreis von 880,-​- Euro für zwei Personen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Reiseanmeldung (Bl. 46 d. A.) Bezug genommen. Die Flüge buchte der Ehemann der Klägerin ebenfalls im Reisebüro der Streithelferin, jedoch nicht bei der Beklagten, sondern über … .

7. Nachdem die Reise (Hotelaufenthalt) bei der Beklagten gebucht war, reichte der Ehemann der Klägerin zur Abwicklung weiterer Formalitäten bei der Buchungsabwicklung bei der Streithelferin Kopien seines Personalausweises und mindestens eine Kopie der Seite des italienischen Reisepasses der Klägerin auf der das Lichtbild der Klägerin enthalten ist, ein. Auf die Kopie dieser Seite des Reisepasses (Bl. 6 d. A.) wird Bezug genommen.

8. Weder die Beklagte noch die Streithelferin informierten die Klägerin über die Pass- und Visumserfordernisse für die Einreise in die USA für italienische Staatsangehörige.

9. Die Klägerin und ihr Ehemann begaben sich am 25.02.2010, dem Tag des Abflugs und Reisebeginns, zum Flughafen Frankfurt am Main. Im Rahmen des Boardings des Flugs wurde der Klägerin von der Luftfahrtgesellschaft die Beförderung verweigert mit der Begründung, dass sie nicht in die USA einreisen dürfe, da ihr ein gültiges Visum bzw. ein Stempel in ihrem italienischen Reisepass fehle.

10. Die Klägerin und ihr Ehemann traten die Reise nicht an und kehrten letztlich nach Hause zurück.

11. Die Klägerin, der ihr Ehemann die ihm zustehenden Ansprüche aus dem Reisevertrag mit der Beklagten abgetreten hat, macht nunmehr Rückzahlung des Reisepreises und der Flugkosten geltend sowie verschiedene Schadenspositionen sowie eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude.

12. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte bzw. die Streithelferin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten die Klägerin über die Pass- und Visumserfordernisse für die Einreise in die USA für italienische Staatsangehörige hätte informieren müssen. Insoweit hat die Klägerin behauptet, dass der Streithelferin bekannt gewesen sei, dass sie italienische Staatsangehörige sei.

13. Mit Versäumnisurteil vom 09.08.2011 hat das Amtsgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. Gegen dieses am 18.08.2011 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.08.2011, bei Gericht eingegangen am 29.08.2011, Einspruch eingelegt.

14. Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

15. das Versäumnisurteil vom 09.08.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.398,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

16. Die Beklagte und die Streithelferin haben erstinstanzlich zuletzt beantragt,

17. das Versäumnisurteil vom 09.08.2011 aufrechtzuerhalten.

18. Die Beklagte und die Streithelferin sind der Ansicht gewesen, dass eine Informationspflicht über Pass- und Visumserfordernisse gegenüber der Klägerin als italienische Staatsangehörige nicht bestanden habe. Die Beklagte und die Streithelferin behaupten, weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten konkret nach den Einreisebestimmungen für die Klägerin als italienische Staatsangehörige in die USA nachgefragt. Insoweit hätte keine Veranlassung bestanden, eine entsprechende Aufklärung zu betreiben.

19. Die Klage ist der Beklagten unter dem 25.05.2011 zugestellt worden.

20. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 31.07.2012 (Bl. 266 – 269 d. A.) gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

21. Durch dieses Urteil hat das Amtsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme das Versäumnisurteil vom 09.08.2011 aufrechterhalten.

22. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass gegenüber der Klägerin als italienischer Staatsangehörigen keine Informationspflicht über Pass- und Visumserfordernisse bestanden habe, da § 4 I Ziffer 6 der BGB-​Infoverordnung für die Klägerin nicht einschlägig sei. Weiterhin hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen habe, dass seitens der Beklagten bzw. der Streithelferin eine fehlerhafte Information bzgl. Pass- und Visumserfordernisse auf Nachfrage der Klägerin bzw. deren Ehemann erteilt worden sei.

23. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 269 – 272 d. A.) Bezug genommen.

24. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

25. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere ist sie der Auffassung, dass §§ 4 I Ziffer 6, 5 Nr. 1 der BGB-​Infoverordnung europarechtskonform dahingehend auszulegen sei, dass die Informationspflicht vorliegend auch für die Klägerin als italienische Staatsangehörige bestanden habe.

26. Die Klägerin beantragt,

27. unter Abänderung des am 31.07.2012 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main, das Versäumnisurteil vom 09.08.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.398,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

28. Die Beklagte beantragt,

29. die Berufung zurückzuweisen.

30. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere ist sie der Auffassung, dass von einem Reiseveranstalter bzw. Reisebüro nicht erwartet bzw. verlangt werden könne, über die komplexe und komplizierte Verfahrensweise des italienischen Staates in Bezug auf dessen Erteilung und Gültigkeit von Reisepässen umfassen zu informieren.

31. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

32. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

33. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651 c I, 651 d I, 638 III und IV BGB in Höhe von insgesamt 880,-​- Euro.

34. Die Reise der Klägerin und ihres Ehemanns war mangelhaft im Sinne von § 651 c I BGB.

35. Die Reise wurde durch eine Informationspflichtverletzung der Beklagten vereitelt.

36. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände war die Beklagte vorliegend verpflichtet, auch die Klägerin als italienische Staatsangehörige über die entsprechenden Pass- und Visumserfordernisse für einen italienischen Staatsangehörigen für die Einreise in die USA zu informieren.

37. Zwar ist es zutreffend, dass nach dem Wortlaut von §§ 4 Ziffer 6, 5 Nr. 1 der BGB-​Infoverordnung vorliegend für die gegenständliche Reise die Informationspflichten bzgl. Pass- und Visumserfordernisse auf die Klägerin keine Anwendung finden, da die Reise in Deutschland angeboten worden ist und die Klägerin keine deutsche Staatsangehörige ist.

38. Jedoch ergibt sich vorliegend eine Hinweispflicht der Beklagten aus allgemeinen reisevertraglichen Grundsätzen.

39. Insoweit kann dahinstehen, ob im Hinblick auf den weitergehenden Wortlaut von Art. 4 I lit. a der EG-​Pauschalreise-​Richtlinie, wonach die Hinweise für Staatsangehörige „des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten“ zur Verfügung gestellt werden müssen, in richtlinienkonformer Auslegung eine entsprechende Anwendung des § 5 Nr. 1 BGB-​InfoV auf Angehörige anderer EU-​(und EWR-​)Mitgliedstaaten erfordert (vgl. Führich, ReiseR, 6. Aufl. (2010), Rdnr. 663 a; Staudinger, BGB, Neubearb. 2011, BGB-​InfoV § 5 Rdnr. 2).

40. Nach dem Parteivortrag und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nämlich davon auszugehen, dass den die hier in Rede stehende Reise bearbeitenden Mitarbeiterinnen der Streithelferin im Zeitpunkt nach der Auswahlentscheidung für die Reise bekannt war, dass es sich bei der Klägerin um eine italienische Staatsangehörige handelt. Dies ergibt sich unzweifelhaft daraus, dass den Mitarbeiterinnen unstreitig jedenfalls eine Kopie der Seite des Reisepasses mit dem Foto der Klägerin übergeben worden ist. Aus dieser Seite des Reisepasses ist klar zu entnehmen, dass es sich bei der Klägerin um eine italienische Staatsangehörige handelt. Dies konnte den Mitarbeiterinnen der Streithelferin nicht verborgen geblieben sein.

41. Bereits aus diesem Umstand ergibt sich gegenüber der Klägerin eine Aufklärungsverpflichtung der Beklagten als Reiseveranstalterin in Bezug auf die Pass- und Visumserfordernisse für die Einreise der Klägerin in die USA.

42. Der Reiseveranstalter ist nämlich nach allgemeinen reisevertraglichen Grundsätzen auch dann zu einer Information über die Pass- und Visumserfordernisse verpflichtet, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit des Reisenden bei Vertragsschluss auf Grund besonderer Umstände erkennbar ist (vgl. Führich, ReiseR, 6. Aufl. (2010), Rdnr. 663 b m. w. N.; Staudinger, BGB-​InfoV § 5 Rdnr. 2, Tonner, in: MünchKomm-​BGB, 5. Aufl. (2009), BGB-​InfoV, § 5 Rdnr. 6; LG Duisburg, NJW-​RR 2013, 59, 59/60).

43. Hier lagen diese besonderen Umstände vor. Aufgrund der Vorlage des Ausweispapiers der Klägerin war für die Mitarbeiterinnen der Streithelferin unzweifelhaft erkennbar, dass die Klägerin italienische Staatsangehörige ist.

44. Danach wäre die Beklagte als Reiseveranstalterin von sich aus, also ungefragt, verpflichtet gewesen, die Klägerin bzw. deren Ehemann über die bestehenden Pass- und Visumserfordernisse für die Klägerin als Italienerin für eine Einreise der Klägerin in die USA zu informieren.

45. Dabei kommt es auch nicht entscheidend darauf an, dass der Beklagten bzw. der Streithelferin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten die Kopie der Reisepassseite erst nach Buchung der Reise, also ggf. nach Vertragsschluss, vorgelegt worden ist. Die Informationspflicht endet nämlich nicht mit Vertragsschluss, falls die erforderlichen Informationen überhaupt schon vor Vertragsschluss gegeben worden sind, sondern dauert im Rahmen der ordnungsgemäßen Abwicklung der Reise an. Insoweit besteht auch eine nachträgliche Informationspflicht, wenn dem Reiseveranstalter neue Umstände bekannt werden, die für die Pass- und Visumserfordernisse relevant sind (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Auflage, 2010, Rn. 661), wie vorliegend die italienische Staatsangehörigkeit der Klägerin.

46. Unstreitig haben weder die Beklagte noch die Streithelferin, die insoweit Erfüllungsgehilfin der Beklagten gem. § 278 BGB gewesen ist, da bereits die Auswahlentscheidung für die Reise getroffen war (vgl. BGH, NJW 2006, 2321) über die Pass- und Visumserfordernisse für die Klägerin als Italienerin für die Einreise in die USA aufgeklärt.

47. Danach hat die Beklagte ihre bestehenden Informationspflichten in Bezug die bestehenden Pass- und Visumserfordernisse für eine Einreise der Klägerin in die USA verletzt. Dies stellt einen Reisemangel dar.

48. Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass ihr eine solche Erteilung von Informationen bzgl. Pass- und Visumserfordernisse unmöglich bzw. unzumutbar sei, da insoweit für italienische Staatsangehörige schon eine grundsätzliche Unklarheit herrsche. Es mag durchaus sein, dass die Situation bzgl. italienischer Reisepässe und deren Reichweite nicht ganz unproblematisch ist. Dies entbindet die Beklagte aber gerade nicht davon auf diese Problematik hinzuweisen. Vielmehr hat sich die Beklagte als Reiseveranstalterin, die unter den oben genannten Voraussetzungen ausländische Reisende über Pass- und Visumserfordernisse aufzuklären hat, über die entsprechenden Pass- und Visumserfordernisse zu informieren und diese Informationen an den Reisenden weiterzugeben. Dies ist einem großen Reiseveranstalter wie der Beklagten auch möglich und zumutbar, insbesondere wenn es sich um Staatsangehörige eines Landes der Europäischen Union handelt, wie hier Italiener. Gerade wenn Unklarheiten bestehen, ist das Informationsinteresse eines Reisenden besonders hoch. Aber vorliegend hat die Beklagte bzw. die Streithelferin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten gerade noch nicht einmal auf bestehende Unklarheiten mit den italienischen Regelungen hingewiesen. Insoweit hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass die Klägerin über einen italienischen Reisepass verfügen muss, der weltweit für die Einreise in alle Länder gültig sein muss und insoweit keine Beschränkung aufweisen darf, und dass diesbezüglich ggf. eine Erweiterung des Reisepasses durch einen entsprechenden Stempel der italienischen Behörden erforderlich ist. Insoweit vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass bzgl. solcher Informationen der Bereich des § 5 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) tangiert sein soll. Es handelt sich bei dieser Frage um eine offensichtlich gängige Problematik mit italienischen Reisepässen, die einem großen Reiseveranstalter wie der Beklagten geläufig sein muss, und die die Beklagte – soweit rechtlich verpflichtet – ihren italienischen Reisekunden auch darlegen muss.

49. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass – wie die Beklagte vorträgt – die Klägerin unter Verwendung ihres Reisepasses eine ESTA-​Genehmigung erhalten hat. Wie der Beklagten bekannt sein dürfte, heißt eine erfolgreiche ESTA-​Registrierung nicht zwingend, dass auch eine Einreise in die USA erfolgen kann. Dies bleibt einer abschließenden Prüfung vor Ort bei Einreise vorbehalten. Also bedeutet eine ESTA-​Registrierung nicht zwingend, dass alle (sonstigen) Einreisevoraussetzungen erfüllt sind, also insbesondere auch mit dem vorhandenen Reisepass eingereist werden kann. Aus diesem Grunde entbindet eine auch erfolgreiche ESTA-​Registrierung nicht von der Verpflichtung – soweit rechtlich vorhanden – weiterhin italienische Staatsangehörige über die Problematik mit italienischen Reisepässen aufzuklären.

50. Nach all dem hat die Beklagte ihre reisevertraglichen Informationspflichten gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Pass- und Visumserfordernisse verletzt, was zu einer Vereitelung der Reise geführt hat, da der Klägerin bereits die Luftbeförderung verweigert worden ist und deshalb der bei der Beklagten gebuchte Hotelaufenthalt nicht angetreten werden konnte.

51. Danach war die gebuchte Reise, also der Hotelaufenthalt in New York, völlig entwertet. Danach beträgt die Minderungsquote 100 %.

52. Nach der erfolgten Abtretung durch den Ehemann ist die Klägerin vollumfänglich passivlegitimiert.

53. Dem Ehemann der Klägerin war es nicht zuzumuten, die Reise ohne seine Ehefrau, die Klägerin, anzutreten. Insoweit ist auch der Reisepreisanteil, der auf den Ehemann entfallen ist, ersatzfähig.

54. Danach ist der gesamte Reisepreis von 880,-​- Euro von der Beklagten an die Klägerin zurückzuzahlen.

55. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadenersatz in Höhe von 14,34 Euro gem. § 651 f I BGB.

56. Wie oben dargelegt hat ein Reisemangel in Form der Informationspflichtverletzung bzgl. Pass- und Visumserfordernissen vorgelegen, der zur Vereitelung der Reise geführt hat.

57. Die Beklagte hat diesen Reismangel auch gem. § 651 f I BGB zu vertreten.

58. Im Falle eines Reisemangels wird zu Lasten des Reiseveranstalters vermutet, dass er den Mangel zu vertreten hat (§ 276 BGB). Dem Reiseveranstalter steht jedoch der Entlastungsbeweis offen. Dazu muss er darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Mangel auf einem Umstand beruht, den er nicht und den auch keiner seiner Erfüllungsgehilfen – zu denen sein Leistungsträger gehört – und keiner von den Erfüllungsgehilfen des Leistungsträgers verschuldet hat. Dabei muss der Reiseveranstalter für sämtliche ernstlich in Betracht kommenden Schadensursachen den Entlastungsbeweis erbringen (vgl. BGH, NJW 2007, 2549, 2551).

59. Die Beklagte hat eine durchgreifende Entlastung weder für sich noch die Streithelferin als ihrem Erfüllungsgehilfen vorgetragen.

60. Die Flugkosten in Höhe von insgesamt 821,16 Euro sind als nutzlose Aufwendungen zu ersetzen, auch wenn die Flüge nicht bei der Beklagten gebucht worden sind. Insoweit sind die Flüge im Vertrauen auf die Hotelbuchung bei der Beklagten gebucht worden. Da der Hotelaufenthalt nicht angetreten werden konnte, sind die gebuchten Flüge nutzlos geworden.

61. Weiterhin sind auch die Mietwagenkosten in Höhe von 137,80 Euro zu ersetzen, die angefallen sind, um am 25.02.2010 vom Flughafen Frankfurt am Main wieder nach Hause zu kommen. Diese Kosten sind nunmehr zur Überzeugung des Gerichts durch Vorlage des Mietvertrags / der Rechnung (Bl. 387 d. A.) nachgewiesen.

62. Weiterhin sind die Kosten für die Taxi-​Fahrten zum italienischen Konsulat und zurück zum Flughafen in Höhe von insgesamt 66,-​- Euro ersatzfähig. Diese Kosten sind entstanden, um doch noch die Durchführung der Reise zu ermöglichen, indem die Klägerin versucht hat, beim italienischen Konsulat eine Anpassung ihres Reisepasses zu erhalten. Dass dies, wie von Klägerseite geschildert, misslungen ist, ergibt sich daraus, dass ansonsten die Reise noch angetreten worden wäre. Diese Kosten sind auch gerechtfertigt, da die Klägerin den Versuch unternehmen durfte, doch noch die Einreisevoraussetzungen in die USA herzustellen. Diese Kosten sind nunmehr zur Überzeugung des Gerichts durch Vorlage der Taxiquittungen (Bl. 389 d. A.) nachgewiesen.

63. Weiterhin sind die Kosten von 12,00 Euro für die Gepäckaufbewahrung am Flughafen Frankfurt zu ersetzen. Diese Kosten sind nunmehr zur Überzeugung des Gerichts durch Vorlage der Quittung (Bl. 386 d. A.) nachgewiesen.

64. Danach ergibt sich ein ersatzfähiger Gesamtschaden von 1.036,96 Euro.

65. Vorgerichtlich hat die Beklagte bereits einen Betrag von 1.022,62 Euro gezahlt.

66. Da die Beklagte diesbezüglich eine Tilgungsbestimmung nicht mitgeteilt hat, ist die Tilgungsbestimmung der Klägerin maßgeblich, wonach die Zahlung auf die Schadenspositionen angerechnet worden sind.

67. Danach verbleibt ein Restschaden von 14,34 Euro.

68. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von insgesamt 440,-​- Euro gem. § 651 f I BGB.

69. Wie oben dargelegt hat ein Reisemangel in Form der Informationspflichtverletzung bzgl. Pass- und Visumserfordernissen vorgelegen, der zur Vereitelung der Reise geführt hat.

70. Die Beklagte hat diesen Reismangel auch gem. § 651 f I BGB zu vertreten.

71. Es liegt ein Fall der Reisevereitelung im Sinne von § 651 f II BGB vor. Insoweit steht der Klägerin und ihrem Ehemann, dem der Reiseantritt ohne seine Ehefrau nicht zuzumuten war, eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude zu.

72. Insoweit berechnet sich dieser Anspruch aber nur aus dem Reisepreis für die Hotelunterkunft, da nur diese bei der Beklagten gebucht worden ist.

73. Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1047 ff.) als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651 f II BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z. B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28). Da die Reise nicht angetreten worden ist, ist die Entschädigung regelmäßig mit der Hälfte des Reisepreises anzusetzen (vgl. auch BGH, NJW 2005, 1047 ff.). Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des vorliegenden Falls diese Entschädigung in Höhe des hälftigen Reisepreises angemessen und ausreichend.

74. Dies ergibt vorliegend einen Entschädigungsbetrag von insgesamt 440,-​- Euro.

75. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I, 291, 288 I, 247 BGB.

76. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

77. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegen.

78. Die Voraussetzungen für eine Informationspflicht des Reiseveranstalters bei ausländischen Reisenden ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht geklärt und hat für eine Vielzahl von Fällen grundsätzliche Bedeutung.

79. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

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