Hinweis- und Aufklärungspflichten des Reisebüros bei Buchung kurz nach Terroranschlag

AG Gelsenkirchen: Hinweis- und Aufklärungspflichten des Reisebüros bei Buchung kurz nach Terroranschlag

Die Klägerin betreibt ein Reisebüro, bei der die Beklagte eine Reise gebucht hatte. Sie verlangt Zahlung des Reisepreises.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Da die Klägerin nicht ausreichend auf die aktuelle Sicherheitslage am Reiseziel hingewiesen hätte, müsse sich die Beklagte nicht an den Vertrag halten lassen.

AG Gelsenkirchen 5 C 421/06 (Aktenzeichen)
AG Gelsenkirchen: AG Gelsenkirchen, Urt. vom 16.01.2007
Rechtsweg: AG Gelsenkirchen, Urt. v. 16.01.2007, Az: 5 C 421/06
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Amtsgericht Gelsenkirchen

1. Urteil vom 16. Januar 2007

Aktenzeichen 5 C 421/06

Leitsatz:

2. Beim Vertragsschluss in einem Reisebüro müssen die Angestellten auf die aktuelle Sicherheitslage am Reiseziel, insbesondere bestehende Reisewarnungen, hinweisen.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin betreibt ein Reisebüro, bei der die Beklagte eine Reise nach Ägypten gebucht hatte. Sie verlangt Zahlung des Reisepreises.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Da die Angestellten der Klägerin nicht ausreichend auf die aktuelle Sicherheitslage am Reiseziel hingewiesen hätten, müsse sich die Beklagte nicht an den Vertrag halten lassen. Hierbei sei insbesondere das Alter der Bekalgten (18 Jahre) und die Tatsache, dass eine Reisewarnung bestand, zu berücksichtigen.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Der Tatbestand entfällt gem. §§ 313 a, 495 a ZPO.

Entscheidungsgründe

6. Die Klage ist unbegründet.

7. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus dem geschlossenen Reisevermittlungsvertrag aus §§ 675, 670 BGB zu.

8. Zwar ist zwischen den Parteien inzwischen unstreitig, dass der Anspruch zunächst entstanden ist, da der Vertragsschluss von der Beklagten nicht länger bestritten wird.

9. Der Anspruch ist aber nicht durchsetzbar, da ihm der sog. „dolo-​agit-​Einwand“, § 242 BGB, entgegensteht. Denn die Zeugin … , die für die Klägerin tätig wurde, hat insoweit ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht verletzt, so dass der Beklagten ein Gegenanspruch aus § 380 BGB zusteht, der dazu führt, dass der Anspruch der Klägerseite nicht durchsetzbar ist.

10. Offen bleiben kann, ob die Beklagte ihren Vortrag zum Ablauf des Gespräches im Reisebüro bewiesen hat.

11. Denn nach der eigenen Aussage der Zeugin … , der zudem die Aussage der Zeugin … und die Einlassung der Beklagten entgegen steht, hat diese Zeugin die Beklagte nicht ausreichend beraten. Ein allgemeiner pauschaler Hinweis darauf, dass in Ägypten Terroranschläge gegeben waren, die zu einem günstigen Preis für die Reise geführt haben, reichte insoweit nicht aus. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zu diesem Zeitpunkt, ca. 6 Wochen nach dem Anschlag im nicht weit entfernten Dahab , auch im Internet und in öffentlichen Berichten vor Reisen nach Ägypten gewarnt wurde und mit weiteren Anschlägen zu rechnen war, hätte die Zeugin … die Beklagte, die erst 18 Jahre alt war, eindringlich auf diese Situation hinweisen müssen. Der von ihr bekundete pauschale Hinweis reicht insoweit nicht aus. Es hätte ein konkreter Hinweis darauf, dass derzeit von Reisen in diese Gegend eigentlich abgeraten werden muss, erfolgen müssen. Auf die Risiken hätte i.e. hingewiesen werden müssen. Von der damals aktuellen Terrorwarnung, die sich unstreitig sogar aus dem Internet ergab, hätte die Zeugin aufgrund ihres Berufes Kenntnis haben müssen.

12. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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