Haftung des Reiseveranstalters für nicht am Zielort eintreffendes Reisegepäck
AG Nürnberg: Haftung des Reiseveranstalters für nicht am Zielort eintreffendes Reisegepäck
Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise gebucht. Ihr im Rahmen dieser Reise zu transportierende Koffer erreichte Peking nicht. Sie erkältete sich, was sie auf die fehlende Kleidung und die Minusgrade zurückführt. Sie verlangt Minderung des Reisepreises und Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.
Das Gericht gab der Klage teilweise statt. Durch das fehlende Gepäck sei die Reise der Klägerin beeinträchtigt gewesen. Dass sie aber gänzlich nutzlos gewesen sei, sei nicht ersichtlich. Der Reisepreis war daher um 50 % zu mindern, ohne dass ein weitergehender Ersatzanspruch bestehe.
AG Nürnberg | 35 C 7300/96 (Aktenzeichen) |
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AG Nürnberg: | AG Nürnberg, Urt. vom 27.11.1996 |
Rechtsweg: | AG Nürnberg, Urt. v. 27.11.1996, Az: 35 C 7300/96 |
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Leitsatz:
2. Der Nichttransport von Reisegepäck berechtigt zur Minderung des Reisepreises; hierbei sind auch die Witterungsbedingungen vor Ort zu beachten.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Peking gebucht. Ihr im Rahmen dieser Reise zu transportierende Koffer erreichte Peking nicht, sondern sie konnte ihn auf der Rückreise in Bucharest wieder in Empfang nehmen. Sie erkältete sich, was sie auf die fehlende Kleidung und die Minusgrade von bis zu -15 Grad Celsius zurückführt. Sie verlangt Minderung des Reisepreises und Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Das Gericht gab der Klage teilweise statt. Verjährung sei nicht angetreten, da die Klägerin mit rechtzeitigem Schreiben die in Rede stehenden Umstände beschrieben hatte. Eine unmittelbare Bezifferung der Ansprüche sei insofern nicht erforderlich. Durch das fehlende Gepäck sei die Reise der Klägerin beeinträchtigt gewesen. Die Klägerin wurde im Genuss der Reise eingeschränkt und musste sich auch nicht auf eine sonstige Beschaffung von Kleidung verweisen lassen. Dass die Reise aber gänzlich nutzlos gewesen sei, sei nicht ersichtlich. Auch wenn sie gegebenenfalls fror, konnte sie noch Eindrücke von Peking und der Chinesischen Mauer sammeln.
Der Reisepreis war daher um 50 % zu mindern, ohne dass ein weitergehender Ersatzanspruch bestehe. Für aus dem Koffer fehlende Gegenstände wurde die Klägerin von der Fluggesellschaft entschädigt.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 677,50 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 09.08.96 zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
5. Die Parteien sind sich uneinig, welche Ersatzansprüche die Klägerin wegen nicht mittransportierten Reisegepäcks hat.
6. Die Klägerin buchte für die Zeit vom 27.01. bis 05.02.96 eine Pauschalreise nach Peking bei der Klägerin, wobei im wesentlichen Besichtigungen der Stadt und der chinesischen Mauer vorgesehen waren. Das Reisegepäck, das im Rahmen dieses Pauschalreisevertrages transportiert wurde, kam in Peking nicht an. Vielmehr konnte die Klägerin es bei der Rückreise in Bukarest wieder in Empfang nehmen, wobei sie den Verlust von Taschenbüchern und Parfüm feststellte.
7. Die Klägerin verlangt insoweit Schadensersatz in Höhe von DM 70,00, weitere DM 50,00 für eine gebuchte aber nicht durchgeführte Stadtrundfahrt in Bukarest, die Hälfte des Reisepreises als solchen in Höhe von DM 677,50 sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit von 5 x in Höhe von DM 500,00. Bei Außentemperaturen von – 10 bis – 15 Grad habe sie die Besichtigungen nicht richtig aufnehmen können. Zudem sei sie schon seit 31.01. stark erkältet gewesen, was sie auf das Fehlen warmer Kleidung zurückführt.
9. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.297,50 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
12. Sie ist der Ansicht, daß die Ansprüche verjährt seien, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach Reisebeendigung geltend gemacht worden seien. Ein Schreiben der Klägerin, eingegangen am 06.02.96 befasse sich nicht mit den jetzt streitgegenständlichen Ansprüchen.
13. Das Zurückbleiben des Koffers falle nicht in ihren Verantwortungsbereich, sondern allenfalls in denjenigen der Fluggesellschaft. Sie hält der Klägerin Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, da sie Kleider einer mitreisenden Freundin hätte ausleihen können, notfalls sich Kleidungsstücke dort kaufen können. Die Erkältung der Klägerin sei nicht auf fehlende Kleidungsstücke sondern auf eine Erkältungswelle zurückzuführen, die alle Reiseteilnehmer ergriffen hätte. Die Beklagte habe alles unternommen, um der Klägerin zum Reisegepäck zu verhelfen. Den Verlust von Taschenbüchern und Parfüm bestreitet sie und hält sich im übrigen nicht hierfür verantwortlich.
14. DM 50,00 für die ausgefallene Stadtrundfahrt gesteht sie grundsätzlich vorbehaltlich der übrigen Einwendungen zu.
15. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 30.10.96 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16. Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
1.
17. Die Klägerin hat Gewährleistungsansprüche gemäß § 651 g Abs. 1 BGB rechtzeitig geltend gemacht. Das bei der Beklagten am 26.02.96 eingegangene Schreiben weist auf alle streitgegenständlichen Angelegenheiten hin, wie Ausfall der Stadtrundfahrt, nicht mitgelieferter Koffer. Dies reicht, um der Beklagten Gewißheit darüber zu verschaffen, daß sie sich Ansprüchen wegen dieser Reise ausgesetzt sieht. Eine Bezifferung der Ansprüche ist noch nicht notwendig (Palandt-Thomas, 54. Auflage RdNr. 1 zu § 651 g BGB).
2.
18. Die Klägerin kann den Reisepreis mindern, § 651 d BGB. Auf ein Verschulden der Beklagten kommt es hierbei nicht an (Palandt a.a.O. Vorbemerkung vor § 651 c RdNr. 3).
19. Da eine Pauschalreise vorliegt, hatte die Beklagte auch die Pflicht, den Koffer bis zum Zielort zu transportieren. Auf evtl. Verschulden der von ihr genutzten Fluglinie kann sie sich nicht berufen.
20. Angemessen ist die Minderung des Reisepreises um 50 %, wie von der Klägerin verlangt. Dies ergibt sich daraus, daß das Fehlen jeglicher persönlicher Kleidung und der Bedarfsgegenstände während der gesamten Reise die Reise als solche stark beeinträchtigt. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, bei einer anderen Reisenden Kleidung auszuleihen. Auch kann sie nicht zum Kauf von Kleidungsstücken in Peking zum Zweck der Schadensminderung verpflichtet sein, zumal sie nicht mit Erstattung durch die Beklagte rechnen konnte. Das Gericht orientiert sich hierbei an Beispielen der Rechtsprechung (OLG Frankfurt am 03.04.1984 in MDR 1984 Seite 667: 25 % Minderung des Reisepreises bei fehlendem Gepäck während der gesamten Reise, wobei allerdings berücksichtigt wurde, daß aus klimatischen Gründen eine „legere Kleidung“ angezeigt war; Landgericht Frankfurt am 28.10.1985 in NJW RR 1986 Seite 216, 217: 20 %ige Minderung des Tagesreisepreises bei Nachlieferung der Gepäckstücke erst nach drei Urlaubstagen; Landgericht Frankfurt am 20.12.1993 NJW RR 1994 Seite 309: 20 % Minderung des Tagesreisepreises bei Nachlieferung des Koffers erst am zweiten Tage einer Schiffsreise unter Bezugnahme auf die gehobenen Bekleidungsgewohnheiten auf einem Kreuzfahrtschiff).
3.
21. Die von der Klägerin vorgetragenen Besonderheiten werden bei der Bemessung der Minderungsquote zugrunde gelegt, so daß sie nicht zusätzlich Anspruch auf Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit gemäß § 651 f Abs. 2 BGB hat. Es wird davon ausgegangen, daß sie mit einem Grundbestand an Kleidungsstücken in Nürnberg das Flugzeug bestiegen hat und, zwar durch die geschilderten Umstände beeinträchtigt, aber immerhin an den Besichtigungen teilnehmen konnte. Das Ziel, bleibende Eindrücke von Peking und der chinesischen Mauer zu haben, ist sicher beeinträchtigt, aber in nicht so hohem Maße, daß der Sinn der Reise für die Klägerin nicht erfüllt worden wäre.
4.
22. DM 50,00 für die bereits vorausbezahlte Stadtrundfahrt in Bukarest hat die Beklagte zurückzuerstatten.
23. Nicht haftbar ist die Beklagte für den Verlust von Gegenständen aus dem Koffer. Die näheren Umstände des Verlustes sind nicht bekannt. So kann nicht festgestellt werden, ob Ursache für den Verlust der Umstand war, daß der Koffer in Bukarest nicht weitertransportiert wurde. Wäre ohnehin etwas aus dem Koffer entwendet worden, so würde die Beklagte als Reiseveranstalter hierfür nicht haften, weil dies zum allgemeinen Lebensrisiko eines Reisenden gehört (Landgericht Frankfurt am 09.05.94 in NJW RR 1994 Seite 1477, 1478). Auch steht nicht fest, ob der Verlust während der Luftbeförderung eingetreten ist, Artikel 18 des Warschauer Abkommens Bundesgesetzblatt 1963 Teil II Seite 1295).
24. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von DM 120,00 für erledigt erklärt, weil sie von der rumänischen Fluggesellschaft die Position Stadtrundfahrt und entwendetes Parfüm und Taschentücher erhalten hat.
25. Kostenentscheidung: § 92 ZPO, Entscheidung zu vorläufigen Vollstreckbarkeit: § 713 ZPO.
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