Haftung des Reiseveranstalters für Körperschaden nach Upgrade

OLG Frankfurt: Haftung des Reiseveranstalters für Körperschaden nach Upgrade

Die Klägerin hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise auf die Malediven inklusive eines Hotelaufenthalts gebucht. Nach der Ankunft wurde die Klägerin auf ein besseres Hotelzimmer umgebucht (Upgrade). Beim Aufenthalt in der betreffenden „Präsidentensuite“ löste sich eine an einem Waschtisch befestigte Granitplatte und fiel auf den rechten Großzeh der Klägerin. Die Klägerin fordert nun Schadensersatz. Die Beklagte argumentiert, sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt, weil sie das Upgrade, das die Hotelbetreiberin vorgenommen hatte, nicht selbst veranlasst hat.

Das Oberlandesgericht in Frankfurt hält die Klage für teilweise begründet. Unstreitigerweise sei die Reise, die die Klägerin bei der Beklagten gebucht hatte gemäß § 651 c Abs. 1 BGB mangelhaft gewesen. Es könne der Klägerin auch nicht angelastet werden, dass sie das Angebot der Hotelbetreiberin in die hochwertigere Präsidentensuite umzuziehen auch wahrgenommen hat. Eine solche Vereinbarung wirkt dann auch für die beklagte Reiseveranstalterin, die nach dem Rechtsgedanken des § 365 BGB auch für die Mangelhaftigkeit der an Erfüllung statt zur Verfügung gestellten Suite einzustehen hat.

OLG Frankfurt 16 U 169/11 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 31.05.2012
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 31.05.2012, Az: 16 U 169/11
LG Frankfurt, Urt. v. 26.08.2011, Az: 19 O 347/09
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Hessen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 31. Mai 2012

Aktenzeichen: 16 U 169/11

Leitsatz:

2. Ein Reiseveranstalter haftet auch für Körperschäden, die ein Reisender nach einem „Upgrade“ vor Ort in einer im Reiseprospekt nicht angebotenen Unterkunft erleidet.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise auf die Malediven inklusive eines Hotelaufenthalts gebucht. Nach der Ankunft wurde die Klägerin auf ein anderes -hochwertigeres – als das gebuchte Hotelzimmer umgebucht (Upgrade). Beim Aufenthalt in der betreffenden „Präsidentensuite“ löste sich eine an einem Waschtisch befestigte Granitplatte und fiel auf den rechten Großzeh der Klägerin. Dabei wurde ihr Knochen zertrümmert.

Die Klägerin fordert nun Schadensersatz und die Feststellung, dass die Beklagte für Folgeschäden, die sich aus der streitgegenständlichen Verletzung ergeben könnten, hafte. Die Beklagte sieht sich nicht in der Haftungspflicht. Sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt, weil sie das Upgrade das die Hotelbetreiberin vorgenommen hatte, nicht selbst veranlasst hat.

Das Oberlandesgericht in Frankfurt hält die Klage für teilweise begründet. Unstreitigerweise sei die Reise, die die Klägerin bei der Beklagten gebucht hatte gemäß § 651 c Abs. 1 BGB mangelhaft. Ein Reisemangel könne darin liegen, dass von der Einrichtung des vom Reiseveranstalter ausgewählten Hotels eine Gefahr für die Sicherheit der Reisenden ausgeht, mit der dieser nicht zu rechnen braucht und die sich dann in Form der Verletzung des Reisenden – vorliegend durch das Lösen einer an einem Waschtisch befestigten Granitplatte – realisiert.

Es könne der Klägerin nicht angelastet werden, dass sie das Angebot der Hotelbetreiberin in die hochwertigere Präsidentensuite umzuziehen auch wahrgenommen hat. Ein Reisender habe grundsätzlich keine Veranlassung, an einer entsprechenden Bevollmächtigung des Leistungsträgers (hier des Hotelbetreibers) und an einer weiterhin geltenden Einstandspflicht des Reiseveranstalters zu zweifeln, wenn der Leistungsträger von sich aus auf den Reisenden zukomme. Eine solche Vereinbarung wirkt auch für die beklagte Reiseveranstalterin, die nach dem Rechtsgedanken des § 365 BGB auch für die Mangelhaftigkeit der an Erfüllung statt zur Verfügung gestellten Suite einzustehen hat.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 2011 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.199,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2009 zu zahlen.

In Höhe von 1.800,- € wird die Klage abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die sich ursächlich aus dem Unfall ergeben, der sich am …. Mai 2008 im Hotel A, Malediven, ereignet hat.

Im Übrigen ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

5. I. Die Klägerin macht gegen die beklagte Reiseveranstalterin (u.a.) Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem während einer bei der Beklagten gebuchten Reise auf die Malediven erlittenen Unfall geltend, bei dem sich eine stirnseitig an einem Waschtisch befestigte Granitplatte löste, auf den rechten Großzeh der Klägerin fiel und den dortigen Knochen zertrümmerte. Dieser Unfall ereignete sich in der Präsidentensuite, in die die Klägerin, die mit ihrer Familie zunächst entsprechend ihrer Buchung in zwei Wasservillen untergebracht war, auf Veranlassung des Hotels, im Übrigen unter streitigen Umständen während ihres Aufenthalts umgezogen war und die in der Katalogbeschreibung der Beklagten nicht aufgeführt war.

6. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 293 bis 294 d.A.) Bezug genommen.

7. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keine Ansprüche aus §§ 651 f Abs. 1, 651 c Abs. 1 BGB, da die Beklagte keine sie treffenden Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Grundsätzlich sei der Reiseveranstalter für die Sicherheit sämtlicher den Reisenden zur Verfügung stehender Hoteleinrichtungen verantwortlich. Dazu habe jedoch nicht die Präsidentensuite gehört, die die Beklagte in dem der Buchung der Klägerin zugrundeliegenden Prospekt nicht als Unterkunft angeboten habe. Die Beklagte habe auch nicht damit rechnen müssen, dass die Klägerin während ihres Hotelaufenthalts mit dieser Suite im Rahmen der bestimmungsgemäßen Nutzung der Hotelanlage in Berührung kommen werde. Das Personal des Hotels habe bei der Vertragsänderung bereits deshalb nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten gehandelt, weil die Präsidentensuite nicht zu dem durch die Beklagte angebotenen Leistungsumfang gehörte. Dass es sich bei der Suite um eine völlig andere Unterkunft als die gebuchten Beach-Villen handelte, sei für die Klägerin ohne weiteres erkennbar gewesen. Für die Beklagte habe auch kein Interesse an einer derart weitreichenden Veränderung bestanden. Im Übrigen habe es dem Hotelpersonal und der Klägerin freigestanden, weitere oder andere als die im ursprünglichen Reisevertrag geschuldeten Leistungen zu vereinbaren; eine Hinweispflicht darauf, dass die Beklagte für diese ohne ihre Beteiligung zustande gekommenen Verträge nicht einstandspflichtig sei, löse dies nicht aus. Die Klägerin hätte sich zudem bei der örtlichen Reiseleitung des Einverständnisses der Beklagten vergewissern können.

8. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 295 bis 297 d.A.) wird verwiesen.

9. Gegen dieses ihr am 1. September 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 30. September 2011 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 1. Dezember 2011 mit einem am 30. November 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

10. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageziele weiter.

11. Sie argumentiert, die Beklagte hafte bereits aufgrund eines Mangels nach § 651 c Abs. 1 BGB aus § 651 f. Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Das Zusammenbrechen eines Waschtisches stelle einen Reisemangel dar. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Unterbringung in der Präsidentensuite nicht dem vertraglich geschuldeten Leistungssoll entspreche. Der Leistungsträger fungiere als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters im Sinne des § 278 BGB. Vorliegend sei die Handlung des Erfüllungsgehilfen in dem Angebot auf Wechsel der Unterkunft darauf gerichtet gewesen, der Klägerin die vertraglich geschuldete Leistung zu nehmen. Dadurch, dass der Leistungsträger den Wunsch nach Aufgabe der bereits bezogenen Unterkünfte äußerte, sei die Reiseleistung durch Erfüllung dieses Wunsches seitens der Klägerin mangelhaft geworden. Demzufolge sei der Erfüllungsgehilfe im Sinne der Beklagten zugleich verpflichtet gewesen, für Abhilfe zu sorgen, wie es mit dem Angebot der Unterbringung in der Präsidentensuite erfolgt sei. Dieses Verhalten müsse sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen.

12. Im Übrigen ergebe sich aus der Reitunfall-Entscheidung und der Wasserrutschen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass sich die Verkehrssicherungspflichten der Beklagten auch auf die Präsidentensuite als Bestandteil der Hotelanlage erstreckten; insoweit habe die Beklagte bislang nicht substantiiert vorgetragen, wie sie der Verkehrssicherungspflicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sei.

13. Die Klägerin beantragt,

14. das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 2011 abzuändern und

a) die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.539,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2009 zu zahlen,

b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die sich aus den Folgen anlässlich des Unfalls ergeben, der sich am …. Mai 2008 im Hotel A, Malediven, ereignet hat,

c) die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 718,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

16. die Berufung zurückzuweisen.

17. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

18. Mangels einer Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit der Reiseleistungen von den Versprechungen der Beklagten als Veranstalterin liege kein Reisemangel vor. Die Klägerin habe redlicherweise unter den gegebenen Umständen nicht davon ausgehen dürfen, dass die Präsidentensuite zu dem von der Beklagten geschuldeten Leistungsumfang gehöre; sie habe auch nicht davon ausgehen können, dass die Vertreter des Leistungsträgers insoweit als Vertreter der Beklagten gehandelt hätte. Dies gelte umso mehr, als auch ein Abhilfeverlangen gegenüber dem Veranstalter bzw. seinen örtlichen Repräsentanten anzubringen sei und nicht beim Leistungsträger. Die Beklagte habe in ihrer Produktbeschreibung die Möglichkeit der Buchung einer Präsidentensuite nicht erwähnt, und der Umzug vor Ort sei ausschließlich aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Hotelbetreiber ohne Wissen des zuständigen Repräsentanten der Beklagten erfolgt.

19. Die Beklagte hafte auch nicht wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, da sich die Präsidentensuite aus Sicht der Klägerin nicht als integraler Bestandteil des Hotelkomplexes dargestellt habe. Die Verantwortlichkeit des Veranstalters könne nicht auf Bereiche ausgedehnt werden, die der Leistungsträger durch eine gesonderte Vereinbarung mit dem Kunden ohne Wissen des Veranstalters in einem bestimmten, abgegrenzten und als Privatsphäre überlassenen Teil des Hotels dem Verkehr öffne.

20. Im Übrigen erstrecke sich die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters nur auf solche Sicherheitsrisiken, die sich bei genauem Hinsehen jedermann offenbarten, nicht jedoch für versteckte Mängel.

21. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

22. II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

23. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 651 c Abs. 1, 651 f Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 1.199,22 €; in Höhe von 1.800,- € besteht ein Anspruch nicht. Im Übrigen ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach berechtigt, derzeit allerdings noch nicht entscheidungsreif.

24. Die bei der Beklagten gebuchte Reise war gemäß § 651 c Abs. 1 BGB mangelhaft.

25. Ein Reisemangel liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reise von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam stillschweigend vorausgesetzt haben und dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert wird (Palandt/Sprau, 71. A., § 651 c BGB Rn. 2); es muss also eine negative Abweichung vom vereinbarten Leistungsprogramm vorliegen (Führich, Reiserecht, 6. A., § 7 Rn. 214).

26. Unstreitig schuldete die Beklagte die Unterbringung der Klägerin und ihrer Familie in zwei Wasservillen („B Villa“) im „C“, in denen sie zunächst auch – vertragsgerecht – untergebracht waren.

27. Allerdings ist dieses Leistungsprogramm dadurch geändert worden, dass das Hotel (im Folgenden: Leistungsträger) der Klägerin das Angebot unterbreitete, in die Präsidentensuite umzuziehen, und die Klägerin dieses Angebot auch annahm.

28. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Leistungsträger im Rahmen der Umquartierung der Klägerin und ihrer Familie mit dieser keinen eigenen Beherbergungsvertrag abgeschlossen. Die Beklagte will Entsprechendes dem Umstand entnehmen, dass die Präsidentensuite ausweislich des der Buchung der Reise zugrunde liegenden Katalogs nicht im Leistungsumfang der Beklagten enthalten war. Dem Abschluss eines Eigengeschäfts steht jedoch bereits entgegen, dass die Klägerin keine Veranlassung und ersichtlich auch keinen rechtsgeschäftlichen Willen dahingehend hatte, von einer Durchführung des mit der Beklagten geschlossenen Reisevertrags – der von ihrer Seite mit der Zahlung des Reisepreises bereits erfüllt war – Abstand zu nehmen und statt dessen einen eigenen Vertrag mit dem Leistungsträger abzuschließen, was zugleich mit der Verpflichtung verbunden gewesen wäre, dem Leistungsträger eine Vergütung für die Präsidentensuite zu zahlen. Auch im Hinblick auf den Leistungsträger ist nicht ersichtlich, dass er ein solches in Konkurrenz zu der Beklagten stehendes Eigengeschäft mit der Klägerin abschließen wollte. Der Klägerin und dem Leistungsträger ging es vielmehr darum, dass auch weiterhin der zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Reisevertrag erfüllt wird – wenn auch auf andere Art und Weise als zunächst geschuldet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Vereinbarung des Umzugs in die Präsidentensuite als eine Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 BGB dar. Indem der Leistungsträger der Klägerin anbot, den mit der Beklagten geschlossenen Reisevertrag statt mit der Unterbringung in den Wasservillen mit der Unterbringung in der Präsidentensuite zu erfüllen, und die Klägerin dieses Angebot annahm, haben sie eine Vereinbarung über die Erfüllung der ursprünglichen Schuld geschlossen, wobei unerheblich ist, dass die Leistung an Erfüllungs statt von dem Leistungsträger als Dritten bewirkt wurde (vgl. MünchKomm/Fetzer, 6. A., § 364 BGB Rn. 4).

29. Diese Vereinbarung wirkt auch für und gegen die Beklagte, die nach dem Rechtsgedanken des § 365 BGB für die Mangelhaftigkeit der an Erfüllungs statt zur Verfügung gestellten Suite einzustehen hat. Zwar trifft, wenn ein Dritter die Leistung an Erfüllungs statt erbracht hat, grundsätzlichen diesen – und nicht den Schuldner – die Gewährleistungspflicht (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 365 BGB Rn. 2). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich der Schuldner die Änderung zurechnen lassen muss (Staudinger/Olzen, Neub. 2011, § 365 BGB Rn. 28). Dies ist vorliegend anzunehmen.

30. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Leistungsträger grundsätzlich nicht als örtlicher Vertreter der Beklagten anzusehen ist und deshalb beispielsweise auch ein Abhilfeverlangen gegenüber dem Reiseveranstalter und seinen örtlichen Repräsentanten und nicht beim Leistungsträger anzubringen ist. Jedoch kommt bereits bei einem an den Leistungsträger gerichteten Abhilfeverlangen unter bestimmten Umständen ausnahmsweise eine stillschweigende Ermächtigung des Hotels in Gestalt einer Anscheinsvollmacht in Betracht (MünchKomm/Tonner, 5. A., § 651 c BGB Rn. 43; Staudinger/Staudinger, Neub. 2011, § 651 c Rn. 157). Dies muss nach Auffassung des Senats aber erst recht gelten, wenn der Leistungsträger von sich aus auf den Reisenden zukommt und im Rahmen der Vertragserfüllung eine Umquartierung vorschlägt. Der Reisende hat dann grundsätzlich keine Veranlassung, an einer entsprechenden Berechtigung bzw. Bevollmächtigung des Leistungsträgers und an einer weiterhin geltenden Einstandspflicht des Veranstalters zu zweifeln und sich zunächst rückzuversichern, ob auch der Veranstalter mit der Abänderung des Leistungsgegenstands einverstanden sei.

31. Etwas anderes gilt vorliegend auch nicht deshalb, weil die Präsidentensuite nach dem maßgeblichen Katalog nicht von dem Leistungsumfang der Beklagten umfasst war. Zum einen hat die Klägerin bestritten, dass ihr im Zeitpunkt der Umquartierung bekannt bzw. erkennbar war, dass die Präsidentensuite nicht zum Leistungsprogramm der Beklagten gehörte. Dies ist auch nachvollziehbar, da zwischen Buchung der Reise (bzw. der ersten, vor Reiseantritt erfolgten Umbuchung auf den Leistungsträger) und der Umquartierung ein Zeitraum von über zwei Monaten lag, die Klägerin bei Vereinbarung des Umzugs unstreitig nicht auf das Fehlen der Präsidentensuite im Leistungsumfang der Beklagten hingewiesen wurde und zudem nicht erwartet werden kann, dass ein Reisender die Katalogangaben so genau studiert, dass er selbst über nicht erwähnte Unterkünfte informiert ist und diese Informationen Monate später im Rahmen einer Umquartierung abrufen kann. Zum anderen muss der Reisende nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18. Juli 2006, X ZR 142/05, NJW 2006, 3268 – Wasserrutsche) aus der Nichterwähnung einer Hoteleinrichtung im Katalog des Reiseveranstalters keinesfalls schließen, dass der Veranstalter diese aus seinem Leistungsangebot ausschließen und dafür keine Verantwortung übernehmen will; vielmehr erhebt die Beschreibung des Hotels im Katalog in den Augen des Reisekunden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die – im Katalog der Beklagten nicht erwähnte – Präsidentensuite (zumindest im Jahr 2010) über die Beklagte buchbar war, wie die von der Klägerin vorgelegte Anfrage vom Juni 2010 aufzeigt; dies macht deutlich, dass aus der Nichterwähnung im Katalog nicht ohne Weiteres geschlossen werden kann, dass ein bestimmtes Gästezimmer oder eine bestimmte Unterkunftskategorie überhaupt nicht dem Leistungsangebot eines Veranstalters unterfällt. Hinzu kommt, dass die Vornahme eines „Upgrades“ vor Ort durch den Leistungsträger nicht unüblich ist, so dass der Reisende grundsätzlich davon ausgehen kann, dass dies im Einverständnis mit dem Veranstalter geschieht, der im Übrigen letztlich auch davon profitiert, wenn dies die Zufriedenheit des Kunden steigert. Nach alledem stellt sich die angebotene und angenommene Umquartierung in die Präsidentensuite aus Sicht der Klägerin als eine Erfüllung an Erfüllungs statt dar, für die die Beklagte gewährleistungsrechtlich einzustehen hat.

32. Die Erfüllung des Reisevertrags durch Zurverfügungstellung der Präsidentensuite war auch mangelhaft, da der Leistungsträger im Hinblick auf den Zustand des Waschtischs seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hat und dies zu einer Verletzung der Gesundheit der Klägerin geführt hat; dies ist der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen.

33. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) kann ein Reisemangel mit der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zusammenfallen. Insbesondere kann ein Reisemangel darin liegen, dass von der Einrichtung des vom Reiseveranstalter ausgewählten Hotels eine Gefahr für die Sicherheit des Reisenden ausgeht, mit der er nicht zu rechnen braucht, und die sich dann in Form der Verletzung des Reisenden realisiert .

34. Vorliegend ist die Klägerin dadurch verletzt worden, dass sich die stirnseitig am Waschtisch befestigte Granitplatte löste und auf ihren rechten Fuß fiel, womit die Klägerin nicht rechnen musste. Dieser Unfall beruht auch auf einer Verletzung der den Leistungsträger treffenden Verkehrssicherungspflichten. Die Klägerin hat vorgetragen, dass im Bad der Tochter die – ebenfalls gebrochene und in diesem Zustand im Abstellraum liegende Granitplatte – bereits durch eine Holzplatte ersetzt war und dass sich im Abstellraum der Wohnung der Klägerin eine bereits zugeschnittene Holzplatte befand, die ersichtlich als Ersatz für die noch an dem Waschtisch angebrachte Granitplatte gedacht war. Diesen Vortrag, den die Klägerin mit einer Reihe von aussagekräftigen Fotos untermauert hat, hat die Beklagte lediglich pauschal bestritten, was angesichts der genauen Angaben der Klägerin unsubstantiiert ist. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits die Granitplatte im Bad der Tochter heruntergefallen war, der Leistungsträger die Gefahr erkannt und für das Bad der Klägerin Vorbereitungen zum Ersatz der Granit- durch eine Holzplatte getroffen hatte; der Leistungsträger hätte vor dem Hintergrund der erkannten Gefahr die Präsidentensuite nicht der Klägerin überlassen dürfen, ohne zuvor die Gefahrenquelle zu beseitigen. Diese Verletzung der Verkehrssicherungspflichten muss sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen, so dass die Reise mangelhaft war und dem Grund nach gemäß § 651 f. Abs. 1 BGB eine Haftung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld besteht.

35. Dieser Anspruch beläuft sich derzeit unter Berücksichtigung des von der Beklagten gezahlten frei verrechenbaren Vorschusses auf 1.199,22 €.

36. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes ist der von der Klägerin begehrte Betrag in Höhe von 3.000,- € unter Berücksichtigung aller Umstände ausreichend und angemessen. Die Klägerin hat durch das Herabfallen der Granitplatte eine offene Trümmerfraktur des Zehenendglieds der rechten Großzehe mit teilweiser Ablösung des Nagels sowie eine Endgliednagelkranzfraktur der zweiten rechten Zehe erlitten und war zumindest bis zum 4. Juli 2008 arbeitsunfähig. Zwar ist die Fraktur ausweislich des in erster Instanz eingeholten orthopädisch-chirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. habil SV1 vom 11. Januar 2011 verheilt; allerdings ist es aufgrund von Ausweichbewegungen zur Schmerzvermeidung bei ablaufender Maximalbelastung über den Fußaußenrand zu einer vermehrten Spornbildung und zu einer eingeschränkten Beweglichkeit der Großzehe gekommen. Zudem war nach Angaben der Klägerin, die der Sachverständige als nachvollziehbar bezeichnet hat, das Betätigen eines Fußschalters, welcher im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin als Zahnärztin notwendig ist, initial nicht bzw. nur unter Schmerzen möglich und bereitet weiterhin Schwierigkeiten, ferner durch das Laufen mit zwei Unterarmstützen hatte sich zwischenzeitlich eine bereits vorhandene Problematik mit dem linken Karpaltunnel verschlechtert. Hinzu kommen unfallbedingte Beschwerden im Bereich des Iliosacralgelenks und der Lendenwirbelsäule (LWS). Zwar liegt bei der Klägerin eine inkomplette linksbetonte Querschnittlähmung vor, die trotz eines im Unfallzeitpunkt vorherrschenden stabilen Zustands in jedem Fall zu Beschwerden im Bereich des Iliosacralgelenks und der LWS geführt hätte. Der Sachverständige hat jedoch – wie er in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht ergänzend erläutert hat – insoweit einen vorauseilenden Einfluss des Unfallgeschehens festgestellt. Danach hat die Klägerin aufgrund der Fraktur der rechten Großzehe eine zusätzliche Gangbildstörung entwickelt und daher früher Iliosakralbeschwerden entwickelt, als das ohne den Unfall anzunehmen wäre.

37. In Anbetracht dieser Umstände und erlittenen Verletzungen ist der von der Klägerin begehrte Schmerzensgeldbetrag von 3.000,- € nicht zu beanstanden und wird letztlich auch von der Beklagten nicht mehr angegriffen (vgl. Schriftsatz vom 27. Juni 2011, Bl. 280 d.A.).

38. Hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schadenspositionen ist der Rechtsstreit nur teilweise wie folgt entscheidungsreif:

39. – 3,64 € sind für die Röntgenkopie im … Hospital und 9,09 € für den Kauf der zweiten Unterarmstütze zu erstatten. Beide Kostenpositionen sind durch entsprechende Rechnungen belegt, die von der Beklagten pauschal bestrittene medizinische Notwendigkeit liegt auf der Hand.

40. – Im Weiteren ist nachvollziehbar, dass die Klägerin nach dem Unfall nicht laufen und damit auch nicht Bahn fahren konnte, so dass die mit Rechnungen belegten Kosten für die Anmietung eines Autos (89,- €) und die Tankrechnung über 30,- € als Schaden feststehen.

41. – Dass die für einen Vorfußentlastungsschuh geltend gemachte Zuzahlung in Höhe von 7,27 € auf dem streitgegenständlichen Unfall beruht, folgt aus dem ebenfalls in Ablichtung vorgelegten ärztlichen Attest des Arztes Dr. D, das als Diagnose auf die offene Großzehenendgliedfraktur verweist.

42. – Schließlich liegt die sich auf den streitigen Unfall beziehende schriftliche gutachtliche Äußerung des Dr. D vom 16.11.2008 vor, so dass die dafür von der Klägerin verauslagten Kosten von 40,22 € zu erstatten sind.

43. – 20,- € sind als Auslagenpauschale zuzuerkennen.

44. Hinsichtlich der übrigen unter der Anlage A1 geltend gemachten Kosten, deren von der Beklagten bestrittener Zusammenhang mit dem Schadensfall nicht aufgrund aktenkundiger Umstände feststeht, wird Beweis zu erheben sein. Gleiches gilt für die Ursächlichkeit des Schadensfalls für die unter Anlage A2 aufgeführten Fahrten.

45. Abzuweisen ist die Klage im Hinblick auf den angeblichen Ausfall der Weihnachtsgratifikation des Jahres 2008 in Höhe von 1.800,- €. Insoweit fehlt es an einem schlüssigen Vortrag eines Schadens. Zwar hat die Klägerin dargelegt, dass sie aufgrund der Verletzungen einen Notdienst im Zeitraum vom 7. bis zum 9. Juni 2008 nicht erbringen konnte, und behauptet, sie habe die Gratifikation dazu verwendet, um eine Vertretung finanzieren zu können. Der vorgelegten Verdienstabrechnung 12/2008 lässt sich lediglich entnehmen, dass die Weihnachtsgratifikation – deren Höhe nicht angegeben ist – als Ausgleich für einen nicht geleisteten Notdienst entfalle. Dazu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Februar 2010 ergänzend erklärt, der Arbeitgeber – ihr Ehemann – habe mit ihm entstandenen Kosten gegenrechnen können und die Kosten für den Ersatz hätten auch von ihrem Gehalt beglichen werden können. Es ist aber in keiner Weise ersichtlich, dass der Ehemann der Klägerin oder die Klägerin selbst tatsächlich einen Betrag in Höhe von 1.800,- € für eine Ersatzkraft aufgewandt haben. Die Klägerin hat insoweit lediglich als Anlage A4 eine „Berechnung des Ausgleichs für den nicht geleisteten Notdienst“ vorgelegt, ohne dass ersichtlich ist, dass diese Kosten tatsächlich angefallen und gezahlt worden wären.

46. Von dem Anspruch der Klägerin über 3.199,22 € ist der Vorschuss der Beklagten in Höhe von 2.000,- € in Abzug zu bringen, so dass der Klägerin im Wege des Teilurteils ein Betrag in Höhe von 1.199,22 € nebst den geltend gemachten Verzugszinsen (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB) zuzusprechen ist; in Höhe von 1.800,- € ist die Klage abzuweisen. Im Übrigen war durch Grundurteil auszusprechen, dass eine Haftung der Beklagten für die weiteren Schadenspositionen dem Grunde nach gegeben ist.

47. Zudem war im Wege des Teilurteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Unfall vom … Mai 2008 entstehen werden. Zwar ist nach den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eine Progredienz bzw. Verschlechterung der Beschwerden der Klägerin nicht zu erwarten. Die Beschwerden als solche dauern jedoch an, so dass die Möglichkeit von Spätschäden nicht ausgeschlossen ist.

48. Die Höhe des dem Grunde nach gemäß § 651 f. Abs. 1 BGB bestehenden Anspruchs auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten hängt von der nach Durchführung der Beweisaufnahme abschließend zu ermittelnden Schadenshöhe ab, die den Gegenstandwert beeinflusst.

49. III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

50. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des zugesprochenen Teils des Anspruchs folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

51. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 ZPO zuzulassen. Es bedarf der grundsätzlichen Klärung, ob der Leistungsträger bei einer von ihm ausgehenden Vornahme eines „Upgrades“ bzw. einer Veränderung des Leistungsgegenstands aus Sicht des Reisenden den Reiseveranstalter mit der Folge gewährleistungsrechtlicher Haftung verpflichtet.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: OLG Frankfurt: Haftung des Reiseveranstalters für Körperschaden nach Upgrade

Verwandte Entscheidungen

LG Baden-Baden, Urt. v. 23.12.2002, Az: 1 S 44/02
LG Frankfurt, Urt. v. 07.05.1999, Az: 2/21 O 467/98
AG Baden-Baden, Urt. v. 28.05.1993, Az: 6 C 288/92

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Haftung des Reiseveranstalters nach Upgrade
Passagierrechte.org: Verletzung im Urlaub – wer haftet?

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte