Haftung beim grob fahrlässigen Verschulden

OLG Frankfurt: Haftung beim grob fahrlässigen Verschulden

Die Klägerin verklagt das Luftfrachtunternehmen auf Schadensersatz, da bei einer Lieferung ein Teil von dieser verloren gegangen ist. Da hier keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt reicht ein Sockelbetrag, welcher im Warschauer Abkommen geregelt ist aus.

Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück.

OLG Frankfurt 5 U 181/00 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 28.05.2002
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 28.05.2002, Az: 5 U 181/00
LG Frankfurt, Urt. v. 29.09.2000, Az: 5 O 10/99
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Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 28.05.2002

Aktenzeichen: 5 U 181/00

 Leitsatz:

2. Kommt es infolge einer Lieferung zu einem Verlust der Ware und es liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor, so reicht ein Sockelbetrag als Schadensersatz, welcher im Warschauer Abkommen geregelt ist aus.

Zusammenfassung:

3. In dem vorliegenden Fall verlangt die Klägerin Zahlung für die verloren gegangen Ware auf dem  Weg vom Absender in Deutschland zum Zielort in Glasgow. Die Beklagte bestreitet dies auch nicht und zahlte dem Kläger bereits eine Sockelsumme nach dem Warschauer Abkommen, da bei Länder Mitgliedsstaaten seien. Der Kläger ist mit dieser Zahlung nicht zufrieden, da ihm ein wesentlich höherer Schaden vorliegt und geht in Berufung.

Das Gericht weist die Berufung des Klägers ab, da keine grobe Fahrlässigkeit der Beklagte vorliegt, durch die es zu dem Verlust der Ware gekommen ist.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. September 2000 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LGs Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 4.500,–€ abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten können durch unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

5. Die Klägerin verlangt als Transportversicherer aus abgeleitetem Recht Schadensersatz wegen des Verlusts eines Kartons einer aus 29 Kartons bestehenden Lieferung mit Elektronikschaltern von Frankfurt/M. nach Glasgow/Schottland. Von der durch die beklagte Fluggesellschaft geteilten, per Luftfracht gelieferten Sendung konnte der Empfangsspediteur im Flughafenumschlaglager in Glasgow nur 28 Kartons in Empfang nehmen. Der Verbleib des letzten Kartons konnte nicht aufgeklärt werden.

6. Die Beklagte zahlte auf den Verlust vorprozessual 719,48 DM (entsprechend 367,86 EUR), nämlich den Sockelbetrag des Art. 22 Abs. 2 WA 1955. Die Klägerin vertrat die Ansicht, die Beklagte hafte unbeschränkt auf Schadensersatz, und klagte auf Zahlung weiterer 41.076,52 DM (entsprechend 21.002,09 EUR). Im Rechtsstreit berief sie sich darauf, die Beklagte habe zu Organisation und Sicherung des Transports nicht ausreichend vorgetragen.

7. Das LG wies die Klage ab. Die Berufung blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe:

8. Die Klägerin kann gem. Art. 22 Abs. 2 WA 1955 über den bereits durch Zahlung geleisteten und unstreitig zutreffend berechneten Sockelbetrag von 719,48 DM hinaus keinen weiteren Ersatz für den Teilverlust der Sendung verlangen. Das Warschauer Abkommen i.d.F. von 1955 ist anwendbar, weil die Parteien eine internationale Luftbeförderung vereinbarten und Großbritannien und Deutschland Vertragsstaaten des Abkommens sind. Der Verlust trat bei der Beförderung ein, weil das Umschlaglager, was die Berufung nicht angreift, von Leuten der Beklagten i.S.d. Art. 25 WA 1955 auf dem Flughafen Glasgow geführt wird. Die Klägerin hat die Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung der Beklagten nach Art. 25 WA 1955 nicht vorgetragen, nämlich nicht, dass der Schaden leichtfertig und in dem Bewusstsein seines wahrscheinlichen Eintritts herbeigeführt wurde. Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast trotz ihr zuzugestehender Erleichterungen nicht genügt.

9. Der Anspruchsteller „erfüllt allerdings die ihm obliegende Darlegungslast für ein grob fahrlässiges Verschulden des Spediteurs oder Frachtführers bereits dann, wenn der Klägervortrag nach den Umständen des Falles ein grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe legt und allein der Spediteur bzw. der Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens zumutbarerweise beitragen kann“, oder wenn sich „die Anhaltspunkte für das Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben“ (BGH v. 21.9.2000 – I ZR 135/98, MDR 2001, 577 = TranspR 2001, 29).

10. Durch die Zeugen … ist bewiesen, dass das fehlende Packstück am 21.3.1998 um 19.30 Uhr im Umschlaglager auf Platz 633 eingelagert wurde, wovon auch das LG nach der Beweiserhebung ausgeht. Die Aussagen der Zeugen sind nämlich glaubhaft. Die Aussage des Lagerarbeiters steht in Einklang mit dem Cargo-Manifest, das die Beklagte in unbestrittener Kopie vorgelegt hat.

11. Anhaltspunkte für ein grob fahrlässiges Abhandenkommen des Packstücks von diesem Platz hat die Klägerin, wie von ihr trotz aller Vortragserleichterung zu verlangen ist, nicht vorgebracht. … Dessen ungeachtet hat die Beklagte hinsichtlich der Sicherungsmaßnahmen ohnehin ihrer sekundären Darlegungslast genügt, denn sie hat jedenfalls grobes Sicherungsverschulden ausschließende Maßnahmen behauptet, deren Richtigkeit der Zeuge bestätigt hat.

12. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt für eine Falschauslieferung oder eine unzureichende Organisation der Auslieferung. Denn eine Schnittstellenerfassung hinsichtlich der Auslieferung fand im Lagerbüro statt. Die Richtigkeit der tatsächlichen Auslieferung kontrollierte der herausgebende Lagerarbeiter anhand der vom Lagerbüro dem Abholer ausgestellten Freigabeermächtigung. Er bedurfte keiner Gegenkontrolle durch einen weiteren Mitarbeiter oder durch eine technische Erfassung, weil auch der Empfänger regelmäßig die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auslieferung im eigenen Interesse prüft.

13. Für eine Verstapelung hat die Klägerin schon im Ansatz nichts vorgetragen. Ob sich Anhaltspunkte für ein grobes Organisationsverschulden hinsichtlich des Zusammenführens getrennt angelieferter Sendungsteile ergeben, kann dahinstehen. Läge ein solcher Organisationsmangel vor, wäre er nicht für den Verlust des Kartons ursächlich geworden. Denn dessen ursprünglicher Lagerort, der Platz 633, konnte … ohne weiteres festgestellt werden.

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