Europäische Pauschalreisenrichtlinie und nationale Vorschriften im Insolvenzfall

EuGH: Europäische Pauschalreisenrichtlinie und nationale Vorschriften im Insolvenzfall

Ein Reisegast bucht bei einem Reiseveranstalter eines  EU-Mitgliedstaates. Dieser geht Konkurs und der Reisegast  möchte sein bereits gezahltes  Geld zurück.

EuGH entschied, dass das jeweilige Gericht des Staates zuständig sei.

EuGH C-430/13 (Aktenzeichen)
EuGH: EuGH, Urt. vom 16.01.2014
Rechtsweg: EuGH, Urt. v. 16.01.2014, Az: C-430/13
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Europäischer Gerichtshof

1. Urteil vom 16. Januar 2014

Aktenzeichen C-430/13

Leitsatz:

2. Bei Insolvenz des Reiseveranstalter oder –vermittlers  liegt die Entscheidung ob der EuGH hinzugezogen wird oder ob die nationalen Vorschriften ausreichen bei den zuständigen Gerichten.

 

Zusammenfassung:

3.Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin eine Pauschalreise bei einem ungarischen Reiseunternehmen. Dieses Unternehmen ging in Insolvenz. Die Klägerin klagt nun auf Erstattung der bereits  gezahlten Reisekosten.

Der Europäische Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass die ansässigen Gerichte des jeweiligen Landes selbst entscheiden können ob die  Höhe der Sicherheit in Falles des Konkurs des Reiseveranstalter – oder vermittlers ausreichend sind oder ob hierfür der EuGH hinzugezogen werden sollte.

 

Tenor:

4. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

  1. Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, deren Ausgestaltung nicht zu dem Ergebnis führt, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters für den Verbraucher die Erstattung aller von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise tatsächlich sichergestellt sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies bei den nationalen Rechtsvorschriften, um die es in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit geht, der Fall ist.
  1. Art. 7 der Richtlinie 90/314 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat über keinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Umfangs der Risiken verfügt, die die vom Reiseveranstalter oder -vermittler zugunsten der Verbraucher zu stellende Sicherheit abdecken muss. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Kriterien, die der betreffende Mitgliedstaat zur Bestimmung der Höhe dieser Sicherheit festgelegt hat, zum Gegenstand oder zur Folge haben, dass das Ausmaß der Risiken, die durch die Sicherheit gedeckt werden sollen, beschränkt wird; in diesem Fall wären die Kriterien offensichtlich mit den Verpflichtungen aus der genannten Richtlinie unvereinbar und begründeten einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht, der, sofern sich ein unmittelbarer Kausalzusammenhang feststellen lässt, die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats auslösen könnte.

 

Gründe:

5. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158, S. 59).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Baradics u. a., die Kunden eines Reiseveranstalters sind, einerseits und der QBE Insurance (Europe) Ltd Magyarországi Fióktelepe (im Folgenden: QBE Insurance) sowie dem Magyar Állam, vertreten durch das Nemzeti Fejlesztési Minisztérium (im Folgenden: ungarischer Staat), andererseits wegen der Erstattung der Anzahlung bzw. des Gesamtpreises, die von den Klägern des Ausgangsverfahrens jeweils für den Kauf einer Pauschalreise entrichtet worden waren.

Rechtlicher Rahmen:

Unionsrecht:

6. In den Erwägungsgründen 7, 18, 21 und 22 der Richtlinie 90/314 heißt es:

„Dem Fremdenverkehr kommt eine ständig wachsende Bedeutung im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten zu. Pauschalreisen bilden einen wichtigen Teil des Fremdenverkehrs. Dieser Zweig des Reisegewerbes in den Mitgliedstaaten würde zu stärkerem Wachstum und erhöhter Produktivität angeregt, wenn es ein Minimum an gemeinsamen Regeln gäbe, um diesen Wirtschaftszweig auf Gemeinschaftsebene zu strukturieren. …

Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, hat gegenüber dem Verbraucher die Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu übernehmen. Ferner haben der Veranstalter und/oder der Vermittler die Haftung für Schäden zu übernehmen, die dem Verbraucher aus der Nichterfüllung oder der mangelhaften Erfüllung des Vertrages entstehen, es sei denn, dass die bei der Ausführung des Vertrages festgestellten Mängel weder auf einem Verschulden ihrerseits noch auf einem Verschulden eines anderen Dienstleistungsträgers beruhen.

Sowohl dem Verbraucher als auch der Pauschalreisebranche wäre damit gedient, wenn der Reiseveranstalter und/oder -vermittler verpflichtet wäre, Sicherheiten für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses nachzuweisen.

Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, für den Bereich der Pauschalreisen strengere Vorschriften zum Schutz der Verbraucher zu erlassen oder beizubehalten“.

7. Art. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Pauschalreisen (einschließlich Pauschalurlaubsreisen und Pauschalrundreisen), die in der Gemeinschaft verkauft oder zum Kauf angeboten werden.“

8. In Art. 2 der Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

  1. Pauschalreise: die im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten wird, wenn diese Leistung länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt:

  2. a) Beförderung,

  3. b) Unterbringung,

  4. c) andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen.

Auch bei getrennter Berechnung einzelner Leistungen, die im Rahmen ein und derselben Pauschalreise erbracht werden, bleibt der Veranstalter oder Vermittler den Verpflichtungen nach dieser Richtlinie unterworfen.

  1. Veranstalter: die Person die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler verkauft oder zum Verkauf anbietet.
  2. Vermittler: die Person, welche die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet.

…“

9.  Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Vertrag folgende Grundsätze beachtet werden:

  1. a) Je nach der Natur der Pauschalreise umfasst der Vertrag mindestens die im Anhang dieser Richtlinie aufgeführten Bedingungen.

  2. b) Alle Bedingungen des Vertrages werden schriftlich oder in einer anderen dem Verbraucher verständlichen und zugänglichen Form festgelegt und sind ihm vor Vertragsabschluss zu übermitteln; er erhält eine Abschrift des Vertrages.

  3. c) Die Bestimmung unter Buchstabe b) darf Buchungen und Vertragsabschlüssen, die zu einem späten Zeitpunkt oder ‚im letzten Augenblick‘ erfolgen, nicht entgegenstehen.“

10.  Art. 4 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 90/314 lautet:

„Wenn der Verbraucher gemäß Absatz 5 vom Vertrag zurücktritt oder wenn der Veranstalter – gleich aus welchem Grund, ausgenommen Verschulden des Verbrauchers – die Reise vor dem vereinbarten Abreisetag storniert, hat der Verbraucher folgende Ansprüche:

  1. a) Teilnahme an einer gleichwertigen oder höherwertigen anderen Pauschalreise, wenn der Veranstalter und/oder der Vermittler in der Lage ist, ihm eine solche anzubieten. Ist die angebotene Pauschalreise von geringerer Qualität, so erstattet der Veranstalter dem Verbraucher den Preisunterschied; oder

b) schnellstmögliche Erstattung aller von ihm aufgrund des Vertrages gezahlten Beträge.“

11. In Art. 5 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, gegenüber dem Verbraucher die Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen unabhängig davon übernimmt, ob er selbst oder andere Dienstleistungsträger diese Verpflichtungen zu erfüllen haben, wobei das Recht des Veranstalters und/oder Vermittlers, gegen andere Dienstleistungsträger Rückgriff zu nehmen, unberührt bleibt.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen hinsichtlich der Schäden, die dem Verbraucher aus der Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung des Vertrages entstehen, die erforderlichen Maßnahmen, damit der Veranstalter und/oder der Vermittler die Haftung übernimmt, es sei denn, dass die Nichterfüllung oder die mangelhafte Erfüllung weder auf ein Verschulden des Veranstalters und/oder Vermittlers noch auf ein Verschulden eines anderen Dienstleistungsträgers zurückzuführen ist …

…“

12.  Art. 7 der Richtlinie bestimmt:

„Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, weist nach, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind.“

13.  Art. 8 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich strengere Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers erlassen oder aufrechterhalten.“

14. Art. 9 der Richtlinie 90/314 sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1992 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon.

(2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission den Wortlaut der wesentlichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sie in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich erlassen. Die Kommission übermittelt diese den übrigen Mitgliedstaaten.“

Ungarisches Recht:

15. § 15 Abs. 2 der Regierungsverordnung Nr. 213/1996 vom 21. Dezember 1996 über die Tätigkeit der Reiseveranstalter und -vermittler (Az utazásszervező és -közvetítő tevékenységró1 szóló 213/1996. [XII. 23.] Korm. rendelet, im Folgenden: Regierungsverordnung Nr. 213/1996) dient der Umsetzung von Art. 2 Nrn. 1 bis 3 und Art. 7 der Richtlinie 90/314.

16. Gemäß § 2 der Regierungsverordnung Nr. 213/1996 dürfen in Ungarn nur diejenigen Reiseunternehmen als Reiseveranstalter oder -vermittler tätig sein, die die von dieser Regierungsverordnung vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen und auf ihren Antrag hin in das vom Magyar Kereskedelmi Engedélyezési Hivatal (ungarisches Amt für Handelsgenehmigungen, im Folgenden: Amt) geführte öffentliche amtliche Register eingetragen worden sind. Eine der Voraussetzungen für eine Eintragung in dieses Register ist, dass das Unternehmen über eine den Bestimmungen des § 8 der Regierungsverordnung entsprechende Insolvenzabsicherung verfügt.

17. § 8 Abs. 1 der Regierungsverordnung Nr. 213/1996 sieht für die Insolvenzabsicherung folgende Möglichkeiten vor:

„a) eine Bankbürgschaft,

b) einen mit einem oder mehreren Versicherern geschlossenen Versicherungsvertrag, der auch unter Berücksichtigung der Zahl der Reisenden (unmittelbar zu deren Gunsten) abgeschlossen werden kann,

c) ein vom Reiseunternehmen bei einem Kreditinstitut auf einem Anderkonto für die in § 10 Abs. 1 festgelegten Ziele angelegter und gesperrter Geldbetrag [(im Folgenden: Bankeinlage)].

Der Umfang der Insolvenzabsicherung muss einem bestimmten Prozentsatz des erwarteten Nettoumsatzes aus dem Verkauf der Pauschalreisen bzw. einem bestimmten Mindestbetrag entsprechen.“

18. Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist das Reiseunternehmen nach § 8 Abs. 7 der Regierungsverordnung gegebenenfalls verpflichtet, bis zum 31. Mai jeden Jahres die Insolvenzabsicherung auf den Bezugswert zu erhöhen, der sich aufgrund des gemäß dem Gesetz C aus dem Jahr 2000 über die Buchführung (A számvitelről szóló 2000. évi C. törvény) verbuchten Nettoverkaufsumsatzes im Jahr des Abschlusses der Bankbürgschaft oder des Versicherungsvertrags bzw. der Bankeinlage ergibt.

19. Nach § 8 Abs. 9 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Buchst. a und b der Regierungsverordnung Nr. 213/1996 muss die Insolvenzabsicherung jederzeit die Kosten, Anzahlungen und Reisepreise im Sinne des § 10 Abs. 1 decken können, d. h. die Kosten für die Unterstützung von in eine Notlage geratenen Reisenden, z. B. für die Rückbeförderung, die Kosten der unfreiwilligen Aufenthalte sowie die Anzahlungen und Reisepreise. Wenn der tatsächliche Umsatz den der Insolvenzabsicherung zugrunde gelegten Umsatz um mehr als 10 % übersteigt, ist das Reiseunternehmen verpflichtet, innerhalb von fünf Arbeitstagen den Insolvenzabsicherungsbetrag entsprechend dem tatsächlichen Umsatz anzupassen und die erfolgte Anpassung dem Amt gegenüber unverzüglich nachzuweisen.

20. Nach § 8 Abs. 3 der Regierungsverordnung Nr. 213/1996 hängen der Prozentsatz und die Höhe des Mindestbetrags davon ab, ob

– es sich um den Verkauf einer Pauschalreise mit Abgangsort im Inland und Zielort im Ausland, einer Pauschalreise mit Abgangs- und Zielort im Ausland oder einer Pauschalreise mit Abgangs- und Zielort im Inland handelt;

– bei der Zusammenstellung einer Pauschalreise mit Abgangsort im Inland und Zielort im Ausland oder mit Abgangs- und Zielort im Ausland Platzreservierungen in einem nicht im Linienverkehr verkehrenden Flugzeug (Charterflug) vorgesehen sind;

– die Verbindlichkeiten aus den abgesicherten Verträgen mehr als 25 % des Umsatzes betragen. Ein Vertrag ist abgesichert, wenn er nicht erlaubt, die vereinbarten Leistungen zu stornieren, und für den Unternehmer periodisch wiederkehrende Zahlungsverpflichtungen begründet.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen:

21. Die Kläger des Ausgangsverfahrens hatten 2009 mit dem Reiseveranstalter 5 Kontinens Utazási Kft. Reiseverträge geschlossen, auf deren Grundlage sie eine Anzahlung geleistet bzw. in einigen Fällen den vollständigen Reisepreis entrichtet hatten.

22. Der Reiseveranstalter wurde vor Beginn der betreffenden Reisen zahlungsunfähig.

  1. Aufgrund des zwischen dem Reiseveranstalter und QBE Insurance geschlossenen Versicherungsvertrags zur Insolvenzabsicherung für Reiseveranstalter und -vermittler war QBE Insurance für den Fall des Eintritts des festgelegten Versicherungsfalls verpflichtet, die Kosten der Rückreise bzw. eines unfreiwilligen Aufenthalts der Reisenden zu erstatten sowie – soweit durch diese Zahlungen die Versicherungssumme nicht erschöpft war – die empfangenen Anzahlungen bzw. den empfangenen Reisepreis zurückzuzahlen. Als Obergrenze für die Versicherungssumme hatten die Vertragsparteien einen Betrag von 40 Mio. HUF vereinbart.
  2. Wegen dieser Obergrenze wurden den Klägern des Ausgangsverfahrens nur 22 % der entrichteten Anzahlungen und Reisepreise erstattet.
  3. Daraufhin verklagten sie QBE Insurance und den ungarischen Staat vor dem erstinstanzlichen Gericht auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der nicht erstatteten Beträge dieser Anzahlungen bzw. Reisepreise.
  4. Sie machten geltend, dass die Regierungsverordnung Nr. 213/1996 im Widerspruch zu Art. 7 der Richtlinie 90/314 stehe und die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Pflicht zum Ersatz für Schäden wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht treffe.
  5. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage ab. Es war u. a. der Auffassung, dass der ungarische Staat die Richtlinie 90/314 ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt habe.
  6. Auf die Berufung der Kläger des Ausgangsverfahrens gegen das erstinstanzliche Urteil hin hat das vorlegende Gericht das angefochtene Urteil in Bezug auf QBE Insurance bestätigt.
  7. Vor diesem Hintergrund hat das Fővárosi Ítélőtábla, da es Zweifel hegt, ob die Regierungsverordnung Nr. 213/1996 mit den Bestimmungen der Richtlinie 90/314 vereinbar ist, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
  8. Ist der nationale Gesetzgeber durch den Erlass der Vorschrift, dass der Umfang der vom Reiseveranstalter oder -vermittler vorgenommenen Insolvenzabsicherung einem bestimmten Prozentsatz des erwarteten Nettoumsatzes aus dem Verkauf von Pauschalreisen bzw. einem Mindestbetrag entsprechen muss, den Vorgaben der Art. 7 und 9 der Richtlinie 90/314 angemessen nachgekommen, oder mit anderen Worten: Hat er durch diese Vorschrift für den Einzelnen einen angemessenen Schutz im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses von Reiseveranstaltern oder -vermittlern sichergestellt?
  9. Ist, wenn sich eine Rechtsverletzung seitens des Staates feststellen lässt, diese hinreichend qualifiziert, um eine Entschädigungspflicht zu begründen?

Zu den Vorlagefragen:

23. Nach Art. 99 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer Frage übereinstimmt, über die der Gerichtshof bereits entschieden hat, wenn die Antwort auf eine solche Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

24. Dieser Artikel ist auf die vorliegende Rechtssache anzuwenden.

Zur ersten Frage

25. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 7 und 9 der Richtlinie 90/314 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die sich – der Darstellung des vorlegenden Gerichts zufolge – darauf beschränkt, die Höhe der Sicherheit, die der Reiseveranstalter oder -vermittler zur Verfügung stellen muss, in Anlehnung an einen zu bestimmenden Prozentsatz des Nettoumsatzes aus dem vorgesehenen Verkauf von Pauschalreisen während des als maßgeblich angesehenen Geschäftsjahrs bzw. in Anlehnung an einen zu bestimmenden Mindestbetrag festzulegen.

26. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das mit Art. 267 AEUV errichtete System der Zusammenarbeit auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht. Im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens ist die Auslegung der nationalen Vorschriften Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs, und es kommt diesem nicht zu, sich zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit den Bestimmungen des Unionsrechts zu äußern. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu entscheiden (Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Rn. 36, und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C-42/07, Slg. 2009, I-7633, Rn. 37).

27. Zwar soll sich der Gerichtshof nach dem Wortlaut der Fragen, hinsichtlich deren das vorlegende Gericht um Vorabentscheidung ersucht, zur Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht äußern, doch ist er durch nichts daran gehindert, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, indem er ihm Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts liefert, anhand deren es selbst über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht entscheiden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Oktober 2007, Hollmann, C-443/06, Slg. 2007, I-8491, Rn. 21, und vom 16. Februar 2012, Varzim Sol, C-25/11, Rn. 28).

28. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 7 der Richtlinie 90/314 dem Reiseveranstalter die Verpflichtung auferlegt, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sicherzustellen; diese Sicherstellung bezweckt den Schutz des Verbrauchers gegen die mit der Zahlungsunfähigkeit oder dem Konkurs des Reiseveranstalters verbundenen wirtschaftlichen Risiken (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1996, Dillenkofer u. a., C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94, Slg. 1996, I-4845, Rn. 34 und 35).

29. Somit besteht der wesentliche Zweck dieser Bestimmung darin, zu garantieren, dass die Rückreise des Verbrauchers und die Erstattung der von diesem gezahlten Beträge für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters sichergestellt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Dillenkofer u. a., Rn. 35 und 36).

30. Die Kläger des Ausgangsverfahrens waren den Risiken ausgesetzt, denen Art. 7 der Richtlinie 90/314 begegnen soll. Indem sie nämlich vor Reiseantritt Zahlungen geleistet haben, haben sie sich dem Risiko des Verlusts der gezahlten Beträge ausgesetzt.

31. Ferner ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in Rn. 74 seines Urteils vom 15. Juni 1999, Rechberger u. a. (C-140/97, Slg. 1999, I-3499), entschieden hat, dass Art. 7 der Richtlinie 90/314 die Erfolgspflicht aufstellt, den Pauschalreisenden für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters ein Recht auf die Erstattung gezahlter Beträge und auf Rückreise zu verleihen, und diese Garantie speziell dazu bestimmt ist, den Verbraucher gegen die Folgen der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses – unabhängig von den jeweiligen Ursachen – zu schützen.

32. Eine solche Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 90/314 wird durch das mit dieser Richtlinie anzustrebende Ziel bestätigt, das darin besteht, ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes zu gewährleisten (vgl. Urteil Dillenkofer u. a., Rn. 39).

33. Insoweit hat der Gerichtshof in Rn. 63 des Urteils Rechberger u. a. bereits festgestellt, dass sich weder in den Erwägungsgründen der Richtlinie 90/314 noch in deren Art. 7 ein Anhaltspunkt findet, aufgrund dessen die in diesem Artikel vorgesehene Sicherheit beschränkt werden könnte.

34. Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass eine nationale Regelung die Verpflichtungen aus Art. 7 der Richtlinie nur dann ordnungsgemäß umsetzt, wenn sie unabhängig von ihren Modalitäten bewirkt, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters für den Verbraucher die Erstattung aller von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise tatsächlich sichergestellt sind (vgl. Urteil Rechberger u. a., Rn. 64).

35. Aus der Vorlageentscheidung geht aber hervor, dass nur ein Teil der von den Klägern des Ausgangsverfahrens geleisteten Zahlungen aufgrund der Sicherheit im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 90/314 abgedeckt werden konnte.

36. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts allein zuständig ist, festzustellen, ob diese Situation dadurch verursacht wurde, dass die vom nationalen Gesetzgeber vorgesehene Regelung in Anbetracht der konkreten Art und Weise der Berechnung der Höhe der Sicherheit zur Folge hat, dass für die Erstattung der vom Verbraucher gezahlten Beträge und die Kosten der etwaigen Rückreise eine unzureichende Deckung vorgesehen ist, weil etwa die Regelung von ihrer Struktur her nicht fähig ist, den in dem betreffenden Wirtschaftssektor eintretenden Ereignissen Rechnung zu tragen.

37. In Anbetracht dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 der Richtlinie 90/314 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, deren Ausgestaltung nicht zu dem Ergebnis führt, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters für den Verbraucher die Erstattung aller von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise tatsächlich sichergestellt sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies bei den nationalen Rechtsvorschriften, um die es in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit geht, der Fall ist.

Zur zweiten Frage:

38. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob, soweit Art. 7 der Richtlinie 90/314 einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Wert der vom Reiseveranstalter oder -vermittler zur Verfügung gestellten Insolvenzabsicherung einem bestimmten Prozentsatz des erwarteten Nettoumsatzes aus dem Verkauf von Pauschalreisen bzw. einem Mindestbetrag entsprechen muss, diese Regelung einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt, der einen Anspruch auf Entschädigung eröffnet.

39. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein Verstoß hinreichend qualifiziert, wenn ein Organ oder ein Mitgliedstaat bei der Ausübung seiner Rechtsetzungsbefugnis deren Grenzen offenkundig und erheblich überschritten hat. Insoweit gehört zu den Gesichtspunkten, die das zuständige Gericht gegebenenfalls zu berücksichtigen hat, insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift (Urteil vom 26. März 1996, British Telecommunications, C-392/93, Slg. 1996, I-1631, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40. Wie in Rn. 38 des vorliegenden Beschlusses bereits ausgeführt, setzt eine nationale Regelung die Verpflichtungen aus Art. 7 der Richtlinie 90/314 nur dann ordnungsgemäß um, wenn sie unabhängig von ihren Modalitäten bewirkt, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters für den Verbraucher die Erstattung aller von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise tatsächlich sichergestellt sind (vgl. Urteil Rechberger u. a., Rn. 64).

41. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Haftung der Mitgliedstaaten wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht erfüllt sind oder nicht.

42. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig hervorgeht, dass Art. 7 der Richtlinie 90/314 einer nationalen Regelung entgegensteht, die nicht zu dem Ergebnis führt, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters für den Verbraucher die Erstattung aller von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise tatsächlich sichergestellt sind. Da die Mitgliedstaaten über keinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Umfangs der Risiken verfügen, die die vom Reiseveranstalter oder -vermittler zugunsten der Verbraucher zu stellende Sicherheit abdecken muss, wären Kriterien, die eine Einschränkung der Reichweite dieser Sicherheit zum Gegenstand oder zur Folge hätten, offensichtlich mit den Verpflichtungen aus der genannten Richtlinie unvereinbar und begründeten somit einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht, der, sofern sich ein unmittelbarer Kausalzusammenhang feststellen lässt, die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats auslösen könnte

43. In Anbetracht dessen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 der Richtlinie 90/314 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat über keinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Umfangs der Risiken verfügt, die die vom Reiseveranstalter oder -vermittler zugunsten der Verbraucher zu stellende Sicherheit abdecken muss. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Kriterien, die der betreffende Mitgliedstaat zur Bestimmung der Höhe dieser Sicherheit festgelegt hat, zum Gegenstand oder zur Folge haben, dass das Ausmaß der Risiken, die durch die Sicherheit gedeckt werden sollen, beschränkt wird; in diesem Fall wären die Kriterien offensichtlich mit den Verpflichtungen aus der genannten Richtlinie unvereinbar und begründeten einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht, der, sofern sich ein unmittelbarer Kausalzusammenhang feststellen lässt, die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats auslösen könnte.

 

Kosten:

44. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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