Erfüllungsort und Verspätungsmessung bei der Verordnung (EG) 261/2004
AG Düsseldorf: Erfüllungsort und Verspätungsmessung bei der Verordnung (EG) 261/2004
Der Kläger hatte bei der Beklagten, einer Luftfahrtgesellschaft einen Flug von Düsseldorf nach Teneriffa gebucht. Nachdem sich das Flugzeug bereits auf dem Weg zur Startbahn befand, wurde den Piloten ein technischer Defekt gemeldet. Sie brachen den Start daraufhin ab. Der Flug konnte erst mit erheblicher Verspätung starten. Aufgrund dieser Verspätung fordert der Kläger von der Beklagten Ausgleichszahlungen i. S. d. Art. 7 der Verordnung (EG) 261/04.
Das Amtsgericht Düsseldorf stellt zunächst fest, dass der Abflugort als Erfüllungsort i. S. d. Art. 7 der Verordnung (EG) 261/04 zu verstehen sei. Außerdem müsse für die Bemessung der Flugverzögerung nicht das Ablegen des Flugzeuges vom Gate oder dessen verlassen der Parkposition, sondern dessen tatsächlicher Abflug von der Startbahn als Zeitpunkt herangezogen werden.
AG Düsseldorf | 37 C 3495/11 (Aktenzeichen) |
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AG Düsseldorf: | AG Düsseldorf, Urt. vom 23.07.2011 |
Rechtsweg: | AG Düsseldorf, Urt. v. 23.07.2011, Az: 37 C 3495/11 |
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Leitsätze:
2. Der Erfüllungsort für Ausgleichsansprüche i. S. d. Verordnung (EG) 261/2004 ist der Abflugort.
Die Flugverspätung im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004 wird ab dem tatsächlichen Start des Flugzeugs von der Startbahn gemessen.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger hatte bei der Beklagten Luftfahrtgesellschaft einen Flug von Düsseldorf nach Teneriffa gebucht. Nachdem das Flugzeug bereits auf dem Weg zur Startbahn war, wurde den Piloten ein technischer Defekt gemeldet. Sie brachen den Start daraufhin ab und der Flug konnte tatsächlich erst mit erheblicher Verspätung starten. Aufgrund dieser Verspätung fordert der Kläger von der Beklagten Ausgleichszahlungen i. S. d. Art. 7 der Verordnung (EG) 261/04.
Das Amtsgericht Düsseldorf stellt zunächst klar, dass als Erfüllungsort i. S. d. Art. 7 der Verordnung (EG) 261/04 der Abflugort zu verstehen ist, da an diesem der Verspätungsschaden durch den verspäteten Abflug entsteht. Das weiteren wird für die Bemessung der Flugverzögerung nicht das Ablegen des Flugzeuges vom Gate oder dessen verlassen der Parkposition, sondern dessen tatsächlicher Abflug von der Startbahn als Zeitpunkt herangezogen, der über die Verspätung entscheidet.
Da dieser tatsächliche Abflug im vorliegenden Fall erst ca. 16 Stunden nach der planmäßigen Abflugzeit erfolgte, ist die Klage begründet und dem Kläger steht gem. Art. 6 der Verordnung (EG) 261/04 ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung i. H. v. EUR 400,- gegen die Beklagte zu. Auch die 30,00 EUR, die der Kläger wegen der verspäteten Ankunft am Zielort für ein Taxi habe aufwenden müssen, sind von der Beklagten zu erstatten.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 430,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
5. Der Kläger buchte über den Reiseveranstalter X Flugreisen GmbH Flugreisen von Düsseldorf nach Teneriffa und von dort nach Düsseldorf zurück. Der Hinflug zur Flugnummer XX xx sollte von der Beklagten planmäßig am 17.09.2010 um 05:50 Uhr erfolgen.
6. Als das Flugzeug zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt bereits von der Parkposition abgelegt und sich auf den Weg zur Startbahn gemacht hatte, wurde ein technischer Defekt gemeldet. Ein Flow Sensor meldete eine Überhitzung an das Cockpit. Der Pilot brach den Start daraufhin ab und kehrte zur Parkposition zurück. Tatsächlich startete die Maschine dann erst wieder gegen 21:55 Uhr.
7. Noch am Flughafen in Düsseldorf verlangte der Kläger von der Beklagten Ausgleichzahlungen von der Beklagten nach der Verordnung (EG) 261/04. Die darauf angesprochenen Mitarbeiter der Beklagten verweigerten die Zahlungen unter Verweis auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.10.2010 (Anl. K6, Bl. 37 GA) machte der Kläger Ansprüche nach der Verordnung (EG) 261/04 gegenüber der Beklagten geltend. Unter dem 25.10.2010 (Anlage 7, Bl. 15 f. d. A.). Insgesamt aber blieben die Bemühungen des Klägers erfolglos.
8. Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm aus dem streitgegenständliche Sachverhalt Ausgleichsansprüche wegen Verspätung des Fluges nach Art. 6 der Verordnung (EG) 261/04 zustünden. Darüber hinaus habe er 30,00 EUR für ein Taxi aufwenden müssen, denn ob der späten Ankunft in Teneriffa sei ein Transfer zum Hotel anders nicht mehr möglich gewesen.
10. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 430,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2010 sowie weitere vorprozessuale Kosten in Höhe von 83,54 EUR zu zahlen.
13. Sie rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts. Des Weiteren ist sie der Ansicht, dem Kläger stünden keine Erstattungsansprüche zu, da das Fluggerät bei Auftreten des Defekts bereits vom Gate abgelegt hatte und durch die Schubkraft der Triebwerke in Bewegung war. Dieser sogenannte „Off Block“-Zeitpunkt sei das maßgebliche Kriterium für den Beginn der Abflugphase, auf den auch die europäische Verordnung abstelle. Die Taxikosten werden dem Grunde und der Höhe nach bestritten, zudem sei eine Anrechnung nach Art. 12 der Verordnung (EG) 261/04 vorzunehmen. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien mangels Verzugs nicht erstattungsfähig.
14. Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf den Inhalt die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
15. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das erkennende Gericht gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig.
16. Der geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigungszahlung nach Art. 7 Verordnung (EG) 261/04 ist aus einem Vertragsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift entstanden. Dieses Erfordernis ist weit auszulegen; es ist bereits dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und aus einem Vertragsverhältnis herrührt. Zwar handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der nicht unmittelbar aus einem Beförderungs- oder Reisevertrag folgt. Er hat aber zumindest eine vertragliche Grundlage, da Art. 3 Abs. 2 lit. a) Verordnung (EG) 261/04 eine bestätigte Buchung des Reisenden voraussetzt, was wiederum das Bestehen eines Beförderungsvertrages erfordert (BGH, Urt. v. 18.01.2011, Az. X ZR 71/10, Rn. 26; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az. Xa ZR 76/07, Rn. 18).
17. Unschädlich ist auch, dass der Kläger nicht selbst Vertragspartner der Beklagten geworden ist, sondern ein unmittelbares Vertragsverhältnis nur mit dem Reiseveranstalter bestand, welcher seinerseits einen Beförderungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hat. § 29 ZPO gilt bei Verträgen zu Gunsten Dritter auch für Klagen des Dritten (Zöller/Vollkommer, § 29 Rn. 7); der Beförderungsvertrag stellt einen solchen Vertrag zugunsten des Reisenden als Dritten dar (BGH, Urt. v. 17.01.1985, Az. VII ZR 63/84, Rn. 7 ff.).
18. Erfüllungsort für die von der Beklagten vertraglich geschuldeten Leistung ist Düsseldorf, da am hiesigen Flughafen der Flug beginnen und somit wesentlicher Teil der Leistung erbracht werden sollte.
II.
19. Die Klage ist teilweise begründet.
20. 1) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 400,- € gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG) 261/04.
21. a) Bezüglich der generellen Anwendbarkeit von Art. 7 der Verordnung auf nicht annullierte, sondern nur verspätete Flüge wird auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009, Az. C-402/07 & 432/07 sowie des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 95/06 Bezug genommen.
22. b) Es kann dahinstehen, ob es für die Anwendbarkeit des Art. 7 überhaupt erforderlich ist, dass die Voraussetzungen des Art. 6 erfüllt sind, oder ob ausschließlich auf eine mindestens dreistündige Verzögerung am Ankunftsort abzustellen ist; dementsprechend muss die Beantwortung der entsprechenden Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10) an den Europäischen Gerichtshof nicht abgewartet werden. Der Flug des Klägers von Düsseldorf nach Teneriffa war nämlich verspätet im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. b) der Verordnung. Der Abflug hatte sich um mindestens drei Stunden gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, sich mithin die Reisedauer um mindestens drei Stunden verzögert.
23. aa) Entscheidungserheblich für die Bemessung der Verzögerung ist dabei nicht der Zeitpunkt des Ablegens des Flugzeugs vom Gate bzw. von der Parkposition, sondern der des bestimmungsgemäßen Abhebens von der Startbahn, was unstreitig erst mehr als 16 Stunden verspätet erfolgte.
24. Zu diesem Ergebnis führt eine grammatikalische Auslegung der entsprechenden Vorschrift der Verordnung. Art. 6 Abs. 1 stellt ausdrücklich auf die Differenz zwischen dem „Abflug“ und der „planmäßigen Abflugzeit“ ab. Dem Wortlaut nach setzt ein Abflug voraus, dass das Fluggerät fliegt, also nicht nur vom Gate abgelegt hat und rollt, sondern vielmehr der eigentlichen Bestimmung nach in Bewegung ist, demnach bereits den Boden verlassen hat. Die ganz überwiegende Allgemeinheit misst dem Begriff eine solche Bedeutung bei. So stellt der Abflug grundsätzlich den Beginn eines Fluges dar. Die vorhergehenden Schritte, insbesondere das Abdocken und Rollen bzw. Verbringen zur Startbahn, werden im allgemeinen Verständnis eher als Vorbereitungshandlungen für den bevorstehenden Abflug angesehen, wobei auch unerheblich ist, ob das Flugzeug duch eigenen Antrieb die Bewegungen am Boden vornimmt oder dies mit Hilfe weiteren Gerätes geschieht. Dementsprechend wird bis zum Abheben im Allgemeinen davon gesprochen, dass das Luftfahrzeug rollt; dagegen würde man die Bewegung zur Startposition noch nicht als Flug oder Fliegen bezeichnen.
25. Gegen dieses Verständnis des Wortlauts spricht auch nicht die Bedeutung der sogenannten Blockzeit. Die Beklagte stellt zwar darauf ab, dass diese u.a. in der 1. DV zur LuftPersV legal definiert sei als der Zeitraum zwischen dem erstmaligen Abrollen des Luftfahrzeugs vom Gate oder der sonstigen Parkposition bis zum Abstellen der Triebwerke am Endziel. Des Weiteren bezieht sie sich darauf, dass der Luftfahrzeugführer sowohl in das Logbuch als auch in das Bordbuch gerade diese Blockzeiten einzutragen hat. Die entsprechenden Bestimmungen und Vorgehensweise betreffen allerdings nur interne Abläufe des Flugpersonals. Es ist dagegen weder vorgetragen noch sind irgendwelche Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der europäische Verordnungsgeber gerade die Blockzeit beziehungsweise entsprechende Anordnungen zu deren Anwendung als Grundlage für die Bestimmung des Zeitpunkts des Abflugs heranziehen wollte, zumal es sich bei der 1. DV zur LuftPersV um Vorschriften des nationalen Rechts handelt, und dieses grundsätzlich nicht zur Definition von Gemeinschaftsrecht herangezogen werden kann.
26. Auch bei einer teleologischen Auslegung ergibt sich, dass als Abflug im Sinne der Verordnung (EG) 261/04 jedenfalls nicht der Moment zu verstehen ist, in dem das Flugzeug seine Parkposition oder das ihm zugewiesene Gate verlässt. Bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ist derjenigen der Vorzug zu geben, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist (vgl. EuGH, Urt. v. 22.09.1988 – 187/87, Slg. 1988 = NJW 1988, 3088, Rn. 19 – Saarland u.a.; Urt. v. 24.02.2000 – C-434/97, Slg. 2000 = BeckRS 2004, 77234, Rn. 21 – Kommission/Frankreich). Sinn und Zweck der Verordnung (EG) 261/04 ist es unter anderem, den Schaden auszugleichen, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden kann (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 – C-402, 432/07 = EuZW 2009, 890 Rn. 48 – Sturgeon u.a./Condor und Böck/Air France SA). Dann aber ist der Begriff des Abfluges weit auszulegen und die Auslegung vorzuziehen, die den größtmöglichen Passagierschutz bietet. Dies ist nur bei einem Abstellen auf das tatsächliche Abheben des Flugzeuges gegeben, denn andernfalls ist es nicht ausgeschlossen, dass durch die entstehende Lücke im Hinblick auf die Anwendung der Verordnung bezüglich des Zeitabschnittes zwischen dem Verlassen der Parkposition bzw. des Gates und dem tatsächlichen bestimmungsgemäßen Abheben des Flugzeuges Rechte und Interessen der Fluggäste nicht gewahrt werden können. Es besteht die Gefahr der Umgehung der Schutzvorschriften. So wäre es für den Fluggast nachträglich so gut wie unmöglich festzustellen, ob der Verzögerungsgrund tatsächlich erst nach dem Losrollen eingetreten ist oder nicht schon vorher vorlag. In einem Fall, in dem beispielsweise vor dem Start die Überschreitung der zulässigen Einsatzzeit der Besatzung während des Fluges absehbar ist oder ein Defekt bereits von Beginn an angezeigt wird, könnte dennoch veranlasst werden, dass die Maschine kurzfristig losrollt und dann zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Dies würde nach der hier nicht vertretenen Auffassung die Voraussetzungen eines pünktlichen Abflugs erfüllen und Entschädigungszahlungen vermeiden, obwohl tatsächlich nie ein Start beabsichtigt und zulässig gewesen war. Nach dem Abheben dürfte sich dagegen auch das Interesse des Luftfahrtunternehmens vorrangig darauf richten, dass der Flug möglichst schnell und auch am vorgesehenen Zielort endet; jede Verzögerung im Flug oder Landung an einem nicht planmäßigen Flughafen würde naturgemäß zu höheren Kosten führen. Dementsprechend gebietet auch der Schutzzweck der Verordnung, entscheidend auf das tatsächliche Abheben abzustellen. Für einen Fluggast macht es zudem keinen großen Unterschied, ob seine Maschine zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird, nicht zu starten, bereits losgerollt war oder sich noch in der Ausgangsposition befand.
27. bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Beklagte und andere Fluggesellschaften zur „planmäßigen Abflugzeit“, die in Flugplänen, im Internet oder in anderen Medien veröffentlicht wird, üblicherweise das erste Abrollen vom Gate oder bereits das Abheben des Flugzeugs vorsehen. In jedem Fall hätte die Verzögerung die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. b) EG-VO 261/2004 erfüllt, da beide Zeitpunkte deutlich mehr als drei Stunden vor dem tatsächlichen Abheben und damit – aus den vorgenannten Gründen – vor dem Abflug lagen.
28. c) Die vom Europäischen Gerichtshof (a.a.O.) ausdrücklich aufgestellte Voraussetzung, dass in Anlehnung an Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Verordnung eine Verzögerung der Ankunft von mindestens drei Stunden gegenüber der geplanten Ankunftszeit eingetreten sein muss, ist angesichts des um mehr als 16 Stunden verspäteten Starts unzweifelhaft zu bejahen.
29. d) Außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art 5 Abs. 3 der Norm wurden von Beklagtenseite nicht vorgetragen. Außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Bestimmung sind allenfalls Probleme, welche auf Vorkommnisse zurückgehen, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. EuGH NJW 2009, 347). Als „außergewöhnlicher Umstand” kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der im Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, z.B. auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht. Ein solches ist von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt.
30. 2) Ein Anspruch auf Erstattung der Taxikosten ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung i.V. mit §§ 631, 280 Abs. 1, 249 BGB. Das Verschulden der Beklagten wird vermutet. Der Vortrag der Beklagten wird einer Exkulpation nicht gerecht, s.o., insbesondere der Vortrag zu den durchzuführenden und durchgeführten Wartungsarbeiten ist nicht hinreichend substantiiert.
31. Der Anspruch ist auch nicht durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zu mindern. Eine bindende Anrechnung erfolgt nur dann, wenn der Schuldner außergerichtlich die Anrechnung vorgenommen hat. Vorliegend hat aber die Beklagte außergerichtlich keine Leistungen nach der Verordnung an den Kläger erbracht die angerechnet werden könnten. Es können nach dem Wortlaut der Norm nur gewährte – im Sinne von bereits gewährte – Ausgleichszahlungen angerechnet werden. Noch zu gewährende Zahlungen sind nicht anzurechnen.
32. 3) Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 BGB. Zinsen sind jedoch erst ab dem 20.10.2010 zuzusprechen, da die Beklagte erst mit Ablauf der von dem Kläger gesetzten Zahlungsfrist, welche einer Mahnung gleichkommt, in Verzug geraten ist. Von einer vorherigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte ist von dem Kläger nicht hinreichend schlüssig vorgetragen.
33. 4) Ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten besteht nicht; mangels Verzugs der Beklagten zum Zeitpunkt der Beauftragung der Bevollmächtigten durch den Kläger sind die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig. Zu einer besonderen Schwierigkeit der Sache hat der Kläger nicht vorgetragen, so dass auch nicht auf §§ 280 Abs. 1, 249 BGB abzustellen ist.
III.
34. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
35. Die Berufung war zuzulassen, da in Bezug auf die Frage der Auslegung des Begriffs „Abflug“ eine Entscheidung des Berufungsgerichts geboten ist. Die Frage zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ist in der Rechtsprechung bisher offensichtlich nicht geklärt worden; sie wäre im hier zu entscheidenden Fall zumindest dann entscheidungserheblich, wenn der Europäische Gerichtshof die oben erwähnte Vorlagefrage dahingehend beantworten sollte, dass auch die in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung definierte Verzögerung beim Abflug vorliegen muss.
V.
36. Der Streitwert wird festgesetzt auf 430,00 EUR.
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