Ausgleichsansprüche bei Flugverspätung auch für Kleinkinder

AG Frankfurt: Ausgleichsansprüche bei Flugverspätung auch für Kleinkinder

Die Klägerin forderte aus abgetretenem Recht zweier Erwachsener und zweier Kinder eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugverspätung. Die beklagte Fluggesellschaft beantragte zunächst die Klageabweisung, erklärte dann jedoch ein Anerkenntnis. Gegen die gerichtliche Kostenentscheidung des Urteils legte sie sofortige Beschwerde ein, der jedoch nicht abgeholfen wurde.

AG Frankfurt 32 C 827/17 (90) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 20.09.2017
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 20.09.2017, Az: 32 C 827/17 (90)
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Amtsgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 20. September 2017

Aktenzeichen 32 C 827/17 (90)

Leitsatz:

2. Stellt eine beklagte Partei einen Klageabweisungsantrag, ohne erkennen zu lassen, dass dies aufgrund noch ausstehender Prüfung des Vorgehens geschieht, ist ein späteres „sofortiges“ Anerkenntnis nicht mehr möglich.

Zusammenfassung:

3. Aus abgetretenem Recht zweier Erwachsener und zweier Kinder forderte die Klägerin von einer Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung für eine Flugverspätung. Die Beklagte stellte zunächst einen Klageabweisungsantrag, erklärte dann ihr Anerkenntnis, teilweise zunächst unter dem Vorbehalt, dass die Rechtsabtretung der Kinder belegt werde. Gegen die Beklagte erging das Urteil zur Zahlung der Ausgleichsleistung, gegen dessen Kostenentscheidung sich die Beschwerde der Beklagten richtete.

Das Amtsgericht Frankfurt half der Beschwerde nicht ab. Nach dessen Ansicht ist nach einem Klageabweisungsantrag ein späteres „sofortiges“ Anerkenntnis nur möglich, wenn die beklagte Seite in dem Antrag zu erkennen gibt, dass er gestellt wurde, um einem Säumnisurteil zu entgehen und das weitere Vorgehen zu prüfen. Dies war durch die Forderung der Beklagten vorliegend aber nicht geleistet worden, auch nicht durch die Forderung eines Beleges für die Rechtsabtretung der Kinder, denn diesem war mit der Behauptung der Abtretung der Klägerin im Klageantrag bereits genüge getan. Das Verfahren wurde in der Folge dem Landgericht Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt.

Tenor:

4. Der sofortigen Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils vom 14.08.2017 wird nicht abgeholfen. Das Verfahren wird dem Landgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

5. Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht zweier erwachsener Personen und zweier minderjähriger Kinder Ansprüche in Höhe von jeweils 600,00 € nach der Fluggastrechte-Verordnung (VO (EG) 261/04) geltend gemacht. Im Rahmen des am 24. März 2017 angeordneten schriftlichen Vorverfahrens hat die anwaltlich vertretene Beklagte zunächst mit Schriftsatz vom 11. April 2017 (Bl. 17 der Akte) einen Antrag auf Klageabweisung gestellt. In einem weiteren Schriftsatz vom 2. Mai 2017 hat die Beklagte hinsichtlich einer Teilforderung von 1.200,00 €, die die abgetretenen Ansprüche der Erwachsenen Fluggäste betrifft, ein Anerkenntnis abgegeben und hinsichtlich der verbleibenden Teilforderung von weiteren 1.200,00 €, die aus den Ausgleichsansprüchen der minderjährigen Passagiere resultiert, ein Anerkenntnis „aufschiebend bedingt durch Nachweis oder Neuvornahme einer wirksamen Abtretung der Ansprüche der minderjährigen Reisenden“ erklärt.

6. Mit Schreiben vom 31. Mai 2017 hat das Gericht rechtliche Hinweise zur Abtretung der den minderjährigen Kindern zustehenden Forderungen erteilt und angeregt, „dass die Klägerseite klarstellt, wer die beiden Kinder gesetzlich vertritt, und eine entsprechend formulierte Abtretungserklärung zur Akte reicht, damit ein Anerkenntnisurteil ergehen kann“.

7. Mit Schriftsatz vom 20.6.2017 hat die Klägerin schriftliche Abtretungserklärungen eingereicht, woraufhin die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 7. Juli 2017 erklärt hat, sie betrachte die wirksame Abtretung der Ansprüche der Kinder nunmehr als ausreichend dargetan. Am 14.8.2017 ist gegen die Beklagte ein Anerkenntnisurteil ergangen, in dem ihr gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 93 ZPO verneint worden sind. Gegen diese Kostenentscheidung, den Beklagtenvertretern zugestellt am 16. August 2017, hat die Beklagte am 29. August 2017 sofortige Beschwerde eingelegt; bei der Bezeichnung des Urteils als Anerkenntnisurteil vom 10.08.2017 handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler.

8. Die Beklagte führt aus, dass die Klage erst durch Einreichung der schriftlichen Abtretungserklärungen mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 schlüssig geworden sei, so dass sie im Anschluss daran ein Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO habe abgeben können. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, ihr Klageabweisungsantrag im Schriftsatz vom 11. April 2017 stehe der Annahme eines „sofortigen“ Anerkenntnisses nicht entgegen, und verweist insofern auf die Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 24. März 2011, Az. 6 U 138/10).

II.

9. Der sofortigen Beschwerde ist nicht abzuhelfen, da die Voraussetzungen des § 93 ZPO nach wie vor nicht dargetan sind.

10. Zwar trifft es zu, dass ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift auch dann noch abgegeben werden kann, wenn eine zunächst unschlüssige Klage durch weiteren Vortrag der Klägerseite nachträglich schlüssig wird; eine Partei ist nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klageanspruch schon zuvor – gleichsam auf Verdacht – als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können (BGH, Beschluss vom 3. März 2004, Az.: IV ZB 21/03).

11. Der vorliegende Fall liegt jedoch anders. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass ihr sämtliche Forderungen – auch diejenigen der minderjährigen Mitreisenden – abgetreten worden seien, so dass an der Schlüssigkeit der Klage bereits von Anfang an keine Bedenken bestanden. Dem steht nicht entgegen, dass die als Anl. K1 zur Klageschrift vorgelegte Abtretungserklärung (Bl. 5 der Akte) zum Nachweis einer wirksamen Abtretung möglicherweise nicht ausgereicht hätte; eine schlüssige Darlegung der Klageforderung setzte rechtlich nämlich nur die Behauptung einer wirksamen Abtretung, jedoch keine Beweisführung voraus. Dem Hinweis des Gerichts vom 31. Mai 2017 ist auch nicht zu entnehmen, dass die Klage bis dahin für unschlüssig gehalten worden wäre. Vielmehr bezieht sich die Anregung, zur gesetzlichen Vertretung der Kinder vorzutragen und entsprechend formulierte Abtretungserklärungen zur Akte zu reichen, auf die von der Beklagten im Schriftsatz vom 2. Mai 2017 aufgestellten Bedingungen für ein Anerkenntnis bezüglich der abgetretenen Forderungen der minderjährigen Kinder.

12. Unabhängig von der Frage der Schlüssigkeit besteht aber auch deshalb kein Anlass, der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung abzuhelfen, weil die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 11. April 2017 einen Klageabweisungsantrag gestellt hat, ohne dabei erkennen zu lassen, dass die Beklagte den Klageanspruch und ihr Vorgehen im Rechtsstreit noch nicht abschließend geprüft habe. Insofern entscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, der dem Beschluss des BGH in der zitierten Entscheidung (Beschluss vom 3. März 2004, Az.: IV ZB 21/03) zugrunde lag; dort hatte die Beklagtenseite lediglich eine Verteidigungsanzeige eingereicht, aber noch keinen Klageabweisungsantrag gestellt.

13. Die Frage, ob ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO noch abgegeben werden kann, nachdem die Beklagtenseite nicht nur eine Verteidigungsanzeige eingereicht, sondern einen Antrag auf Klageabweisung gestellt oder angekündigt hat, ist – soweit ersichtlich – vom BGH bisher noch nicht entschieden worden.

14. Die vom OLG Celle (Urteil vom 24. März 2011, Az. 6 U 138/10) vertretene Auffassung, dass ein Klageabweisungsantrag der Anwendung des § 93 ZPO generell nicht entgegenstehe, sofern innerhalb der Frist zur Klageerwiderung ein Anerkenntnis abgegeben werde, ist nicht überzeugend. Die Argumentation, dass mit dem Inkrafttreten des § 307 ZPO in der Form des 1. JuMoG vom 24. August 2004 das Anerkenntnis nicht mehr nur innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung der Klage oder in mündlicher Verhandlung abgegeben werden kann und dass daher ein innerhalb der Klageerwiderungsfrist abgegebenes Anerkenntnis durch die für den Beklagten günstige Kostenfolge des § 93 ZPO zu honorieren sei, vermag allenfalls zu begründen, warum ein „sofortiges“ Anerkenntnis nicht nur innerhalb der Frist zur Verteidigungsanzeige, sondern zeitlich auch danach noch abgegeben werden kann. Dagegen erhellt diese Argumentation nicht, warum ein – dem Anerkenntnis diametral entgegenstehender – zunächst abgegebener Klageabweisungsantrag dennoch eine Qualifizierung des anschließenden Anerkenntnisses als “ sofortig“ ermöglichen soll.

15. Für überzeugend hält das Gericht vielmehr die Rechtsprechung des OLG Frankfurt in dieser Frage (Beschluss vom 7. März 2008, Az. 19 W 10/08). Das OLG Frankfurt differenziert im Falle eines Klageabweisungsantrages danach, ob dieser erkennen lässt, dass die beklagte Partei den Klageanspruch und ihr Vorgehen im Rechtsstreit noch nicht abschließend geprüft hat, oder ob dies nicht der Fall ist. Denn im Falle eines Klageabweisungsantrages ohne einen solchen Zusatz gehen die Beklagten ohne jeden sachlichen Anlass über die bloße Anzeige der Verteidigungsabsicht, die in erster Linie der Vermeidung eines Versäumnisurteils dient, hinaus; dadurch wird auch ohne eine Begründung des Abweisungsantrages verdeutlicht, dass die Beklagten nicht nur überhaupt zur Klage vortragen, sondern die Klageforderung bestreiten und ihre Rechtsverteidigung auf die Abweisung der Klage einrichten wollen (OLG Frankfurt a.a.O.).

16. Im vorliegenden Fall enthält der Klageabweisungsantrag im Schriftsatz vom 11. April 2017 keinerlei Zusätze und lässt damit nicht erkennen, dass die Beklagte den Anspruch und ihr Vorgehen im Rechtsstreit noch nicht abschließend geprüft habe. Damit schließt der Abweisungsantrag der Beklagten nach den oben genannten Grundsätzen ein späteres „sofortiges“ Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO aus.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Ausgleichsansprüche bei Flugverspätung auch für Kleinkinder

Verwandte Entscheidungen

LG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.03, Az: 22 S 20/02
LG Frankfurt, Urt. v. 09.04.15, Az: 2-24 S 53/14

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Anerkenntnis abgetretenen Rechts
Passagierrechte.org: Anspruch auf Ausgleichszahlung bei Flugverspätung und Flugannullierung

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte