Anwendung des Reisevertragsrechts

OLG Frankfurt: Anwendung des Reisevertragsrechts

Ein Verein für Verbraucherschutz klagt gegen einen Eigentümer von Ferienhäusern auf Unterlassung. Dieser hatte im Rahmen der Vermietung von Ferienhäusern von seinen Kunden, bereits vor Reisebeginn, die gesamte Mietzahlung verlangt. Der Verbraucherschutzverein sieht hierin eine reisevertragliche Pflichtverletzung.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Im Rahmen des Reisevertragsrechts sei die Forderung des Beklagten zwar als Pflichtverletzung anzusehen, dieses sei vorliegend jedoch nicht anwendbar.

OLG Frankfurt 6 U 138/96 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 19.06.1997
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 19.06.1997, Az: 6 U 138/96
LG Frankfurt, Urt. v. 05.06.1996, Az: 6 O 444/95
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Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19. Juni 1997

Aktenzeichen: 6 U 138/96

Leitsatz:

2. Reisevertragsrecht ist nur bei einer Gesamtheit von Reiseleistungen anwendbar.

Zusammenfassung:

3. Ein Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen klagt gegen einen Eigentümer von Ferienhäusern auf Unterlassung. Der Beklagte vermietet seine Häuser in der Urlaubssaison an Reisende. In seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen hatte er festgelegt, dass 10% des Mietpreises bei Buchung und der Restbetrag bereits nach Erhalt der Reiseunterlagen fällig seien.

Hierin sieht der klagende Verein eine rechtswidrige reisevertragliche Forderung im Sinne von §651 k BGB. Der Beklagte besteht auf die Rechtmäßigkeit der Klausel und zweifelt derweil an der Anwendbarkeit des Reisevertragsrechts.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Nach §651 k BGB sei jeder Reiseveranstalter, im Falle der vorzeitigen Zahlung des Verbrauchers, dazu verpflichtet, diesem eine Versicherung in Form eines Sicherungsscheins zukommen zu lassen. Dies diene im Falle einer möglichen Schlechtleistung des Unternehmers dazu, die Interessen des Verbrauchers zu wahren.

Einer solchen Absicherung sei der Beklagte vorliegend zwar nicht nachgekommen, allerdings sei die genannte Regelung vorliegend auch nicht anwendbar. Reiserechtliche Regelungen seien immer nur dann einschlägig, wenn der Unternehmer eine Gesamtheit von Reiseleistungen anbiete. Für die Vermietung von Ferienhäusern sei dies, in analoger Anwendung der 651a ff. BGB grundsätzlich möglich. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die Reiselsitung von einerm Reiseveranstalter oder Vermittler angeboten werde. Da der Beklagte hier selbst über seine Häuser verfügte, finde der Schutz des 651 k BGB in diesem Fall keine Anwendung.

Tenor:

4. Auf die Berufung wird das am 5.6.1996 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LGs Frankfurt am Main abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500,– DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch in Form einer unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge anerkannten inländischen Kreditinstituts erbracht werden.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 30267,50 DM.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung des lauteren Wettbewerbs gehört.

6. Die Beklagte ist eine niederländische Gesellschaft mit Sitz in … die unter anderem in Deutschland sogenannte … betreibt, in denen sie für Familien-Kurzurlaube Ferienunterkünfte mit eingeschlossenen Nebenleistungen anbietet, die sie katalogmäßig wie in dem Katalog … Familien-Kurzurlaub 94/95″ (Anlage K 1 zur Klageschrift) bewirbt.

7. Ein Urlaub in einem … kann entweder direkt bei der Beklagten über eine Buchungsstelle in Köln oder in jedem … sowie in allen Reisebüros mit … gebucht werden.

8. Bei Erhalt der Buchungsbestätigung verlangt die Beklagte 10% des Reisepreises als Anzahlung. Der Restbetrag wird in der Regel fällig, sobald der Kunde die Reiseunterlagen erhält.

9. Einen Sicherungsschein im Sinne des § 651 k BGB händigt die Beklagte dem Kunden nicht aus.

10. Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen § 651 k BGB und zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG. Sie hat vorgetragen, die Beklagte sei Reiseveranstalter, weil sie eine Gesamtheit von Reiseleistungen anbiete. Jedenfalls biete sie einen Ferienhausvertrag an, auf den die Bestimmungen des Reisevertragsrechts analog anzuwenden seien.

11. Die Klägerin hat beantragt die Beklagte zu verurteilen es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zum Betrag von 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Direktoren, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs von Reiseteilnehmern am Reiseprogramm … Familien-Kurzurlaub gemäß Katalog 94/95 – wie in Anlage K1 zur Klageschrift – den über den Anzahlungsbetrag von 10% des Reisepreises hinausgehenden Reisepreis vor Reisebeginn anzufordern und/oder anzunehmen, sofern dem Kunden nicht vorher ein Sicherungsschein gemäß § 651 k Abs. 4 BGB oder eine entsprechende Sicherung im Sinne von § 651 k Abs. 5 BGB übergeben worden ist an sie 267,50 DM nebst 4% Zinsen seit 5.1.1996 zu zahlen.

12. Die Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen.

13. Sie hat gemeint, nicht Reiseveranstalter zu sein. Auch sei § 651 k BGB auf die von ihr angebotenen Leistungen nicht analog anwendbar.

14. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, § 651 k BGB sei auf die Beklagte entsprechend anwendbar, so daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Reisekunden einen Sicherungsschein oder einen entsprechenden Sicherungsnachweis vor Erhalt des vollen Reisepreises vor Reisebeginn auszuhändigen.

15. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie vertieft ihr Vorbringen und ist nach wie vor der Auffassung, dem Reisevertragsrecht nicht zu unterliegen.

16. Die Beklagte beantragt sinngemäß das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

17. Die Klägerin beantragt die Berufung zurückzuweisen.

18. Sie verteidigt mit weiteren Rechtsausführungen das angefochtene Urteil.

19. Wegen des Parteivorbringens im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

20. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

21. Die Klagebefugnis der Klägerin ist nach der UWG-Novelle gegeben (BGH, WRP 1995, 69 – Laienwerbung für Augenoptiker).

22. Die Beklagte unterliegt entgegen der Auffassung des LGs nicht der Sicherungspflicht gemäß § 651 k BGB und verstößt daher nicht gegen § 1 UWG, wenn sie dem Reisekunden keine Sicherheit gemäß dieser Vorschrift gewährt.

23. Dies folgt allerdings nicht daraus, daß die Beklagte im wesentlichen nur eine Reiseleistung anbietet, nämlich Ferienunterkünfte in ihren … (siehe Ziff. 2 ihrer Allgemeinen Vertragsbedingungen). Damit wären zwar die §§ 651 a ff. BGB nicht unmittelbar anwendbar, weil § 651 a Abs. 1 Satz 1 BGB voraussetzt, daß der Reiseveranstalter eine Gesamtheit von Reiseleistungen erbringt, also mindestens zwei Reiseleistungen entsprechend einer typischen Pauschalreise. Der BGH hat aber in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur entschieden, daß auf diesen Fall die §§ 651 a ff. BGB analog anwendbar sind, weil eine „planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes“ vorliege und die Interessenlage der Beteiligten unter allen wesentlichen Gesichtspunkten gleich sei.

24. Voraussetzung dafür ist aber, daß der Reisekunde die Reiseleistung bei einem Reiseveranstalter oder einem Reisevermittler, der sich gemäß § 651 a Abs. 2 BGB wie ein Reiseveranstalter behandeln lassen muß, bucht. Nur diese Fallgestaltung lag, soweit ersichtlich, ausnahmslos – auch bei Verträgen über die Bereitstellung von Ferienunterkünften als alleiniger Reiseleistung – allen bisher ergangenen Entscheidungen zugrunde.

25. Im Streitfall begegnet die Beklagte dem Reisekunden jedoch nicht als Reiseveranstalter, sondern als Leistungsträger. Denn sie tritt als Verfügungsberechtigte über die Ferienunterkünfte selbst aktiv in Erscheinung (dazu Tonner, Reisevertrag, § 651 a Rdn. 30), da sie, wie auch ihr Katalog Anlage K 1 zur Klageschrift belegt, in Deutschland die … selbst betreibt und die Ferienunterkünfte als eigene Leistung anbietet.

26. Damit ist bei der Beklagten anders als in den bisher entschiedenen Fällen kein Reiseveranstalter zwischen dem Reisekunden und dem Leistungsträger zwischengeschaltet. Vielmehr geht der Reisekunde unmittelbar mit der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Leistungsträger eine Vertragsbeziehung ein, die sich mangels Veranstaltereigenschaft der Beklagten nicht als Reisevertrag, sondern als Mietvertrag über die Ferienunterkunft qualifiziert (Tonner, Reisevertrag, § 651 a Rdn. 28; Pick, Reiserecht, § 651 a Rdn. 53). Auf die Vertragsbeziehung des Reisekunden zur Beklagten ist daher Mietvertragsrecht anzuwenden. Die §§ 651 a ff. BGB scheiden dagegen aus, da sie ausschließlich die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Reisekunden und dem Reiseveranstalter regeln. Aus diesem Gund ist auch unerheblich, welche zusätzlichen Leistungen der Beklagten neben der Bereitstellung der Ferienunterkunft im Reisepreis inbegriffen sind.

27. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Beklagte aus der Sicht des Kunden, auf die abzustellen ist, trotz klargestellter Leistungsträgerschaft gleichwohl Merkmale eines Reiseveranstalters aufweist. Das gilt vor allem im Hinblick darauf, daß sie ihre Ferienunterkünfte – wie dies für Veranstalter von Pauschalreisen typisch ist – katalogmäßig mit einer entsprechenden inhaltlichen Aufmachung anbietet und dabei ihren Namen werbemäßig herausstellt. Außerdem bestimmt sie als Betreiberin der Ferienparks mit einem entsprechendem Veranstaltungsprogramm den Urlaubsablauf des Reisekunden ganz wesentlich mit.

28. Dennoch ist die Beklagte nicht als Reiseveranstalter zu behandeln. Abgesehen davon, daß die Rechtsprechung diesen Schluß nur beim Reisevermittler im Gewand eines Reiseveranstalters gezogen hat, ist entscheidend, daß auch die nur analoge Anwendung des Reisevertragsrechts eine Reiseveranstaltung als Gegenstand der Vertragspflicht voraussetzt und Reisevertragsrecht daher nicht, auch nicht analog, zum Tragen kommt, wenn eine sonstige Leistung, wie beispielsweise eine mietvertragliche, geschuldet wird.

29. Seine innere Rechtfertigung erfährt dies daraus, daß das Reisevertragsrecht mit „Reiseveranstalter“ den Veranstalter meint, der eine oder mehrere Reiseleistungen als eigene anbietet, obwohl in Wahrheit fremde Leistungsträger dahinterstehen. Damit liegt ein anderer Lebenssachverhalt als beim Leistungsträger vor, der die angebotene Reiseleistung auch tatsächlich als eigene erbringt. Der Regelungsgehalt der §§ 651 a ff. BGB paßt daher nicht auf den Leistungsträger und ist auf ihn nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Vielmehr ist der Leistungsträger selbst dann nur Vermieter, wenn er seine Ferienunterkunft ähnlich einem privaten Vermieter oder Hotelier, aber, wie die Beklagte, katalogmäßig anbietet. Daß die Beklagte dabei die vertraglich vorgesehene Reiseleistung in eigener Verantwortung übernimmt, folgt notwendig aus ihrer Stellung als Leistungsträger und zeigt, daß der BGH dieses Kriterium zu Recht nur bei der Abgrenzung von Reisevermittlung und Reiseveranstaltung herangezogen hat.

30. Der Klägerin ist einzuräumen, daß auch bei der Beklagten als Betreiberin der … ein Bedürfnis nach Insolvenzschutz besteht. Dieses Bedürfnis ist aber nicht anders zu bewerten als bei sonstigen Mietverträgen mit Eigentümern, wenn diese, wie die Beklagte, selbst als Vertragspartner in Erscheinung treten. Daß der Insolvenzschutz beim Reiseveranstalter in § 651 k BGB sicherer gestaltet ist, ist eine gesetzgeberische Entscheidung, die ihren Grund darin hat, daß sich beim zwischengeschalteten Reiseveranstalter die erhöhte Gefahr realisieren kann, daß der Reisepreis nicht an den Leistungsträger weitergeleitet wird und der Reisekunde dadurch die gebuchte Reiseleistung verliert.

31. Diese spezifische Gefahr beim Reiseveranstalter besteht gleichermaßen beim Reisevermittler, der sich als Reiseveranstalter geriert, nicht dagegen beim Leistungsträger, der seine eigene Leistung anbietet.

32. Nach alledem scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt eine entsprechende Anwendung der §§ 651 a ff. BGB, also auch des § 651 k BGB, auf die Beklagte aus. Dabei kann offen bleiben, ob anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte verbunden mit ihrer eigenen Reiseleistung Fremdleistungen anböte. Denn dieser Fall ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Ebenso kann dahinstehen, ob die … sowie Reisebüros mit … ihrerseits als Reiseveranstalter oder erkennbar nur als Reisevermittler auftreten. Die Frage einer Sicherungspflicht dieser Reisebüros ist aber ebenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

33. Auf die Berufung war daher das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage einschließlich des Zahlungsantrages mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

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