Anwendbarkeit des deutschen Schuldrechts bei internationalen Flügen

AG Köln: Anwendbarkeit des deutschen Schuldrechts bei internationalen Flügen

Ein Fluggast nahm ein Luftfahrtunternehmen auf Ersatz der durch die Verspätung nötigen Taxi- und Übernachtungskosten in Anspruch.

Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt und entschied, dass das Luftfahrtunternehmen die angefallenen Kosten ersetzen muss.

AG Köln 117 C 147/13 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 19.09.2013
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 19.09.2013, Az: 117 C 147/13
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 19.09.2013

Aktenzeichen: 117 C 147/13

Leitsatz:

2. Das deutsche Recht zum Schadensersatz bei Pflichtverletzung sind auf internationalen Flügen mit Teilflügen in Deutschland anwendbar im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und des Montrealer Übereinkommens.

 

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, einen Flug von Hamburg nach Bilbao über Frankfurt am Main. Der erste Teilflug nach Frankfurt am Main erfolgte mit einer Verspätung von rund einer Stunde, sodass der Kläger letztendlich mit einer Verspätung von rund 6 Stunden, statt um 18.00 Uhr erst um Mitternacht ankam. Aufgrund der Verspätungen nahm der Kläger ein Hotel, sowie zwei Taxifahrten in Anspruch.

Der Kläger begehrt einen Ersatz der durch die Verspätung aufgewendeten Taxi- und Übernachtungskosten.

Das Amtsgericht Köln sprach dem Kläger die Ersatzkosten zu und entschied, dass die Regelungen des deutschen Rechts  hier den Fall eindeutig regeln und  auch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und Montrealer Übereinkommens anwendbar sind. Der Flug erreichte sein ziel erst um Mitternacht. Zu dieser Zeit durfte sich der Kläger veranlasst sehen, seine Reise zu unterbrechen und die nächste erreichbare Übernachtungsmöglichkeit aufzusuchen. Die daraus entsehenden Kosten sind als Betreuungsleistung zu sehen.

Tenor:

4. Im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 19.09.2013 durch den Richter Dr. Roderburg für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 84,20 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Ohne Tatbestand (gemäß § 313aI, 495a ZPO).

Entscheidungsgründe:

6. Die – soweit über sie noch zu entscheiden ist – Klage ist zulässig und begründet.

7. Dem Kläger steht ein Anspruch i. H. v. 84,20 € aus §§ 280I, II, 286II Nr. 1 BGB auf Ersatz seiner durch die Verspätung des Fluges der Beklagten erforderlich gewordenen Taxi- und Hotelübernachtungskosten zu.

8. Die Beklagte verpflichtete sich, den Kläger von Hamburg nach Bilbao zu befördern. Hierzu sollten zwei Beförderungsleistungen, nämlich von Hamburg nach Frankfurt und von dort nach Bilbao erbracht werden. Bereits die erste Beförderungsleistung wurde mit einer Verspätung von ca. einer Stunde durchgeführt. Hierdurch ergab es sich, dass der Kläger erst gegen Mitternacht (statt gegen 18 Uhr) in Bilbao ankam. Der Kläger nahm dort ein Hotel in Anspruch, wohin er sich mit einem Taxi befördern ließ. Anschließend nahm er erneut ein Taxi zwecks Weiterreise in Anspruch. Hierfür entstanden ihm Kosten i. H. v. jeweils 10 € pro Taxifahrt und 64,20 € für die Hotelübernachtung. Diese Kosten sind jedenfalls gem. §§ 280I, II, 286II Nr. 1 BGB ersatzfähig, da sie adäquat kausal durch die Verspätung der ersten Beförderungsleistung verursacht wurden. Die Anwendbarkeit der Verzugsregeln im Falle einer verspäteten Luftbeförderung ist in der Rspr. anerkannt (vgl. BGH v. 28.05.2009-Xa ZR 113/08, juris Rn. 16; LG Frankfurt v. 18.02.201324 S 91/12, 2/24 S 91/12, juris Rn. 20 ff.). Diese Regeln werden jedenfalls bei nationalen Flügen – wie hier Hamburg nach Frankfurt a. M. – nicht durch internationale Regelungen verdrängt, dies gilt insbesondere auch für die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: Fluggastverordnung), vgl. Art. 12 I der Fluggastverordnung. Dahinstehen kann auch, wofür vieles spricht, ob es sich um eine internationale Beförderung i. S. d. Art. 1 des Montrealer Übereinkommens(MÜ) handelt und damit Art. 19 MÜ Anwendung findet. Es würde sich hieraus nicht anderes ergeben. Das Verschulden der Beklagten wird vermutet (§ 280I 2 BGB), Entschuldigungsgründe nicht substantiiert vorgetragen. Es kann auch nicht eingewendet werden, dass der Schaden durch ein freiwilliges Verhalten – nämlich die Inanspruchnahme der entsprechenden Leistungen durch den Kläger – erst entstanden ist, da sich dieser zu der entsprechenden Inanspruchnahme vernünftigerweise veranlasst sehen durfte, da die Ankunft erst gegen Mitternacht erfolgte. Zu dieser Zeit durfte sich der Kläger veranlasst sehen, seine Reise zu unterbrechen und die nächste erreichbare Übernachtungsmöglichkeit aufzusuchen. Dafür, dass dem Kläger eine anderweitige zumutbare Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung stand, ist nichts vorgetragen. Eine Anrechnung gem. Art. 12 der Fluggastverordnung auf die bereits gewährte.

9. Ausgleichsleistung nach Art. 7 der Fluggastverordnung kommt nicht in Betracht. Es handelt sich bei den hier gegenständlichen Kosten um Kosten die unter die „Betreuungsleistungen“ des Art. 9 der Fluggastverordnung fallen. Diese sind jedoch – wie die Fluggastverordnung ergibt von den Ausgleichsleistungen getrennt zu betrachten. Dies gilt unabhängig davon, ob im konkreten Fall ein Anspruch auf solche Betreuungsleistungen besteht. Insoweit sieht das erkennende Gericht – im Gegensatz zu der Entscheidung des BGH v. 30.07.2013 – X ZR 113/12, zitiert nach juris – keinen Anlass das Verfahren zwecks Vorlage an den EuGH auszusetzen. Eine Pflicht hierzu besteht, da Rechtsmittel gegen dieses Urteil möglich sind, nicht, vgl. Art. 267 AEUV. Ein Antrag hierauf wurde im Übrigen nicht gestellt.

10. Nachdem sich der Anspruch bereits aus §§ 280I, II, 286II Nr. 1 BGB ergab, konnte dahinstehen, ob sich dieser Anspruch ebenfalls aus der Fluggastverordnung ergab.

11. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280I, II, 286I, 288I BGB. Der Verzugseintritt zum 02.08.2010 wurde nicht bestritten.

12. Die Nebenentscheidungen ergaben sich aus § 91 a ZPO sowie § 91I ZPO, 711, 713 ZPO. Im Rahmen der erfolgten Zahlung liegt eine Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vor.

13. Die Berufung war gem. § 511IV Nr. ZPO zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

14. Streitwert: 334.20 €

15. Vorstehende Ausfertigung wird dem Kläger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt.

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