Ansprüche gegen Luftfahrtunternehmen eines Nicht-EU-Mitgliedsstaats

AG Frankfurt: Ansprüche gegen Luftfahrtunternehmen eines Nicht-EU-Mitgliedsstaats

Der Kläger buchte eine Reise bei welcher es zu einer Flugannullierung kam. Er verklagt nun die Fluggesellschaft auf Ausgleichszahlung.

Das Gericht wies die Klage ab, da die Kläger  ihre Reise bei einer Gesellschaft buchte, welche nicht ein EU-Mitgliedsstaat ist und die Verordnung Nr. 261/2004 keine Anwendung findet.

AG Frankfurt 32 C 1503/06 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 17.08.2006
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2006, Az: 32 C 1503/06
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 17.08.2006

Aktenzeichen: 32 C 1503/06

Leitsatz:

2. Befindet sich der Hauptsitz einer Fluggesellschaft in einem Nicht-EU-Mitgliedstaates findet die Verordnung Nr. 261/2004 auf die Reisenden die bei dieser Fluggesellschaft gebucht habe, keine Anwendung.

Zusammenfassung:

3. In dem vorliegendem Fall buchte der Kläger mit seiner Ehefrau eine Flugreise bei einer Fluggesellschaft mit Sitz in Dubai. Im Zuge dieser Flugreise kam es zu einer Annullierung des Rückreisefluges und der Kläger musste die entstandenen Mehrkosten selber zahlen. Der Kläger verklagt nun die Beklagte auf Ausgleichszahlung da er am Zielflughafen erst 24 Stunden später eingetroffen ist.

Das Gericht sah die Klage als unbegründet an, da es sich bei der ausführenden Fluggesellschaft mit Sitz in einem Nicht -EU- Mitgliedstaates handelt. Die Verordnung Nr. 261/2004 findet hier also keine Anwendung.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger und seine Frau buchten bei der Beklagten, die ihren Hauptsitz in Dubai hat, Flüge von Frankfurt am Main über Dubai nach Mahé und zurück über Dubai nach Frankfurt am Main. Bezüglich der Einzelheiten der Flugroute wird auf die Tickets (Bl. 6, 7 d. A.) verwiesen. Der Rückflug von Mahé über Dubai nach Frankfurt am Main sollte am 9.9.2005 um 8.40 Uhr beginnen und um 19.00 Uhr in Frankfurt am Main enden. Am 9.9.2005 um 5.30 Uhr befand sich der Kläger mit seiner Frau am Flughafen in Mahé . Dort erfuhr er, dass der Flug nach Frankfurt am Main über Dubai nicht stattfinden wird. Der Flug wurde ersatzlos gestrichen. Der Kläger hat mit seiner Frau dann den Rückflug am 10.9.2005 zur gleichen Stunde angetreten und kam in Deutschland mit 24-stündiger Verspätung an. Mit Schreiben vom 11.9.2005 forderten der Kläger und seine Frau die Beklagte ergebnislos zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs in Höhe von je 600,– Euro gemäß der EG-Verordnung auf. Mit Schreiben vom 14.9.2005 lehnte die Beklagte jegliche Ansprüche ab. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 20.10.2005 und vom 28.10.2005 forderten der Kläger und seine Frau die Beklagte nochmals ergebnislos zur Zahlung auf.

Der Kläger macht neben dem Ausgleichsanspruch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 107,01 Euro geltend (0,75 Geschäftsgebühr in Höhe von 63,75 Euro sowie Auslagenpauschale in Höhe von 20,– Euro und Mehrwertsteuer).

Der Kläger behauptet, seine Ehefrau habe ihre Ansprüche am 20.4.2006 an ihn abgetreten. Er habe die Abtretung am gleichen Tag angenommen. Zum Beweis hierfür bietet er das Zeugnis seiner Ehefrau an.

Der Kläger ist der Ansicht, er hätte Ansprüche auf Entschädigung gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates nach Artikel 7 Abs. 1 c. Die Verordnung sei anwendbar. Zum einen sei die Beklagte ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne des Art. 3 Absatz 1 b in Verbindung mit Artikel 2 c der Verordnung. Hierzu behauptet er, die Beklagte habe eine gültige Betriebsgenehmigung eines EU-Mitgliedsstaates gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Europäischen Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen. Überdies finde die Verordnung auch gemäß Art. 3 Abs. 1 a Anwendung, da der Kläger und seine Ehefrau den Flug in einem Mitgliedsstaat angetreten hätten, denn Hin- und Rückflug seien als einheitlicher Flug anzusehen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.200,– Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.9.2005 zu bezahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 107,01 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Oktober 2005 zu bezahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die EG-Verordnung Nr. 261/2004 finde hier keine Anwendung. Zum einen sei die Beklagte kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 b in Verbindung mit Artikel 2 c der Verordnung. Zum anderen sei eine Auslegung von Artikel 3 Abs. 1 a der Verordnung dahingehend, dass Hin- und Rückflug als einheitlicher Flug anzusehen seien, nicht im Sinne des europäischen Gesetzgebers.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keine Ausgleichsansprüche aus Art. 7 der EG-Verordnung Nr. 261/2004. Denn die Verordnung findet hier keine Anwendung.

Bei der Beklagten handelt es sich nicht um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 b in Verbindung mit Art. 2 c der Verordnung. Voraussetzung hierfür ist nach Artikel 2 c der Verordnung, dass das Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einem Mitgliedsstaat gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen erteilt wurde, ausgestattet ist. Zwar behauptet dies der Kläger. Diese Behauptung ist indes unsubstantiiert. Denn unstreitig hat die Beklagte ihren Hauptsitz in Dubai. Gemäß Art. 4 der in Bezug genommenen Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 ist Voraussetzung für die Erteilung einer solchen Betriebsgenehmigung eines EU-Mitgliedsstaates, dass die Hauptniederlassung sich in dem Mitgliedsstaat befindet. Danach lagen hier unstreitig die Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebsgenehmigung eines EU-Mitgliedsstaates nicht vor. Die pauschale Behauptung des Klägers, die Beklagte habe eine solche gültige Betriebsgenehmigung, war indes nicht ausreichend für einen substantiierten Vortrag. Danach war auch eine Auskunft beim Luftfahrtbundesamt nicht einzuholen.

Die EG-Verordnung Nr. 261/2004 findet hier auch nicht nach Art. 3 Abs. 1 a der Verordnung Anwendung. Denn der Kläger und seine Frau haben den Flug nicht im Gebiet eines Mitgliedsstaates, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, angetreten. Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass Hin- und Rückflug als ein einheitlicher Flug angesehen werden, so dass „der Flug“ im Sinne der Verordnung in Frankfurt am Main „angetreten“ wäre, ist nach Auffassung des Gerichts nicht möglich. Dagegen spricht zunächst der Sprachgebrauch. Ein Flug ist danach die Beförderung einer Person mit einem Flugzeug oder einem anderen Fluggerät vom Ort A nach Ort B. Wären mit dem Begriff „Flug“ beide Wege, also von A über B zurück nach A gemeint, würde man nicht von Hin- und Rückflug sprechen. Hin- und Rückflug stehen regelmäßig auch nicht in einem solchen engen und unauflöslichen Verhältnis, dass es gerechtfertigt wäre, sie als einen einheitlichen Flug anzusehen. Beide können nämlich zum einen stets auch unabhängig voneinander gebucht werden, etwa bei verschiedenen Flugunternehmen und zum anderen, wie es hier geschehen ist, separat annulliert werden (vgl. hierzu auch AG Berlin-Mitte, RRa 2006, Seite 91). Dieser Auslegung steht auch die Entscheidung des AGs Frankfurt am Main zur Verordnung EG Nr. 295/91 nicht entgegen. Denn die Auslegung der dortigen Verordnung kann nicht ohne weiteres auf die EG-Verordnung 261/2004 übertragen werden. Vielmehr ist der Begriff „Flug“ im Kontext der EG-Verordnung 261/2004 zu betrachten. Sofern in Art. 1 b und c der EG-Verordnung 261/2004 von „Annullierung des Flugs“ und „Verspätung des Flugs“ die Rede ist, ist im Zusammenhang mit den unter Art. 5 und Art. 6 genannten Rechtsfolgen ersichtlich, dass hier mit Flug nur eine Flugstrecke gemeint ist. Dies ergibt sich auch aus der Inbezugnahme in Art. 5 Abs. 1 a auf Art. 8 der EG-Verordnung, nach dessen Art. 1 a bei Annullierung eines Fluges der Fluggast einen Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte hat. Danach ist ersichtlich, dass der Verordnungsgeber unter „Annullierung des Flugs“ auch die Annullierung einer bloßen Teilstrecke meint und mithin den Flug nicht im Gesamten als Hin- und Rückflug betrachtet.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Ehefrau des Klägers diesem ihre Ansprüche abgetreten hat, kam es danach nicht mehr an.

Denn mangels Anwendbarkeit der EG-Verordnung fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ausgleichsansprüche.

Danach ist auch ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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