Ansprüche aus einer Reiseabbruchversicherung

AG Düsseldorf: Ansprüche aus einer Reiseabbruchversicherung

Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann eine Ayurvedakur in Nepal mit Unterbringung und Vollpension. Auf Grund eines familiären Todesfalls brach die Klägerin den Aufenthalt vorzeitig ab. Hin- und Rückflug hatte die Klägerin separat über eine Kreditkarte gebucht, die auch bestimmte Reiseversicherungen mit sich brachte.

Von der beklagten Versicherungsgesellschaft verlangte die Klägerin nun Erstattung der nutzlos aufgewendeten Kosten für den nicht genutzten Teil der gebuchten Reise. Diesen Antrag lehnte das Gericht ab, da die Versicherung solche Zahlungen nur für Mietverträge, nicht aber für Reiseverträge vorsah. Da die Unterkunft im vorliegenden Fall gemeinsam mit der Kur und der Vollpension gebucht wurde, handelte es sich um einen Reisevertrag. Diese Unterscheidung wurde auch als versicherungsrechtlich zulässig anerkannt.

AG Düsseldorf 29 C 24/15 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 05.05.2015
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 05.05.2015, Az: 29 C 24/15
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 05. Mai 2015

Aktenzeichen 29 C 24/15

Leitsätze:

2. Bei einer Reiserücktritts- bzw. -abbruchsversicherung können die Leistungen nach Mietverträgen und Reiseverträgen differenziert werden.

Ein Vertrag über Unterkunft, Vollpension und Kurprogramm ist ein Reisevertrag.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann eine Ayurvedakur in Nepal mit Unterbringung in einem eigenständigen Haus und Vollpension für den Zeitraum vom 12 bis 26. April 2014. Da ihr Vater verstarb, brach die Klägerin den Aufenthalt vorzeitig ab. Hin- und Rückflug hatte die Klägerin separat über ihre Lufthansa Miles & More Credit Card gebucht. Das Versicherungspaket dieser Kreditkarte umfasst unter anderem folgende Regelungen: Für Mietverträge werden bei Abbruch aus wichtigem Grund die Stornokosten sowie die Aufwendungen für die nicht genutzte Mietzeit übernommen. Bei Reiseabbrüchen werden die Rückreisekosten und unmittelbare Mehrkosten erstattet. Die Rückreisekosten wurden von der Versicherungsgesellschaft übernommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass auch die Regelung über Mietverträge anwendbar sei, da die Unterbringung wie in einem Ferienhaus erfolgte. Daher verlangte sie von der Versicherungsgesellschaft Ersatz der anteiligen Reisekosten für den nicht genutzten Teil.

Die Beklagte beruft sich auf die klare Differenzierung zwischen Mietverträgen und Reiseverträgen in den Versicherungsbedingungen und verweigert die Zahlung.

Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Abschnitt der Versicherungsbedingungen. aus dem sich der Anspruch ergeben sollte, nicht anwendbar sei. Aus der Gesamtschau der Versicherungsbedingungen werde ersichtlich, dass eine Unterscheidung zwischen Mietverträgen und Reiseverträgen erfolgen solle. Da die Klägerin hier Unterbringung, Vollpension und Kurprogramm als Gesamtpaket gebucht hat, handele es sich um einen Reisevertrag. Dass in diesen Fällen keine Erstattung der nutzlosen Aufwendungen vorgesehen sei, sei weder für den Versicherungsnehmer überraschend noch höhle es den Versicherungszweck aus. Daher wurde die Klage abgewiesen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Reiseabbruchversicherung geltend.

6. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann bei der Firma G im Zeitraum vom 12. bis 26. April 2014 eine Ayurvedakur im Begnas Lake Resort & Villas in Nepal mit Unterbringung in einem „Premier Room“ und Vollpension zu einem Gesamtpreis von 4.810 EUR für zwei Personen zuzüglich Transferkosten von 125 EUR und Kreditkartenkosten i.H.v. 49,35 EUR. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf die Reisebestätigung/Rechnung auf Bl. 7, 8 der Gerichtsakte verwiesen. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden in einem eigenständigen Haus untergebracht. Den Hin-und Rückflug buchte die Klägerin separat über ihre Lufthansa Miles & More Credit Card. Emittentin dieser Kreditkarte ist die E Bank, die mit der Beklagten einen Kollektivversicherungsvertrag abgeschlossen hatte.

7. Unter den Erläuterungen zum Versicherungspaket für die Lufthansa Miles & More Credit Card heißt es unter anderem:

„§ 6 Sonderbedingungen für gemietete Ferienwohnungen/Mietobjekte

Dieser Abschnitt findet bei Abschluss von Mietverträgen für Ferienwohnungen, Ferienhäuser, Ferienappartements, Hotelzimmer mit Hotel Verpflegung, Wohnwagen, Wohnmobile, gemietete Personenkraftwagen sowie Schiffscharter (Mietobjekte) Anwendung.

Der Versicherer leistet Entschädigung:

a) bei Nichtbenutzung der gemieteten Ferienwohnung/Mietobjekte aus einem der in § 7 Abs. 2. genannten wichtigen Gründe für die dem Vermieter oder einem anderen vom Versicherten vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten/Stornokosten;

b) bei vorzeitiger Aufgabe der Ferienwohnung, des Ferienhauses oder des Ferienappartements im Hotel aus einem der in § 7 Abs. 2. genannten wichtigen Gründe für den nicht abgewohnten Teil der Mietkosten, falls eine Weitervermietung nicht gelungen ist.

Die übrigen Bestimmungen der Versicherungsbedingungen für die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung gelten sinngemäß.

§ 7 Versicherungsumfang

  1. Der Versicherer leistet Entschädigung:
  2. a) bei Nichtantritt der Reise für die dem Reiseunternehmen oder einem anderen vom Versicherten vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten/Stornokosten
  3. b) bei Abbruch der Reise für die nachweislich entstandenen zusätzlichen Rückreisekosten und hierdurch unmittelbar verursachten sonstigen Mehrkosten des Versicherten, vorausgesetzt, dass An- und Abreise in den versicherten Arrangements enthalten sind; dies gilt auch im Falle nachträglicher Rückkehr.

…“

8. Der Vertrag enthält eine Selbstbeteiligung i.H.v. 10 %.

9. Da der Vater der Klägerin verstarb, brachen die Klägerin und ihr Ehemann die Reise am 19.4.2014 ab. Die Beklagte erstattete der Klägerin die Kosten für den nicht planmäßigen Rückflug abzüglich der Selbstbeteiligung i.H.v. 1.920,42 EUR.

10. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung des aufgrund des Versicherungsfalls nicht in Anspruch genommenen Anteils der Reise für den Zeitraum von sieben Tagen, also die Hälfte des Reisepreises sowie des nicht in Anspruch genommenen Tageszimmers „Summerhill House“, jeweils abzüglich der Selbstbeteiligung.

11. Vorgerichtlich wies die Beklagte die Forderung mit Schreiben vom 17.8.2014 und 16.10.2014 zurück.

12. Daraufhin mahnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Forderung nochmals mit Schreiben vom 18.11.2014 an.

13. Die Klägerin ist der Auffassung, bei dem gebuchten „Premier Room“ handele es sich um ein Ferienhaus, so dass § 6 der Versicherungsbedingungen anzuwenden sei. Wenn § 7 der Versicherungsbedingungen keine anteilige Entschädigungspflicht vorsehe, sei dies eine überraschende Klausel, da der Sinn einer Reiseabbruchversicherung gerade darin bestehe, den Versicherungsnehmer bei vorzeitigem Abbruch der Reise gegen einen Schaden in Gestalt nutzloser Aufwendungen abzusichern.

14. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.208,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.6.2014 zu zahlen und sie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 334,75 EUR freizustellen.

15. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16. Sie ist der Auffassung, der Aufenthalt der Klägerin in Nepal falle unter § 7 der Versicherungsbedingungen und nicht unter § 6. In der Ausgestaltung ihrer Leistungen sei sie – die Beklagte – frei, solange sie – wie hier – über den Umfang des Versicherungsschutzes keine falschen Vorstellungen erwecke. Ihre Leistungsbeschränkung gefährde auch nicht den Vertragszweck, da sie den Vertrag nicht so weit aushöhle, dass er in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wäre.

Entscheidungsgründe:

17. Die zulässige Klage ist unbegründet.

18. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von 2.208,92 EUR aus dem zwischen der Beklagten und der E Bank zu Gunsten der Inhaber der Lufthansa Miles & More Credit Card-Inhaber abgeschlossenen Kollektivversicherungsvertrag.

19. Das Bestehen eines Versicherungsvertragsverhältnisses gemäß § 328 BGB und der Eintritt des Versicherungsfalls ist zwischen den Parteien unstreitig.

20. Die begehrte Leistung, Erstattung des nicht angetretenen Teils der Reise, ist jedoch nicht vom Versicherungsumfang gedeckt.

21. § 6 der Versicherungsbedingungen ist nicht anwendbar.

22. Der Anwendungsbereich der Sonderbedingungen von § 6 unterscheidet sich von dem in § 7 genannten allgemeinen Versicherungsumfang dahingehend, dass Voraussetzung von § 6 der Abschluss eines Mietvertrages und von § 7 der Abschluss eines Reisevertrages ist.

23. Die Klägerin hat keinen Mietvertrag für eine Ferienwohnung oder Ähnliches abgeschlossen. Sie hat vielmehr einen Reisevertrag abgeschlossen. Wesentlich ist dabei, dass sie neben der Gebrauchsüberlassung auch andere Hauptleistungen in Anspruch nimmt (vergleiche Führich Reiserecht 5. Auflage Rn. 843).

24. Ausweislich der Reisebestätigung kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sie neben der Unterbringung in dem „Premier Room“ weitere Hauptleistungen in Form der Vollpension und der Ayurveda-Kur gebucht hat.

25. Es spielt daher überhaupt keine Rolle, ob die Klägerin in einem eigenen Haus untergebracht wurde oder in einem von mehreren Zimmern im Hotelgebäude. Es ist auch überhaupt kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb dieser marginale Unterschied irgendeine Bedeutung dafür haben soll, ob der Klägerin die anteiligen Kosten für den nicht in Anspruch genommenen Teil der Reise zustehen sollen.

26. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dagegen ein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass § 6 bei Reiserücktritt eine Leistung für den nicht abgewohnten Teil der Mietkosten vorsieht, § 7 eine solche Leistung bei Reiseabbruch aber nicht.

27. Denn ohne diese Klausel würde der Ferienhausmieter tatsächlich in der Regel überhaupt keine Leistungen aus der Reiseabbruchversicherung gemäß § 7 erhalten.

28. Denn zusätzliche Rückreisekosten fallen durch die vorzeitige Aufgabe des Ferienhauses regelmäßig nicht an, da die An- und Abreise dem Mieter obliegt und es sich daher bei den Kosten der vorzeitigen Rückreise um Sowieso-Kosten handelt. Um die Attraktivität der Kreditkarte auch für potentielle Ferienhausmieter zu erhöhen, ist daher für die Differenzierung ein sachlicher Grund vorhanden.

29. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 7 der Versicherungsbedingungen.

30. Auch für die durchschnittlichen Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 insbesondere in Gegenüberstellung zum § 6, dass der nutzlos aufgewendete Reisepreis für die Zeit nach der Abreise nicht zu erstatten ist, sondern nur die zusätzlichen Rückreisekosten.

31. Die Klausel ist auch nicht im Sinne der Klägerin erweiternd auszulegen, weil es sich bei dieser Einschränkung des Versicherungsschutzes nicht um eine überraschende Klausel handelt, sondern die Beklagte sich zulässigerweise im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit hält.

32. Genauso wie die Beklagte Haftungshöchstgrenzen festlegen kann, kann sie ihre Haftung auch für verschiedene Schadenspositionen ausschließen oder positiv nur bestimmte Schadenspositionen versichern.

33. Die Grenze, die Aushöhlung des vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer billigerweise zu erwartenden Versicherungsschutzes, ist hier nicht überschritten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nur die zusätzlichen Kosten der Rückreise versichert. Denn auch diese können, gerade bei Fernreisen und bei der dann erforderlichen spontanen Buchung, nicht unerheblich sein, wie auch dieser Fall zeigt, bei dem die Beklagte immerhin unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung eine Leistung i.H.v. 1.920,42 EUR erbrachte.

34. Die Klägerin kann sich auch nicht auf die in ihrem Schriftsatz vom 24.04.2015 genannten Urteile des Landgerichts Düsseldorf vom 25.7.2012 (welches sich in den Gründen auf das – soweit ersichtlich nicht veröffentlichte – Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.6.2011 bezieht) und des BGH vom 28.01.2004 – IV ZR 65/03 – berufen.

35. Denn die Versicherungsbedingungen in diesen Fällen unterscheiden sich von den Versicherungsbedingungen im vorliegenden Fall dadurch, dass diese auch die Erstattung des anteiligen Reisepreises für nicht genutzte Reiseleistungen vorgesehen haben. Gegenstand der Entscheidungen war daher nur, wie diese Klauseln auszulegen waren. Auch die Kommentierung von Dörner in Prölls/Martin bezieht sich auf die unverbindliche Muster-AVB des GDV, die ebenfalls eine solche Erstattung vorsieht. Weder den genannten Entscheidungen noch der Kommentierung können daher Anhaltspunkte für die Annahme entnommen werden, dass es unzulässig sein soll, den Versicherungsschutz auf die zusätzlichen Reisekosten zu beschränken.

36. Mangels Hauptforderung besteht daher auch kein Anspruch auf die Nebenforderungen.

37. Darüber hinaus wäre die Klage auch bezüglich des Betrages von 49,35 EUR abzüglich des Selbstbehalts unschlüssig, da es sich dabei ausweislich der Reisebestätigung nicht um die Kosten des Rücktransfers und des Tageszimmers am 26.04.2014 handelt, sondern um das „Zahlungtransaktionsentgelt“ für die Nutzung der Kreditkarte in Höhe von einem Prozent des Gesamtreisepreises. Dieses Entgelt wurde nicht nutzlos aufgewendet.

38. Auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind nicht erstattungsfähig.

39. Die Klägerin verstößt gegen ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB, wenn sie nach einer zweimaligen ausdrücklichen Weigerung der Beklagten, die hier geforderten Kosten zu übernehmen, nochmals die Forderung außergerichtlich durch ihre Rechtsanwälte geltend macht. Dies war auch aus einer Ex-ante-Sicht nicht Erfolg versprechend.

40. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11, 711 einerseits und 91 ZPO andererseits.

41. Der Streitwert wird auf 2.208,92 EUR festgesetzt.

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