Bekanntmachung der Annullierung
AG Erding: Bekanntmachung der Annullierung
Zwei Fluggäste buchten bei einer Airline einen Flug. Beim Check-In erfahren sie, dass der Flug annulliert wurde. Sie Verlangen nun Schadensersatz vom Luftfahrtunternehmen. Dieses verweigert die Zahlung mit der Begründung, die Annullierung sei mehrere Tage zuvor angekündigt worden.
Das Amtsgericht Erding hat der Klage stattgegeben. Eine Vorankündigung des Flugausfalls begründe nur mit einer Frist von 2 Wochen eine Enthaftung der Airline.
AG Erding | 4 C 1702/13 (Aktenzeichen) |
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AG Erding: | AG Erding, Urt. vom 05.12.2013 |
Rechtsweg: | AG Erding, Urt. v. 05.12.2013, Az: 4 C 1702/13 |
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Leitsatz:
2. Fluggästen steht ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im Sinne des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu, wenn der Flug Annulliert wird und die Annullierung nicht bis zu 2 Wochen vor dem geplanten Abflug bekanntgegeben wird.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerinnen buchten bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug von Barcelona nach München. Als sie am Abflugtag am Flughafen eintrafen, mussten sie am Check-In Schalter erfahren, dass der Flug bereits annulliert worden war.
Aus diesem Grund begehrten die Klägerinnen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung im Sinne des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Die Beklagte weigerte sich der Zahlung und begründete dies damit, dass sie die Annullierung bereits mehrere Tage vor dem geplanten Abflug bekannt gegeben hatte.
Das Amtsgericht Erding hat dem Begehren der Klägerinnen stattgegeben. Ein Luftfahrtunternehmen habe die Möglichkeit einer Haftung wegen einer Flugannullierung zu entgehen, wenn es diese frühzeitig ankündige. Im vorliegenden Fall gab die Airline den Ausfall mehrere Tage im Voraus bekannt. Die Fluggastrechteverordnung schreibt jedoch eine Vorankündigung von mindestens 2 Wochen vor. Da diese Frist vorliegend nicht eingehalten wurde, haben die Klägerinnen einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 250,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 13.11.2013 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Einspruchsfrist wird auf zwei Wochen festgesetzt.
Der Streitwert wird auf 750.00 € festgesetzt.
Tatbestand:
5. Die Klägerinnen machen jeweils Ausgleichsansprüche nach der europäischen Fluggastrechteverordnung (VO (EG) 261/2004) geltend.
6. Die Klägerinnen buchten bei der Beklagten einen Flug von Barcelona nach München für den 19.07.2013 und erhielten jeweils eine entsprechende Buchungsbestätigung für den Flug … . Planmäßiger Abflug in Barcelona war für 13:35 Uhr, planmäßige Landung in München für 15:40 Uhr vorgesehen. Die Klägerinnen fanden sich am 19.07.2013 zu der von der Beklagten angegebenen Zeit zum Check-In am Flughafen Barcelona ein. Infolge eines von der Beklagten zu verantwortenden Umstands wurde der Flug … vom 19.07.2013 annulliert. Die Annullierung gab die Beklagte später als 2 Wochen vor der Abflugzeit bekannt. Eine anderweitige Beförderung wurden den Klägerinnen von der Beklagten nicht angeboten.
Entscheidungsgründe:
7. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils gem. § 331 Abs.3 ZPO liegen vor. Die zulässige Klage ist unter Zugrundelegung des als zugestanden anzunehmenden tatsächlichen Vortrags der Klägerinnen vollumfänglich begründet.
8. Auf Antrag der Klägerinnen war Versäumnisurteil zu erlassen, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer und am 12.11.2013 wirksam erfolgter Zustellung der Klageschrift ihre Verteidigungsabsicht nicht fristgerecht anzeigte, obwohl sie auf die prozessualen Folgen eines solchen Versäumnisses ausdrücklich hingewiesen wurde.
9. Zwar hat die Beklagte die Annahme der in Spanien zugestellten Klageschrift unter Berufung auf Art. 8 Abs.1 EuZustVO verweigert, weil der in deutscher Sprache abgefassten Klageschrift keine Übersetzung in die spanische Sprache beigefügt war. Diese Annahmeverweigerung erfolgte jedoch unberechtigt. Denn die Klägerinnen konnten zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die Beklagte die deutsche Sprache ausreichend versteht, um sich in gehöriger Weise verteidigen zu können.
10. Das mit der Sache befasste nationale Gericht entscheidet selbständig über die Berechtigung der Annahmeverweigerung. Die an der Durchführung der Zustellung interessierten Klägerinnen haben dabei die Möglichkeit, den Nachweis zu führen, dass die Annahmeverweigerung zu Unrecht erfolgte, vgl. Zöller-Geimer, 30.Auflage 2014, Art. 8 EuZustVO, Rn. 6, 8 (S.3250).
11. Die Annahme kann gem. Art. 8 Abs.1 EuZustVO vom Adressaten verweigert werden, wenn das Schriftstück weder in der Amtssprache des Empfängerstaates noch in einer Sprache verfasst ist, die er versteht und keine Übersetzung beigefügt ist. Empfänger der Klageschrift war vorliegend eine spanische Aktiengesellschaft. Es ist umstritten, ob bei juristischen Personen auf die Sprachkenntnisse der vertretungsberechtigten Organwalter oder auf die im gesamten Unternehmen der juristischen Person faktisch vorhandenen Sprachkenntnisse abzustellen ist. Nach Auffassung des Gerichts ist als Maßstab für die Sprachkenntnisse nicht formaljuristisch auf die Organe der juristischen Person, sondern auf die tatsächlich im Unternehmen vorhandenen und verfügbaren Fähigkeiten abzustellen, weil zum einen dem Empfänger der Rückgriff auf alle internen Quellen zumutbar ist, vgl. Astrid Stadler in Musielak, ZPO, 10.Auflage 2013, Art. 8 EuZustVO, Rn. 4 und weil zum anderen Änderungen in der Organstellung rein innergesellschaftlich vollzogen werden und für den Absender nicht erkennbar sind, vgl. Handelsgericht Wien, Beschluss vom 29.04.2013, 60 R 61/11t.
12. Um zu ermitteln, ob der Empfänger eines zugestellten Schriftstücks die Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, in der das Schriftstück abgefasst ist, versteht, hat das Gericht sämtliche Anhaltspunkte zu prüfen, die ihm der Absender hierzu unterbreitet, vgl. EuGH (3. Kammer), Urteil vom 8. 5. 2008 – C-14/07 Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, NJW 2008, 1721. Die Klägerinnen brachten folgende Argumente für hinreichende Deutschkenntnisse der Beklagten vor:
13. Die Beklagte bietet ausweislich ihrer Internetseite „…“ Flüge in deutscher Sprache an, erklärt in ihren Beförderungsbedingungen auch die Rechte der Fluggäste nach der VO (EG) 261/2004 in deutscher Sprache und hat im Verfahren GZ 17 EuM 2326/12y vor dem Bezirksgericht in Handelssachen Wien in deutscher Sprache Einspruch erhoben. Diese Behauptungen hat die Beklagte durch Übersendung entsprechender Unterlagen auch zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen können. Diese von den Klägerinnen vorgebrachten Indizien sind jedenfalls in der Zusammenschau ausreichend, um hinreichende Deutschkenntnisse der Beklagten nachzuweisen. Die Annahmeverweigerung der Beklagten erfolgte deshalb unrechtmäßig. Die Zustellung war auch ohne Beifügung einer Übersetzung wirksam.
14. Die Klägerinnen können aufgrund der erfolgten Flugannullierung von der Beklagten jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 € gem. Art. 7 Abs.1 lit.c i.V.m. Art. 3 Abs. 1a, Abs.2a, Art. 5 Abs.1 c VO (EG) 261/2004 verlangen.
15. Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 288 Abs.1, 291 BGB.
16. Die Kostenfolge beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
17. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 708 Nr.2 ZPO.
18. Die Festsetzung der Einspruchsfrist erfolgte gem. § 339 Abs.2 ZPO.
19. Der Streitwert wurde gem. § 63 Abs.2 GKG festgesetzt.
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