Anfechtung wegen Irrtums
AG München: Anfechtung wegen Irrtums
Ein Urlauber buchte bei einem Reiseveranstalter einen Pauschalurlaub zu einem deutlich niedrigem Preis. Als dem Veranstalter der Preisfehler auffällt, ficht er seine Willenserklärung an und weigert sich der Ausführung der Reise. Der Urlauber verlangt hierfür nun einen Ausgleich.
Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Das Festhalten an einer Reiseleistung, trotz des eindeutigen Vorliegens eines Preisfehlers, sei rechtsmissbräuchlich im Sinne von §242 BGB.
AG München | 163 C 6277/09 (Aktenzeichen) |
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AG München: | AG München, Urt. vom 04.11.2009 |
Rechtsweg: | AG München, Urt. v. 04.11.2009, Az: 163 C 6277/09 |
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Leitsatz:
2. Das Bestehen eines Reisenden auf die Durchführung einer Reise, bei deutlichem Vorliegen eines Preisfehlers, ist rechtsmissbräuchlich.
Zusammenfassung:
3. Ein Reisender buchte bei einem Reiseveranstalter einen Pauschalurlaub samt Hin- und Rückflügen nach Dubai. Auffällig war bei der Buchung über das Internet, dass die Reise nur rund 1/3 der Summe kostete, die für vergleichbare Pauschalreisen verlangt werden.
Nachdem dem Kläger die Buchungsbestätigung zugegangen war, erhielt er vom Reiseveranstalter eine Anfechtungserklärung wegen eines Irrtums. Die gebuchte Reise war von einem Mitarbeiter versehentlich zu einem falschen Preis inseriert worden. Der Reisende verlangt nun vom Veranstalter die Durchführung einer vergleichbaren Reise oder ersatzweise eine Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit.
Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Zwischen Kläger und Beklagtem sei zunächst ein wirksamer Reisevertrag zustande gekommen. Ob dieser durch die Anfechtung des Veranstalters rückwirkend unwirksam geworden ist, könne hier dahinstehen. Für den Reisenden sei deutlich ersichtlich gewesen, dass der angebotene Reisepreis nicht der verkehrsüblichen Höhe entsprach. Ein Festhalten an dem Vertrag und dem unverhältnismäßigen Reisepreis sei rechtsmissbräuchlich im Sinne von 242 BGB. Aus diesem Grund stehe dem Kläger der geltendgemachte Anspruch nicht zu.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 282,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2009 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 3.334,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten um Ansprüche aus Reisevertrag.
6. Am 08.12.2008 buchten die Kläger über das Internet eine Pauschalreise nach Dubai vom 30.04. bis 10.05.2009 mit Aufenthalt im Hotel … . Der Reisepreis betrug pro Person 621,-- Euro nebst anteiligem Treibstoffzuschlag von 150,-- Euro, somit insgesamt 1.392,-- Euro. Es wurde eine Anzahlung von 282,50 Euro geleistet. Die Beklagte weigerte sich später, die Reise zu dem angebotenen Preis durchzuführen und erklärte die Anfechtung des Vertrages wegen Erklärungsirrtums. Der reguläre Gesamtpreis für die Reise betrug zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 4.726,-- Euro für zwei Personen.
7. Die Kläger behaupten, die Zeugin … habe sich vor Abschluss des Vertrages mehrfach telefonisch bei der Beklagten erkundigt, ob der durch das Internet ausgeworfene Reisepreis auch zutreffend sei.
8. Die Kläger beantragen zuletzt die Beklagte zu verurteilen, folgende von den Klägern mit Buchungsbestätigung vom 08.12.2008 gebuchte Pauschalreise zu einem Preis von noch 1.109,50 Euro ersatzweise zu einem vergleichbaren Reisezeitraum zu erbringe Flug von Frankfurt nach Dubai und von Dubai nach Frankfurt, jeweils mit der Fluggesellschaft … (oder gleichwertig) gemeinsame Unterbringung im Hotel …, Doppelzimmer/Landblick Halbpension die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 185,64 Euro außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
9. Hilfsweise zu 1. beantragen sie die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger angemessenen Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit nebst gesetzlichen Zinsen hieraus seit dem 19.05.2009 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 282,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.12.2008 zu zahlen.
11. Sie ist der Auffassung, unabhängig von der Anfechtung sei die Klage zumindest wegen unzulässiger Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB abzuweisen, da ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem über das Internet ausgeworfenen und dem regulären Gesamtpreis vorliege.
12. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das zu den Akten gelangte schriftliche Parteivorbringen nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 05.08.2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
13. Die zulässige Klage ist zum weit überwiegenden Teil unbegründet.
14. Der Hauptantrag war schon deshalb abzuweisen, weil keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist, wonach die Beklagte verpflichtet wäre, den Klägern eine „Ersatzreise“ zur Verfügung zu stellen. Wenn eine Reise wegen Zeitablaufs nicht mehr durchgeführt werden kann, bestehen lediglich Ausgleichsansprüche in Geld. Eine Naturalrestitution ist unmöglich geworden, sie kann deshalb nicht im Wege des Schadensersatzes gefordert werden, § 251 BGB.
15. Aber auch der Hilfsantrag zu 1) war abzuweisen, da den Klägern kein Ersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651 f BGB zusteht. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Anfechtung können sich die Kläger jedenfalls wegen § 242 BGB nicht auf den per Internet geschlossenen Vertrag berufen.
16. Der im Internet ausgewiesene Preis beläuft sich lediglich auf etwa 30 Prozent des regulären Gesamtpreises. Damit bestand ein ohne weiteres erkennbares Missverhältnis zur angebotenen Leistung. Die Kläger konnten sich diesbezüglich einfach durch andere Quellen im Internet, durch Reiseprospekte oder Fernsehsendungen informieren. Wenn sie sich dennoch auf den per Internet geschlossenen Vertrag berufen, so handeln sie rechtsmissbräuchlich. Die Kläger mussten erkennen, dass die automatisch generierte Erklärung der Beklagten auf einem Irrtum beruhte und dieser die Durchführung der Reise zu dem niedrigen Preis unzumutbar war.
17. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, es liege keine unzulässige Rechtsausübung vor, weil die Zeugin … mehrfach bei der Beklagten angerufen habe. Die bei der Beklagten Beschäftigten können bei ihrer Auskunft auch nur die Preisangaben machen, die in der EDV hinterlegt sind. Dennoch war das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hier für die Kläger offensichtlich.
18. Daher war die Beklagte lediglich zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 282,50 Euro zu verurteilen, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
19. Die diesbezüglich eingeklagten Zinsen waren erst ab Rechtshängigkeit des Hilfsantrages zuzusprechen, §§ 280 Abs. 2, 288 Abs. 1, 291 BGB, da die Voraussetzungen für einen früheren Verzugseintritt im Sinne von § 286 BGB bezüglich der Rückzahlung der geleisteten Anzahlung nicht vorgetragen wurden. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten muss die Beklagte nicht ersetzen, da sie sich zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters nicht mit der Rückzahlung der Anzahlung in Verzug befand.
20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung nach § 3 ZPO. Als Streitwert war die Differenz zwischen dem regulären Gesamtpreis der Reise von 4.726,-- Euro und dem Gesamtpreis laut Internetbuchung von 1.392,-- Euro anzusetzen.
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