Umsatzbesteuerung eines Reisebüro

FG Münster:  Umsatzbesteuerung eines Reisebüros

Das Begehren des Klägers richtet sich gegen ein Steuerbescheid. Der Kläger, Betreiber eines Reisebüros, behauptet er habe der Margenbesteuerung unterliegende steuerfreie Reiseleistungen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG erbracht. Die Steuerbehörde ist der Meinung, dass die vom Kläger erbrachten Leistungen steuerpflichtige Reisevermittlungsleistungen seien.

Das FG Münster hat der Steuerbehörde Recht zugesprochen und entschieden, dass die Vermarktung der von einem Dritten veranstalteten Reisen eine steuerpflichtige Reisevermittlung darstellt.

FG Münster 15 K 4323/99 U (Aktenzeichen)
FG Münster: FG Münster, Urt. vom 22.10.2002
Rechtsweg: FG Münster, Urt. v. 22.10.2002, Az: 15 K 4323/99 U
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Finanzgericht Münster

1. Urteil vom 22.10.2002

Aktenzeichen 15 K 4323/99 U

Leitsätze:

2. Bei der Frage, ob eine der Margenbesteuerung unterliegende Reiseleistung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG oder eine steuerpflichtige Reisevermittlungsleistung vorliegt ist darauf abzustellen,  als wessen Leistung die Reise am Markt erscheint.

Die Vermarktung der von einem Dritten veranstalteten Reisen durch ein Reisebüro stellt eine steuerpflichtige Reisevermittlungsleistung nach § 4 Nr. 5 Satz 2 UStG dar.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisebürobetreiber klagt gegen eine Steuerbehörde und Begehrt die Aufhebung des Steuerbescheids. Der Kläger hat bei einem Dritten Reisen zu Nettopreisen gebucht, diese mit eigenen Reiseleistungen kombiniert und an die Kundschaft vermarktet. Aus dem Reisevertrag war nur der Dritte als Vertragspartner erkennbar. Der Kläger trug vor, dass die von ihm angebotenen Reiseleistungen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG der Margenbesteuerung unterliegen und deshalb steuerfrei seien. Die Beklagte war der Meinung, dass der Kläger steuerpflichtige Reisevermittlungsleistungen erbracht hat.

Das FG Münster hat der Beklagten recht zugesprochen. FG Münster entschied, dass der Margenbesteuerung unterliegende Reiseleistungen nach § 25 I 1 UStG nur vorliegen, wenn ein Reiseunternehmen als Reiseveranstalter die Leistungen an Endverbraucher im eigenen Namen erbringt. Entscheidend ist, als wessen Leistung die Reise am Markt erscheint.

Tatbestand

4. Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.) der Margenbesteuerung unterliegende steuerfreie Reiseleistungen (§ 25 Abs. 2 UStG) oder steuerpflichtige Reisevermittlungsleistungen erbracht hat.

5. Die Klin. betreibt ein Reisebüro. Im Streitjahr 1997 bot sie unter einem einheitlichen Preis Pauschalreisen nach Ägypten inklusive Transfer von M zum Flughafen und zurück an. Die Reisen nach Ägypten ab und bis Flughafen wurden von einem im Inland ansässigen Reiseveranstalter (O-Reisen), der selbst katalogmäßig beworbene Pauschalreisen anbietet, erbracht. Die Bustransferleistungen zum Flughafen wurden von der Klin. unter Einschaltung eines Busunternehmers organisiert.

6. In Zeitungs-Werbeanzeigen, Schaufenster- und Prospektwerbung für die Ägyptenreisen war lediglich der Name der Klin. angegeben. In den „Reiseanmeldungen“, die von den Kunden und einem Vertreter der Klin. unterzeichnet wurden, war im Formularkopf die Firmenanschrift von O-Reisen vermerkt. Ein Hinweis auf die Klin. war in diesem Formular nicht enthalten. Unter „Sonstige Leistungen“ war u. a. vermerkt: „Bustransfer ab/bis M inkl.“. Direkt über der Unterschriftszeile für den Kunden war folgender Text eingedruckt:

7. „Anmeldung und Bestätigung erfolgen auf Basis der Reisebedingungen des

8. oben ausgedruckten Reiseveranstalters. Der Umfang der vertraglichen

9. Leistungen ergibt sich aus dieser Reiseanmeldung und der Leistungsbeschreibung

10. in dem für diese Reisebuchung maßgeblichen Katalog. Überprüfen Sie

11. bitte ihre Reisebestätigung! Weicht diese Bestätigung von Ihrer Anmeldung

12. ab, setzen Sie sich bitte umgehend mit Ihrem Reisebüro in Verbindung …“.

13. In den den Reisenden von der Klin. erteilten Rechnungen waren jeweils unter der Spalte „Leistungsbezeichnung“ die Positionen „O Reisen GmbH“ und „B Reisen“ aufgeführt. Für beide Positionen waren jeweils gesonderte Preise ausgewiesen. O-Reisen bestätigte und berechnete der Klin. jeweils die Flugpauschalreisen zu geringeren Preisen als die Klin. ihren Kunden weiterberechnete. In den „Rechnungen und Bestätigungen“, die O-Reisen an die Klin. übersandte, war in der Fußzeile folgender Hinweis eingedruckt:

14. „Die Bürgschaftserklärung/Sicherungsschein ist auf der

15. Rückseite der Rechnung/Bestätigung. Der Kunde hat mit

16. der Reiseanmeldung unsere Reisebedingungen gem.

17. Katalog anerkannt, von denen auf der Rückseite ein Auszug

18. abgedruckt ist.“

19. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Klin. der Klageschrift beigefügte Anlagenkonvolut Bezug genommen. Die Klin. erteilte den Reisenden keine Sicherungsscheine.

20. In ihrer USt-Erklärung behandelte die Klin. die Marge aus den Ägyptenreiseleistungen als Erlöse aus steuerfreien Reiseleistungen gemäß § 25 Abs. 2 UStG. Nach einer USt-Sonderprüfung war der Beklagte (Bekl.) im Prüfungsbericht vom 09.12.1998 folgend der Auffassung, die Klin. habe die von O-Reisen veranstalteten Ägyptenreisen lediglich vermittelt und steuerpflichtige Erlöse aus Vermittlungsleistungen bezogen. Der Bekl. setzte die USt 1997 nach Maßgabe des oben genannten Prüfungsberichts fest (USt-Bescheid 1997 vom 02.02.1999).

21. Der dagegen von der Klin. eingelegte Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung – EE – vom 25.06.1999).

22. Dagegen richtet sich die Klage.

23. Die Klin. trägt vor, sie habe bestimmte Reisen als Kontingente bei O-Reisen gebucht und diese Reisen als „Sonderreisen B“ in der Werbung angeboten. Die Reiseanmeldungen seien auf Formularen der Klin. ohne Hinweis auf eine Vermittlerfunktion für O erfolgt. Auf den Reiseanmeldungen sei O lediglich als Paketveranstalter im Sinne einer Herkunftsbezeichnung vermerkt. Bei der Preisgestaltung sei die Klin. weder an Katalogpreise von O noch an die von O gegenüber der Klin. bestätigten Preise gebunden gewesen. O habe nicht auf der Basis von Provisionen, sondern zu Nettopreisen abgerechnet. Der tatsächlich vom Reisenden erzielte Reisepreis sei gegenüber O nicht offen zu legen gewesen. Die Klin. sei nicht als Handelsvertreter für Oim fremden Namen und für fremde Rechnung tätig geworden, sondern habe die von O erworbenen gebündelten Reiseleistungen mit ergänzenden Leistungen (Bustransfer) als eigene Reiseleistung eingesetzt. Da ein Vermittlungsauftrag oder eine Vertriebsregelung mit O nicht existiere, vielmehr die Reisen zu Nettopreisen fest abgenommen worden seien, habe die Klin. nicht – wie üblich – nach Maßgabe eines Agenturvertrags gehandelt, sondern habe die Reisepakete frei vermarktet. Die Klin. sei im Hinblick auf die Preisgestaltung nicht an Vorgaben von O gebunden und der von ihr erzielte Preis sei O nicht offen gelegt worden. Die Klin. habe auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko gehandelt. Zwar könne im Außenverhältnis gegenüber den Reisenden der Eindruck aufgekommen sein, dass Reiseverträge zwischen den Reisenden und O zustandegekommen seien. Andererseits seien die Reisen aber ohne Hinweis auf O beworben worden und in der konkreten Form auch nicht im Katalog von O enthalten gewesen. Im Innenverhältnis der Klin. zu O liege eindeutig „Handeln für eigene Rechnung vor“. Die Klin. habe die Reisen von O abgenommen und durch Ergänzungsleistungen inhaltlich und preislich so verändert, dass die Reiseleistungen nicht mehr identisch mit denen von O gewesen seien. Die Klin. habe die Zahlungen der Reisenden auf eigene Rechnung vereinnahmt, nicht für O. O habe keine Ansprüche direkt gegen die Reisenden gehabt, vielmehr nur gegen die Klin. Das Geschäft mit O sei als „Kettengeschäft auf der Vorstufe des Reiseveranstalters“ gemäß Abschnitt 272 Abs. 2 UStR anzusehen. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 08.07.1999 und 10.09.2002 Bezug genommen.

24. Die Klin. beantragt,

25. den USt-Bescheid 1997 vom 02.02.1999 in Gestalt der EE vom

26. 25.06.1999 dergestalt zu ändern, dass die USt um 4.769,50 DM

27. geringer festgesetzt wird, hilfsweise für den Unterliegensfall die

28. Revision zuzulassen.

29. Der Bekl. beantragt,

30. die Klage abzuweisen.

31. Er nimmt Bezug auf seine EE.

32. Die Sache wurde am 22.10.2002 vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

33. Die Klage ist unbegründet.

34. Die Klin. hat im Hinblick auf die Ägyptenreisen keine „Reiseleistungen“ im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG erbracht.

35. Reiseleistungen im Sinne der soeben genannten Vorschrift liegen vor, wenn ein Reiseunternehmer als Reiseveranstalter im eigenen Namen an Endverbraucher Leistungen erbringt und Vorleistungen im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG in Anspruch nimmt. Für die Frage, ob die Klin. Veranstalterin oder bloß Vermittlerin der Reisen war, kommt es auf die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zu den Reisenden an, wenn diese erfüllt worden sind und wenn die für das USt-Recht maßgebende tatsächliche Leistungshandlung keine eigenständige Beurteilung erfordert (BFH in BStBl II 1995, 651; 1997, 363; BFH vom 07.10.1999 V R 79, 80/98 in UR 2000, 26, Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 25 UStG Rdnr. 17; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG § 25 Rdnr. 46). Wer als Leistender anzusehen ist, richtet sich nach dem Auftreten im allgemeinen Geschäftsverkehr. Es kommt daher darauf an, als wessen Leistung die Reise am Markt erscheint (BFH in BStBl II 1997, 363; Eckert in UVR 2002, 297, 301). Unerheblich ist das Innenverhältnis zwischen der Klin. und O-Reisen.

36. Nach den vorgenannten Grundsätzen war die Klin. Vermittlerin der Reisen. Die Klin. behauptet zwar, es habe kein Vermittlungsverhältnis zwischen ihr und O-Reisen bestanden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Klin. gleichwohl im Namen und für Rechnung von O-Reisen Reiseverträge vermittelt hat. Spätestens mit Bestätigung der konkreten Reiseverträge, die die Klin. möglicherweise als Vertreterin ohne Vertretungsmacht für O-Reisen abgeschlossen hat, hat O-Reisen die jeweiligen Verträge genehmigt (§ 177 Abs. 1 BGB).

37. Eine Vermittlung der Reisen zwischen O und den Reisenden ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil die Klin. die Reisen lediglich unter ihrem Namen beworben hat. Werbung soll lediglich die Aufmerksamkeit der Kunden erregen und stellt lediglich ein Indiz dafür dar, wer Vertragspartner sein soll. Beim Abschluss der konkreten Reiseverträge konnten die Reisenden die Reisebuchungen aber nur so verstehen, dass sie mit O-Reisen abschließen. Die von den Kunden unterschriebenen Reiseanmeldungen enthalten lediglich den Namen und die Firmenanschrift von O-Reisen, nicht hingegen den Namen der Klin. Die „Reisenanmeldungen“ enthalten direkt unter der Unterschriftszeile für die Reisekunden den Vermerk „Anmeldung und Bestätigung erfolgen auf der Basis der Reisebedingungen des oben ausgedruckten Reiseveranstalters. Der Umfang der vertraglichen Leistungen ergibt sich aus dieser Reiseanmeldung und der Leistungsbeschreibung in dem für diese Reisebuchung maßgeblichen Katalog …“. In den gegenüber den Reisekunden erfolgten Abrechnungen wird in der Spalte „Leistungsbezeichnung“ zwischen den Positionen „O-Reisen GmbH“ und „B-Reisen“ unterschieden. Einer solchen Unterscheidung hätte es nicht bedurft, wenn die Reise insgesamt bei der Klin. gebucht worden wäre. In den „Rechnungen und Bestätigungen“, die Oan die Klin. versandt hat, ergibt sich aus dem Hinweis in der Fußzeile, dass sich O als Reiseveranstalter angesehen hat, denn es sollten die Reisebedingungen von O gelten und nicht die der Klin. Letztlich spricht auch der Umstand, dass die Klin. keine Sicherungsscheine erteilt hat, dafür, dass sie nur als Vermittlerin tätig war.

38. Das vom Kl.-Vertr. in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, eine Vermittlungsleistung scheide aus, weil Odie von den Reisenden gezahlten Gesamtentgelte nicht gekannt habe, geht fehl. Die von den Reisenden gezahlten Entgelte deckten nämlich nicht nur die Ägyptenreisen ab. Den Anteil des Entgelts, der auf die Ägyptenreisen entfiel, hat die Klin. für O eingezogen und abgeführt. Zusätzlich beinhaltete das Gesamtentgelt der Reisenden aber auch die Bustransferleistungen und – was die Klin. übersieht – die Vermittlungsprovision für die Klin. Im Streitfall hat die Klin. eine steuerpflichtige (§ 4 Nr. 5 Satz 2 UStG) Vermittlungsleistung an die Reisenden erbracht, für die die Reisenden ein im Gesamtpreis enthaltenes Entgelt gezahlt haben. Der Umstand, dass die Reisenden die Höhe des auf die Vermittlungsprovision entfallenden Entgeltsanteils nicht gekannt haben, ist unerheblich. Die Reisenden wussten jedenfalls, oder mussten wissen, dass die Klin. nicht unentgeltlich tätig wurde. Ob die Vermittlungsprovision zunächst auf den Reisepreis für die Ägyptenreise aufgeschlagen und vom Reiseveranstalter an das Reisebüro gezahlt wurde, oder vom Kunden direkt an das Reisebüro, war für den Kunden nicht erheblich. Diesen interessierte lediglich der Gesamtpreis der Reise.

39. Die Frage, ob die Klin. ein eigenes Vermarktungsrisiko getragen hat, lässt der Senat dahinstehen. Die Behauptung der Klin., sie habe ein bestimmtes Reisekontingent bei O eingekauft und trage daher das Vermarktungsrisiko für die eingekauften Reisen, erscheint aber wenig glaubhaft. Nach den von der Klin. selbst vorgelegten Unterlagen wurden von O-Reisen gegenüber der Klin. keine Reisepakete abgerechnet, sondern jede einzelne von den Reisenden gebuchte Reise.

40. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1 FGO und § 13 Gerichtskostengesetz.

41. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil eine Einzelfallentscheidung unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangen ist.

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