Deutlich verspäteter Abflug beim Kurzurlaub
AG Hamburg: Deutlich verspäteter Abflug beim Kurzurlaub
Zwei Urlauber fordern von ihrem Reiseveranstalter die Erstattung eines Teils ihrer Reisekosten, weil sie, wegen einer Flugverspätung, ihren 5-tägigen Kurzurlaub erst mit einer 23-stündigen Verspätung antreten konnten.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Klägern Recht zugesprochen. In einer beinahe eintägigen Abflugverspätung ist, bei Vorliegen eines Kurzurlaubs, ein Reisemangel wegen vertaner Urlaubszeit zu sehen.
AG Hamburg | 920 C 378/12 (Aktenzeichen) |
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AG Hamburg: | AG Hamburg, Urt. vom 12.07.2013 |
Rechtsweg: | AG Hamburg, Urt. v. 12.07.2013, Az: 920 C 378/12 |
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Leitsatz:
2. Verspätet sich der Abflug einer kurzen Pauschalreise massiv, so haben die Reisenden einen Anspruch auf eine teilweise Rückerstattung der Pauschalreisekosten.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger buchten eine Pauschalreise mit 5 Übernachtungen auf Mallorca. In dieser Pauschalreise war ein Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Mallorca inbegriffen. Der Hinflug sollte um 4.20 Uhr startet, jedoch startete die Maschine erst um 23.15, sodass die Kläger mit einer fast 19-stündigen Verspätung auf Mallorca eingetroffen sind. Die Kläger begehrten eine Reisepreisrückerstattung in Höhe von 20% des Reisewertes.
Das Amtsgericht Hamburg hat den Klägern die Kostenerstattung zugesprochen. Bei einem Kurzurlaub von 5 Tagen sei die Urlaubsdauer, durch eine Verspätung diesen Ausmaßes, um fast einen Tag deutlich gemindert und die entsprechend nutzlos aufgewendet.
In Fällen der vorliegenden Art werde der Reisepreis nach Maßgabe von § 638 Abs.3 BGB gemindert. Er ist verhältnismäßig herabzusetzen, und zwar im Verhältnis des Wertes des mangelfreien Zustands zum wirklichen Wert. Das Gericht hat daher entschieden, den Klägern eine Preisminderung in Höhe von 1/5 der Reisekosten zu gewähren.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1, 3, 4, 5, 7 und 8 jeweils EUR 87,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.10.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 2, 6 und 9 EUR 92,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.10.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Tatbestand:
5. Die Kläger verlangen teilweise Rückerstattung des Reisepreises.
6. Die Kläger sowie weitere Reiseteilnehmer buchten über den Kläger zu 1) eine Pauschalreise (Flug, Hotelunterbringung) nach Mallorca für die Zeit vom 5.6.2011 bis 10.6.2011 für jeweils EUR 435,00 bzw. EUR 460,00. Der Buchende erhielt eine Reisebestätigung auf der sich ein Hinweis auf die Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten befand. Vor Buchung der Reise waren die zweiseitigen AGB überlassen worden. Unter Ziffer 9.5 findet sich ein Hinweis auf die einmonatige gesetzliche Frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Beklagten zur Akte gereichte Anlage (K2, Bl. 18 f d.A.) verwiesen. Ursprünglich war als Abflugzeit vom Frankfurter Flughafen 4:20 Uhr am 5.6.2011 vorgesehen. Die Ankunft am Zielflughafen sollte um 6:30 Uhr erfolgen. Tatsächlich startete das Flugzeug um 23:15 Uhr des 5.6.2011. Die Landung auf Mallorca erfolgte ca. 2 Std später. Die Hotelzimmer konnten erst in den frühen Morgenstunden bezogen werden. Mit Schreiben vom 20.9.2011 forderten die Kläger die Beklagte zur teilweisen Erstattung des Reisepreises auf. Diese lehnte mit Schreiben vom 18.10.2011 Zahlungen ab. Der Kläger zu 1) hatte mit Schreiben vom 14.6.2011 Ansprüche gegen die ausführende Fluggesellschaft …, geltend gemacht. Diese wies mit Schreiben vom 8.8.2011 mit dem Argument, die Verspätung sei auf höhere Gewalt zurückzuführen, Ansprüche zurück.
7. Die Kläger tragen vor, nach dem geschlossenen Reisevertrag sei die Bereitstellung einer Unterkunft für 5 Übernachtungen vorgesehen gewesen. Tatsächlich hätten sie aber nur 4 Übernachtungen erhalten. Es werde eine Minderung in Höhe eines Fünftels des jeweiligen Reisepreises für angemessen erachtet.
8. Die Kläger beantragen, wie erkannt, die Beklagte wird ferner verurteilt, die Kläger von Honoraransprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von EUR 120,67 freizustellen.
9. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
10. Sie trägt vor, Minderungsansprüche seien erst nach Ablauf der einmonatigen Ausschlussfrist aus § 651 g Abs.1 BGB geltend gemacht worden und damit verfristet. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch der Höhe nach übersetzt. Verspätungen bis 4 Stunden seien entschädigungslos hinzunehmen. Für jede weitere Stunde seien 5% des anteiligen Reisepreises als Minderung zu gewähren. Ansprüche seien auch gegenüber der Fluggesellschaft geltend gemacht worden. Diese seien nach Art. 12 der Fluggastrechteverordnung auf eventuelle Minderungsrechte anzurechnen.
Entscheidungsgründe:
11. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
12. Die Kläger haben Anspruch auf teilweise Rückerstattung des Reisepreises wegen eines Reisemangels in begehrter Höhe aus §§ 651c, 651 d Abs.1 BGB.
13. Ansprüche der Kläger auf Reisepreisminderung sind nicht bereits wegen Fristversäumnis ausgeschlossen. Der Reisende hat allerdings einen Anspruch nach BGB § 651d BGB innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen (§ 651g BGB). Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur noch durchsetzen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert wart (§ 651g Abs.1 S. 3 BGB). Letzteres war bei den Klägern der Fall, weil die Bekl. sie pflichtwidrig nicht auf diese Ausschlussfrist hingewiesen hat.
14. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV muss die Reisebestätigung, die der Reiseveranstalter dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigen hat, unter anderem Angaben über die nach § 651g BGB einzuhaltenden Fristen enthalten. Der Text der Reisebestätigung erwähnt die einmonatige Ausschlussfrist nicht. § 6 Abs. 4 BGB-InfoV besagt zwar, dass der Reiseveranstalter seine Verpflichtungen nach Absatz 2 auch dadurch erfüllen kann, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach Absatz 2 entsprechen. Die Beklagte hat indessen auch nicht auf diese Art ihre Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist erfüllt, auch wenn den Klägern unstreitig vor Abschluss der Reise die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten übermittelt worden sind. Es fehlte schon an einer inhaltlich ausreichenden Verweisung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dafür genügt nicht ein allgemeiner Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters, wie er in der übermittelten Reisebestätigung enthalten war. Ein solcher Hinweis verfehlt den Gesetzeszweck, den Reisenden vor der einmonatigen Ausschlussfrist zu warnen. Eine wirksame Warnung findet nicht statt, wenn die Ausschlussfrist als eine unter vielen Klauseln in in den meist umfangreichen und klein gedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verborgen ist. Eine Verweisung i.S. des § 6 Abs.4 BGB-InfoV, welche die komplette Information über die Ausschlussfristen nach §§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV ersetzt, muss zumindest einen Hinweis auf die Existenz von Ausschlussfristen und deren Fundstelle im Prospekt bzw. den AGB enthalten. Das Gericht folgt in diesem Zusammenhang der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.7.2007 (NJW 2007, 2549).
15. Ein Verschulden der Kläger hinsichtlich der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist liegt nicht vor. Eine schuldhafte Versäumung der Ausschlussfrist aus § 651 g Abs. 1 BGB scheidet von vornherein aus, wenn der Reisende die Frist nicht kannte und auch nicht kennen musste. Diesbezüglich besteht eine widerlegliche Vermutung zu Gunsten des Reisenden, wenn er – wie hier – vom Reiseveranstalter nicht auf die Frist hingewiesen worden ist (BGH aaO).
16. Bei einer wie hier vorliegenden Kurzreise stellt eine annähernd 19-stündige Verzögerung des Reiseantritts einen erheblichen Reisemangel I.S.v. § 651 c BGB dar. Der Reisepreis war daher nach Maßgabe von § 638 Abs.3 BGB gemindert. Danach ist der Reisepreis verhältnismäßig herabzusetzen, und zwar im Verhältnis des Werts des mangelfreien Zustands zum wirklichen Wert. Vorliegend ist bei der Bemessung der Minderung zu berücksichtigen, dass die Kläger annähernd einen vollständigen Reisetag verloren haben und darüber hinaus der Tag/Nachtrhythmus durch die Ankunft erst in den frühen Morgenstunden und der verzögerten Nachtruhe gestört wurde, was auf der Hand liegt. Vor dem Hintergrund, dass die Kläger annähernd einen kompletten Urlaubstag ihrer Kurzreise verloren haben, ist die bei Flugverspätungen übliche Minderung von 5% ab der fünften Verspätungsstunde nicht ausreichend, so dass zu der sich danach bereits ergebenden Minderung von 75% des täglichen Reisepreises ein weiterer Abschlag gerechtfertigt ist. Danach ergeben sich Minderungsbeträge in begehrter Höhe von EUR 87,00 bzw. EUR 92,00.
17. Die Zinsforderung ist aus §§ 286 Abs.2 Ziff. 3 (Leistungsablehnung), 288 Abs.1 BGB ab dem 18.10.2011 begründet.
18. Anrechenbare Leistungen der Fluggesellschaft nach der Fluggastrechteverordnung sind nicht zu berücksichtigen. Es ist unwidersprochen geblieben, dass diese Ausgleichsleistungen nicht erbracht und zurückgewiesen hat.
19. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können die Kläger nicht ersetzt verlangen. Es ist nicht dargelegt, dass bereits Verzug der Beklagten vorgelegen hat, als anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen worden ist. Zwar kann auch bei einer Verletzung vertraglicher Leistungspflichten als Schadenersatz der Ersatz erforderlicher Rechtsverfolgungskosten in Betracht kommen. Dies würde jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten bzw. ihrer Erfüllungsgehilfin voraussetzen. Dies ist vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich.
20. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.2, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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