Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters
OLG Köln: Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse klagt aus übergegangenem Recht für ein Ehepaar, das bei einem Brand in einem Hotel schwere Verletzungen erlitten hat. Für die Krankenbehandlungskosten musste die Klägerin finanzielle Mittel aufwenden, die sie nun von der Beklagten, einer Reiseveranstalterin zurückfordert. Diese habe die Sicherheitsvorkehrungen in ihrem Vertragshotel nicht ausreichend geprüft und sei so ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht angemessen nachgekommen.
Das Oberlandesgericht Köln hält die Klage in vollem Umfang für berechtigt. Die berechtigte Schadensersatzpflicht der Beklagten folge aus §§ 823, 31 BGB. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht im vorliegenden Falle schuldhaft vernachlässigt, was zu den schweren Verletzungen des Ehepaars in Folge des Hotelbrandes geführt habe. So habe es im betreffenden Hotel beispielsweise keinen schriftlichen Brandbekämpfungs- und Evakuierungsplans gegeben und die Beklagte habe nicht für Abhilfe gesorgt. Dies stelle eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar.
OLG Köln | 16 U 6/90 (Aktenzeichen) |
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OLG Köln: | OLG Köln, Urt. vom 26.09.1990 |
Rechtsweg: | OLG Köln, Urt. v. 26.09.1990, Az: 16 U 6/90 |
LG Köln, Urt. v. 21.11.1989, Az: 3 O 636/88 | |
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Leitsatz:
2. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht hat der Reiseveranstalter u. a. zu prüfen, ob das Vertragshotel über einen Sicherheitsstandard für den Brandfall verfügt und ob ein konkreter, das Vertragshotel betreffender schriftlicher Organisationsplan für die Bekämpfung des Brandes und die Evakuierung der Hotelgäste vorhanden ist.
Zusammenfassung:
3. Eine gesetzliche Krankenkasse klagt aus übergegangenem Recht gegen eine Reiseveranstalterin. Ein bei der Klägerin versichertes Ehepaar hatte bei einem Brand in einem Vertragshotel der Beklagten schwere Verletzungen erlitten. Für die Krankenbehandlungskosten musste die Klägerin finanzielle Mittel aufwenden, die sie nun von der Beklagten zurückfordert. Diese habe die Sicherheitsvorkehrungen in ihrem Vertragshotel nicht ausreichend geprüft und sei so ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht angemessen nachgekommen.
Das Oberlandesgericht Köln hält die Klage in vollem Umfang für berechtigt. Die berechtigte Schadensersatzpflicht der Beklagten folge aus §§ 823, 31 BGB, weil die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht im vorliegenden Falle schuldhaft vernachlässigt habe. Dies habe zu den schweren Verletzungen des Ehepaars in Folge des Hotelbrandes geführt. Im betreffenden Hotel habe es beispielsweise keinen schriftlichen Brandbekämpfungs- und Evakuierungsplans gegeben und die Beklagte habe auch nicht für Abhilfe gesorgt, was eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt darstelle.
Tenor:
4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21.11.1989 — 3 O 636/88 — wird zurückgewiesen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere 22.236,18 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5.6.1990 sowie 4 % Zinsen von 77.509,58 DM seit dem 21.2.1989 und von 41.855,36 DM seit dem 17.10.1989 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 170.000,– DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien dürfen Sicherheit durch die unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank leisten.
Tatbestand
5. Die Klägerin klagt aus übergegangenem Recht. Sie ist die gesetzliche Krankenkasse der Eheleute H und R K aus V, für die sie in Folge eines in B erlittenen Unfalls Krankenbehandlungskosten aufgewendet hat und noch weiter aufwenden muß.
6. Die Eheleute K meldeten sich am 17.9.1987 bei der Beklagten für eine Flugpauschalreise nach B/B in das Hotel M an. Reisebeginn der dreiwöchigen Reise war der 13.2.1988, der Preis betrug 2.680,– DM. Gemäß der Reisebestätigung der Beklagten kam der Vertrag zu den Reisebedingungen der Beklagten zustande, die auf der Anmeldung, der Reisebestätigung und im Katalog S 87/88 abgedruckt waren und auf deren Inhalt verwiesen wird.
7. Das vierstöckige Hotel M war 20 Jahre alt. In der Nacht vom 21./22.2.1988 brach in der Tagesbar des Hotels ein Brand aus, der um 1.45 Uhr von einer Hotelangestellten bemerkt wurde. Die Hotelgäste wurden zunächst nicht alarmiert. Das Hotelpersonal versuchte, den Brand selbst unter Kontrolle zu bringen. Die Mitarbeiter schalteten nicht die Hydranten ein, sondern füllten Eimer mit Wasser und versuchten, damit das Feuer zu löschen. Anschließend zerschlugen sie eine Glaswand der Bar, da sich der Brand rasch ausgebreitet hatte und sie glaubten, daß der dichte Rauch und die Hitze durch Zufuhr frischer Luft gemildert würden. Stattdessen nahmen hierdurch Intensität und Verbreitung des Feuers jedoch zu, das sich rasch über das Foyer verbreitete und in die Gänge in den Stockwerken des Hotels vordrang. Alsbald stand das gesamte Hotel in Flammen. Bei dem Versuch, dem Feuer und dem Rauch zu entkommen, sprangen viele Hotelgäste aus dem Fenster oder seilten sich ab. Insgesamt waren infolge des Brandes 6 Tote und 50 Verletzte zu beklagen.
8. Die Eheleute K waren im 4. Stock des Hotels untergebracht. Bei dem Versuch, sich abzuseilen, stürzte der Ehemann ab und erlitt folgende Verletzungen: Bruch der linken Hand, Brüche an Schambein und zwei Rückenwirbeln sowie eine Trümmerfraktur an beiden Fersen. Die Ehefrau erlitt verschiedene Platzwunden sowie eine Rückenwirbelfraktur. Beide Eheleute wurden bis zum 27.2.1988 in S stationär behandelt und dann in die Bundesrepublik transportiert. Frau K verblieb hier in stationärer Behandlung bis zum 6.4.1988. Herr K verblieb bis zum 29.1.1989 ununterbrochen in Krankenhauspflege. Weitere stationäre Krankenhausaufenthalte vom 9.-23.5.1989 und vom 30.6.-21.7.1989 schlossen sich an. Die Klägerin hat ihre Aufwendungen für Frau K auf 11.037,20 DM und für Herrn K in erster Instanz auf 108.327,74 beziffert. In zweiter Instanz hat sie letzteren Betrag auf 130.563,92 DM erhöht.
9. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihr wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht schadensersatzpflichtig. Der Sicherheitsstandard im Hotel M sei nicht ausreichend gewesen, um die Brandkatastrophe zu verhindern. Im einzelnen hat sie behauptet: Der Brand sei entstanden, weil die Elektroinstallation im Bereich der Tagesbar fehlerhaft und erheblich überlastet gewesen sei. Es habe keine geeigneten Feuerschutzvorkehrungen gegeben. Die Hotelgäste hätten im Wohntrakt des Hotels nicht einen einzigen Feuerlöscher gefunden. Die Notausgänge seien verschlossen gewesen. Das Hotelpersonal habe die Gäste nicht rechtzeitig geweckt, so daß eine Flucht durch das Treppenhaus nicht mehr möglich gewesen sei. Es sei nur der Fluchtweg über die Balkone übriggeblieben. Das Hotelpersonal habe sich bei der Brandbekämpfung selbst völlig falsch verhalten. Es sei nicht geschult gewesen. Für die Gäste habe es an Hinweisen mit Verhaltensmaßregeln in deutscher Sprache oder zumindest einer westlichen Sprache gefehlt.
10. Die Klägerin hat ihre Schadensersatzansprüche bei der Beklagten erstmals am 11.4.1988 geltend gemacht. Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung, die C AG, lehnte eine Haftung wegen Versäumung der Anmeldefrist von 1 Monat nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise mit Schreiben vom 9.6.1988 ab. Die Beklagte äußerte sich vorprozessual nicht.
11. Die Klägerin hat beantragt,
12. 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 119.364,94 DM zu zahlen;
13. 2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 22.2.1988, soweit diese nach § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind, zu zahlen.
14. Die Beklagte hat beantragt,
16. Im übrigen hat sie die Ansicht vertreten, daß sich eine etwaige Haftung auf den dreifachen Reisepreis beschränke.
17. Bezüglich einer deliktischen Haftung hat sie sich auf § 831 BGB berufen. Sie selbst treffe kein Verschulden.
18. Hierzu hat sie behauptet, der Brand sei ausgebrochen, obwohl alle elektrischen Installationen und Geräte den geltenden Normen entsprochen und alle elektrischen Geräte auch einwandfrei funktioniert hätten. Die vorgeschriebenen Wartungen seien durchgeführt worden. Im Hotel hätten alle Sicherheitssysteme und Löschvorrichtungen den gesetzlichen Vorschriften genügt. Hierzu hat sie sich auf eine in englischer Sprache verfaßte und vom b Außenministerium am 4.8.1988 beglaubigte Übersetzung einer entsprechenden Bescheinigung einer b Stelle vom 22.6.1982 (Bl. 34 d.A.) berufen, auf die Bezug genommen wird. Im einzelnen hat sie vorgetragen, alle Flure des Hotels seien vorschriftsmäßig mit den entsprechenden Feuerbekämpfungseinrichtungen versehen gewesen. Auf jeder Etage habe sich neben dem Hydranten ein Fluchtplan in b, r und einer
westeuropäischen Sprache befunden. Die Flure seien für Fluchtmöglichkeiten ausgebaut gewesen. Die Notausgänge seien gekennzeichnet gewesen. In jedem Hotelzimmer habe sich eine schriftliche Verhaltensmaßregel in 5 Sprachen, darunter in Englisch, befunden. Das Hotelpersonal sei gut ausgebildet und laufend geschult gewesen. Noch im Januar 1988 hätten die Hotelangestellten, die auch in der Brandnacht den Dienst versehen hätten, einen Lehrgang mit theoretischen Lektionen über Brandschutz und praktischen Übungen, wie sie sich im Ernstfall zu verhalten hätten, absolviert. Ihr Einkäufer W habe sich vor Abschluß des Hotelvertrages mit der staatlichen Touristikorganisation in B im Sommer 1987 genau darüber informiert, daß alle genannten Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Er habe vorher selbst dreimal in dem Hotel gewohnt. Nach Hinweis des Landgerichts hat sie ergänzend vorgetragen, es habe auch eine Feuerschutzanordnung bestanden. Hierzu hat sie die Übersetzung einer sogenannten Feuerschutzanordnung des
Generaldirektors von B B ohne Datum vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird (Bl. 80 – 83 d.A.). Schließlich hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß der Bezirksstaatsanwalt in S das eingeleitete Strafverfahren nach umfangreichen Untersuchungen eingestellt habe. Hierzu hat sie die Übersetzung eines entsprechenden Rechtsbeschlusses vorgelegt, auf den Bezug genommen wird (Bl. 45 – 52 d.A.). Durch Urteil vom 21.11.1989, auf das vollinhaltlich verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Es hat eine Verletzung der der Beklagten selbst obliegenden Verkehrssicherungspflicht darin gesehen, daß diese nicht darauf hingewirkt habe, daß für das Hotel M ein konkreter Organisationsplan zur Brandbekämpfung vorhanden war. Die allgemein gehaltene Feuerschutzanordnung sei nicht ausreichend gewesen, sondern habe der konkreten Umsetzung auf das bestimmte Objekt — hier das Hotel M — bedurft. Das eklatante Fehlverhalten des Hotelpersonals zeige, daß der organisatorische Mangel schadensursächlich geworden sei. Bezüglich des Schadens sei dem Vortrag der Klägerin zu folgen. Die Ausschlußfrist des § 651 g Abs. 1 BGB gelte für deliktische Ansprüche nicht. Auch eine Haftungsbegrenzung auf den dreifachen Reisepreis gelte nur für vertragliche Ansprüche. Gegen dieses ihr am 11.12.1989 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5.1.1990 Berufung eingelegt und diese nach wirksamer Fristverlängerung bis zum 5.3.1990 am 2.3.1990 begründet.
19. Die Beklagte führt aus, die Auffassung des Landgerichts entbehre jeder Tatsachengrundlage, da es keine Beweise erhoben habe. Zudem habe das Landgericht die Anforderungen an die Überprüfungs- und Sorgfaltspflichten des Reiseveranstalters überspannt. Mit der Frage der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden habe es sich überhaupt nicht befaßt. In diesem Zusammenhang bestreitet die Beklagte, daß die herbeigerufenen Hotelangestellten, als sie mit den Löscharbeiten beginnen wollten, überhaupt noch in der Lage gewesen seien, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das Feuer unter Kontrolle zu bringen, weil bei ihrem Eintreffen die Holzverkleidung und der Getränkeschrank bereits gebrannt hätten und die Flammen 1,50 m hoch gewesen seien.
20. Zur Organisation der Brandbekämpfung trägt die Beklagte vor, deren Grundlage sei die Feuerschutzanordnung gewesen, in der konkret aufgeführt sei, daß die zuständige Bezirksfeuerwehr in S unter bestimmten Rufnummern zu verständigen sei. Diese sei auch nach etwa 1 Stunde eingetroffen, was durch den langen und im Winter beschwerlichen Anfahrtsweg zu erklären sei. Die in der Feuerschutzanordnung vorgesehene Überwachung in den Hotels durch die dort bestimmten verantwortlichen Personen sei von B organisiert und durchgeführt worden. B beschäftige den für das Hotel M zuständigen Feuerschutzobmann. Dieser habe das Personal seinerzeit theoretisch und praktisch unterwiesen. Dazu habe auch die Schulung bezüglich der Evakuierung der Gäste nach dem von ihm erstellten Evakuierungsplan gehört. Dies sei kein schriftlicher Plan gewesen, sondern nur eine mündlich gegebene vorsorgliche Anweisung über die zu ergreifenden Maßnahmen. B sei eine staatliche Organisation, die dem Ministerium für Touristik angegliedert sei und die staatseigenen Hotels führe und verwalte. Irgendein Fehlverhalten irgendeines Mitarbeiters bei der Brandbekämpfung sei nicht festgestellt worden. Das Feuer habe mit den vorhandenen Mitteln nicht erfolgreich bekämpft werden können.
21. Der Einkäufer eines Reiseveranstalters sei überfordert, wenn er die Feuersicherheit eines Hotels beurteilen solle, weil hierzu Sonderkenntnisse gehörten, über die er nicht verfüge. Es sei im übrigen nicht möglich, die Geltung deutscher feuerpolizeilicher Bestimmungen im Ausland durchzusetzen. Das Gastland bestimme den dortigen Standard. Sie lasse sich bei Abschluß eines Hotelvertrages vom Hotelier die Einhaltung aller geltenden Sicherheitsbestimmungen versichern. Auf Ziffer 21 des Mustervertrags der Beklagten, die auch Gegenstand des Vertrages mit B war, wird Bezug genommen.
22. Der Zeuge W sei seit rund 20 Jahren bei ihr als Einkäufer tätig und verfüge über umfassende Detailkenntnisse in der Beurteilung von Hotelanlagen. Ihm seien bei seiner sorgfältigen Prüfung keine Sicherheitsmängel aufgefallen.
23. Die Beklagte bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadens, da sie die Angaben der Klägerin nicht überprüfen könne.
24. Sie beruft sich erneut auf den Ablauf der Monatsfrist für die Anmeldung der Ansprüche und ferner auf Verjährung. Die Ansprüche seien von der C AG mit Schreiben vom 9.6.1988 gegenüber der Klägerin und mit Schreiben vom 22.6.1988 gegenüber dem von ihr eingeschalteten Rechtsanwalt zurückgewiesen worden. Bei Klageerhebung sei selbst unter Berücksichtigung einer kurzen Hemmung die 6-Monatsfrist des § 651 g Abs.2 BGB verstrichen gewesen.
25. Schließlich macht die Beklagte erneut eine Begrenzung ihrer Haftung auf den dreifachen Reisepreis geltend.
27. 1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,
28. 2. der Beklagten nachzulassen, eine Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.
30. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und ihr, der Klägerin, zu gestatten, zulässige oder erforderliche Sicherheiten auch durch Bürgschaft einer im Währungsgebiet ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
31. Im Wege der Klageerweiterung beantragt die Klägerin nunmehr,
32. die Beklagte insgesamt zu verurteilen, an sie 141.601,12 DM nebst 4 % Zinsen von 77.509,58 DM seit Zustellung der Klageschrift vom 13.12.1988, 4 % Zinsen von 41.855,36 DM seit Zustellung des Schriftsatzes vom 7.8.1989 und 4 % Zinsen von 22.236,18 DM ab Zustellung des Schriftsatzes vom 31.5.1990 zu zahlen.
33. Die Beklagte beantragt hierzu,
34. die mit Schriftsatz vom 31.5.1990 erweiterte Klage abzuweisen.
35. Die Klägerin macht sich die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu eigen und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen. Sie spezifiziert die ihr entstandenen Aufwendungen. Auf Ziffer VI ihrer Berufungserwiderung wird insoweit Bezug genommen.
36. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
37. Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auch in dem nunmehr erweiterten Umfang zu. Ihr Feststellungsbegehren ist gleichfalls gerechtfertigt.
38. Gemäß § 116 Abs. 1 SGB X ist der Schadensersatzanspruch der Eheleute K gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe auf die Klägerin übergegangen, da diese in diesem Umfang sachlich und zeitlich gleichartige Sozialleistungen gegenüber den Geschädigten erbracht hat, auf die jene Anspruch hatten. Die Klägerin hat ihre Leistungen im einzelnen aufgeschlüsselt und weitgehend belegt. Die Beklagte hat ihre Bedenken gegen die Richtigkeit der Angaben der Klägerin in keiner Weise substantiiert. In Anbetracht der unstreitigen erheblichen Verletzungsfolgen bei beiden Eheleuten K, besonders aber bei dem Ehemann, bei dem ein mehr als einjähriger Krankenhausaufenthalt mit schließlicher Unterschenkelamputation rechts belegt ist, hat der Senat keinen Zweifel daran, daß die Aufwendungen der Klägerin sämtlich erfolgt sind, und zur Behandlung beider Eheleute notwendig waren. Er glaubt insoweit der Klägerin und hält eine Beweisaufnahme nach § 287 ZPO für entbehrlich. Die Sozialleistungen sind auch sachlich und zeitlich kongruent mit dem von der Beklagten geschuldeten Schadensersatz.
39. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten folgt aus §§ 823, 31 BGB, weil sie ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft vernachlässigt hat und den Eheleuten K deshalb der
eingetretene Schaden entstanden ist. Das der Beklagten als Reiseveranstalterin eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihr veranstalteten Reisen obliegt, die sich insbesondere auf die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger, so der Vertragshotels, erstreckt, ist nicht zweifelhaft (vgl. BGH NJW 1988, 1380 ff). „Nimmt ein Reiseveranstalter ein Hotel als Leistungsträger unter Vertrag, so muß er sich zuvor vergewissern, daß es nicht nur den gewünschten oder angebotenen Komfort, sondern auch ausreichenden Sicherheitsstandard bietet. Dabei mag er im Inland weitgehend auf die bau-, feuer- und gesundheitspolizeiliche Genehmigung und Überwachung vertrauen und sich auf Stichproben beschränken dürfen, wenngleich ihn solche behördliche Kontrolle nicht ohne weiteres entlastet. Im Ausland kann er sich darauf erfahrungsgemäß keinesfalls verlassen, weil dort vielfach sowohl für die Vorschriften als auch für die behördliche Überwachung andere Maßstäbe gelten“ (BGH a.a.O.). Dies bedeutet auf den vorliegenden Fall bezogen, daß die Beklagte gehalten war, das Hotel M vor Aufnahme in ihr Reiseprogramm darauf zu überprüfen, ob es die nach deutschen Maßstäben zu fordernde Sicherheit gegen Brandgefahren bot und ob für den Fall eines Brandes ebenfalls aus deutscher Sicht ausreichende Schutzvorkehrungen getroffen worden waren, damit niemand zu Schaden kam. Außerdem mußte sie fortlaufend kontrollieren, ob der Sicherheitsstandard erhalten blieb. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß die Beklagte diese Pflicht verletzt hat, indem sie nicht darauf hingewirkt hat, daß für das Hotel M ein schriftlicher Plan aufgestellt wurde, in dem die für den Brandschutz jeweils zuständigen Personen genau bestimmt wurden und indem jedem seine Aufgaben bei der Brandbekämpfung und bei der Warnung und Evakuierung der Hotelgäste und die Reihenfolge der zu ergreifenden Maßnahmen genau zugewiesen waren. Nur ein derartiger schriftlicher Organisationsplan, in den das Personal regelmäßig eingewiesen werden muß, bietet ausreichende Gewähr für einen wirksamen Feuerschutz, wenn es sich um ein Hotel der Größenordnung des Hotels M handelt, das aus zwei jeweils 4-stöckigen Hotelblocks und einem 2-stöckigem Restaurantteil bestand und das in der Brandnacht 198 Gäste beherbergte, wie sich aus dem Rechtsbeschluß des b Bezirksstaatsanwalts in S ergibt. Bei einem Objekt dieser Größe genügt es nicht, daß das Hotelpersonal mündlich unterrichtet und laufend geschult wird. Vielmehr ist ein schriftlicher Brandbekämpfungs- und Evakuierungsplan unerläßlich, weil damit zu rechnen ist, daß Menschen in einer extremen Notsituation, wie sie durch einen Brandausbruch entsteht, überhastet und kopflos reagieren, so daß ihnen mit einem derartigen schriftlichen Plan ein Hilfsmittel an die Hand gegeben werden muß, auf das sie im Ernstfall zurückgreifen können, um sich bei der Gefahrenabwehr sachgerecht und effizient zu verhalten. Es stellt keine Überspannung der an einen Reiseveranstalter zu stellenden Sorgfaltspflicht dar, wenn von ihm die Nachprüfung verlangt wird, ob ein derart detaillierter schriftlicher Brandschutz — und Evakuierungsplan existiert. Für das Hotel M war überhaupt kein schriftlicher Organisationsplan für den Brandfall vorhanden. Die sogenannte „Feuerschutzanordnung“ des Generaldirektors von B B enthielt außer der Anweisung an die den Brand entdeckende Person zur telefonischen Benachrichtigung der Bezirksfeuerwehr unter bestimmten Telefonnummern lediglich allgemein gehaltene Hinweise ohne konkreten Bezug zum Hotel M und speziell dort zu ergreifende näher bestimmte Maßnahmen. Ebensowenig waren die jeweils verantwortlichen Personen namentlich bezeichnet und mit bestimmten Aufgaben betraut. Eine derartige generelle Anweisung war nicht ausreichend. Zudem geht die „Feuerschutzanordnung“ selbst davon aus, daß ein „Plan über die Evakuierung der Leute aus den Hotels“ vorhanden sein soll, weil sie dessen strikte Einhaltung gebietet. Tatsächlich existierte ein solcher Plan jedenfalls in schriftlicher Form für das Hotel M nicht, weil die Beklagte ihn andernfalls vorgelegt hätte, nachdem sie vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil auf diesen Mangel hingewiesen worden ist.
40. Das Fehlen eines schriftlichen Organisationsplans für die Brandbekämpfung und Evakuierung der Hotelgäste war nach der Überzeugung des Senats ursächlich für die eingetretenen Körperschäden der Eheleute K. Hätte ein solcher Plan existiert, hätte er vorsehen müssen, daß bestimmte Hotelangestellte die Feuerlöscharbeiten in Angriff nehmen, indem sie die Wasserschläuche an die Hydranten anschließen und den Wasserstrahl auf den Brandherd richten, während andere Bedienstete die Evakuierung in die Wege leiten, indem sie mittels der vorhandenen Lautsprecher die Gäste wecken und zum sofortigen Verlassen ihrer Zimmer auffordern, sei es durch das Treppenhaus, sei es durch die Notausgänge. Der erste Anschein spricht dafür, daß das Hotelpersonal sich an einen solchen ihm bekannten schriftlichen Plan gehalten hätte, weil dieser sich erfahrungsgemäß viel besser einprägt als mündliche Unterweisungen, und daß er auch erfolgreich hätte verwirklicht werden können. Denn nach den Feststellungen des Bezirksstaatsanwalts in S dauerte es trotz des Fehlverhaltens des Hotelpersonals, das statt einer Benutzung der Hydranten mit Wassereimern zu löschen versuchte und den Brand durch Einschlagen einer Glaswand und die damit verbundene Frischluftzufuhr unnötig weiter entfachte, von der Entdeckung des Brands noch ca. 15 Minuten, bis das Foyer des Hotels brannte, und erst dann breitete sich das Feuer auch über die Gänge in den Stockwerken des Hotels aus. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte sich das Feuer aller Voraussicht nach zumindest nicht so rasch ausgebreitet und es wäre den Eheleuten K bei sofortigem Alarm innerhalb von 15 Minuten noch möglich gewesen, von ihrem Zimmer im 4. Stock gefahrlos ins Freie zu gelangen.
41. Soweit die Beklagte vorbringt, dem Hotelpersonal sei es schon im Zeitpunkt der Entdeckung des Brandes nicht mehr möglich gewesen, diesen mit den vorhandenen Feuerlöschmitteln unter Kontrolle zu bringen, kann sie hiermit nicht gehört werden. Das Vorbringen ist einerseits völlig unsubstantiiert, weil die Räumlichkeiten und die verfügbaren Löscheinrichtungen nicht genügend beschrieben sind, um eine Überprüfung des Vortrags zu gestatten. Zum anderen hätten schon eine Verzögerung der Ausweitung des Brandes und eine sofortige Alarmierung der Gäste ausgereicht, um diesen das Verlassen des Hotels zu ermöglichen, auch wenn eine endgültige Löschung des Feuers nicht hätte bewerkstelligt werden können.
42. Daß die Beklagte das Fehlen eines schriftlichen Brandbekämpfungs- und Evakuierungsplans im Hotel M nicht aufgedeckt und für Abhilfe gesorgt hat, beruht auf einer Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Dabei trifft das Verschulden den verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten, der von ihr für die zentrale Steuerung und Überwachung des Hoteleinkaufs im Ausland eingesetzt war. Ihm hätte es oblegen, für bestimmte Länder bestimmte Richtlinien zu erstellen, nach denen die vor Ort tätigen Einkäufer wie der von der Beklagten benannte Zeuge W die Geeignetheit eines Hotels nach deutschen Sicherheitsmaßstäben zu prüfen hatten. Dabei hätte auch auf die Notwendigkeit eines schriftlichen Brandschutz- und Evakuierungsplans bei Hotels mit einer Belegung von knapp 200 Personen hingewiesen werden müssen. Im Vortrag der Beklagten fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, daß bei ihr eine derartige Organisation vorhanden war.
43. Der deliktische Schadensersatzanspruch der Klägerin scheitert nicht daran, daß er nicht gem. § 651 g Abs. 1 BGB innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise am 5.3.1988, sondern erstmals am 11.4.1988 bei der Beklagten angemeldet worden ist. Die genannte Ausschlußfrist gilt schon nach dem Wortlaut der Bestimmung nur für die Geltendmachung von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen nach den §§ 651 c – 651 f BGB. Wegen des Ausnahmecharakters dieser Frist verbietet sich eine Anwendung auf deliktische Schadensersatzansprüche.
44. Aus den selben Gründen kommt hier auch eine Haftungsbegrenzung der Beklagten auf den dreifachen Reisepreis nach § 651 h Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht in Betracht. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1987, 1931, 1937) an, auf die verwiesen wird.
45. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt. Die hier einschlägige dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB ist durch die Klageerhebung vom 21.2.1989 wirksam unterbrochen worden. § 852 BGB wird für den deliktischen Schadensersatzanspruch nicht durch § 651 g Abs. 2 BGB verdrängt.
46. Auch insoweit folgt der Senat der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1988, 1380, 1381). Es kommt hinzu, daß die Verjährung auch nach § 651 g Abs. 2 Satz 3 BGB bis zur Klageerhebung gehemmt gewesen wäre, weil die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche nicht zuvor schriftlich zurückgewiesen hatte. Die Zurückweisung durch die hinter der Beklagten stehende C AG kann einer Zurückweisung durch die Beklagte selbst nicht gleichgeachtet werden, da der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer durchaus unterschiedliche Stellungnahmen abgeben können.
47. Der Zinsanspruch der Klägerin ist nach § 291 BGB gerechtfertigt.
48. Auch das Feststellungsbegehren der Klägerin ist begründet, da angesichts der Schwere der Verletzungen beider Eheleute K mit der Entstehung von Folgekosten zu rechnen ist, die noch nicht beziffert werden können.
49. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
50. Wert der Beschwer für die Beklagte: 161.601,12 DM.
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