Post als Erfüllungsgehilfe des Vermieters

LG Berlin: Post als Erfüllungsgehilfe des Vermieters

Dem Mieter wurde die Betriebskostenabrechnung verspätet zugestellt. Dieser zahlte aus diesem Grund später. Der Vermieter forderte ihn deshalb zu einer zusätzlichen Zahlung auf. Der Vermieter trug vor, er habe die Betriebskostenabrechnung rechtzeitig verschickt, die verspätete Zustellung sei das Verschulden des Postunternehmens.

Das Landgericht Berlin entschied gegen den Vermieter. Der Vermieter muss dafür sorgen, dass die Betriebskostenabrechnung den Mieter rechtzeitig erreicht.

LG Berlin 65 S 176/07 (Aktenzeichen)
LG Berlin: LG Berlin, Urt. vom 29.01.2008
Rechtsweg: LG Berlin, Urt. v. 29.01.2008, Az: 65 S 176/07
AG Berlin-Charlottenburg, Urt. v. 08.03.2007, Az: 218 C 517/076
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Berlin-Gerichtsurteile

Landesgericht Berlin

1.Urteil vom 29.01.2008

Aktenzeichen 65 S 176/07

Leitsätze:

2. Der Vermieter trägt für die rechtzeitige Zustellung der Betriebskostenabrechnung Sorge.

Er hat sich die verspätete Zustellung durch die Post zurechnen zu lassen.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall wurde einem Mieter die Betriebskostenabrechnung verspätet zugestellt. Dieser zahlte dementsprechend später. Für die verspätete Begleichung des Rechnungsbetrages forderte ihn der Vermieter zu einer zusätzlichen Nachzahlung auf. Der Vermieter trug vor, er habe die Betriebskostenabrechnung rechtzeitig abgeschickt. Als Grund für die verspätete Zustellung trug der Vermieter den Verlust des Schreibens auf dem Postweg vor.

Das Landesgericht Berlin entschied, dass es im Aufgaben- und Verantwortungskreis des Vermieters liegt dem Mieter die Betriebskostenabrechnung Rechtzeitig zuzustellen. Es ist die Pflicht des Vermieters dem Mieter die Betriebskostenabrechnung mitzuteilen, eine Mitteilung liegt nur dann vor, wenn diese dem Mieter Zugegengen ist.  Da die Zustellung die Pflicht des Vermieters ist muss er sich die verspätete Zustellung durch die Post, die als sein Erfüllungsgehilfe auftritt, zurechnen lassen. Die Beweislast über den rechtzeitigen Zugang der Betriebskostenabrechnung trägt der Vermieter.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.03.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg -218 C 517/076 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

I.

5. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

6. Mit der Berufung wendet sich die Beklagte unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen das angefochtene Urteil.

7. Sie beantragt,

8. die Kläger unter Abänderung des angefochtenen Urteils als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 270,45 € nebst 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9. Die Kläger beantragen,

10. die Berufung zurückzuweisen.

11. Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

II.

12. Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist in der Sache ohne Erfolg.

13. Zutreffend hat das Amtsgericht den Klägern den sich aus der von der Beklagten vorgelegten Mietkontenaufstellung ergebenden Guthabensbetrag gemäß der Heizkostenabrechnung 2003/2004 in Höhe von 310,16 € zuerkannt. Dieser Anspruch der Kläger besteht unmittelbar aufgrund der vertraglichen Vorschusszahlungsregelung (BGH, NJW 2005, 1499).

14. Die Beklagte kann sich angesichts dessen, dass sie diesen Anspruch selbst festgestellt und in ihre Buchhaltung eingestellt hat, nicht darauf berufen, dass die Kläger die entsprechende Heizkostenabrechnung nicht vorgelegt haben und ihren Rückforderungsanspruch gerade darauf stützen, dass ihnen eine entsprechende Abrechnung nicht zugegangen ist. Zwar trifft es zu, dass ein Rückzahlungsanspruch bezüglich geleisteter Vorschüsse im Allgemeinen nur fällig wird aufgrund einer erteilten und zugegangenen Abrechnung, aus der sich dieser ergibt. Aber im Falle des beendeten Mietverhältnisses steht dem früheren Mieter nach der vom BGH vertretenen und hier geteilten Rechtsauffassung ein Rückforderungsrecht auch bezüglich aller Vorschussleistungen zu, wenn der Vermieter dem Mieter keine Abrechnung mitteilt, obwohl dieser Anspruch fällig geworden ist (vgl. BGH a. a. O.), so dass jedenfalls der sich nach eigenen Unterlagen der Beklagten ergebende Betrag zurückgefordert werden kann.

15. Ferner ist das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte mit Nachforderungen für Betriebskosten 2004 wegen § 556 Abs. 3 S. 3 BGB ausgeschlossen ist und ihre Aufrechnung gegen die Klageforderung damit wirkungslos und die Widerklage unbegründet ist.

16. Denn den Klägern ist innerhalb der Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 S. 2 BGB, die am 31.12.2005 ablief, keine Abrechnung über die Betriebskosten für das Jahr 2004 zugegangen. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt und unter Beweis stellen können, dass den Klägern die ursprüngliche Abrechnung in der Fassung vom 21.12.2005 tatsächlich in der Frist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB zugegangen ist. Der Vermieter schuldet dem Mieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB die Mitteilung der Abrechnung. Eine Mitteilung liegt nur dann vor, wenn sie dem Mieter zugegangen ist.

17. Es ist der Beklagten auch nicht gelungen darzulegen, dass sie die Verspätung bzw. den Verlust der Abrechnung auf dem Postwege und die verspätete Versendung dann erst mit der Widerklage nicht im Sinne von § 556 Abs. 3 S. 4 BGB zu vertreten hatte.

18. Es reichte nicht aus vorzutragen, dass die Abrechnung rechtzeitig abgesandt worden sei, denn damit wäre der Verpflichtung zur Mitteilung der Abrechnung noch nicht ausreichend genüge getan. Vielmehr muss dafür Sorge getragen werden, dass die Abrechnung auch in dem Empfangsbereich des Mieters gelangt. Die Beklagte hat insoweit lediglich vorgetragen, dass der Zeuge Z. die Abrechnung noch am 21.12.2005 zur Post aufgegeben und versandt habe. Das genügt jedoch nicht. Denn entgegen der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (LG Berlin, ZK 62, Grundeigentum 2006, 1407, LG Berlin, ZK 67 Grundeigentum 2005, 1355, AG Leipzig, ZMR 2006, 47- 48) war die für die Zusendung in Anspruch genommene Post Erfüllungsgehilfe des Vermieters gemäß § 278 BGB (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB Neubearb. 2004, § 278 Rn. 96). Es unterliegt keinerlei Zweifel, dass der Bote als Überbringer einer Willenserklärung in Bezug auf die Überbringung Erfüllungsgehilfe des Schuldners ist (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB Neubearb. 2004, § 278 Rn. 22). Auch der Versender ist Erfüllungsgehilfe des die Versendung Schuldenden. Das gilt auch für die Post, wenn diese zur Versendung seitens des Schuldners eingesetzt wird. Erfüllungsgehilfe kann nämlich auch sein, wer nicht von den Weisungen des Schuldners abhängig ist (a.a.O.). Es kommt nicht darauf an, ob der Erfüllungsgehilfe von den Weisungen des Schuldners – anders als beim Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 BGB – abhängig ist (BGH NJW 1996, 451). Der BGH hat dazu in einer weiteren Entscheidung ausgeführt und die Kammer schließt sich dem an (BGH NJW 1993, 1704), dass es gleichgültig sei, ob der Schuldner eine selbständige oder eine von seinen Weisungen abhängige Person eingeschaltet hat und ob er zu deren Kontrolle imstande war, denn § 278 BGB legt dem Schuldner das Risiko der Einschaltung von Dritten auf (vgl. auch Staudinger/Löwisch, ebenda, Rn. 25). Schließlich ist auch unerheblich, dass die Post für die Briefversendung im Jahr 2005 noch eine Monopolstellung besaß(Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl.; u. a. BGH NJW-RR 2001, 396 [398]).

19. Dagegen spricht nicht, dass eine Partei für die Einhaltung prozessualer Pflichten oder Fristen im Rechtsstreit nicht für Verspätungen oder Verluste von Sendungen durch die Post einzustehen hat. Denn § 278 BGB wird für den Zivilprozess durch die Spezialregelung des § 85 Abs. 2 ZPO verdrängt (Grundmann/ Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. § 278 Rn. 13), wonach die Partei (nur) das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, aber nicht weiterer Dritter zu vertreten hat.

20. Da ein fehlendes Vertretenmüssen der Beklagten im Sinne von § 556 Abs. 3 S. 3 BGB nicht festgestellt werden kann, kann dahinstehen, ob die vom Amtsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen dem verspäteten und dem nicht erfolgten Zugang der Abrechnung angesichts dessen, dass auch die ursprünglich nicht zugegangene Abrechnung dann jedenfalls mit der Zustellung der Widerklage – verspätet – zugegangen ist, vorzunehmen ist.

21. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

22. Die Revision wird wegen der divergierenden Rechtsprechung zu dieser Frage und der grundsätzlichen Bedeutung für einen größeren am Rechtsverkehr beteiligten Kreis gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen.

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