Unaufgeforderte Zusendung von Werbe-E-Mails an einen Rechtsanwalt
LG Berlin: Unaufgeforderte Zusendung von Werbe-E-Mails an einen Rechtsanwalt
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, fordert, die Inhaberin eines Reisebüros zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm unerwünschte Werbe-E-Mails zu schicken, es sei denn, der Kläger stimmt der Übersendung vorab zu oder sein Einverständnis kann begründet vermutet werden. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Zusendung der streitgegenständlichen E-Mails werbenden Inhalts einen Eingriff in den Gewerbebetrieb seiner Kanzlei darstellten. Die Beklagte dagegen versichert, dass vor der Übersendung der E-Mail ein Abonnement des Newsletters durch den Kläger erfolgt sei.
Das Landgericht Berlin hält die Klage für begründet, weil die Zusendung unerwünschter E-Mails werbenden Inhalts tatsächlich einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstelle. Der Kläger hat dementsprechend gegenüber der Beklagten einen Unterlassungsanspruch, weil auch davon auszugehen sei, dass die Werbe-E-Mail im Verantwortungsbereich der Beklagten versandt wurden. Der Versender eines Newsletters müsse der Möglichkeit, dass Dritte unbefugt für einen anderen einen Newsletter bestellen, durch geeignete Maßnahmen, z.B. die Versendung einer Bestätigungs-E-Mail, vorbeugen.
LG Berlin | 16 O 4/02 (Aktenzeichen) |
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LG Berlin: | LG Berlin, Urt. vom 16.05.2002 |
Rechtsweg: | LG Berlin, Urt. v. 16.05.2002, Az: 16 O 4/02 |
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Leitsatz:
2. Werden einem Rechtsanwalt unaufgefordert Werbe-E-Mails zugesandt, stellt dies einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger ist ein Rechtsanwalt, der eine Kanzlei in Berlin betreibt. Er hatte von der Beklagten, einer ist Inhaberin des Reisebüros in Deutschland unaufgefordert Werbe-E-Mails erhalten. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Zusendung der streitgegenständlichen E-Mails werbenden Inhalts einen Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb seiner Kanzlei darstellt und er fordert nun, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm weitere Werbe-E-Mails zu schicken, es sei denn, der Kläger stimmt der Übersendung vorab zu oder sein Einverständnis kann vermutet werden.
Die Beklagte dagegen versichert, dass sich nicht um einen Fall der unaufgeforderten Übersendung von Werbung handele, weil ihrer Überzeugung nach zuvor ein Abonnement des Newsletters durch den Kläger erfolgt sei.
Das Landgericht Berlin hält die Klage für begründet und spricht dem Kläger gegenüber der Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 BGB zu. Der Beklagte sei hier auch passivlegitimiert und müsse als Störer im Sinne des § 1004 BGB angesehen werden, weil davon auszugehen sei, dass die Werbe-E-Mail in seinem Verantwortungsbereich versandt wurde.
Das Landgericht Berlin schließt sich der Sichtweise des Klägers an, dass die Zusendung unerwünschter E-Mails werbenden Inhalts einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstelle, da der Kläger als Anwalt aus berufsrechtlichen Gründen zur sorgfältigen Sichtung der eingegangenen E-Mails verpflichtet sei und durch die unerwünschte Werbung die Arbeitsabläufe in seiner Kanzlei gestört würden. Das Landgericht stellt des Weiteren klar, dass die Möglichkeit, dass Dritte unbefugt für einen anderen einen Newsletter bestellen, seitens des Newsletter-Versenders durch geeignete Maßnahmen, z.B. der Versendung einer Bestätigungs-E-Mail, weitestgehend ausgeschossen werden müsse.
Tenor:
4. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, dem Kläger per E-Mail Werbung an dessen E-Mail-Adresse „kanzlei@…de“ zu übersenden, es sei denn, der Kläger hat der Übersendung zugestimmt oder sein Einverständnis kann vermutet werden.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
5. Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt eine Kanzlei in Berlin.
6. Der Beklagte ist Inhaber des Reisebüros … in Deutschland. Zwischen den Parteien besteht keine laufende Geschäftsbeziehung.
7. Am 14. Juli 2001 erhielt der Kläger eine E-Mail von der Absender-Domain „…org“. In dieser E-Mail (Newsletter) wird für Reisedienstleistungen geworben. Wegen des Inhalts der E-Mail im Einzelnen wird auf die Anlage K 1 (Bl. 5f d.A.) verwiesen. Es besteht für den Empfänger des Newsletters die Möglichkeit, sich durch Rücksendung der E-Mail mit dem Vermerk „Abmeldung“ bzw. über die Homepage „www.holiday-home.de“ abzumelden.
8. Auf der Homepage „www…de“ heißt es unter anderem: „Dieses Angebot vermittelt Ihnen … Reisebüro …“.
9. Klickt man auf dieser Webseite den auf der rechten oberen Ecke angeordneten Link „Als Erster das Neueste wissen!“ an, so öffnet sich ein Fenster, in dem es heißt: „Ja, ich möchte immer zuerst informiert werden! (…)
14. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 (Bl. 33 d.A.) verwiesen.
15. Der Beklagte ist administrativer Ansprechpartner der Domains „…de“, „…de“ und „…org“, nicht aber Domaininhaber.
16. Der Kläger ist der Auffassung, die Zusendung der E-Mail werbenden Inhalts stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
17. Ursprünglich hatte der Kläger angekündigt, zu beantragen, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dem Kläger per E-Mail Werbung zu übersenden, es sei denn, der Kläger hat der Übersendung zugestimmt oder sein Einverständnis kann vermutet werden und dem Beklagten anzudrohen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen ihn festgesetzt wird.
18. Der Kläger beantragt zuletzt und Rücknahme der Klage im übrigen,
19. den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, dem Kläger per E-Mail Werbung an dessen E-Mail-Adresse „…de“ zu übersenden, es sei denn, der Kläger hat der Übersendung zugestimmt oder sein Einverständnis kann vermutet werden.
22. Der Beklagte behauptet, dass die Newsletter-E-Mail, wie sie der Kläger erhalten hat, nur auf vorherige Anforderung, jedoch nicht unaufgefordert übersandt werde. Es sei von dem Kläger oder von einem Dritten die E-Mail-Adresse „…de“ in den Verteiler der Beklagten eingetragen worden. Die Beklagte versende mit dem Programm „groupmail“ den Newsletter nur an E-Mail-Adressen, die durch Anmeldung in das System gelangt seien.
23. Der Beklagte ist der Auffassung, es handele sich nicht um einen Fall der unaufgeforderten Übersendung von E-Mail-Werbung, wenn auf diese Weise ein Abonnement des Newsletters erfolgt sei.
24. Es handele sich nicht um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, da es nur um die Abwehr einer bloßen Belästigung gehe. Die Gefahr einer unkontrollierten Versendung von Werbe-E-Mails bestehe nicht, wenn Newsletter-E-Mails nur nach vorheriger Anforderung versandt würden.
25. Es liege in der Risikosphäre des Klägers, wenn er seine E-Mail-Adresse auf dem Briefkopf verwende und damit einer Vielzahl von Personen zugänglich mache.
26. Ferner ist der Beklagte der Auffassung, er sei nicht passivlegitimiert. Verantwortlich für die Übersendung sei der Inhaber der Domain, von der aus der Newsletter versandt worden sei.
27. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
29. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 BGB.
30. 1. Der Beklagte ist passivlegitimiert. Er ist als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen. Es ist davon auszugehen, dass die streitgegenständliche E-Mail in seinem Verantwortungsbereich versandt wurde.
31. Auf der streitgegenständlichen E-Mail steht am Ende „Ihr Reisebüro … Generalagentur für … in
Deutschland“.
33. „Ein service von http://www…de“.
34. Wenn „Ihr Reisebüro … angegeben ist, dann ist davon auszugehen, dass der Newsletter auch von diesem veranlasst wurde. Der Beklagte macht nicht geltend, dass jemand ohne sein Wissen und Wollen für ihn werbe.
35. Aus dem von dem Beklagten als Anlage B 1 (Bl. 33 d.A.) überreichten Internet-Ausdruck ergibt sich, dass in Bezug auf die Bestellmöglichkeit des Newsletters angegeben wird „In Verantwortung von Reisebüro …“. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt der Domain hat, zumal er administrativer Ansprechpartner dieser Domain ist. Der Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, wieso er auf der Web-Seite als Verantwortlicher für den Newsletter angegeben wird, wenn er es nicht tatsächlich ist.
36. Auch ein vermittelndes Reisebüro hat Interesse an Geschäftsabschlüssen, so dass die Tatsache, dass das Reisebüro des Beklagten in der Domain „www….de“ lediglich als vermittelndes Reisebüro aufgeführt ist, keine Rolle spielt.
37. 2. Die Zusendung unerwünschter E-Mails werbenden Inhalts stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
38. a) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche sind hier nicht einschlägig, da der Versendung der E-Mail im Verhältnis der Parteien untereinander jegliche wettbewerbliche Relevanz fehlt. Zwischen einem Reisebüro und einem Rechtsanwalt besteht keine Konkurrenzsituation. Auch eine Eigentumsverletzung ist nicht erkennbar, da durch den Empfang unerwünschter E-Mails keine materiellen Wirtschaftsgüter beeinträchtigt werden.
39. b) Die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb steht hier wegen der negativen Auswirkung gerade auf die Berufsausübung des Klägers im Vordergrund gegenüber einer bei der Versendung unerwünschter E-Mails an Privatpersonen einschlägigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im vorliegenden Fall war an Hand der E-Mail-Adresse „kanzlei(…)“ erkennbar, dass es sich um eine geschäftlich genutzte E-Mail-Adresse handelt.
40. In den Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fallen auch die Angehörige freier Berufe, wie hier der Kläger als Rechtsanwalt.
41. c) Die hier in Rede stehende Beeinträchtigung für den Kläger ist auch von solcher Intensität, dass sie als „Eingriff“ in seinen Geschäftsbetrieb angesehen werden kann.
42. Die unaufgeforderte E-Mail-Werbung stellt eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers dar.
43. Da der Abruf der Nachrichten „online“ erfolgt, werden für den Nutzer durch die Werbe-E-Mails, die die Übertragungszeit des Nachrichtenabrufs verlängern, zusätzliche Telekommunikationsgebühren verursacht. Ferner muss der Empfänger Arbeitszeit aufwenden, um unerwünschte Werbe-E-Mails auszusortieren. Die Vorgehensweise des Werbenden beeinträchtigt die negative Informationsfreiheit des Empfängers.
44. Ein Löschen von E-Mails werbenden Inhalts ohne deren Öffnung ist grundsätzlich möglich; dies erfordert aber gerade für einen Rechtsanwalt, dass eine sorgfältige Vorprüfung an Hand der Absenderangabe und des Betreffs erfolgt, um ein versehentliches Löschen von E-Mails, die keine Werbung darstellen, zu vermeiden. Löscht ein Rechtsanwalt versehentlich ein Schreiben mit einer wichtigen Mitteilung, so kann dies einen Haftungsfall bedeuten. Das Aussortieren von Werbe-E-Mails verursacht eine Störung des Betriebsablaufs, indem Arbeitszeit hierzu aufgewendet werden muss.
45. Auch ist zu berücksichtigen, dass ein Werbender mit sehr geringen eigenen Kosten Werbe-E-Mails an eine Vielzahl von Personen gleichzeitig versenden kann. Würde man das Versenden von Werbe-E-Mails für zulässig halten, würde dies zu einer unübersehbaren Flut von Werbe-E-Mails führen, da das Versenden von E-Mails für den Werbenden ungleich billiger ist als das Versenden von Werbung per Post, die Kosten für Druck und Porto mit sich bringt. Insofern gelten ähnliche Grundsätze wie bei der Telefax-Werbung (hierzu BGH GRUR 96, 208), wobei es sogar möglich ist, per E-Mail mit noch geringerem Aufwand (ohne Eintippen der Empfänger-Nummern) eine Vielzahl von Werbesendungen per Knopfdruck an eine einmal gefertigte E-Mail-Adressenliste zu versenden.
46. Es ist nicht entscheidend, dass die E-Mail, die der Beklagte an den Kläger versandt hat, für sich allein nicht geeignet war, in erheblichem Umfang die oben genannten nachteiligen Folgen für den Kläger zu verursachen. Aufgrund der Ausuferungsgefahr, die die Form der E-Mail-Werbung mit sich bringt, muss jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden. Eine Werbeart ist schon immer dann als unlauter anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trägt und damit erst zu einer untragbaren Belästigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten führt.
47. Das OLG München hat in Bezug auf Telefax-Werbung ausgeführt:
48. „Das Interesse der Klägerin daran, gelegentliche Telefax-Werbeschreiben eines einzelnen Unternehmens zu verhindern, mag zwar gering sein, da von einzelnen wenigen Schreiben – insbesondere dann, wenn sie, wie hier, außerhalb der Geschäftszeit eingehen – nur eine geringe Beeinträchtigung des Betriebs ausgeht. Es ist aber zu berücksichtigen, dass im Falle der Bejahung der Zulässigkeit einer Werbung durch Telefax in Fällen der vorliegenden Art mit einer kurzfristigen starken Ausweitung der Telefax-Werbung gerechnet werden müsste, was eine stetig wachsende Blockierung der Anlagen bei den angeschlossenen Firmen und eine zunehmende Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs sowie auch eine steigende Kostenbelastung mit sich bringen würde. Jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt ist es daher geboten, eine unaufgeforderte Werbung über Telefax als in der Regel (nicht nur wettbewerbsrechtlich, sondern auch) unter dem Gesichtspunkts des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als unzulässig anzusehen“.
49. Diese Argumentation, der sich das Gericht anschließt, gilt auch im Hinblick auf Werbung per E-Mail.
50. Dem Werbemedium „E-Mail“ wohnt als solchem die Gefahr der Ausuferung inne.
51. Es mag durchaus sein, dass die Gefahr der Ausuferung in Fällen, in denen der Versand des Newsletters nur an Personen erfolgt, für die eine Eintragung auf der Homepage des Versenders erfolgt, nicht groß ist, zumal man davon ausgehen kann, dass kaum jemand unbefugt massenweise fremde E-Mail-Adressen bei Versendern von Werbung eintragen wird. Es ist aber aus den erörterten Gründen bereits in der Übersendung einer einzigen E-Mail werbenden Inhalts ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu sehen. Da schon eine einzige E-Mail einen Eingriff darstellt, kann nicht der Eingriff aus dem Grund verneint werden, dass es bei der konkreten Art und Weise der Übersendung der Werbung (nach Eintragung auf der Homepage des Beklagten) nicht massenhaft dazu kommen wird, dass unerwünschte E-Mails versandt werden. Auch wenn es konkret bei dem Beklagten nur in Einzelfällen dazu kommen sollte, dass E-Mails versandt werden, ohne dass eine Anforderung durch den Empfänger selbst erfolgte, liegt in diesen Einzelfällen ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (bzw. eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) vor. Es kann nämlich nicht die rechtliche Beurteilung einer einzelnen versandten E-Mail davon abhängen, in welcher Zahl gerade der Versender unerbetene E-Mails werbenden Inhalts verschickt.
52. 3. Der Eingriff ist auch als rechtswidrig anzusehen.
53. a) Allerdings wird bei den offenen Verletzungstatbeständen wie dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und der Verletzung des Persönlichkeitsrechts die Rechtswidrigkeit nicht indiziert.
54. Die erforderliche Interessenabwägung führt aber zu dem Ergebnis, dass die Übersendung einer unerbetenen Werbe-E-Mail rechtswidrig ist. Das Interesse des Empfängers an einer ungestörten Ausübung seines Gewerbebetriebs ist höher zu bewerten als das Interesse des Absenders an dieser für ihn bequemen und kostengünstigen Werbemethode.
55. b) Gerechtfertigt ist der Versand einer werbenden E-Mail allein dann, wenn der Empfänger der Werbung vorher zugestimmt hat oder das Einverständnis vermutet werden kann.
56. Der gegenteiligen Ansicht, wonach Werbe-E-Mails nur dann unzulässig seien, wenn der Empfänger eine solche offenkundig abgelehnt habe (LG Braunschweig NJW-RR 2000, 924f) folgt das Gericht nicht.
57. aa) Das Gericht hält es nicht für überzeugend, wenn diese Auffassung auf die EG-Fernabsatz-Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 17. Februar 1997 (97/17/EG) gestützt wird.
58. Zwar bestimmt Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie, dass die Verwendung von Voice-Mail-Systemen und Telefaxen durch den Lieferer der vorherigen Zustimmung des Verbrauchers bedarf, während Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Fernkommunikationstechniken, die eine individuelle Kommunikation erlauben, mit Ausnahme der in Abs. 1 genannten Techniken nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Verbraucher ihre Verwendung nicht offenkundig abgelehnt hat.
59. Eine unmittelbare Anwendung einer Richtlinie im Verhältnis von Einzelnen untereinander scheidet aus, da sich Richtlinien der EG gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV an die Mitgliedstaaten richten.
60. Aus dem Fernabsatzgesetz, dass diese Richtlinie umsetzt, ergibt sich nicht die Zulässigkeit von E-Mail-Werbung. Zwar werden in § 2 Abs. 1 FernAbsG keine ausdrücklichen Bestimmungen dazu getroffen, dass eine Versendung von E-Mails werbenden Inhalts nur dann zulässig ist, wenn der Empfänger zugestimmt hat oder dessen Einverständnis vermutet werden kann. Nach § 2 Abs. 1 S. 3 FernAbsG bleiben weitergehende Einschränkungen bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln auf Grund anderer Vorschriften unberührt. Hieraus ergibt sich, dass das Fernabsatzgesetz keine Erweiterung der zulässigen Werbemittel beinhaltet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der richtlinienkonformen Auslegung des Fernabsatzgesetzes bzw. von § 823 BGB. Art. 10 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie ist so formuliert, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass Fernkommunikationstechniken nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Verbraucher ihre Verwendung nicht offenkundig abgelehnt hat. Dies bedeutet keineswegs, dass Fernkommunikationstechniken immer dann verwendet werden dürfen, wenn der Verbraucher ihre Verwendung nicht offenkundig abgelehnt hat. Es lässt sich aus Art. 10 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie keine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Liberalisierung bestehender Vorschriften herleiten. Vielmehr wird durch die Formulierung „nur“ klargestellt, dass es sich lediglich um die Mindestanforderungen handelt. Darüber hinaus bestimmt Artikel 14 S. 1 der Richtlinie ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten strengere Bestimmungen erlassen können, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Genauso wie die – im Vergleich zu den Mindestanforderungen der Fernabsatzrichtlinie strengere – deutsche Rechtsprechung zur Telefonwerbung auf Grund von Art. 14 S. 1 der Richtlinie grundsätzlich von der Richtlinienregelung unberührt bleibt, hat die Richtlinie keinen Einfluss auf die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der E-Mail-Werbung. Hieran ändert die Bestimmung des Art. 14 S. 2 der Richtlinie nichts. Durch Art. 14 S. 2 wird nur das generelle Verbot des Vertriebs im Fernabsatz geregelt, das in der Tat nur für bestimmte Waren und Dienstleistungen gelten kann. Vorliegend geht es aber nicht darum, dass der Beklagten der Vertrieb bestimmter Waren im Wege des Fernabsatzes untersagt wird; vielmehr geht es nur darum, dass eine bestimmte Form der Werbung für Waren und Dienstleistungen nur dann erlaubt ist, wenn der Empfänger sich mit ihr einverstanden erklärt hat.
61. Im übrigen ist die Anwendbarkeit der Fernabsatzrichtlinie hier bereits aus dem Grunde fraglich, dass dort das Verhältnis zwischen Verbrauchern und Lieferern geregelt wird, während es hier um eine geschäftlich genutzte E-Mail-Adresse geht.
62. bb) Das Gericht hält es auch nicht für überzeugend, wenn diese Auffassung damit argumentiert, dass der Empfänger sich durch eine einfache Mitteilung aus der Bezugsliste löschen lassen kann.
63. Die Übersendung einer Bitte um Austragen aus der Verteilerliste bewirkt, dass der Nutzer der E-Mail-Adresse zu erkennen gibt, dass es sich um eine „aktive“ Adresse handelt und die an diese Adresse gerichteten Mitteilungen gelesen werden. Es besteht die Gefahr, dass an diese Adresse – wenn auch nicht von dem Absender der ersten E-Mail – aufgrund einer Weiterleitung dieser „interessanten“ E-Mail-Adresse in der Folgezeit besonders viele Werbe-E-Mails gesandt werden. Das Austragen aus der Verteilerliste ist dem Empfänger einer Werbe-Mail nicht zumutbar, da der Empfänger nicht erkennen kann, ob der Absender der E-Mail die Adressen, von denen aus eine Abbestellung des Newsletters erfolgte, weiterleiten wird. Das Anbieten einer bequemen Möglichkeit zum Austragen kann daher generell nicht die Rechtswidrigkeit der Zusendung der E-Mail entfallen lassen. Daran ändert es nichts, dass im vorliegenden Fall nicht in Rede steht, dass der Beklagte den Wunsch nach Löschung aus dem Verteiler nicht respektiert oder E-Mail-Adressen von Personen, die sich aus dem Verteiler haben löschen lassen, weiterverkauft.
64. Im übrigen ist nach Auffassung des Gericht ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bereits mit der ersten E-Mail werbenden Inhalts gegeben, so dass eine Abbestellung des Newsletters zwar weitere Beeinträchtigungen vermeiden kann, aber nichts an der Rechtswidrigkeit der ersten zugesandten E-Mail ändert.
65. c) Der Beklagte trägt die Beweislast für die Rechtfertigung des Eingriffs, also dafür, dass der Empfänger der jeweiligen Sendung vorher zugestimmt hat oder das Einverständnis vermutet werden kann.
66. Tatsachen, auf Grund derer das Einverständnis vermutet werden könnte, liegen hier nicht vor. Eine laufende Geschäftsbeziehung zum Kläger behauptet der Beklagte nicht.
67. Die beiden Rechtfertigungsvarianten (erklärtes oder vermutetes Einverständnis) müssen voneinander getrennt werden. Entweder muss der Empfänger der E-Mail das Einverständnis erklärt haben oder es muss auf Grund anderer objektiver Gesichtspunkte die Vermutung des Einverständnisses begründet sein. Es ist nicht möglich, die beiden Varianten in der Form zu vermischen, dass es für die Rechtfertigung ausreicht, wenn der Absender der E-Mail vermuten kann, dass der Empfänger das Einverständnis erklärt hat.
68. Selbst wenn jemand eine Eintragung auf der Homepage der Beklagten vorgenommen und hiermit den Newsletter an die Adresse „…de“ bestellt hat, so dass es für den Beklagten so ausgesehen hat, als ob der Kläger sein Einverständnis mit der Zusendung des Newsletters erklärt hat, so liegt ein rechtswidriger Eingriff vor, es sei denn, die Eintragung wäre vom Kläger veranlasst worden.
69. Im vorliegenden Fall kann der Beklagte nicht den ihr obliegenden Beweis dafür antreten, dass eine Eintragung auf der Homepage vom Kläger vorgenommen oder von diesem veranlasst wurde.
70. Zwar hat der Beklagte Beweis dafür angetreten, dass er den Newsletter nur auf Anforderung verschickt. Selbst wenn dies als zutreffend unterstellt wird, so lässt dies aber nicht den Schluss darauf zu, dass es der Kläger selbst war, der den Newsletter angefordert hat oder von einer anderen Person hat anfordern lassen.
71. Die Kammer hat in einem Urteil vom 10. Januar 2002 in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 16 O 626/01 zu diesem Problemkreis ausgeführt:
72. „Nach allem ist es jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller oder eine ihm nahe stehende Person die E-Mail (bzw. den Newsletter) auf den Internet-Seiten das Antragsgegners angefordert haben. Verbleibende Zweifel gehen hier zu Lasten des Antragsgegners, da ihm insoweit die Glaubhaftmachung obliegt. Wenn der Antragsgegner auf Grund der derzeitigen technischen Gegebenheiten nicht zurückverfolgen kann, von welchem PC aus auf seinen Internet-Seiten Bestellungen abgegeben werden, dann spricht das auch nicht etwa dafür, hier die Glaubhaftmachungslast umzukehren. Bei Warenbestellungen käme wohl niemand auf eine solche Idee. Vielmehr ist das sich so ergebende Risiko der Beweisnot demjenigen aufzubürden, der mittels Versand von werbenden E-Mails in die Rechtssphäre Dritter eingreift, um seinen eigenen Geschäftsbetrieb anzukurbeln.
73. Eine gleiche Risikobelastung ist auch für den Fall der E-Mail-Anforderung durch einen hierzu nicht befugten Dritten vorzunehmen. Sofern also hier aus den beiderseitig abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen der Schluss gezogen werden könnte, ein unbekannter Dritter habe den Newsletter unter Angabe der Anschrift „(…)“ auf den Internet-Seiten des Antragsgegners bestellt, so ginge auch das zu Lasten des Antragsgegners. Denn das von der Kammer (und auch der überwiegenden Rechtsprechung) vorstehend befürwortete „opt-in-Modell“ kann sinnvollerweise nur dann Platz greifen, wenn der Empfänger selbst (und nicht irgendein außenstehender Dritter) einer Übersendung zugestimmt hat.“
74. Hieran hält das Gericht fest.
75. Für diese Risikoverteilung spricht auch, dass der Beklagte durchaus Möglichkeiten hat, um sicherzustellen, dass die Bestellung des Newsletters nicht von dritten Personen erfolgt. Durch die bisherige Praxis der Beklagten, nämlich dass der Newsletter durch Anklicken auf der Homepage und Eingeben einer E-Mail-Adresse bestellt werden kann, besteht die Gefahr, dass dritte Personen ohne Einverständnis des Empfängers den Newsletter auf dessen Adresse bestellen. Der Beklagte hätte aber die Möglichkeit, die Bestellung des Newsletters nicht durch Anklicken, sondern nur durch Übersendung einer E-Mail an den Beklagten zu ermöglichen und darauf hinzuweisen, dass eine Übersendung des Newsletters nur erfolgt, wenn die Absenderadresse der E-Mail mit der Empfängeradresse, an die der Newsletter bestellt wird, übereinstimmt. Bei einem Versand von E-Mails wird die Absenderadresse automatisch mitgeteilt. Eine E-Mail von einer bestimmten Absenderadresse kann nur eine Person verschicken, die das entsprechende Password kennt. Auf diese Weise könnte der Beklagte sicherstellen, dass keine Bestellung des Newsletters durch unbefugte Personen erfolgt.
76. Es ist legitim, dass der Kläger seine E-Mail-Adresse auf dem Briefkopf angibt, da der Kläger ein Interesse daran hat, dass seine Mandanten schnell mit ihm über die E-Mail-Adresse kommunizieren können.
77. Die Gefahr des Missbrauchs wird nicht etwa dadurch verursacht, dass der Kläger seine E-Mail-Adresse einem großen Kreis von Personen zugänglich macht, sondern dadurch, dass der Beklagte durch die Art der Bestellmöglichkeit des Newsletters jedem Dritten ermöglicht, unbefugt fremde E-Mail-Adressen in den Verteiler einzutragen.
78. d) Es kommt bei einem Anspruch aus § 1004 BGB nicht auf Verschulden an; es kommt auch nicht darauf an, ob der Beklagten die Rechtswidrigkeit der Versendung der E-Mail an den Kläger bewusst war. Es kommt für den Unterlassungsanspruch nur auf das rechtswidrige Ergebnis an, hier also auf den Eingriff in den Gewerbebetrieb durch eine unerwünschte E-Mail.
79. 4. Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits erfolgten Eingriffs vermutet.
II.
80. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
81. § 92 ZPO gilt entsprechend bei teilweiser Klagerücknahme. Die teilweise Klagerücknahme, die in der Beschränkung des Antrags auf die E-Mail-Adresse „…de“ liegt, ist als eine geringfügige Klagerücknahme anzusehen, die kostenneutral ist.
III.
82. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
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