Alkoholisierte Gäste in All-inclusive-Anlage kein Reisemangel

LG Kleve: Alkoholisierte Gäste in All-inclusive-Anlage kein Reisemangel

Die Klägerin fordert von der Beklagten, einer Reiseveranstalterin eine Minderung des Reisepreises für eine gebuchte Reise, weil diese Reise aus ihrer Sicht mangelhaft gewesen sei. Vor allem beklagte die Klägerin dabei Lärmbelästigung durch alkoholisierte Gäste der Hotelanlage. Außerdem habe der hoteleigene Swimming Pool kein Sprungbrett gehabt, wie es im Reiseprospekt angekündigt worden war.

Das LG Kleve spricht der Klägerin lediglich Anspruch auf eine Reisepreisminderung in Höhe von 2 % zu, weil das gebuchte Hotel nicht über ein Sprungbrett am Swimmingpool verfügte. Der Umstand, dass andere Hotelgäste auf der Hotelanlage für Lärm gesorgt hatten, stellt laut Ansicht des Landgerichts keinen Fehler der Reiseleistung dar und begründet aus diesem Grund keinen Reisemangel.  Bei Reisen in südliche Länder müsse grundsätzlich mit Lärmbelästigungen durch Freizeitveranstaltungen und andere Gäste gerechnet werden.

LG Kleve 6 S 369/00 (Aktenzeichen)
LG Kleve: LG Kleve, Urt. vom 23.11.2000
Rechtsweg: LG Kleve, Urt. v. 23.11.2000, Az: 6 S 369/00
AG Kleve, Urt. v. 27.06.2000, Az: 35 C 1/99
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Landgericht Kleve

1. Urteil vom 23. November 2000

Aktenzeichen: 6 S 369/00

Leitsatz:

2. Belästigungen durch alkoholisierte Gäste begründen keinen Reisemangel. Dies gilt insbesondere in der Hauptreisezeit und für All-inclusive-Anlagen in südlichen Ländern.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklaten, einer Reiseveranstalterin, eine Reise in ein südeuropäisches Land inklusive eines Aufenthalts in einem Hotel gebucht. Nach der Ankuft stellte die Klägerin an dieser Reise allerdings mehrere Mängel fest. So fühlte sich die Klägerin vor allem durch Lärm, der von alkoholisierten Gästen der Hotelanlage verursacht wurde, belästigt. Des Weiteren beklagt die Klägerin, der hoteleigene Swimming Pool habe kein Sprungbrett gehabt, wie es im Reiseprospekt angekündigt worden war. Aus diesen Gründen fordert die Klägerin von der Beklagten nun eine Minderung des Reisepreises bzw. einen Rückzahlungsanspruch gem. § 651 d Abs. 1 BGB zu, weil die Reise mangelhaft gewesen sei.

Das LG Kleve hält die Klage zum weit überwiegenden Teil für unbegründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte lediglich Anspruch auf eine Rückzahlung von DM 59,04, der sich aus § 651 d Abs. 1 BGB ergibt. Dies entspricht einer Minderung von 2 %, die sich daraus ergibt, dass das gebuchte Hotel nicht über ein Sprungbrett am Swimmingpool verfügte, obwohl dies durch die Prospektbebilderung versprochen worden war.

Der Umstand, dass andere Hotelgäste auf der Hotelanlage wiederholt Parties feierten und sich im betrunkenen Zustand durch lautes und pöbelhaftes Verhalten bemerkbar machten, stellt laut Ansicht des Landgerichts keinen der Beklagten zuzurechnenden Fehler der Reiseleistung dar und begründet aus diesem Grund keinen Reisemangel, der zur Minderung des Reisepreises berechtigen würde.  Vielmehr müsse bei Reisen in südliche Länder grundsätzlich mit Lärmbelästigungen durch Freizeitveranstaltungen und andere Gäste gerechnet werden. Dies gilt insbesondere für All-inclusive-Reisen während der Hauptreisezeit, weil es auf der Hand liege, daß bei der Alkoholkonsum der Gäste wesentlich höher liegt, wenn nicht für jedes alkoholische Getränk einzeln gezahlt werden müsse.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin zu 1.) wird das am 27. Juni 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Kleve (35 C 1/99) teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1.) DM 59,04 nebst 4 % Zinsen seit dem 18.11.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 1.) zu 70 %, die Kläger zu 2.) und 3.) je zu 14 % und die Beklagte zu 2 %.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren tragen die Klägerin zu 1.) zu 82 %, die Kläger zu 2.) und 3.) je zu 8 % und die Beklagte selbst zu 2 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1.) im Berufungsverfahren trägt diese zu 97 % selbst und zu 3 % die Beklagte.

Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2.) und 3.) im Berufungsverfahren haben diese selbst zu tragen.

Tatbestand

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

6. Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg. Sie führt dazu, daß die Klägerin zur Zahlung von DM 59,04 nebst Zinsen zu verurteilen ist. Hinsichtlich des darüberhinaus geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist die Klage vom Amtsgericht zu Recht abgewiesen worden und die Berufung deshalb unbegründet.

7. Der Klägerin steht gegen die Beklagte infolge einer Minderung des Reisepreises ein Rückzahlungsanspruch von DM 59,04 gem. § 651 d Abs. 1 BGB zu.

8. Der Reisepreis war um 2 %, das entspricht dem ausgeurteilten Betrag von DM 59,04, gemindert, weil die Reise der Klägerin nach … in die Anlage … während der Zeit vom 1.7. bis zum 8.7.1999 insoweit mangelhaft war.

9. Die Mangelhaftigkeit der Reise beruhte darauf, daß das von der Klägerin und ihren Kindern bewohnte Hotel nicht über ein Sprungbrett am Swimmingpool verfügte. Die Erwartung der Klägerin, daß das Swimmingpool über ein Sprungbrett verfügen würde, war aufgrund der Prospektbebilderung berechtigt.

10.  Aufgrund des fehlenden Sprungbrettes ergibt sich eine Minderung von 2 % des Reisepreises.

11. Bei der Bemessung der Minderung ist nach § 472 BGB das Verhältnis zu berücksichtigen, in welchem der Wert der Reise im mangelfreien Zustand zum wirklichen Wert gestanden hat. Dabei ist der Wert sämtlicher vom Reiseveranstalter erbrachten Leistungen wie Flug, Unterkunft, Verpflegung, Animation etc. in Betracht zu ziehen.

12. Diese Grundsätze führen dazu, daß die Klägerin einen 2-%igen Minderungsbetrag für diesen Mangel geltend machen kann.

13. Weitergehende Minderung besteht nicht.

14. Soweit die Klägerin rügt, der Spielplatz sei nicht insgesamt mit Sand ausgefüllt gewesen, sondern es habe sich nur unter den Spielgeräten eine 3-5 cm dicke Sandschicht befunden, liegt kein Mangel vor.

15. Es ist nicht ersichtlich, warum die beiden 8 und 13 Jahre alten Kinder der Klägerin den Spielplatz aufgrund des geschilderten Zustandes nicht hätten nutzen können. In diesem Alter sind Kinder für gewöhnlich so sicher, daß eine Sandschicht von 3 bis 5 cm unter den Spielgeräten ausreichend ist und kein Nutzungshindernis darstellt.

16. Ihre Behauptung, der Spielplatz habe darüberhinaus nur in Begleitung Erwachsener genutzt werden dürfen, hat die Klägerin später ausdrücklich widerrufen, so daß auch insoweit nicht von einem Mangel auszugehen ist.

17. Hinsichtlich der Größe des zugewiesenen Zimmers scheitert ein Anspruch an § 651 d Abs. 2 BGB.

18. Nach dieser Norm tritt eine Minderung nicht ein, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen.

19. Daß die Klägerin die Größe des Zimmers gegenüber der örtlichen Reiseleitung gerügt hat, ergibt sich aus dem Sachvortrag der Parteien nicht.

20. Zwar ist für die unterlassene Mängelrüge der Reiseveranstalter darlegungs- und beweispflichtig.

21. Es obliegt aber dem Reisenden, detailliert und schlüssig darzulegen, wann er welchen Mangel wem gegenüber gerügt hat, damit es dem Reiseveranstalter möglich ist, den Negativbeweis der unterlassenen Rüge, nämlich das Nichterfolgtsein dieser konkreten Rüge, zu führen.

22. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin, sie habe alle beschriebenen Mängel gerügt, nicht. Soweit sie die Rügen vom 2.7. und 6.7.1999 näher spezifiziert hat, ist in diesem Vortrag die Rüge hinsichtlich der Zimmergröße nicht enthalten. Daß die Klägerin nach ihrer Behauptung die Größe des Zimmers am Anreisetag, dem 1.7., gegenüber der Rezeption gerügt hat, ist unerheblich. Sie hätte am 2.7. gegenüber der Reiseleitung rügen können und müssen.

23. Daß die Klägerin und die mitreisende Frau … keine nebeneinanderliegenden Zimmer erhalten haben, stellt keinen Mangel dar.

24. Nach der maßgeblichen Buchungsbestätigung handelte es sich insoweit um einen unverbindlichen Kundenwunsch. Sollte im Reisebüro tatsächlich, wie die Klägerin behauptet, etwas anderes zugesichert worden sein, so läge in der Buchungsbestätigung ein modifiziertes Angebot unter Ausschluß dieser Zusicherung, § 150 Abs. 2 BGB, welches die Klägerin durch Zahlung des Reisepreises, jedenfalls aber durch Antritt der Reise, angenommen hat.

25. Darüberhinaus hat die Klägerin auch trotz Hinweises der Beklagten nicht dargelegt, welche konkrete Beeinträchtigung durch die nicht nebeneinander liegenden Zimmer eingetreten ist, etwa, wie weit die zugewiesenen Zimmer auseinander lagen.

26. Die Rüge der Klägerin bezüglich der Anzahl der vorhandenen Liegen und Sonnenschirme führt ebenfalls nicht zu der Annahme eines minderungsrelevanten Reisefehlers.

27. Sonnenschirme waren ausweislich des Prospektes bereits nicht zugesichert, so daß ihr Fehlen unbedeutend ist.

28. Liegen für jeden Reisegast konnte die Klägerin ebenfalls nicht erwarten. Nach ihrem Vortrag war für jeden 4. bis 5. Reisegast eine Liege vorhanden. Dieses ist als ausreichend anzusehen, da davon auszugehen ist, daß sich nicht stets alle Hotelgäste am Pool aufgehalten haben.

29. Soweit die Klägerin rügt, 80-90 % der Gäste seien Engländer gewesen, vermag das Gericht hierin keinen minderungsrelevanten Mangel zu erkennen.

30. Eine Beeinträchtigung der Reiseleistung allein aufgrund der Nationalität der anderen Gäste hat die Klägerin nicht dargelegt.

31. Der Hinweis im Prospekt, daß es sich um eine von deutschen Urlaubern bevorzugte Hotelanlage handele, führt nicht dazu, daß eine Überzahl deutscher Gäste zugesichert gewesen wäre. Der Hinweis bedeutet lediglich, daß von deutschen Gästen eine verhältnismäßig große Zahl sich für dieses Hotel entscheidet, nicht aber, daß nicht auch Gäste anderer Nationalität in entsprechender Zahl diese Anlage bevorzugen.

32. Die Klägerin hat auch nicht hinreichend konkret dargelegt, daß ihr seitens des Reisebüros zugesichert worden wäre, das Hotel sei überwiegend mit deutschen Gästen belegt. Daß sie erklärt hat, sie lege Wert auf deutschsprachiges Publikum, kann als wahr unterstellt werden. Daß kein deutschsprachiges Publikum vor Ort gewesen wäre, hat die Klägerin nicht dargelegt.

33. Soweit sich die Klägerin dadurch gestört fühlte, daß die englischen Hotelgäste wiederholt Parties feierten und im betrunkenen Zustand durch lautes und pöbelhaftes Verhalten aufgefallen sind, handelt es sich nicht um einen der Beklagten zuzurechnenden Fehler der Reiseleistung.

34. Gem. § 651 c Abs. 1 letzter Halbsatz müssen Fehler wert- oder tauglichkeitsmindernd sein. Daher ist nicht jede negative Abweichung als Reisemangel aufzufassen. Gewisse Unzulänglichkeiten und Unannehmlichkeiten hat der Reisende entschädigungslos hinzunehmen.

35. So liegt der Fall hier. Bei Reisen in südliche Länder muß ein Reisegast grundsätzlich davon ausgehen, daß mit Lärmbelästigungen durch Freizeitveranstaltungen und andere Gäste zu rechnen ist. Zudem hat die Klägerin eine „All inclusive-Reise“ während der Hauptreisezeit gebucht. Es liegt auf der Hand, daß bei „All inclusive-Reisen“ der Alkoholkonsum der Gäste wesentlich höher liegt als bei Reisen, bei denen der Reisegast jedes alkoholische Getränk zu zahlen hat. Dementsprechend muß bei einer solchen Reise auch damit gerechnet werden, daß Belästigungen durch alkoholisierte Gäste gegenüber anderen Hotels ohne „all inclusive“-Angebot in verstärktem Maße auftreten, ohne daß darin ein minderungsrelevanter Mängel zu sehen ist.

36. Aufgrund der Abendanimation, welche bis ca. 23.30 Uhr gedauert hat, kann die Klägerin ebenfalls keine Ansprüche geltend machen.

37. In südlichen Ländern spielt sich das gesellschaftliche Leben regelmäßig in den späten Abend- und frühen Nachtstunden ab. Hiervon muß ein Reisegast ausgehen. Ein Fehler der Reiseleistung liegt in der Geräuschentwicklung durch solche Abendveranstaltungen nicht.

38. Auch der Wachmann im Hotel stellt keinen Mangel dar.

39. Er suggeriert nicht die mangelnde Sicherheit, sondern gerade das Gegenteil, daß nämlich für ausreichende Sicherheit gesorgt ist.

40. Auch bezüglich des Kinderprogramms ist kein Mangel ersichtlich.

41. Die Beweisaufnahme hat lediglich ergeben, daß das Kinderprogramm nicht in deutscher Sprache stattfand.

42. Der Hinweis im Prospekt, das Kinderprogramm sei mehrsprachig, bedeutet aber auch nicht, daß zwingend mehrere Sprachen und darunter auch die deutsche Sprache gesprochen werden. Dadurch, daß außer der unstreitigen englischen Sprache keine weitere Sprache gesprochen wurde, ist deshalb eine Beeinträchtigung der Klägerin nicht zu erkennen.

43. Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651 f Abs. 2 BGB scheidet aus, weil die Beeinträchtigung der Reiseleistung nicht erheblich im Sinne dieser Norm war.

44. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit, §§ 288, 291 BGB.

45. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 515 Abs. 3, 100 Abs. 1 ZPO.

46. Streitwert für das Berufungsverfahren:

47. bis 5.9.2000: DM 2.526,–

48. ab 6.9.2000: DM 1.826,–

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