Zahlungsverweigerungsrecht wegen fehlender Transparenz einer Preisänderungsklausel in einem Wärmelieferungsvertrag

AG Ahaus: Zahlungsverweigerungsrecht wegen fehlender Transparenz einer Preisänderungsklausel in einem Wärmelieferungsvertrag

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der offenstehenden Rechnung in Anspruch.  Die Beklagte zahlte einen Betrag, aber nicht die Differenz die aus einer Preiserhöhung durch die Klägerin resultiert.

Das Gericht wies die Klage ab, da zwischen der Klägerin und der Beklagten es zu einer einseitigen Vertragsänderung gekommen ist.

AG Ahaus 16 C 61/07 (Aktenzeichen)
AG Ahaus: AG Ahaus, Urt. vom 21.05.2008
Rechtsweg: AG Ahaus, Urt. v. 21.05.2008, Az: 16 C 61/07
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtgericht Ahaus

1. Urteil vom 21.05.2008

Aktenzeichen: 16 C 61/07

Leitsatz:

2. Eine einseitige Vertragsänderung muss ausreichend begründet sein, ansonsten ist keine Transparenz gegeben.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Fernwärmevertrag ab. Die Klägerin änderte ihre Preise und die Beklagte sollte nun mehr Geld für dieselbe Leistung bezahlen. Die Klägerin sieht die Transparenz in der Preiserhöhung nicht gegeben und verweigerte die Zahlung der Mehrkosten. Die Klägerin verklagt nun die Beklagte auf Zahlung dieser.

Das Gericht wies die Klage ab, da die Klägerin eine einseitige Vertragsänderung vorgenommen hat, ohne ausreichend zu begründen. In diesem Fall sind die Tarife jedenfalls entsprechend § 315 Abs. 3 BGB der Billigkeitskontrolle unterworfen.

Dies wird mit der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens bzw. dem Bestehen eines Anschluss- oder Benutzungszwangs begründet. Weiterhin ist die Klausel unwirksam, aufgrund ihrer mangelnden Transparenz.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

5. Die Parteien schlossen am 05.01.2001 einen Wärmelieferungsvertrag zur Versorgung des Einfamilienhauses der Beklagten im Baugebiet C in der M in B1. Die Anwohner des Baugebiets C unterliegen bezüglich der Fernwärme nach der von der Stadt B1 aufgestellten Satzung dem Anschluss- und Benutzungszwang. Mit Rechnung vom 31.12.2006 machte die Klägerin für Leistungen zwischen dem 01.01.2006 und dem 31.12.2006 und für eine noch offene Forderung für Wärmelieferungen im Jahr 2005 nach Abzug der geleisteten Abschlagzahlungen eine Forderung in Höhe von 776,30 € geltend. Nach der Rechnung beläuft sich die Forderung für die Leistungen aus dem Jahr 2006 auf 2.119,76 €, die Forderung für die noch ausstehenden Wärmelieferungen aus dem Jahr 2005 auf 144,99 €. Auf diese Forderungen zahlten die Beklagten 1.488,45 €, so dass eine Restforderung in Höhe von 776,30 € verbleibt. Für die Zahlung setzte die Klägerin den Beklagten eine Frist zum 01.01.2007. Als Grundlage des Wärmelieferungsvertrags wurden die auf Seite 2 des Vertrages aufgeführten Wärmelieferungskosten, die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) mit den ergänzenden Bedingungen der B sowie die Wärmeversorgungssatzung vom 27.10.1999 der Stadt B1 vereinbart.

6. Seite 2 zum Wärmelieferungsvertrag lautet wie folgt: „

7.

Wärmelieferungskosten (Stand 01.12.2000)
Grundpreis* in DM/a WE 800,82
Wärmepreis** in DM/MWh 100,05
Messpreis in DM/a WE 162,40

8. Die o.g. Wärmelieferungskosten verstehen sich bereits inkl. z.Zt. 16 % MwSt.

9. * Der Grundpreis ermäßigt oder erhöht sich nach der Formel:

10. Ga = G (0,5 + 0,5 x La/L)

11.  Darin bedeuten:

12. Ga = aktueller Grundpreis (Netto)

13. G = Basisgrundpreis am 01.04.1999 (Netto:; 680,00 DM)

14. La = aktueller Lohn

15. L  = Basislohn am 01.04.1999 (23,95 DM) nach der tariflichen Stundenvergütung der Vergütungsgruppe 6 (Anfangsvergütung) für Arbeitnehmer als Mitglieder des Arbeitgeberverbandes von Gas-, Wasser- und Elektrizitäts-unternehmungen e.V., F

16. ** Der Wärmepreis ermäßigt oder erhöht sich nach der Formel:

17. WPa = WP x VT1a/VT1

18. Darin bedeuten:

19. WPa = aktueller Wärmepreis (Netto)

20. WP = Basiswärmepreis am 01.04.1999 (Netto: 49,00 DM/MWh)

21. VT1a = aktueller Gaspreis der Preisregelung 1 des Vollversorgungstarifes (Netto)

22. VT1 = Basisgaspreis der Preisregelung 1 des Vollversorgungstarifes am 01.04.1999 (Netto: 3,92 Pf/kWh)

23. Werden nach Vertragsabschluss Steuern oder sonstige öffentliche Abgaben eingeführt oder geändert, die sich auf den Wärmepreis auswirken, so ist die B berechtigt, den Wärmepreis entsprechend anzupassen oder dem Kunden Steuern und Abgaben unmittelbar zu berechnen. Bei Einschränkungen und Fortfall solcher Belastungen wird dem Kunden ein entsprechender Nachlass gewährt.

24. Das Verfahren für die Berechnung der o.g. Wärmelieferungskosten wird fest bis zum 31.12.2005 vereinbart und kann danach jeweils zum Ersten eines Quartals seitens der B auf der Grundlage der Sicherung der zum 01.04.1999 erforderlichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung angepasst werden.“

25. Die Preisanpassungen werden von der Klägerin durch Veröffentlichungen bekannt gegeben. Zum 01.01.2006 betrug der Wärmepreis (Arbeitspreis) 69,17 €/MWh. Mit Wirkung zum 01.04.2006 wurde der Arbeitspreis gemäß der Preisanpassungsklausel auf 72,80 €/MWh erhöht. Bis zum 31.12.2006 erfolgte keine weitere Preisanpassung des Arbeitspreises. Der Grundpreis betrug zum 01.01.2006 422,82 €/Jahr brutto für eine Wohneinheit. Der Messpreis für den Wärmezähler betrug im Jahr 2006 83,03 € brutto.

26. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe die geltend gemachte Forderung aufgrund des am 05.01.2001 abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrages gegen die Beklagten zu. Diese könnten die Zahlung nicht gemäß §§ 30, 31 AVBFernwärmeV verweigern, da die Rechnung keinen offensichtlichen Fehler enthalte. Auch sei eine Rechnungskürzung nicht gemäß § 315 BGB zu begründen, da diese Vorschrift nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar sei. Die Klägerin ist ferner der Ansicht, die Klausel, die die Berechnung der Wärmelieferungskosten betreffe, sei wirksam. Sie verstoße weder gegen § 307 BGB, noch gegen § 24 AVBFernwärmeV, noch gegen § 138 BGB. Selbst wenn § 315 BGB anwendbar sei, so sei der Einwand der Beklagten verwirkt, da sowohl der Wärmepreis (Arbeitspreis) als auch der Messpreis vorbehaltlos seit Vertragsbeginn bis einschließlich der Jahresschlussrechnung des Jahres 2006 geleistet worden seien. Lediglich hinsichtlich des Grundpreises hätten die Beklagten Beanstandungen, und dies auch erst im Jahre 2004, geltend gemacht.

27. Die Klägerin beantragt,

28. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 776,30 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

29. Die Beklagten beantragen,

30. die Klage abzuweisen.

31.  Sie sind der Ansicht, die Forderung sei nicht fällig, da die Preiserhöhung nicht nachvollziehbar sei und die Klägerin die Billigkeit der erhobenen Energiepreise gemäß § 315 BGB nicht dargelegt habe; die Preisänderungsklausel des Wärmelieferungsvertrages sei der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen. Zudem sei die Geschäftsgrundlage für die Preisanpassungsklausel weggefallen. Hierzu behaupten die Beklagten, mit dem stadteigenbetriebenen Wellenbad werde aufgrund eines von der Stadt geplanten Neubaus ein erheblicher Kostenträger wegfallen. Aufgrund des bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs hätten die Beklagten auch keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Vertragsgestaltung gehabt, da die Klägerin nur noch eine Kostenvariante angeboten habe. Die Klausel verstoße auch gegen § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV, da die Klägerin nicht den prozentualen Anteil des die Brennstoffkosten abdeckenden Faktors an der jeweiligen Preisänderung gesondert ausgewiesen habe. Schließlich verstoße die Klausel auch gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB sowie gegen § 138 BGB.

Entscheidungsgründe

32. Die Klage ist unbegründet.

I.

33.  Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch gemäß § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung von 776,30 €. Die Forderung ist insoweit jedenfalls nicht fällig. Die Beklagten haben ein Zahlungsverweigerungsrecht gemäß § 30 AVBFernwärmeV. Danach berechtigen zwar Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, (1.) soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen und, (2.) wenn der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsverweigerung innerhalb von 2 Jahren nach Zugang der fehlerhaften Rechnung oder Abschlagsberechnung geltend gemacht wird. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beklagten haben innerhalb der 2-Jahresfrist die fehlerhafte Rechnung geltend gemacht, da die Rechnung vom 31.12.2006 stammt. Es liegt auch ein „offensichtlicher Fehler“ im Sinne von § 30 AVBFernwärmeV vor. Zwar liegt ein „offensichtlicher Fehler“ im Sinne dieser Vorschrift nur vor, wenn die Rechnung auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, d. h. bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH NJW 2007, S. 210, 211). Indes kann auch das Bestreiten der Billigkeit einer Preisbestimmung (§ 315 BGB) gemäß § 30 AVBFernwärmeV geltend gemacht werden (BGH a.a.O. m.w.N.). Die Beklagten haben mit ihrem Bestreiten der Billigkeit der Bestimmung der Wärmelieferungskosten Erfolg, da die zugrundeliegende Preiserhöhungsklausel unwirksam ist.

34.  Vorliegend ist die Preisbestimmung der Wärmelieferungskosten durch die Klägerin – entgegen ihrer Ansicht – der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB unterworfen. Zwar ist Voraussetzung für eine Überprüfung der Preisgestaltung nach § 315 Abs. 3 BGB stets, dass das Energieversorgungsunternehmen den entsprechenden Tarif einseitig bestimmt und ihm hierbei ein bestimmter Ermessensspielraum zusteht (BGH a.a.O.; Palandt/Grüneberg, 67. Aufl. 2008, § 315 Rn. 4). Daran fehlt es, wenn die Parteien vertraglich die Berechnungsfaktoren für eine Preisänderung im Einzelnen so bestimmen, dass bei der Berechnung des geänderten Preises ein Ermessensspielraum des Energieversorgungsunternehmens nicht besteht (sog. automatische Preisgleitklausel) (BGH a.a.O.; vgl. auch Palandt/Grüneberg, a.a.O.). Etwas anderes gilt jedoch für Tarife von Unternehmen, die – wie hier – mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteilnehmer im Bedarfsfall angewiesen ist. In diesem Fall sind die Tarife jedenfalls entsprechend § 315 Abs. 3 BGB der Billigkeitskontrolle unterworfen. Dies wird mit der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens bzw. dem Bestehen eines Anschluss- oder Benutzungszwangs begründet. So liegt es hier. Für die Beklagten als Anwohner des Baugebiets C besteht unstreitig ein Anschluss- und Benutzungszwang, so dass die Preisänderungsklausel der Klägerin bezüglich der Wärmelieferungskosten entsprechend § 315 BGB auf ihre Billigkeit zu überprüfen ist und der Einwand der Beklagten, die Preisänderung entspreche nicht der Billigkeit, nach § 30 AVBFernwärmeV geltend gemacht werden kann.

35.  Die Rechnung der Klägerin vom 31.12.2006 enthält einen offensichtlichen Fehler i. S. v. § 30 AVBFernwärmeV, da sie nicht der Billigkeit gemäß § 315 BGB entspricht. Denn die Preisänderungsklausel, mit der die Wärmelieferungskosten berechnet werden, ist unwirksam. Sie verstößt gegen das sogenannte Transparenzgebot. Dabei kann offen bleiben, ob die Klausel direkt an § 307 BGB – konkretisiert durch § 24 AVBFernwärmeV – zu messen ist oder nur an § 24 AVBFernwärmeV. Denn auch § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV enthält ein Transparenzgebot. Danach dürfen Preisänderungsklauseln nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen (Satz 1). Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen (Satz 2). Bei Anwendung der Preisänderungsklauseln ist der prozentuale Anteil des die Brennstoffkosten abdeckenden Preisfaktors an der jeweiligen Preisänderung gesondert auszuweisen (Satz 3). Die Unwirksamkeit der Klausel kann auch geltend gemacht werden, wenn die Preisänderung gemäß § 315 Abs. 3 BGB überprüft werden kann (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 309 Rn. 8).

36.  Die Preisänderungsklausel der Klägerin verstößt gegen das Transparenzgebot, da sie die maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweist. An die Ausgewogenheit und Klarheit einer Preiserhöhungsklausel in Verträgen mit Verbrauchern sind strenge Anforderungen zu stellen: Die Klausel muss Grund und Umfang der Erhöhung konkret festlegen; bei der Bindung an bestimmte Betriebskosten muss der Kunde diese in Erfahrung bringen können; die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente muss klar und eine Saldierung der Kostenentwicklung möglich sein (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 309 Rn. 8 m.w.N. aus der Rspr.). Diesen Anforderungen wird die Preiserhöhungsklausel nicht gerecht. Dahinstehen kann vorliegend, ob der Verstoß gegen das Transparenzgebot bereits für die Formeln gilt, mit denen die Ermäßigung bzw. Erhöhung des Grundpreises und des Wärmepreises berechnet werden. Denn jedenfalls ergibt sich der Verstoß gegen das Transparenzgebot aus den beiden folgenden Zusätzen, wenn es dort heißt: „Werden nach Vertragsabschluss Steuern oder sonstige öffentliche Abgaben eingeführt oder geändert, die sich auf den Wärmepreis auswirken, so ist die B GmbH berechtigt, den Wärmepreis entsprechend anzupassen oder dem Kunden Steuern und Abgaben unmittelbar zu berechnen. Bei Einschränkungen und Fortfall solcher Belastungen wird dem Kunden ein entsprechender Nachlass gewährt. Das Verfahren für die Berechnung der o. g. Wärmelieferungskosten wird fest bis zum 31.12.2005 vereinbart und kann danach jeweils zum Ersten eines Quartals seitens der B auf der Grundlage der Sicherung der zum 01.04.1999 erforderlichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung angepasst werden“. Aus diesen beiden letzten Zusätzen ist dem Verbraucher nicht klar ersichtlich, inwieweit sich die Formeln zur Berechnung des Grundpreises und Wärmepreises ändern bzw. weitere Kosten auf ihn zukommen können. So ist nicht offen gelegt, welche „Steuern und sonstige öffentlichen Abgaben“ den Wärmepreis bei Vertragsabschluss bestimmt haben und in welcher Höhe, mithin aus welchen Kostenfaktoren sich der ursprüngliche Wärmepreis genau zusammensetzt. Dem Verbraucher ist auch nicht ersichtlich, ob bzw. worin ein Unterschied besteht, dass im Falle einer Änderung der Steuern oder sonstigen öffentlichen Abgaben bzw. deren Einführung, die sich auf den Wärmepreis auswirken, der Wärmepreis „entsprechend angepasst“ wird oder ihm die Steuern und Abgaben „unmittelbar“ berechnet werden. Die Klausel enthält insoweit eine einseitige Berechtigung der Stadtwerke zur Vornahme einer entsprechenden Berechnung, ohne dass dem Verbraucher ersichtlich ist, ob die eine oder andere Berechnung für ihn günstiger ist oder nicht. Schließlich ist für den Verbraucher auch nicht die Bedeutung der letzten Klausel ersichtlich, wonach „das Verfahren für die Berechnung der Wärmelieferungskosten fest bis zum 31.12.2005 vereinbart (wird) und danach jeweils zum Ersten eines Quartals seitens der B auf der Grundlage der Sicherung der zum 01.04.1999 erforderlichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung angepasst werden (kann).“ Unklar ist zum einen die Grundlage der Anpassung, nämlich „die Sicherung der zum 01.04.1999 erforderlichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung“, zum anderen aber auch der Umfang der „Anpassung“. Durch die genannten Bestandteile der Klausel werden die vermeintlich klaren Formeln für die Berechnung des Grundpreises und des Wärmepreises gleichsam „aufgeweicht“. Dem Verbraucher erschließt sich nicht, inwieweit die Berechnung des Grundpreises und Wärmepreises noch von weiteren Faktoren abhängt bzw. abhängen kann und in welchem Umfang dies der Fall ist bzw. sein kann. Damit aber werden die maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht vollständig und in allgemein verständlicher Form ausgewiesen. Die Klausel genügt mithin nicht den an das Transparenzgebot zu stellenden strengen Anforderungen; sie ist unwirksam.

37.  Insoweit kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass die Beklagten den Einwand der Unbilligkeit verwirkt hätten. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf das Urteil des BGH in NJW 2007, S. 2540 ff. berufen. Dort hat der BGH entschieden, dass ein von dem Gasversorger einseitig erhöhter Tarif zum vereinbarten Preis dann wird, wenn der Kunde die auf dem erhöhten Tarif basierende Jahresabrechnung des Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas von diesem bezieht, ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu beanstanden. Maßgeblich für die dortige Erwägung des BGH war, dass der Kunde die Preiserhöhung nicht in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB beanstandet hatte. Daran fehlt es aber vorliegend. Hier haben die Beklagten die Rechnung vom 31.12.2006 innerhalb angemessener Zeit beanstandet. Zudem hat der BGH a.a.O. angenommen, dass der Preis dann als „vereinbart“ zwischen den Parteien gelten kann. Daran fehlt es jedoch vorliegend aufgrund der Monopolstellung der Klägerin und des bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs. Insofern kann der Einwand der Verwirkung auch nicht darauf gestützt werden, dass die vergangenen Preiserhöhungen bzw. Abrechnungen von den Beklagten akzeptiert worden sind. Denn dies schließt nicht aus, dass eine weitere Preiserhöhung nunmehr nach Ansicht der Beklagten nicht mehr der Billigkeit entspricht. Im Rahmen der dann gebotenen Billigkeitserwägung ist aber die Überprüfung der der Berechnung der Wärmelieferungskosten zugrunde liegenden Klausel ohne weiteres möglich.

38.  Da die Klausel zur Berechnung der Wärmelieferungskosten wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist und damit die Berechnung nicht der Billigkeit gemäß § 315 BGB entspricht (s.o. I. 2.), liegt ein zur Zahlungsverweigerung berechtigender „offensichtlicher Fehler“ der Abrechnung vor gemäß § 30 AVBFernwärmeV. Insoweit hatte das Gericht nicht selbst eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 315 Abs. 3 BGB zu treffen. Es fragt sich schon, ob nach Wegfall der Preisänderungsklausel über die Wärmelieferungskosten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von einem einseitigen Bestimmungsrecht der Klägerin gemäß § 315 BGB auszugehen ist oder es ihr nicht zuzumuten ist, bis zur Möglichkeit der Kündigung des Wärmelieferungsvertrages gemäß § 32 AVBFernwärmeV abzuwarten und sodann einen neuen Vertrag mit den Beklagten abzuschließen. Denn unabhängig davon geht das Gericht davon aus, dass die in den zuletzt von den Beklagten anstandslos akzeptierten Rechnungen enthaltenen Preise der Billigkeit entsprechen. Sofern die Klägerin nunmehr eine Preiserhöhung vorgenommen hat, hätte sie zunächst darlegen müssen, dass die vorherigen von der Klägerin akzeptierten Preisberechnungen nicht mehr der Billigkeit entsprechen. Dazu fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin.

II.

39.  Die prozessualen Nebenkostenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

40.  Der Streitwert wird festgesetzt auf 776,30 €.

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