Minderungsanspruch bei Fehlen von All-Inclusive-Leistungen

AG Charlottenburg: Minderungsanspruch bei Fehlen von All-Inclusive-Leistungen

Wegen des Fehlens von All-Inclusive Angeboten in dem von ihm gebuchten Urlaub, verlangt der Kläger von seinem Reiseveranstalter eine nachträgliche Reisekostenminderung.

Das AG Charlottenburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. Verspricht die Buchung einen All-Inclusive Urlaub, so ist in dem fehlen dieser Bestandteile ein Reisemangel zu sehen.

AG Charlottenburg 233 C 165/10 (Aktenzeichen)
AG Chralottenburg: AG Chralottenburg, Urt. vom 16.07.2010
Rechtsweg: AG Chralottenburg, Urt. v. 16.07.2010, Az: 233 C 165/10
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Berlin-Gerichtsurteile

Amtsgericht Charlottenburg

1. Urteil vom 16. Juli 2010

Aktenzeichen: 233 C 165/10

Leitsätze:

2. Die Minderleistung an Getränken im Rahmen einer All-Inclusive-Verpflegung stellt aber keine so erhebliche Beeinträchtigung der Reise dar, dass ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz gemäß § 651f Abs. 2 BGB gerechtfertigt wäre.

Der Reisende hat einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtanwaltskosten, soweit der Klageanspruch begründet ist.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin und ihr Ehemann buchten bei einem Reiseveranstalter ein Hotel mit einem All-Inclusive Angebot. Laut Reisekatalog sollten in diesem Getränke und Speisen enthalten sein. Im Hotel angekommen musste die Klägerin jedoch feststellen, dass sie für sämtliche Verpflegung zu bezahlen hatte. Obwohl sie, nach mehrmaliger Beschwerde, den Status eines All-Inclusive Urlaubers zugesprochen bekam, zweifelt sie an der Qualität der Angebotenen Lebensmittel.
Sie fordert nun vom Veranstalter die Auslagen für die gekauften Getränke, eine Minderung wegen Reisemangels sowie einen Schadensersatz wegen vertaner Urlaubsfreude.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Klägerin teilweise Recht zugesprochen. Die Buchung eines All-Inclusive Pakets garantiere, während des gesamten Urlaubs, eine vollständige Verpflegung. Weil die Kläger sich in den ersten Tagen der Reise selbst versorgen mussten und die später zur Verfügung gestellte Anzahl an Getränke unzureichend war, sei hier eine negative Abweichung vom Reisevertrag gegeben.
Folglich sei sie, wegen eines Reisemangels, nach den Maßgaben des §651 c BGB zu entschädigen.

Ein immaterieller Schadensersatzanspruch gemäß § 651 f Abs. 2 BGB wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit stehe der Klägerin hingegen nicht zu. Allein die Minderleistung an Getränken im Rahmen der All-Inclusive-Versorgung genüge jedenfalls nicht zur Begründung eines solchen Schadensersatzanspruchs. Es läge aufgrund dieses vorgetragenen Mangels keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 402,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.05.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

5. Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und eine weitere Person eine All-Inclusive-Pauschalreise … für die Zeit vom 02.01.2010 bis 23.01.2010 zum Gesamtpreis von 4.803,00 €. Das Angebot lautetet u. a. „All Inclusive Frühstück, Mittag- und Abendessen i. d. R. vom Buffet nur im Hauptrestaurant … . Außerdem erhalten Sie Mineralwasser, Erfrischungsgetränke, Bier, Wein, Kaffee und Tee im Hauptrestaurant oder an der Poolbar im … (11 Uhr bis 22 Uhr)“.

6. Die Ankunft erfolgte am 03.01.2010 um 6.40 Uhr, der reisevertraglich zugesicherte Transfer vom Flughafen zum Hotel erfolgte nicht. Nach Anruf im Hotel wurde der Klägerin mitgeteilt, dass keine Buchung vorläge. Die Klägerin fuhr mit einem Taxi zum Hotel und zahlte hierfür umgerechnet 55,00 €.

7. Für den gesamten Urlaubsaufenthalt bestand hinsichtlich der Getränkeversorgung keine All-Inclusive-Leistung. Vom 03.01.2010 bis einschließlich 06.01.2010 mussten die Klägerin und ihr Partner sämtliche Getränke selbst zahlen. Auf Beschwerde der Klägerin wurden ab dem 07.01.2010 zum Mittag- und Abendessen je zwei Saft- und alkoholische Getränke angeboten, für die nicht bezahlt werden musste. Neben Frühstück und Abendessen wurde der Klägerin und ihrem Partner zum Mittagessen je ein Essen im Wert von 90 Dhs. angeboten, für ein teureres Mittagessen hätte der entsprechende Mehrpreis gezahlt werden müssen.

8. Die Klägerin behauptet, das Mittagessen, das sie sich für 90 Dhs. habe aussuchen können, habe „Kantinenniveau“ gehabt.

9. Sie ist der Auffassung, das Verpflegungsangebot habe einer Reise mit gebuchter Vollpension entsprochen, ihr stehe insoweit ein Minderungsrecht in der Höhe der Differenz zwischen der von ihr gebuchten All-Inclusive-Reise und einer vergleichbaren Reise mit Vollpension zu. Sie behauptet, eine vergleichbare Reise mit Vollpension hätte nur 2.860,00 € gekosten. Auf das von der Klägerin vorgelegte Angebot für den Zeitraum 21.04.2010 bis 12.05.2010 wird Bezug genommen. Die Klägerin ist der Auffassung, der Differenzbetrag von 1.943,00 € sei ihr zu ersetzen.

10. Die Klägerin meint weiter, ihr stehe aufgrund der Reisemängel ein Schadensersatz in Höhe von 15 % des Reisepreises (720,45 €) für entgangene Urlaubsfreuden sowie Aufwendungsersatz für die Taxikosten in Höhe von 55,00 € zu.

11. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 26.01.2010 Ansprüche geltend und mahnte mit Schreiben vom 17.02.2010. Sie forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 15.03.2010 zur Zahlung von 2.718,45 € bis zum 22.03.2010 auf.

12. Die Klägerin beantragt,

13. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.718,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. März 2010 zu zahlen.

14. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 406,15 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (25.05.2010) zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

16. die Klage abzuweisen.

17. Sie behauptet, der Kostenunterschied zwischen Vollpension und All-Inclusive betrage 5,00 € pro Person und Tag, wobei vorliegend zu berücksichtigen sei, dass eine gewisse Anzahl an Getränken gewährt worden sei.

18. Die Beklagte meint, dadurch dass ihr der fehlende Hoteltransfer am Ankunftstag nicht angezeigt wurde, sei ihr die Möglichkeit genommen worden, Abhilfe zu schaffen.

19. Ferner meint sie, ein Anspruch wegen entgangener Urlaubsfreuden gemäß § 651 f BGB bestünde erst, wenn die Gesamtminderungsquote 50 Prozent übersteige.

Entscheidungsgründe

20. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

21. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des geminderten Reisepreises gemäß § 651 d BGB in Höhe von 347,64 €.

22. Die Reise war mit Fehlern behaftet und der Reispreis in Höhe von 347,64 € gemindert.

23. Das Fehlen von vertraglich vereinbarten All-Inclusive-Leistungen stellte ein minderungsrelevantes Defizit bei der Bereitstellung der Verpflegungsleistungen dar (AG Kleve, NJW-RR 2001, 1560). Unstreitig waren die Klägerin und ihr Partner vom 03.01.2010 bis einschließlich 06.01.2010 gezwungen, sich kostenpflichtig mit Getränken zu versorgen. Ab dem 07.01.2010 wurden zumindest zu den Mahlzeiten je 2 Saft- und alkoholische Getränke gereicht, die nicht zu bezahlen waren. Dass dies nicht einer All-Inclusive-Versorgung entspricht und die angebotene Menge an Getränken nicht zur Deckung des täglichen Getränkebedarfs genügt, ist unbestritten.

24. Die vorzunehmende Minderung beläuft sich auf 10 Prozent für die ersten vier Reisetage (4.803,00 € Gesamtreisepreis/21 Tage = 228,71 € Tagesreisepreis; 10 % = 22,87 € x 4 Tage = 91,48 €), sowie 7 Prozent für die weiteren 16 Tage (7 % = 16,01 € x 16 Tage = 256,16 €), insgesamt mithin auf 347,64 €.

25. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass für die Klägerin jederzeit die Möglichkeit der Ersatzversorgung mit Getränken bestand und die Beeinträchtigung der Reise in dem Mehraufwand an Zeit und Kosten für die Beschaffung der Getränke bestand, ist eine zehnprozentige Minderung für die ersten vier Tage und eine siebenprozentige Minderung für die weiteren 16 Tage angemessen.

26. Die Auffassung der Klägerin, dass ihr ein Minderungsrecht in Höhe der Differenz zwischen einer Reise mit Vollpension und der von ihr gebuchten All-Inclusive-Reise zustehe, teilt das Gericht nicht. Bei der Preiskalkulation einer Reise spielen insbesondere auch die Saison und die Reiseroute eine Rolle. Das von der Klägerin vorgelegte Angebot für eine Reise mit Vollpension ist als Vergleichsmaßstab und Bemessungsgrundlage ungeeignet. Zwar gilt dieses Angebot auch für einen dreiwöchigen Pauschalurlaub in demselben Hotel, jedoch liegt der Reisezeitraum im April und nicht im Januar. Des Weiteren handelt es sich bei dem Reiseweg um einen Direktflug Frankfurt – Dubai und nicht um einen wie von der Klägerin gebuchten mit Umstieg: Berlin – München – Dubai. Der Vortrag der Beklagten, die Differenz zwischen einer All-Inclusive-Versorgung und Vollpension hätte 5,00 € pro Tag und pro Person betragen, ist unsubstanziiert. Sie hat nicht dargelegt, wie sich diese 5,00 € ergeben.

27. Der Vortrag der Klägerin, das Mittagessen habe „Kantinenniveau“ gehabt, ist unsubstanziiert. Für die Annahme eines Mangels, der eine weitergehende Minderung rechtfertigte, hätte es einer ausführlichen Darstellung bedurft, worin genau die Qualitätsmängel bestanden (Tonner, Der Reisevertrag, 5. Aufl., Anhang zu § 651 c – Mängelliste, Rn. 89). Die bloße Bezeichnung „Kantinenniveau“ sowie der Verweis auf den Preis (90 Dhs.) genügt jedenfalls nicht.

28. Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Erstattung der Taxikosten für den Transfer vom Flughafen zum Hotel in Höhe von 55,00 € gemäß § 651 c Abs. 3 BGB. Sie war zur sofortigen Abhilfe berechtigt, § 651 c Abs. 3 2 Alt. 2 BGB. Es ist abwegig von der Klägerin zu fordern, sie hätte sich am Anreisetag früh um 6.40 Uhr Ortszeit in … zunächst an die Beklagte in Deutschland (Ortszeit Berlin: 4.40 Uhr) wenden müssen. Vielmehr konnte die Klägerin davon ausgehen, dass sie zur sofortigen Abhilfe berechtigt war, da ein Abhilfeverlangen wohl nicht gefruchtet hätte und nach einem Übernachtflug mithin ein besonderes Interesse vorlag, das Hotel zu erreichen, um den Urlaub nunmehr zu beginnen.

29. Ein immaterieller Schadensersatzanspruch gemäß § 651 f Abs. 2 BGB wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit steht der Klägerin hingegen nicht zu. Allein die Minderleistung an Getränken im Rahmen der All-Inclusive-Versorgung genügt jedenfalls nicht zur Begründung eines solchen Schadensersatzanspruchs. Es lag aufgrund dieses vorgetragenen Mangels keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor. Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schadensersatzes wegen vertaner Urlaubszeit ist, dass die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wurde. Es kann dahinstehen, ob der herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass dies erst bei Mängeln der Fall ist, die eine Minderung von mindestens 50 % rechtfertigen (LG Düsseldorf, 22.02.2007, 22 S 380/05, zitiert nach juris; Münch.-Komm.-Tonner, BGB 5. Aufl. § 651 f Rn. 49 mit weiteren Nachweisen) zu folgen ist. Jedenfalls im vorliegenden Fall liegt nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung des Gesamtumstände des Einzelfalls allein in der Tatsache, dass die Klägerin Getränke selbst kaufen und bezahlen musste und dies lediglich eine Minderung von 10 Prozent für die ersten vier Tage bzw. 7 Prozent für weitere 16 Tage rechtfertigt, objektiv keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor.

30. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.

31. Aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ergibt sich ebenso ein Anspruch auf Zahlung der vorprozessualen Anwaltsgebühren. Dieser besteht jedoch nur insoweit wie auch der Klageanspruch begründet war (Gegenstandswert: 402,64 €, 45,00 € x 1,3 Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG = 58,50 € + 11,70 € Post- und Telekommunikationsauslagen Nr. 7002 VV RVG = 70,20 € + 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG = 83,54 €). Die bloße Behauptung der Klägerin, die Angelegenheit sei für sie von sehr großer Bedeutung gewesen und weise eine gewisse tatsächliche und rechtliche Schwierigkeit auf, genügt nicht, um einen Anspruch von 1,7 Geschäftsgebühren zu rechtfertigen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die vorprozessuale anwaltliche Tätigkeit von einer durchschnittlichen Tätigkeit bei vergleichbaren Fällen abweichen soll, zumal sich die vorprozessuale Tätigkeit im Wesentlichen auf eine Zahlungsaufforderung beschränkte.

32. Die Entscheidung über die Kosten basiert auf §§ 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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