Streit um Ferienhaus in Belgien

AG Schwerin: Streit um Ferienhaus in Belgien

Reisende forderten Schadensersatz wegen unzumutbarer Mängel an einem belgischen Ferienhaus. Das deutsche Gericht war zuständig, da ein Reisevertrag vorlag und die Ansprüche waren wegen dessen mangelhafter Erfüllung begründet.

AG Schwerin 14 C 636/07 (Aktenzeichen)
AG Schwerin: AG Schwerin, Urt. vom 04.06.2010
Rechtsweg: AG Schwerin, Urt. v. 04.06.2010, Az: 14 C 636/07
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Amtsgericht Schwerin

1. Urteil vom 4. Juni 2010

Aktenzeichen 14 C 636/07

Leitsatz:

2. Für das Vorliegen eines Reisevertrages kommt es nicht auf die zusätzliche Erbringung von Leistungen an, die über die Unterbringung hinausgehen, sondern auf das Auftreten des Unternehmens und auf die Ausrichtung des Vertrages.

Zusammenfassung:

3. Reisende forderten Schadensersatz und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von einer belgischen Vermietung von Ferienhäusern. Ein solches hatten sie für den Zeitraum vom 21.07.2007 bis 04.08.2007 gebucht. Nachdem sie erst auf Nachfrage und verspätet am Reiseziel in Empfang genommen worden waren, stellten sie erhebliche Mängel an der Unterkunft bezüglich Zustand, Hygiene,  Ausstattung sowie deren Nutzbarkeit und sogar hinsichtlich der Sicherheit fest. Sie rügten diese und reisten nach zwei Tagen ohne Abhilfe und nach telefonischer Kündigung vorzeitig ab, machten dann ihre Ansprüche geltend.

Die Beklagte bestritt die Zuständigkeit des deutschen Gerichts. Ihrer Auffassung nach waren allein belgische Gerichte zuständig, da es sich um Ansprüche aus einem Mietvertrag über ein unbewegliches Objekt gehandelt habe, das in Belgien gelegen sei. Sie behauptete, es liege kein Reisevertrag vor, da die Kläger über die Unterkunft hinaus keine Zusatzleistungen gebucht hätten.

Das Amtsgericht Schwerin gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.301,00 € nebst Zinsen für Reisepreis und Aufwendungen der Kläger, sowie 223,72 € nebst Zinsen für die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Sie war ihrem Prospekt und Auftreten nach Reiseveranstalterin und hatte nach Deutschland Geschäfte gemacht. Daher war das Gericht zuständig. Die Mängel und berechtigte Kündigung hatte die Beklagte nicht bestritten. Die Kläger hatten daher Anspruch auf Erstattung der Reise- und Zusatz- sowie der Anwaltskosten, da sich die Beklagte im Verzug befunden hatte.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.301,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.09.2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten

223,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.09.2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 1.301,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche der Kläger, die vom 21.07.2007 bis 04.08.2007 ein Ferienhaus der Beklagten in der Nähe von H. in Belgien gemietet hatten. Die Beklagte hatte in ihrem Katalog ein 60 m2 großes Ferienhaus für 5 Personen angepriesen, welches von einem 2.500,00 m2 großen Naturgrundstück umgeben sei. Das Haus sollte 1950 erbaut und 1996 renoviert worden sein. Es sollte mit Kamin, Farb-TV, Kabel-TV, Radio, Mikrowelle, einer Küche mit warmen und kaltem Wasser, Gasherd, Kühlschrank, Kaffeemaschine und Staubsauger, Elektroheizung, Gasflaschenofen, Gartenmöbeln und einem Grill ausgestattet sein. Die Schlüsselübergabe war auf den 23.07.2007 zwischen 16.00 und 18.00 Uhr am Urlaubsort vereinbart worden.

6. Die Kläger, welche mit ihrer Tochter aus Schwerin angereist waren, warteten zur angegebenen Zeit zunächst vergeblich auf einen Ansprechpartner. Erst nach mehreren Telefonanrufen der Kläger bei einer von der Beklagten angegebenen Service-Hotline erschien nach 3 Stunden ein Beauftragter der Beklagten. Bei der Besichtigung des Ferienhauses wurden die Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass es in einem der beiden Schlafzimmer durchregne. Entgegen der Katalogbeschreibung hatte das Ferienhaus weder eine Terrasse noch einen Balkon. Die Gartenmöbel waren so verschmutzt, dass man sie nicht benutzen konnte. Die zum Haus gehörende Garage, deren Nutzung die Beklagte versprochen hatte, war komplett mit alten Möbeln und Gerümpel zugestellt. Die Eingangstreppe des Hauses war nur teilweise begehbar, da mehrere Stufen herausgebrochen waren. Verschiedene Steckdosen im Haus, besonders im Schlafzimmer, waren lose. Die Stromkabel waren zum Teil defekt oder marode, so dass Unfallgefahr bestand. Das in dem Ferienhaus vorhandene Radio und das Fernsehgerät waren defekt und konnten nicht benutzt werden. Verschiedene Lampen in dem Haus funktionierten nicht. Das Mobiliar und die Gardinen waren zum Teil kaputt und im Übrigen verschmutzt. Sämtliche Matratzen in den Schlafzimmern waren verschmutzt und durchgelegen. Statt eines Lattenrostes befanden sich unter den Matratzen lediglich lose Bretter. Nur zwei Flammen des Gasherdes funktionierten, die übrigen waren defekt. Der Herd war stark verschmutzt. Die Kaffeemaschine war defekt und konnte nicht benutzt werden. Sämtliche Töpfe und Pfannen waren verschmutzt, warmes Wasser gab es in dem Haus nicht. Die Toilettenspülung war defekt. Das Haus wurde den Klägern ungereinigt übergeben. Es befanden sich Spinnweben, Staub und sonstiger Schmutz darin.

7. Die Kläger zeigten den oben beschriebenen Zustand der Beklagten direkt nach Übergabe des Hauses fernmündlich am 23.07.2007 an und teilten der Beklagten mit, dass sie den Aufenthalt in dem Haus wegen der gravierenden Mängel nicht für zumutbar hielten. Durch die Beklagte wurde zwar Abhilfe versprochen, jedoch erschien trotz mehrerer weiterer Telefonate weder an diesem noch am folgenden Tag jemand bei den Klägern. Nach telefonischer Ankündigung bei der Service-Hotline der Beklagten reisten die Kläger daraufhin ab.

8. Die Kläger forderten die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom 04.09.2007 und 17.10.2007 – hier unter letztmaliger Fristsetzung bis 29.10.2007 – erfolglos auf, den Klägern den Reisepreis von 758,00 € zurückzuzahlen, ihnen die Benzinkosten für An- und Abreise in Höhe von 120,00 € als nutzlose Aufwendungen zu erstatten, ihnen die Telefonkosten von 45,00 € zu erstatten und eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von 378,00 € (14 Tage a 1/2 Tagessatz; 14 x 27 C), mithin einen Gesamtbetrag von 1.301,00 € zu erstatten.

9. Die vorbenannten Beträge machen die Kläger als Hauptforderung in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit geltend.

10. Die Kläger beantragen,

wie erkannt. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit. In dem vorliegenden Rechtsstreit machten inländische Kläger gegen ausländische Vermieter Ansprüche wegen eines im Ausland belegenen Ferienhauses geltend. Dafür sei das Gericht in L. (Belgien) zuständig. Der Kläger verweist insoweit auf die Dansommer-Entscheidung des EuGH (C-8/98), nach welcher das Gericht des Belegenheits-Staates ausschließlich zuständig sei, wenn der Rechtsstreit „unmittelbar an einen Mietvertrag über eine unbewegliche Sache und damit an die Mieter einer unbeweglichen Sache“ anknüpfe.

12. Die Kläger halten das angerufene Gericht für international zuständig. Da im vorliegenden Rechtsstreit EU-Verbraucher gegen einen gewerblichen Reiseveranstalter klagten, seien die Vorschriften über ausschließliche Zuständigkeiten (Artikel 22 EuGVVO) auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar (EuGH, Urteil vom 26.02.1992, C-280/90). Danach verbleibe es bei der Zuständigkeitenregelung der Artikel 15, 16 EuGVVO für Verbrauchersachen. Aus diesem Grund sei das Amtsgericht S. international, und weil die Kläger im Bezirk dieses Amtsgerichtes wohnten, auch örtlich zuständig.

13. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist zulässig und begründet.

15. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts S. ergibt sich aus Artikel 15 in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 EuGVVO. Dem Kläger steht Anspruch auf Reisepreisminderung und Schadensersatz aus §§ 651 d, 651 f BGB zu. Die Mangelhaftigkeit der von der Beklagten angebotenen Leistung ergibt sich aus dem insoweit unstreitig gebliebenen Klägervortrag. Auch auf wiederholte Intervention der Kläger hat die Beklagte weder den hinsichtlich der Einrichtung, Sauberkeit und des allgemeinen Zustandes des Ferienhauses bestehenden Mangel beseitigt noch den Klägern eine Ersatzunterkunft angeboten, weshalb die Kläger abreisen den Ersatz des Reisepreises sowie der nutzlos aufgewendeten Benzinkosten, Telefonkosten und Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit verlangen durften, § 651 f BGB.

16. Die von der Beklagten herangezogene EuGH-Entscheidung ist nicht einschlägig. Nach Artikel 16 Absatz 1 EuGVVO kann die – auch hier vorliegende – Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat (Königreich Dänemark) oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Bundesrepublik Deutschland). Zulässigerweise haben sich die Kläger, die Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind, für die letztgenannte Möglichkeit entschieden. An dieser Zuständigkeitsregelung ändert sich nichts dadurch, dass die Kläger aus dem von der Beklagten angebotenen Leistungsspektrum lediglich ein Ferienhaus für Urlaubszwecke angemietet haben. Die Beklagte ist Reiseunternehmer. Sie bietet Reiseleistungen im Sinne von §§ 65 la ff BGB an, wie schon die unstreitig in das Vertragsverhältnis einbezogenen, von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zeigen, in denen sich etwa Regelungen zur Reiserücktrittsversicherung, zur Reisepreissicherung und zum Empfang der Reisenden am Urlaubsort finden.

17. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kläger lediglich das Ferienhaus von der Beklagten gemietet haben, aber keine Zusatzleistungen. Die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsregelung aus Artikel 15, 16 EuGVVO auf Verbraucher, die zu Urlaubszwecken einen Vertrag mit einem Reiseveranstalter schließen, hängt nicht davon ab, ob die Verbraucher lediglich ein Ferienhaus mieten oder auch Zusatzleistungen, wie etwa die Anreise, eine Reiserücktritts Versicherung, eine Reisepreissicherung oder Ähnliches vereinbaren. Es wäre mit Artikel 15, 16 EuGVVO zugrundeliegenden Verbraucherschutzgedanken nicht vereinbar, die Zulässigkeit der Klageerhebung von der Frage abhängig zu machen, ob der Verbraucher beim Reiseveranstalter nur die Unterkunft am Reiseort oder auch Zusatzleistungen gebucht hat. Eine derartige Betrachtungsweise würde einen dem Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregelung zuwiderlaufenden Zustand der Rechtsunsicherheit schaffen. Dem Verbraucher, der ein Ferienhaus mit Reiserücktrittsversicherung mietet, wäre die Möglichkeit gegeben, in dem Staat zu klagen, in dem er wohnt, während die Entscheidung auf eine Reiserücktrittsversicherung zu verzichten, zu dem absurden Ergebnis fühlte, dass der Verbraucher, der dieselbe Hauptleistung (Nutzung eines Ferienhauses zu Urlaubszwecken in EU-Ausland) in Anspruch nimmt, die Klage vor dem Mitgliedsstaat erheben müsste, in dem der Reiseveranstalter seinen Sitz.

18. Die Nebenforderungen sind begründet aus §§ 280, 286, 288 BGB.

19. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Absatz 1 ZPO.

20. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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