Haftungsbeschränkung für Luftfrachtführer

LG Darmstadt: Haftungsbeschränkung für Luftfrachtführer

Eine Versicherung verlangte von einem Transportunternehmen die Erstattung eines durch sie erstatteten Verlustschadens. Der Klage wurde stattgegeben, weil sich der Verlust im Verantwortungsbereich des Beklagten ereignet hatte.

LG Darmstadt 14 O 235/05 (Aktenzeichen)
LG Darmstadt: LG Darmstadt, Urt. vom 22.11.2005
Rechtsweg: LG Darmstadt, Urt. v. 22.11.2005, Az: 14 O 235/05
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Landgericht Darmstadt

1. Urteil vom 22. November 2005

Aktenzeichen 14 O 235/05

Leitsatz:

2. Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes aus einem mangelhaften internationalen Güterbeförderungsvertrag ergibt sich aus dem Warschauer Abkommen, sofern eine der Vertragsparteien in Deutschland ansässig ist.

Zusammenfassung:

3. Die Transportversicherung eines dänischen Versandes für Computerbauteile verlangte vom Transportunternehmen die Erstattung des für den Verlust der Waren geleisteten Versicherungsbetrages. Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichtes und berief sich auf die Haftungsbeschränkung nach dem Warschauer Abkommen.

Das Landgericht Darmstadt gab der Klage statt. Seine Zuständigkeit war gegeben, da Deutschland ein vertragsschließender Teil war. Die Waren waren unstreitig im Verantwortungsbereich der Beklagten verlustig gegangen und sie hatte nichts zu Vermeidungsmaßnahmen oder Transportablauf vorgetragen. Auf die Haftungsbeschränkung konnte sich die Beklagte nicht berufen und musste vollen Ausgleich von 247.500,- $ nebst Zinsen an die Klägerin zahlen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 247.500 USD nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 191.386,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Klägerin klagt aus übergegangenem Recht. Als Transportversicherer einer … in K., Dänemark hat sie deren Schaden aus einem Frachtgeschäft, anlässlich dessen Computerteile von M. nach K. befördert werden sollten, in Höhe von 247.500 USD ersetzt. Die Beklagte war mit dem Transport der Computerteile von M. nach K. beauftragt worden; sie hatte die Güter am Flughafen von M. übernommen. In K. kam die Fracht indes nicht an. Mit Schreiben vom 5.6.2003 (Bl. 36 d. A.) teilte die Beklagte folgendes mit:

6. „Wir beziehen uns auf den vorausgegangenen Briefwechsel und müssen Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass wir trotz unserer Nachforschungen das oben genannte Paket nicht finden konnten; somit ist dieses Paket als verloren anzusehen. Wir stehen zu Ihrer Verfügung und verbleiben …“. In der Folgezeit machte die Klägerin den nach dänischem Recht auf sie übergegangenen Anspruch gegenüber der Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 28.7.2004 erkannte der Versicherer der Beklagten namens und im Auftrag der Beklagten den klägerischen Anspruch dem Grunde nach an; zugleich ließ er der Klägerin jedoch mitteilen, dass der Höhe nach der klägerische Anspruch auf 3.060 Sonderziehungsrechte (4.517,15 USD) beschränkt sei.

7. Die Parteien streiten darüber, ob die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben ist.

8. Die Klägerin ist der Auffassung, gemäß Artikel 28 WA sei die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben, da die Bundesrepublik Deutschland ein vertragsschließender Teil dieses Abkommens sei. Im vorliegenden Fall gelte das materielle Recht der Bundesrepublik Deutschland, da der Beförderungsvertrag die engste Verbindung zu dem Land aufweise, indem die Beklagte ihren Sitz habe.

9. Da die Beklagte noch nicht einmal den Versuch unternommen habe, sich durch den Hinweis auf eine ordnungsgemäße Organisation zu entlasten, komme eine Haftungsbeschränkung nicht in Betracht.

10. Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

11. Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

12. Sie ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland kein vertragsschließender Teil im Sinn des Artikels 28 WA sei, weil sie das Montrealer Zusatzprotokoll (MP 4) nicht ratifiziert habe. Der vorliegende Fall unterfalle materiell dem Regelungsbereich des MP 4; damit entfalle die nach dem WA gegebene Möglichkeit der unbeschränkten Haftung.

13. Wegen des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

15. Die deutsche internationale Zuständigkeit ist gegeben, das Landgericht Darmstadt ist örtlich zuständig. Wie die Klägerin zutreffend vorträgt, ist das MP 4 nicht anwendbar, da dieses Protokoll von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifiziert wurde. Insoweit verweist die Klägerin zu Recht auf die teilweise kryptischen und nicht in allen Argumentationssträngen verständliche Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. (Transportrecht 2004, 261). Gemäß Artikel 28 WA ist eine Schadensersatzklage auf dem Gebiet eines der vertragsschließenden Teile zu erheben, und zwar nach Wahl des Klägers bei dem Gericht des Ortes, wo der Luftfrachtführer seinen Wohnsitz hat oder wo sich seine Hauptbetriebsleitung befindet. Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat des WA/HP von 1955. Der Wohnsitz der Beklagten ist K1. Da K1 im Bezirk des Landgerichts Darmstadt liegt, ist Darmstadt gemäß § 17 ZPO örtlich zuständig.

16. Der Argumentation der Beklagten, die Bundesrepublik Deutschland sei kein vertragsschließender Teil, weil sie das MP 4 nicht ratifiziert habe, vermag die Kammer nicht zu folgen. Diese aus Sicht des erkennenden Gerichts rabulistische Argumentation der Beklagten kann nicht überzeugen. Aus der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie mehrere andere Nationen das MP 4 nicht ratifiziert hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Bundesrepublik Deutschland damit auch nicht als „vertragsschließender Teil“ des WA/HP anzusehen sei. Auf die umfangreichen Ausführungen beider Parteien zu diesem Punkt kommt es daher unter den gegebenen Umständen nicht an.

17. Soweit erkennbar, will die Beklagte in der Frage der Begründetheit der Klage die Haftungsbeschränkung des MP 4 zulasten der Klägerin zur Anwendung bringen, obwohl die Bundesrepublik Deutschland dieses Protokoll nicht ratifiziert hat. Auch damit vermag sie nicht durchzudringen. Es gilt vielmehr im vorliegenden Fall das deutsche materielle Recht ohne das MP 4. Insoweit folgt die Kammer den klägerischen Ausführungen, die zu Recht auf Artikel 28 EGBGB verweisen.

18. Mithin ist die Beklagte gemäß Artikel 18, 25 WA schadensersatzpflichtig, ohne sich auf die Haftungsbeschränkung gemäß Artikel 22 WA berufen zu können. Die Beklagte hat noch nicht einmal im Ansatz dargelegt, auf welche Weise die zu befördernde Ware in Verlust geraten ist und welche organisatorischen Schritte sie veranlasst hat, um einen ordnungsgemäßen Gütertransport sicherzustellen. Sie hat damit der ihr obliegenden Darlegungslast nicht genügt, denn ihr als dem Schädiger ist die Offenlegung ihrer Vorsichtsmaßnahme zuzumuten, da die Geschädigte nicht die Möglichkeit des Einblicks in die Sphäre der Beklagten und in deren Organisationsstrukturen besitzt.

19. Der klägerische Zinsanspruch rechtfertigt sich aus den §§ 288, 286 BGB, da die Beklagte die Erbringung der geschuldeten Leistung endgültig verweigert hat.

20. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

21. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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