Schadensersatz wegen Verletzung der Informationspflicht auf Visumserfordernis

AG Leipzig: Schadensersatz wegen Verletzung der Informationspflicht auf Visumserfordernis

Ein Urlauber verklagt sein Reisebüro auf Schadensersatz, weil er seine geplante Reise wegen eines fehlenden Visums nicht antreten konnte. Über die Visumspflicht hatte ihn das Reisebüro nicht aufgeklärt.

Das Amtsgericht Leipzig weist die Klage ab. Zwar hat der Reiseveranstalter tatsächlich die Pflicht, seine Kunden über etwaige Visumspflichten zu informieren, allerdings sei die Beklagte im vorliegenden Fall nicht als Reiseveranstalterin, sondern lediglich als Handelsvertreterin des Reiseunternehmens zu sehen.

AG Leipzig 113 C 6263/10 (Aktenzeichen)
AG Leipzig: AG Leipzig, Urt. vom 06.04.2011
Rechtsweg: AG Leipzig, Urt. v. 06.04.2011, Az: 113 C 6263/10
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Sachsen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Leipzig

1. Urteil vom 06. April 2011

Aktenzeichen 113 C 6263/10

Leitsatz:

2. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet den Reisenden auf ein Pass- und Visumserfordernis hinzuweisen, anderenfalls macht er sich schadensersatzpflichtig.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten, einem Reisebüro eine Urlaubsreise nach Vietnam. Im Reisebüro wurde der Kläger nicht darauf hingewiesen, dass er einen Reisepass, sowie ein Visum für die Reise benötigt. Aus diesem Grund konnte der Kläger die Reise nicht antreten. Der Kläger verlangt nun Schadensersatz von der Beklagten, da er der Ansicht ist, diese hätte ihn über die Visumspflicht in Kenntnis setzen müssen.

Das Amtsgericht Leipzig weist die Klage ab. Zwar hat der Reiseveranstalter nach den
§§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB – Info V tatsächlich die Pflicht, seine Kunden schon vor der Buchung über etwaige Visumspflichten und die Fristsetzung zu deren Erlangung zu unterrichten und haftet auch, wenn dies nicht geschieht.
Allerdings ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht als Reiseveranstalterin, sondern lediglich als Handelsvertreterin des Reiseunternehmens bzw. Reiseveranstalters zu sehen. Somit ist der Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte hinfällig. Etwaige Schadenersatzansprüche wegen eines Verschuldens des Handelsvertreters bei seinen Verhandlungen mit dem Kunden über abzuschließenden Hauptvertrag richten sich deshalb gem. § 278 BGB grundsätzlich allein gegen den Unternehmer, der für den Handelsvertreter als sein Erfüllungsgehilfe einstehen muss.

Tenor: 

4. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreites haben die Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

5. Der Streitwert wird festgesetzt bis zu einem Wert von 4.000,00 EUR.

Tatbestand:

6. Die Kläger begehren von der Beklagten Schadenersatz.

7. Die Beklagte betreibt ein Reisebüro. Die Kläger hatten bei der Beklagten im Dezember 2009 eine Reise nach Vietnam gebucht. Aufgrund fehlenden Visums konnten sie ihre Reise nicht antreten.

8. Die Kläger trugen vor, dass die Beklagte passivlegitimiert sei. Regelmäßig sei das Reisebüro Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters. In diesem Verfahren würden jedoch diese Grundsätze nicht gelten, da die Kläger zu keiner Zeit in irgendeiner Weise Kontakt zum Reiseveranstalter gehabt hätten. Es habe sich nicht um eine Pauschalreise gehandelt. Die Verhandlungen über den Reisevertrag wären ausschließlich über die Beklagte geführt worden. Die Beklagte habe auch die Reisetickets übersandt. Auch der Reisepreis wäre an die Beklagte entrichtet worden. Hätte sich die Tätigkeit der Beklagten auf die bloße Reisevermittlung beschränkt, hätte sie weder die Flugtickets und den Hotel-​Voucher für die Kläger in Empfang genommen und an diese weitergeleitet noch den Reispreis auf ihr Konto erstattet verlangt und an die Reiseveranstalter weitergeleitet. In keinster Weise seien die Kläger in Reiseverhandlungen mit dem Reiseunternehmen … getreten. Daher haftet die Beklagte. Diese wäre nicht bloß Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters gewesen. Sie treffe die Informationspflicht über die Pass- und Visumserfordernisse.

9. Die Beklagte habe ihre Informationspflicht erheblich verletzt, weshalb sie für den Kläger entstandenen Schaden voll hafte.

10. Soweit die Beklagte nunmehr als Anlagen B 2 und B 3 einen Auszug des Reisekataloges als Kopie vorlege, sei auszuführen, dass dieser Reisekatalog den Klägern zu keiner Zeit zur Kenntnis gegeben worden wäre. Soweit die Beklagte die Reiseinformation Anlage B 4 vorlege, sei auszuführen, dass auch diese den Klägern zu keiner Zeit übermittelt worden wäre.

11. Richtig sei, dass die Beklagte den Klägern ein Telefax übersandt habe, welches noch am selbigen Tage von den Klägern unterzeichnet und an die Beklagte zurückgesandt worden wäre (Anlage B 6). Hierbei handele es sich um den Buchungsauftrag. Auch richtig sei, dass die Beklagte am 04.12.2009 per Post verschiedene Unterlagen übersandt hätte. Hierbei handele es sich jedoch nur um den Nachweis der Buchung des Fluges (Anlage K 1), den Nachweis über die Buchung der Hotelstationen (Anlage K 2), ein Reisegutschein über 100,00 EUR und eine Visitenkarte mit Bild. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe einen Ausdruck über die Rundreise, eine Weihnachtskarte, einen Kalender und die Katalogseiten 186 und 190 übersandt, müsse dies ausdrücklich bestritten werden.

12. Vorsorglich wurde vorgetragen, dass die Kläger vom Reiseveranstalter hätten keine Abhilfe verlangen können, da die Firma … GmbH unzuständig gewesen wäre, da diese für die Abwicklung der Reise keine Verantwortung trage.

13. Im Übrigen wird Bezug genommen in vollem Umfange auf das schriftsätzliche Vorbringen.

14. Die Kläger stellten folgende Anträge:

15. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.907,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 03.07.2010 zu zahlen.

16. Des Weiteren wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger 402,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

17. 3. Im Übrigen ist der Rechtsstreit erledigt.

18. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

19. Die Beklagte beantragte,

20. die Klage abzuweisen.

21. Die Beklagte trug vor, dass sie nicht passivlegitimiert sei. Das Reisebüro sei Buchungsstelle eines Reiseveranstalters und damit dessen Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB). Zwischen dem Reisebüro und dem Reisenden kam allein ein Geschäftsbesorgungsvertrag als Vermittlungsvertrag zustande. Vermittelt wurde der Hauptvertrag zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter nach § 651 a BGB. Als Erfüllungsgehilfe des Veranstalters habe das Reisebüro die Informations- und Aufklärungspflichten des Veranstalters zu erfüllen. Damit handele es im Rahmen der Verbindlichkeiten des Veranstalters aus dem Reisevertrag. In dieser Rechtsbeziehung könne der Reisende das Reisebüro nicht für Pflichtverletzungen des Reiseveranstalters in Anspruch nehmen.

22. Zutreffend sei, dass der Reisende über Pass- und Visumerfordernisse zu unterrichten wäre. Dafür sei der Reiseveranstalter verantwortlich. Soweit dem Reisebüro keine Pflichten obliegen würden, können sich auch keine Pflichten zum Schadenersatz auf der Grundlage des unstreitigen bestehenden Reisevermittlungsvertrages ergeben. Pflichten habe die Beklagte weder in ihrer Stellung als Erfüllungsgehilfe noch als Reisevermittler gesetzt.

23. Bereits an sich habe der Reiseveranstalter seine Pflichten selbst erfüllt. Die Kläger hätten als Anlage K 1 und K 2 die Buchungsbestätigung einschließlich eines entsprechenden Reisesicherungsscheines für Flug und Unterbringung vorgelegt. In der Reiseanmeldung hätten die Kläger in einem entsprechenden separat dafür vorgesehenen Feld unterschrieben und bestätigt:“ Die Reiseanmeldung wird durch meine Unterschrift verbindlich. Die Reise- und Zahlungsbedingungen des Reiseveranstalters bzw. Leistungsträgers habe ich zur Kenntnis genommen.“

24. Auf Seite 190 des Reisekataloges sei in der linken Spalte unter dem Titel der gebuchten Reise „Glanzlichter Vietnams“ u.a. folgender Vermerk angebracht: „Nicht eingeschlossene Leistungen Visum, sonstige Mahlzeiten, Getränke und weitere Ausflüge, Trinkgelder und persönliche Ausgaben“. Im allgemeinen Teil des Kataloges sei unter dem Artikel „Einreise“ auf Seite 186 d es Kataloges ausgewiesen, dass Deutsche, Österreichische und Schweizer Staatsbürger bei Einreise einen noch mindestens 6 Monate gültigen Reisepass sowie ein Visum benötigen würden.

25. Im Übrigen seien die Kläger auf die Problematik des Visums hingewiesen worden.

26. So habe die Beklagte am 04.12.2010 den Klägern per Post verschiedene Unterlagen übermittelt u.a. die Katalogseiten der Reisebuchung des Kunden liegenden Kataloges auf Seite 190. Selbst für den Fall, dass die Unterrichtungspflicht verletzt worden wäre, hätte es den Klägern gemäß § 651 c BGB oblegen, vom Reiseveranstalter Abhilfe zu verlangen. Das Abhilfeverlangen ist gegenüber dem Reiseveranstalter nicht angebracht worden. Insoweit wären den Klägerin für jegliche Ersatzansprüche an sich abgeschnitten.

27. Der Teilerledigungserklärung wurde widersprochen.

28. Im Übrigen wird Bezug genommen in vollem Umfange auf das schriftsätzliche Vorbringen.

Entscheidungsgründe:

29. Die zulässige Klage ist unbegründet.

30. Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen der- Verletzung der Beratungspflicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Vorlage eines Visums bei Einreise in Vietnam (§§ 278, 280 Abs. 1, 662, 675 Abs. 1 und 2; BGB – Info V§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1).

31. Die Beklagte war nicht Reiseveranstalter für die durch die Kläger gebuchte Reise. Dies ergibt sich aus der von der Klägerseite vorgelegte Anlage K 1, in der die… GmbH als Veranstalter aufgeführt ist. Aus der vorgelegten Anlage B 1 (Bl. 50 d.A.) ergibt sich, dass die Kläger den Inhalt dieses Schriftstückes mit ihrer Unterschrift bestätigt haben. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger im Zusammenhang mit der Buchung der Reise nicht in direkten Kontakt mit dem Veranstalter der … GmbH gestanden haben. Dies ist ein ganz gewöhnlicher Vorgang bei der Buchung einer Reise, wenn selbiger über ein Reisebüro erfolgt.

32. Nach den §§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB – Info V ist der Veranstalter der Reise verpflichtet, den Kunden schon vor der Buchung über etwaige Pass- oder Visumerfordernisse und die Fristsetzung zur Erlangung dieser Dokumente zu unterrichten. Wie bereits dargelegt, ist die Beklagte nicht der Veranstalter der Reise.

33. Selbst wenn man davon ausgehen will, dass zwischen dem Reisebüro und dem Kunden ein eigener Vertrag zustande gekommen ist, schuldet das Reisebüro dem Kunden lediglich Beratung bei der Auswahl der Reise. Die davon zu trennende Durchführung der gewählten Reise mit samt der dabei anfallenden weiteren Aufklärungs- und Hinweispflichten ist Sache des Reiseveranstalters und daraus folgt, dass die Unterrichtung über eine Pass- und Visumnotwendigkeit nicht zur Beratung bei der Auswahl, sondern bei der Durchführung der Reise gehört (vgl. BGH Urt. v. 25.4.2006 in NJW 2006, Seite 2321 ff. mit weiteren Nachweisen).

34. Das Reisebüro, welches Reisen für einen Reiseveranstalter vertreibt, ist dessen Handelsvertreter. Schadenersatzansprüche wegen Verschuldens des Handelsvertreters bei seinen Verhandlungen mit dem Kunden über den zwischen diesen und dem Unternehmer abzuschließenden Hauptvertrag richten sich deshalb grundsätzlich allein gegen den Unternehmer, der für den Handelsvertreter als sein Erfüllungsgehilfe einstehen muss (§ 278 BGB). Nur ausnahmsweise kann der Vertreter persönlich neben dem Unternehmer haften, wenn er entweder gegenüber dem Vertragspartner in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat, oder wenn er am Vertragsschluss ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse hat. Beide Voraussetzungen sind bei einem Reisebüro normalerweise nicht gegeben. Dass das Reisebüro mit seiner Sachkunde wirbt, bedeutet keine Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Das Reisebüro hat an der Buchung der Pauschalreise auch kein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse, da der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters nicht dafür ausreicht, weil dieser lediglich ein mittelbares wirtschaftliches Interesse begründet (vgl. BGH Urt. v. 25.04.2006 in NJW 2006, Seit 2321 ff.).

35. Aus o.g. Gründen kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte es verabsäumt hat, den Klägern die Information über die Notwendigkeit eines Visums zu unterrichten. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass die Kläger auf dem Buchungsformular (Anlage B 1, Bl. 50 d.A) bestätigten, die Reisebedingungen ausgehändigt bekommen zu haben.

36. Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht passivlegitimiert, so dass wie erfolgt, die Klage abzuweisen war. Dies betrifft sowohl die Haupt- als auch die Nebenforderung. Ebenso wenig hat sich der Rechtsstreit zwischen den Parteien durch geleistete Zahlungen des Reiseveranstalters erledigt.

37. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Kläger. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708, 711 ZPO und die Höhe des Streitwertes gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.

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