Preiswerbung eines Reiseveranstalter in Prospekten

LG Hannover: Preiswerbung eines Reiseveranstalter in Prospekten

Ein Verbraucherschutzverin klagt gegen einen Reiseveranstalter auf Unterlassung. Dieser hatte in seinen Prospekten für Pauschalreisen den durch den Flugpreis begründeten Preisbestandteil in Form einer Preisspanne angegeben und den genauen Betrag durch den Kunden im Reisebüro erfragen lassen

Das Landgericht Hannover hat dem Klägerbegehren entsprochen. Das Verhalten des Beklagten verstoße gegen die Praxis der Obliegenheit zu Genauenpreisangaben.

LG Hannover 23 O 156/06 (Aktenzeichen)
LG Hannover: LG Hannover, Urt. vom 05.09.2007
Rechtsweg: LG Hannover, Urt. v. 05.09.2007, Az: 23 O 156/06
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Landgericht Hannover

1. Urteil vom 5. September 2007

Aktenzeichen 23 O 156/06

Leitsatz:

2. Die Angabe eines Preisbestandteils bei einer Kostenaufstellung für Pauschalreisen in einem Prospekt als Preisspanne entspricht keiner eindeutigen und klaren Preisangabe und ist unzulässig.

Zusammenfassung:

3. Ein Reiseveranstalter bewarb die von ihm angebotenen Pauschalreisen, die neben Hotelübernachtungen auch Flugan- und rückreisen beinhalteten in Prospekten mittels Preiskalkulationstabellen. Der Flugpreis wurde dabei im Dienste der angepriesenen Tagesaktualität der Angebote als Preisspanne angegeben und der Kunde aufgefordert, den genauen Betrag im Reisebüro zu erfragen. Hierfür wurde er von einem Verband gerügt und schließlich verklagt.

Das Landgericht Hannover gab der Klage statt, denn die vom Beklagten verwandten Prospekte verstießen gegen das Gebot eindeutiger Preisangaben. Hierfür war nicht entscheidend, ob der Mehraufwand für den Verbraucher, den genauen Preis zu ermitteln, gering oder erheblich war, denn er durfte nicht vorhanden sein. Ein Preisänderungsvorbehalt wäre nur zulässig gewesen, wenn hierfür ein sachlich vertretbarer Grund bestünde und dieser gleichsam im Prospekt ausgewiesen worden wäre. Werbeschriften muss ein eindeutiger Preis entnehmbar sein, was auch durch die Eingrenzung durch Ober- und Untergrenze in Form einer Preisspanne nicht gegeben war. Der Beklagten wurde untersagt, auf die streitgegenständliche Weise seine Angebote auszupreisen und zu bewerben.

Tenor:

4. Die Beklagte hat es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd bei der prospektmäßigen Bewerbung von Pauschalreisen Preise in der Form anzukündigen, dass der Verbraucher aufgefordert wird, die mit einem im Katalog/Preisteil kommunizierten Grundpreis korrespondierenden Flughafenzuschläge und/oder Flughafenabschläge im Reisebüro zu erfragen, wenn dies geschieht wie im Preisteil zum Katalog „Mallorca, Spanien, Portugal“ (November 2006-April 2007) der Verfügungsbeklagten.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, angedroht.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Beklagte hat für die Bewerbung der von ihr angebotenen Pauschalreisen im Winterhalbjahr 2006/2007 den Preisprospekt „Preise und Informationen – Nov 06 – April 07, Mallorca, Spanien, Portugal“ herausgegeben. In diesem Preisteil werden auf insgesamt 176 Seiten die von der Beklagten für ihre Pauschalreiseangebote verlangten Preise nach System und Inhalt im Einzelnen detailliert dargestellt. Zu dem bepreisten Leistungsangebot der Beklagten gehören auch Hotelaufenthalte mit kombinierter Personenbeförderung mittels Luftverkehrsfahrzeugen.

6. Diese Leistungsangebote werden in der Weise bepreist, dass bei den einzelnen Hotelangeboten für bestimmte Buchungstermine bzw. Buchungsperioden Preise angeboten werden, die auch die Entgelte für die Luftbeförderung enthalten. Bei diesen Preisangeboten wird auf eine Übersicht auf den Seiten 21-23 des Preisprospektes Bezug genommen, aus dem sich, bezogen auf einzelne Zeitabschnitte, Reisetage und Abflughäfen, Preiszuschläge und Preisabschläge ergeben. Außerdem enthält diese tabellarische Übersicht am Ende Zusatzinformationen mit Preisangeboten für bestimmte tatsächliche Sonderumstände.

7. Auf Seite 13 des Preisprospektes der Beklagten wird im Einzelnen dargestellt, wie der angesprochene Kunde aus den unterschiedlichen Tabellenwerken des Preisprospektes den Preis einer konkreten individuellen Reise ermitteln kann. Dabei wird ausdrücklich auch auf die sogenannten Flughafenzuschläge und -abschläge hingewiesen und Bezug genommen.

8. Der so umschriebene Preisprospekt der Beklagten ist von einem farbigen Umschlagblatt umschlossen. Darin wird optisch hervorgehoben und werblich herausgestellt:

9. „Flexible Preise für die Costa del Sol

10. Profitieren Sie von unserem tagesaktuellen Preissystem. Mehr auf Seite 2.

…“

11. Auf dieser Seite 2 heißt es:

12. „Chancen nutzen durch tagesaktuelle Preise.

13. Aktuell auf dem Markt gültige Flugpreise werden an Sie direkt weitergegeben. Profitieren Sie rechtzeitig von diesen flexiblen Preisen und fragen Sie in Ihrem Reisebüro mit dem TUI Zeichen.“

14. Unter diesem Text erscheinen mehrere optisch hervorgehoben gestaltete und farblich voneinander abgegrenzte Zeichen- und Textangaben. Im Bereich dieser Farbfelder findet sich unter anderem folgender Text:

15. „Je schneller Sie sich entscheiden, desto günstiger der Reisepreis. Nachfragen lohnt sich!“

16. „Das Reisebarometer zeigt Ihnen, wie viel Sie sparen können, je schneller Sie sich für Ihren Urlaub an der Costa del Sol entscheiden.“

17. „Je nach dem Abflughafen, Abreisetermin und Fluggesellschaft können Sie auf den im Preisteil angegebenen Grundpreis pro Person und Flugstrecke bis zu 50 € sparen!*“

18. Am unteren Rand der zweiten Umschlagsseite findet sich der nachfolgende Sternchen-Zusatz:

19. „*Auf gut ausgelasteten Strecken kann es zu Zuschlägen von bis zu 50 € pro Person und Strecke kommen.“

20. Auf der dritten Umschlagseite am Ende des Preisprospektes erläutert die Beklagte ihr „tagesaktuelles Preissystem für die Costa del Sol“ wie folgt:

21. „Anhand des Preismodells zeigen wir Ihnen, dass Sie bei einer frühzeitigen Entscheidung für die Costa del Sol in der Regel günstiger reisen. Sparen Sie im günstigsten Fall 50 € pro Person und Flugstrecke.

22. Die auf den von Ihnen ermittelten Grundpreis gültigen Flughafenzu- bzw. -abschläge finden Sie nicht wie bisher im vorliegenden Preisteil. Erkundigen Sie sich in Ihrem Reisebüro nach den aktuell gültigen Flugpreisen und den daraus resultierenden Zu- bzw. Abschlägen.

23. Preisberechnung

Grundpreis

inkl. Flug

im Preisteil

+

Flughafenzu/-abschläge

in Ihrem Reisebüro

=

Ihr Reisepreis.

…“

24. Dieser Sachverhalt war Streitgegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens 23 O 115/06. Dem dort erstrebten Unterlassungsbegehren, das mit dem Klageantrag im vorliegenden Rechtsstreit übereinstimmt, hat die Kammer nach mündlicher Verhandlung am 30. August 2006 durch das am gleichen Tage verkündete Urteil entsprochen. Das Urteil ist rechtskräftig geworden, weil die Beklagte (damalige Verfügungsbeklagte) ein Rechtsmittel nicht eingelegt hat.

25. Gleichwohl hat die Beklagte es abgelehnt, eine Abschlusserklärung abzugeben und die gegen sie ergangene Entscheidung der Kammer als endgültige Regelung hinzunehmen.

26. Der Kläger gründet seine Antragsbefugnis für den vorliegenden Rechtsstreit auf § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG und auf § 3 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG. Alle Industrie- und Handelskammern und alle Handwerkskammern in Deutschland sowie etwa 400 Verbände gehörten ihm, dem Kläger, als Mitglieder an. Alle im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Reiseveranstalter seien zumindest Mitglied in einer Industrie- und Handelskammer.

27. Der Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch auf die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und § 2 Absatz 2 Nr. 1 UKlaG jeweils in Verbindung mit § 4 Absatz 1 S. 1 BGB-InfoV als auch § 1 Absatz 1 S. 1 PAngV.

28. Der Reiseprospekt der Beklagten enthalte keine klaren und genauen Angaben über den Reisepreis, weil sich der durch den Prospekt der Beklagten angesprochene Kunde nicht mehr allein anhand des Katalogs Gewissheit über den letztlich zu zahlenden Reisepreis verschaffen könne, sondern für einen Teil der angegebenen Preisbestandteile, dem für die Luftbeförderung, mit einem Reiseanbieter oder seinem Vertreter oder Agenten in Kontakt treten müsse, um sich erst dort durch konkrete Nachfrage Gewissheit über den genauen Gesamtpreis der im Prospekt angebotenen und vom Kunden ausgewählten Reise zu verschaffen.

29. Zugleich verstoße die Preiswerbung der Beklagten gegen das Gebot, bei Angeboten an Letztverbraucher unter Angabe von Preisen, den Endpreis des Angebotes unter Einschluss aller Preisbestandteile zu nennen, weil für einen Teil des bepreisten Angebotes und dort wiederum für einen Preisbestandteil nur ein Grundpreis genannt werde, der innerhalb eines angegebenen Rahmens (von jeweils 100,00 € für Hin- und/oder Rückflüge) schwanken und erst durch Nachfrage im Reisebüro konkret festgestellt werden könne.

30. Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

31. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

32. Die Beklagte stellt die Antragsbefugnis des Klägers in Abrede, da ihre Prospektpreiswerbung keine erhebliche Verfälschung des Wettbewerbs zur Folge habe. Die im deutschen Reiseverband (DRV) zusammengeschlossenen Reiseveranstalter befürworteten die Art der Preiswerbung der Beklagten.

33. Schon ein Verstoß gegen § 4 Absatz 1 S. 1 BGB-InfoV liege nicht vor, da dort nur genaue Angaben „über den“ Reisepreis, nicht jedoch „des“ Reisepreises gefordert seien. Eine flexible Preisangabe mit einem vorgegebenen festen Rahmen entspreche dieser normativen Anforderung.

34. Den Realitäten des Reisegeschäftes, des Kundenverhaltens und des Buchungsverhaltens von Pauschalreisenden entspreche inzwischen das Aufbrechen einer starren Preisangabe und die Einführung von flexiblen Preisen. Für die Erhaltung der Katalogwerbung bei Pauschalreisen sei die Preisflexibilität unerlässlich, um im Wettbewerb mit Internetanbietern und Billigfliegern bestehen zu können.

35. Jedenfalls seien flexible Preisangaben innerhalb eines vorgegebenen Rahmens als Änderungsvorbehalt nach § 4 Absatz 1 S. 3 BGB-InfoV uneingeschränkt zulässig. Stets könnten Reiseveranstalter und Pauschalreisekunde vom Prospekt abweichende Leistungen vereinbaren (§ 4 Absatz 1 S. 4 BGB-InfoV). Dazu sei es ohnehin erforderlich, mit dem Veranstalter direkt oder über seine Repräsentanz oder seine Vertretung in Kontakt zu treten. Bei dieser Gelegenheit könne der Reisepreis ohnehin konkretisiert werden.

36. Die europäische Pauschalreiserichtlinie, auf deren Vorgaben die BGB-InfoV letztlich beruhe, solle nur ihre führenden Angaben vorbeugen. Rahmenpreise widersprächen diesem Ziel nicht.

37. Ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung liege schon deshalb nicht vor, weil die Norm auf Katalogpreisangaben von Reiseveranstaltern unanwendbar sei. Diese Art der Preiswerbung habe ihre abschließende – weil speziellere – Normierung in der BGB-InfoV erfahren.

38. Abgesehen davon liege auch ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung nicht vor. Seien schon Mindestpreisangaben zulässig, dann erst Recht Margenpreise.

Entscheidungsgründe:

39. Die Klage ist begründet. Der vom Kläger erhobene Unterlassungsanspruch erweist sich auch im Hauptsacheverfahren als begründet.

1.

40. Der dem jetzigen Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt ist identisch mit dem, der bereits Gegenstand des Eilverfahrens 23 O 115/06 gewesen ist. Obwohl es in jenem wie im vorliegenden Verfahren allein um die rechtliche Bewertung unstreitiger Tatsachen, also um Rechtsfragen ging und geht, hat die Beklagte das Urteil der Kammer vom 30. August 2006 hingenommen und rechtskräftig werden lassen.

41. Dieses ist zwar prozessual zulässig, überrascht allerdings gleichwohl. Dass die Beklagte ebenso wie auch die Kammer jedenfalls bis zur Aufhebung des Urteils vom 30. August 2006, die nicht vor einem der Beklagten günstigen endgültigen Abschluss des vorliegenden Hauptsacherechtsstreits erfolgversprechend auch nur beantragt werden kann, an den rechtskräftigen Ausspruch gebunden ist, ist selbstverständlich.

42. Die von der Beklagten nunmehr ergänzend vorgebrachten rechtlichen Erwägungen geben keinen Anlass, das von der Klägerin erstrebte Unterlassungsbegehren im Ergebnis jetzt zurückzuweisen.

2.

43. Die Klagebefugnis des Klägers beruht auf § 4 Absatz 3 Nr. 2 UWG und § 3 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG.

44. Zu den vom Kläger Kraft mittelbarer Mitgliedschaft repräsentierten Unternehmen gehören auch Reiseveranstalter wie die Beklagte. Dass es unter den Reiseveranstaltern wiederum andere Zusammenschlüsse geben kann und gibt, schließt die Klagebefugnis des Klägers nicht aus. Auch wenn ein Zusammenschluss von Reiseveranstaltern das Vorgehen des Klägers gegen die Beklagte nicht billigt, ist dies für die Antragsbefugnis des Klägers unerheblich.

45. Die im vorliegenden Verfahren zum Spruch stehenden rechtlichen Gesichtspunkte berühren die Interessen der Wettbewerber der Beklagten im Sinne von § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG. Allein die engagierte Verteidigung der Beklagten lässt erkennen, wie wichtig die Problematik genommen wird. Dass ist bei der Bewertung unterschiedliche Interessen gibt, zeigt das kontroverse Auftreten der Parteien dieses Rechtsstreits.

46. Die Frage der Zulässigkeit von Preiswerbung mit Preismargen ist auch eine wettbewerbsrechtliche erhebliche Frage im Sinne von § 3 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG. Die tatbestandliche Voraussetzung, ob dadurch eine nachhaltig negative Beeinflussung des Wettbewerbs (Verfälschung) bewirkt werden kann, lässt sich – bei der Prüfung der Antragsbefugnis – nur nach objektiven Maßstäben beurteilen, weil sonst die Prüfung der Begründetheit eines Begehrens über die Klagebefugnis der antragenden Partei entschiede. Im Übrigen ist die Zulässigkeit einer Preisspanne von 2 x 100,00 € (Hin-/Rückflug) bei einem Preisbestandteil einer Pauschalreise, die kurz oder lang, niedrig- oder hochpreisig sein kann, keine als Bagatelle anzusehende Größe.

3.

47. Die Preisangabe der Beklagten im Reiseprospekt Mallorca, Spanien, Portugal (November 2006 bis April 2007) verstößt hinsichtlich der Flughafenzuschläge und/oder Flughafenabschläge zu den Lufttransportgesamtkosten gegen das sich aus § 4 Absatz 1 S. 1 BGB-InfoV ergebende Gebot, bei der Preisangabe über den Reisepreis klare und genaue Angaben zu machen.

48. Das Klarheitsgebot erfordert es, dass der Kunde den Preis einer von ihm aus dem Prospekt auswählbaren Pauschalreise aus den Prospektangaben selbst entnehmen und ermitteln kann. Diesem Gebot entspricht es schon nicht, das prospektierte generelle System eines umfangreichen Preisregelwerkes (Reisen nach Mallorca, Spanien und Portugal in der Zeit von November 2006 bis April 2007) für eine Teilmenge der angebotenen Pauschalreiseleistungen (Reisen an Ziele der Costa del Sol) und hierunter wiederum für einen Bestandteil des Teilpreises (Flughafenkosten) einer Teilleistung (Flugbeförderungskosten) allgemein und außerhalb des Preisregelwerkes, nämlich durch einen fest gehefteten Umschlag um den Prospektumschlag auszunehmen und dadurch für teilweise unanwendbar zu erklären. Dass solche Änderungsinformationen in Fällen von Druckfehlerberichtigungen hinnehmbar sein könnten, kann dabei dahinstehen, weil ein solcher Fall von der Beklagten nicht behauptet wird.

49. Es bedarf auch keiner Entscheidung, dass auch innerhalb eines prospektbeschriebenen Preisermittlungssystems bestimmte räumliche Reiseziele – wenn klar und genau – mit besonderen Reisen ausgewiesen werden können. Denn ein solcher Fall steht nicht zur Entscheidung, weil die Sonderpreisangaben der Beklagten nicht Bestandteil ihres Preissystems sind, sondern ihm buchstäblich – als weiterer Mantelbogen – „aufgedrückt“ sind.

50. Ein derartiges Preisangebot, wie das im streitgegenständlichen Katalog verwirklichte, ist in sich unschlüssig und deshalb nicht mehr eindeutig, also nicht klar, sondern unklar.

4.

51. In erster Linie ist das streitgegenständliche Preisangebot der Beklagten aber ungenau, denn es erlaubt es nicht mehr, den jeweiligen Preis eines bestimmten Leistungsangebotes aus der Werbeschrift – dem Prospekt – zu entnehmen. Allein dies führt zur Ungenauigkeit der Preisangabe. Sie ist – bezogen auf den Prospekt – nur noch ein Spannen- oder Margenpreis, also das gerade Gegenteil einer genauen – exakten – Preisangabe.

52. Dass eine derartige Preisangabe durch die Markierung einer Ober- und einer Untergrenze keine beliebige Preisangabe ist, ändert an ihrer Ungenauigkeit nichts. Der durch die Preisangabe angesprochene Kunde kann den für seinen Reisewunsch maßgeblichen Preis nicht mehr allein mittels des Prospektes, sondern nur durch Nutzung weiterer und zusätzlicher Informationsquellen in Erfahrung bringen.

53. Ob diese Informationsbeschaffung für den Kunden einfach oder schwierig zu erreichen ist, ob der Kunde für die Buchung einer Reise ohnehin Kontakt zum Prospektherausgeber, zu dessen Repräsentanten oder einem Reisebüro suchen und bei dieser Gelegenheit die erforderliche Zusatzinformation über den konkreten Reisepreis problemlos erhalten kann, ist für die Entscheidung unerheblich. § 4 Absatz 1 S. 1 BGB-InfoV regelt nur die Anforderungen an den Inhalt von Reiseprospekten. Eine Kodifizierung des Kundenkontaktes im Pauschalreisegeschäft ist damit nicht verbunden. Deshalb ist es auch ohne Bedeutung, ob etwa ein verändertes Kundenverhalten andere Formen der Preiswerbung als vorzugswürdiger oder interessengerechter erscheinen lassen könnte. Kriteriengebundene Rechtsnormkonkretisierung steht in einem natürlichen Spannungsverhältnis zu aktuellen Trends, zu deren rechtlicher Bewertung die Rechtsnormen gerade dienen sollen.

54. Deshalb ist es der Kammer auch nicht möglich, die Normanwendung davon abhängig zu machen, welcher Gruppe von Marktteilnehmern ein bestimmtes Rechtsverständnis Vorteile bringt oder nachteilig sein könnte. Erst die Kontinuität der Rechtsanwendung, also die rechtliche Sicherheit bietet den allseits geltenden Rahmen, mag er auch für den einen Chancen bieten oder vom anderen als Hemmnis empfunden werden.

55. Die von der Beklagten gehegte Befürchtung, das Verbot von Spannenpreisangaben in Reiseprospekten führe zum Bedeutungsverlust dieses weit verbreiteten und allseits geschätzten Werbemittels ist grundlos. Es kann allerdings sein, dass sich die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Ferienflugreisemarkt so nachhaltig geändert haben, dass Pauschalreisen mit verbundener Flugbeförderung an Marktfähigkeit eingebüßt haben.

56. Nicht unbedenklich ist der Stand der Beklagten, mittels Spannenpreisangaben in Reiseprospekten persönliche Kundenkontaktaufnahmen unterstützt sehen zu wollen. Die gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt von Reiseprospekten und das Gebot, die Angaben des Reiseveranstalters für ihn verbindlich sein zu lassen (§ 4 Absatz 1 S. 2 BGB-InfoV) sollen dem angesprochenen Kunden gerade die Möglichkeit bieten, seine reisebezogene Auswahlentscheidung nur auf der Grundlage des Reiseprospektes treffen oder sie jedenfalls entscheidend vorbereiten zu können. Ob dieses Modell gut oder schlecht, alt oder neu, zeitgemäß oder überholt ist, hat die Kammer nicht zu bewerten, weil die Gesetzesnorm insoweit die Wertung vorgibt. Das bindet die Gerichte.

5.

57. § 4 Absatz 1 S. 3 BGB-InfoV bietet den Reiseveranstaltern die Möglichkeit, in Prospektangebote einen Änderungsvorbehalt aufzunehmen, wenn von einer solchen Möglichkeit nur vor Vertragsschluss Gebrauch gemacht wird und die Änderung ausdrücklich in den Prospekt aufgenommen ist.

58. Ein allgemeiner Änderungsvorbehalt entspricht dieser Einschränkung der Pflicht zur Klarheit und Genauigkeit bei Prospektangaben jedoch nur dann, wenn der Grund für die Änderung und der Maßstab für ihre Reichweite in den Prospekt selbst aufgenommen werden. Der Änderungsvorbehalt darf dabei weder die im Regelfall geltenden Angebotsbestandteile (§ 4 Absatz 1 S. 1 BGB-InfoV) aushebeln oder entwerten, noch das Prospektbindungsgebot umgehen (§ 4 Absatz 1 S. 2 BGB-InfoV).

59. Das bedeutet, dass auch ein zulässiger Änderungsvorbehalt wiederum klar und genau sein muss, also erkennen lässt und nachvollziehbar macht, wann und wie er wirksam wird. Für einen solchen Änderungsvorbehalt muss zudem ein sachlich vernünftiger Grund vorhanden sein.

60. Daran fehlt es jedoch bei den Preisangaben der Beklagten im streitgegenständlichen Prospekt.

61. Denn das sogenannte tagesaktuelle Flugpreiskonzept der Beklagten für eine bestimmte Reiseregion, dessen Resultate nur außerhalb des Prospekts nachgefragt werden können, soll sich nach dem jeweiligen Abflughafen, den Reiseterminen und dem Buchungszeitpunkt der Reise richten und kann sich für den Reisenden innerhalb einer beträchtlichen Spanne preisermäßigend oder preiserhöhend auswirken. Mit einer solchen Generalausnahme wird der Reisepreis, soweit es die Flugbeförderungsleistung als Bestandteil des Gesamtreisepreises betrifft, unkalkulierbar. Der Reiseprospekt als solcher bietet dadurch nicht mehr die Grundlage für einen preisbezogenen Leistungsvergleich der beworbenen Angebote, sondern wird nur noch zum Katalysator zur Interessenweckung und Interessenlenkung. Unter werblichen Gesichtspunkten ist dies für die Beklagte ohne Zweifel vorteilhaft. Diese Wirkung mag auch in der wettbewerblichen Auseinandersetzung mit den Anbieten isolierter Flugbeförderungsleistungen Vorteile bieten. Diese Interessen sind jedoch nicht als tragfähiger Grund anzusehen, für den ein Änderungsvorbehalt für Reiseprospektangaben genutzt werden kann. Denn allenfalls sachlich klar umschriebene und unabweisbare, der Höhe aber noch nicht genau feststehende Kostenbestandteile können Anlass geben, einen Preisänderungsvorbehalt in einen Reiseprospekt aufzunehmen. Die Selbstbeschränkung der Beklagten durch Angabe der Ober- und Untergrenze der Preisspanne ist nicht entscheidend, weil die rechtliche Zulässigkeit eines Änderungsvorbehalts weder vom Vorhandensein einer Preisspanne noch vom Umfang abhängig gemacht werden kann, solange kein kriteriengebundener – und damit nachprüfbarer – Maßstab für die Ausfüllung der Spannenbreite im Reiseprospekt selbst erkennbar enthalten ist.

6.

62. Die europarechtliche Initiativgrundlage für die durch die Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht umgesetzte nationale Regelung kann den Inhalt der nationalen Norm nicht einschränken. Denn den nationalen Gesetzgeber trifft zwar die Pflicht zur Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Mindeststandards. Der nationale Gesetzgeber kann über die danach gebotenen Standards bei der nationalen Regelung jedoch hinausgehen.

63. Die europäische Pauschalpreisrichtlinie vom 13. Juni 1990 soll den Verbraucherschutz stärken. Wenn der deutsche Normgeber bei seiner Regelung über das gemeinschaftsrechtliche Ziel des Verbots irreführender Prospektangaben hinausgegangen ist, so geschah dies im Rahmen der souveränen Normsetzungskompetenz. Dem Wettbewerbsschutz von Reiseveranstaltern dient weder die Pauschalpreisrichtlinie noch die BGB-Informationspflichten-Verordnung.

7.

64. Danach erfüllt der streitgegenständliche Reiseprospekt der Beklagten nicht die normativen Anforderungen nach § 4 Absatz 1 S. 1 und 3 BGB-InfoV. § 4 Absatz 1 BGB-InfoV gehört zu den gesetzlichen Vorschriften, die im Interesse von Marktteilnehmern das Marktverhalten regeln (§ 4 Nummer 11 UWG). Daraus ergibt sich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit des Wettbewerbsverhaltens der Beklagten, das damit unzulässig ist (§ 3 UWG). Der Verstoß trägt den Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 8 Absatz 1 S. 1 UWG, denn die Beklagte verteidigt selbst nach rechtskräftiger Verurteilung im Eilverfahren immer noch ihr prospektwerbliches Auftreten.

8.

65. Weil sich danach das Unterlassungsbegehren des Klägers bereits als begründet erweist, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die Preisangaben der Beklagten in ihrem streitgegenständlichen Reiseprospekt auch gegen die Pflicht zur Angabe vollständiger Preise (Endpreise) im Sinne von § 1 Absatz 1 S. 1 PAngV verstoßen, deshalb ebenfalls nach § 4 Nummer 11 UWG in Verbindung mit § 3 UWG als wettbewerbsrechtlich unlauter zu bewerten und damit als unzulässig zu qualifizieren sind, so dass auch in dieser Hinsicht das Unterlassungsbegehren des Klägers erfolgreich ist.

66. Die Kammer hat jedoch erhebliche Zweifel, ob der Rechtsauffassung der Beklagten beigetreten werden kann, die besonderen Anforderungen an die preisbezogenen Leistungsangebote gegenüber Letztverbrauchern nach § 1 Absatz 1 S. 1 PAngV seien deshalb für die Preiswerbung in Reiseprospekten nicht einschlägig, weil § 4 Absatz 1 BGB-InfoV als sachgebietsbezogene abschließende Spezialregelung gewertet werden müsse. Dagegen spricht schon die gesetzlich nicht vorhandene Unanwendbarkeitsbestimmung der Regelungen der Preisangabenverordnung aus Anlass der zeitlich nachfolgenden Normierung der Informations- und Nachweispflichten durch die BGB-Informationspflichten-Verordnung. Bei so detailreichen Normierungen wie denen der BGB-Informationspflichten-Verordnung kann aus nicht ausdrücklich Normiertem im Zweifel nicht geschlossen werden, dass es gleichwohl gesetzgeberisch gewollt und deshalb ergänzend als gesetzlich geregelt angesehen werden kann.

67. Abgesehen davon sind Spannen- oder Margenpreise weder für Reiseprospekte noch allgemein bei der Bepreisung geschäftsmäßiger Leistungsangebote gegenüber Letztverbrauchern zulässig. Der von der Beklagten angesprochene Sachverhalt der preiswerbungsrechtlichen Zulässigkeit von Mindestpreisen betrifft keinen Sachverhalt, der dem entspricht, der in diesem Rechtsstreit zur Entscheidung steht. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht eine pauschale Mindestpreisangabe einer allgemein umschriebenen Leistungsart, sondern die Bepreisung konkreter Einzelleistungspakete durch ein sehr differenziertes und detailliertes Prospektpreissystem. Für Preise bei solchen konkretisierbaren Einzelleistungspaketen gilt – wenn schon denn schon – jedenfalls bei der Prospektbewerbung die Pflicht zur vollständigen (End-)Preisangabe.

9.

68. Weil die Beklagte auch im Hauptsacheverfahren unterliegt, hat sie erneut die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Absatz 1 ZPO).

69. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung ergeht nach § 709 S. 1 ZPO.

70. Die Androhung von Ordnungsmitteln dient der Vorbereitung einer etwa möglichen Zwangsvollstreckung (§ 890 Absatz 1 ZPO).

71. Den Streitwert hat die Kammer aus dem Gegenstandswert des Eilverfahrens abgeleitet. Nach den Bewertungsgrundsätzen der Kammer wäre ein Streitwert in Höhe des Dreifachen des dort festgesetzten Gegenstandswertes angemessen. Die Streitwertangabe des Klägers, die bei unbezifferten Klageanträgen jedenfalls so lange bindend ist, solange sie nicht als missbräuchlich oder grob fehlerhaft angesehen werden kann, steht einer höheren Streitwertfestsetzung entgegen.

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