Reisemangel bei versäumter Aufklärung

LG Frankfurt: Reisemangel bei versäumter Aufklärung

Einem Fluggast wird wegen seines bald ablaufenden Personalausweises die Einreise nach Ägypten verwehrt. Weil ein Reisebüro Mitarbeiter ihm versichert hatte, dass eine zweimonatige Restlaufzeit ausreichen würde, verklagt er den Reiseveranstalter nun auf Schadensersatz.

Das Landgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Der Reiseveranstalter müsse sich die Aussagen eines Reisebüromitarbeiters nicht zurechnen lassen.

LG Frankfurt 2-24 S 189/08 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 19.02.2009
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 19.02.2009, Az: 2-24 S 189/08
AG Frankfurt, Urt. v. 07.08.2008, Az: 29 C 797/08 (81)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19. Februar 2009

Aktenzeichen: 2-24 S 189/08

Leitsatz:

2. Der Veranstalter haftet nicht für unterlassene Aufklärung durch einen Reisebüro-Mitarbeiter.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender bucht bei über ein Reisebüro einen Flug nach Ägypten. Weil sein Personalausweis nur noch 2 Monate gültig ist, wird er allerdings nicht an Bord gelassen. Da ihm ein Mitarbeiter des Reisebüros im Vorfeld versichert hatte, dass eine Gültigkeitsdauer von zwei Monaten ausreiche, um ins Ausland zu reisen, verklagt der Reisende nun den Veranstalter der Reise auf Rückerstattung des Reisepreises wegen eines Reisemangels nach §651 c BGB.
Dieser sieht sich zum einen nicht verantwortlich, zum anderen sei die Klage wegen verspäteter Abgabe verfristet.

Das Landgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Bei einer schuldhaft unterlassenen Aufklärung des Reisevermittlers, sei der Geschädigte grundsätzlich zu entschädigen.
Im Vorliegenden Fall lag eine entsprechende Auskunftspflicht aber nicht vor, da der Kläger in seinen Reiseunterlagen eine Auflistung aller notwendigen Gegenstände für einen Auslandsaufenthalt erhalten habe.

Eine mündliche Belehrung sei aus diesem Grund überflüssig.
Des Weiteren habe, selbst bei dem Vorliegen einer Aufklärungspflicht, der Reiseveranstalter nicht für Vertragsverletzungen des Reisevermittlers zu haften.

Der Einwand des Beklagten, die Klage sei verfristet, sei hingegen unbegründet. Da der Veranstalter in seinen Reisebedingungen die Stelle, an die man sich bei Reklamationen wenden müsse, nicht namentlich erwähnte, sei der Kläger für ein verspätetes Einreichen der Frist nicht verantwortlich.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 07.08.2008 verkündete Urteil des AGs Frankfurt am Main, Az. 29 C 797/08 (81), wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

5. Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO abgesehen.

6. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

7. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Reisepreises infolge einer Kündigung des Reisevertrages gem. § 651 e BGB bzw. wegen eines Reisemangels gem. §§ 651 c I, 651 d I, 638 III BGB (100% Minderung) noch einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 651 f I BGB.

8. Vorliegend dürfte die Anspruchsanmeldung gegenüber dem Reisebüro ausreichend und fristwahrend gewesen sein.

9. Zwar gilt nach § 651 g I BGB, dass die Anspruchsanmeldung gegenüber dem Reiseveranstalter anzubringen ist. Jedoch ist der Kläger wohl nicht ausreichend über den Adressaten der Anspruchsanmeldung gem. § 6 II Nr. 8 BGB-InfoV aufgeklärt worden.

10. Zwar kann die „Stelle“ für die Anspruchsanmeldung grundsätzlich in den AGB des Reiseveranstalters bestimmt werden.

11. Jedoch reicht dies allein nicht aus. Der Reiseveranstalter ist nämlich gem. § 6 II Nr. 8 BGB-InfoV gehalten, die Stelle namentlich zu bezeichnen.

12. Eine solche Bezeichnung ist in der vorgelegten Buchungsbestätigung des Reisebüros nicht enthalten. Eine eigenständige Reisebestätigung der Beklagten als Reiseveranstalter ist nicht vorgelegt worden. Zwar genügt im Falle des § 6 II Nr. 8 BGB-InfoV auch eine Verweisung im Sinne von § 6 IV BGB-InfoV (hinsichtlich der diesbezüglichen Anforderungen siehe auch BGH, NJW 2007, 2549 ff.). Die vorgelegte Buchungsbestätigung enthält überhaupt keine Bezugnahme.

13. Danach dürfte vorliegend ein Verstoß gegen § 6 II Nr. 8 BGB-InfoV gegeben sein, so dass die Beklagte sich im Ergebnis nicht erfolgreich darauf berufen kann, dass in ihren AGB, ungeachtet der Frage, ob diese vorliegend überhaupt Vertragsinhalt geworden sind, die Stelle für die Anspruchsanmeldung bezeichnet worden ist.

14. Da die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung gem. § 6 II Nr. 8 BGB-InfoV die Stelle, an die die Anmeldung zu richten ist, nicht ausdrücklich namentlich benannt haben dürfte, konnte der Kläger die Erklärung auch bei dem vermittelnden Reisebüro fristwahrend einreichen.

15. Danach dürfte von einer fristwahrenden Anspruchsanmeldung auszugehen sein.

16. Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, da letztlich eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorgelegen hat.

17. Eine Pflichtverletzung der Beklagten bzw. ein Reisemangel liegt nicht vor.

18. Der Kläger buchte Mitte Februar 2008 über ein Reisebüro eine Reise nach Ägypten. Der Kläger verfügte über einen noch bis Ende Februar 2008 gültigen Personalausweis. Notwendig war jedoch ein Ausweis mit einer weiteren Gültigkeit von drei Monaten. Dem Kläger wurde deshalb am Abreisetag die Mitnahme nach Ägypten verweigert.

19. Der Kläger behauptet, der Mitarbeiter des Reisebüros habe dem Kläger vor der Buchung mitgeteilt, dass der noch bis Ende Februar 2008 gültige Personalausweis ausreichend sei. Insoweit ist der Kläger der Auffassung, dass die Beklagte sich diese Falschauskunft des Reisebüros zurechnen lassen müsse.

20. In der vom Reisebüro erstellten und dem Kläger ausgehändigten zweiseitigen Buchungsbestätigung findet sich jedoch auf Seite 2 ein deutlicher und zutreffender Hinweis auf die gültigen Einreisebestimmungen nach Ägypten.

21. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist nicht von einer Informationspflichtverletzung durch die Beklagte auszugehen. Insoweit kann auch dahinstehen, ob der Mitarbeiter des Reisebüros tatsächlich eine mündliche Falschauskunft bzgl. der Einreisebestimmungen nach Ägypten erteilt hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, führt dies vorliegend nicht zu einer Haftung der Beklagten.

22. Hinsichtlich der Verantwortlichkeiten zwischen Reisebüro und Reiseveranstalter gilt nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2006, 2321 ff.), dass nach getroffener Auswahlentscheidung des Reisekunden das Reisebüro bei den Informationen über die Durchführung der konkreten gewählten Reise jedenfalls nur noch als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig wird.

23. Insbesondere die Information über die Pass- und Visumerfordernisse gehört in der Regel nicht zu der möglicherweise vom Reisebüro geschuldeten Auswahlberatung, sondern ist allein Pflicht des Reiseveranstalters bei den Verhandlungen über den gewählten Reisevertrag (§§ 4 I Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV). Sofern sich der Reiseveranstalter zur Erfüllung dieser Pflicht des Reisebüros bedient, haftet er für dessen Verschulden (§ 278 BGB).

24. Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte selbst wirksam und ausreichend über die Pass- und Visumerfordernisse aufgeklärt hat. Zum einen sind die vorgelegten AGB der Beklagten insoweit widersprüchlich, als in der einen Version Hinweise zu den Einreisebestimmungen enthalten sind und in der anderen Version nicht. Danach lässt sich nicht feststellen, welche AGB, wenn überhaupt, Vertragsinhalt geworden sind. Zum anderen ist ein Hinweis über die Pass- und Visumerfordernisse in den AGB des Reiseveranstalters nicht ausreichend, um den Hinweispflichten des Reiseveranstalters gem. §§ 4 I Nr. 6, 5 Nr. 1 BGB-InfoV zu genügen. Die AGB sind nämlich nicht der geeignete Ort, um über solche wichtigen Umstände wie die Pass- und Visumerfordernisse zu informieren.

25. Vorliegend hat jedoch das Reisebüro über die Pass- und Visumerfordernisse informiert und ist somit als Erfüllungsgehilfe der Beklagten (§ 278 BGB) tätig geworden. Insoweit ist vorliegend davon auszugehen, dass die Informationen seitens des Reisebüros nach der Auswahlentscheidung erteilt worden sind.

26. Selbst wenn eine fehlerhafte mündliche Auskunft des Reisebüromitarbeiters vorgelegen hat, führt dies im Ergebnis nicht zu einer Informationspflichtverletzung.

27. Es ist nämlich davon auszugehen, dass das „Reisebüro“ die unterstellte mündliche Falschinformation über die Einreisebestimmungen durch den entsprechenden Mitarbeiter durch die schriftliche Buchungsbestätigung (Bl. 7 f. d. A., konkret Bl. 8 d. A.) korrigiert hat. In der Buchungsbestätigung des Reisebüros werden deutlich sichtbar klar und eindeutig die maßgeblichen Einreisebestimmungen wiedergegeben. Es kann von einem Reisenden auch erwartet werden, dass er sich die Buchungsbestätigung, insbesondere wenn sie lediglich aus zwei Seiten besteht, durchzulesen, um sie auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Ein Reisender ist nämlich gehalten, die ihm übergebenen Dokumente zur Kenntnis zu nehmen, da er davon ausgehen muss, dass die schriftlichen Angaben in der Reise- bzw. Buchungsbestätigung bedeutsam sind. Dies gilt insbesondere für übersichtlich gestaltete Schriftstücke. Der maßgebliche Absatz ist hier auch mit einer deutlichen und nicht zu übersehenden eingängigen Überschrift überschrieben.

28. Zwar liegen (unterstellt) objektiv zwei widersprüchliche Aussagen des Reisebüros zu den Einreisebestimmungen vor. Jedoch geht die spätere schriftliche Erklärung der ersten mündlichen Erklärung vor, da grundsätzlich im Zweifel davon auszugehen ist, dass die aktuelle schriftliche Auskunft auch die zutreffende Auskunft ist. Der Reisende kann sich bei widersprüchlichen schriftlichen Angaben zu einer mündlichen Äußerung gerade nicht darauf verlassen, dass die mündliche Äußerung besser ist. Jedenfalls muss er nachfragen. Der Reisende kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass er die schriftlichen Informationen nicht zur Kenntnis genommen hat, denn hierzu ist er verpflichtet. Insoweit ist mit der schriftlichen Information des Reisebüros die ursprünglich falsche korrigiert worden. Insoweit fällt es in den Risikobereich des Klägers, wenn er diese deutlich wahrnehmbare schriftliche Information in der Buchungsbestätigung nicht zur Kenntnis nimmt. Insbesondere kann er sich dann nicht erfolgreich darauf berufen, dass er sich einzig und allein auf die mündliche Information verlassen durfte.

29. Nach all dem ist nicht von einer Falschauskunft des Reisebüros, die der Beklagten gem. § 278 BGB zuzurechnen wäre, auszugehen, da jedenfalls eine rechtzeitige Korrektur vorgelegen hat.

30. Mangels Falschinformation liegt auch kein Reisemangel vor, so dass reisevertragliche Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte ausscheiden.

31. Nach all dem ist die Berufung unbegründet und war entsprechend zurückzuweisen.

32. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

33. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGHes als Revisionsgericht.

34. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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