Misslingen einer Grönlandumfahrt als Mangel einer Eismeer-​Kreuzfahrt

LG Frankfurt: Misslingen einer Grönlandumfahrt als Mangel einer Eismeer-​Kreuzfahrt

Die Klägerin forderte eine Reisepreisminderung für eine Eismeerkreuzfahrt, weil die zugesicherte Gröndlandumrundung nicht stattfand. Entgegen ihrer Auffassung musste sich die Beklagte als Veranstalterin der Reise behandeln lassen und als solche für den Reisemangel haften.

LG Frankfurt 2-14 O 414/94 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 02.05.1995
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 02.05.1995, Az: 2-14 O 414/94
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 2. Mai 1995

Aktenzeichen 2-14 O 414/94

Leitsatz:

2. Das nur teilweise Durchführen einer Kreuzfahrt stellt einen Reisemangel dar.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Eismeer-Kreuzfahrt, bei der eine Grönlandumrundung und Packeisdurchbrechung vorgesehen waren. Diese fielen jedoch aus. Darin sahen die Reisenden einen Reisemangel, für den sie von der Beklagten eine Reisepreisminderung verlangten. Diese sah sich selbst in der Rolle der Reisevermittlerin und nicht -veranstalterin.

Das Gericht gab dem Kläger Recht. Erstens sah das Gericht in der Beklagten die Reiseveranstalterin und nicht -vermittlerin. Die Beklagte hat auf dem Prospekt der Grönlandreise einen Aufkleber mit ihren Daten angebracht, womit für den Leser ersichtlich wurde, dass die Beklagte für die Reise verantwortlich war. Weiterhin lag in der Nichtumrundung von Grönland eine Schlechtleistung, die einen Reisemangel darstellt und zur Reisepreisminderung von 30% berechtigte.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.584,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.2.1994 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/5 und die Beklagte 3/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 21.000,– DM.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,– DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin nimmt aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Beklagte auf Rückzahlung des halben Reisepreises für eine Seereise auf dem Schiff „…“ in der Zeit vom 17.8. bis 11.9.1993 in Anspruch.

6. Grundlage der Buchung war der Prospekt „erste Umfahrung von Grönland“ (in englischer Sprache und deutscher Übersetzung – Bl. 24 ff./30 ff. d.A.) auf den Bezug genommen wird. Als Herausgeber des Prospekts wird die Firma Quark Expedition aufgeführt. Auf der Vorderseite ist ein Firmenaufkleber der Beklagten aufgebracht (Bl. 24 d.A.). Die Beklagte unterbreitete dem Ehemann der Klägerin unter dem 14.1.1993 ein schriftliches Angebot für die Reise (Bl. 39 f. d.A.) und bestätigte unter dem 11.2.1993 die Buchung (Bl. 41 f. d.A.), wobei sie gleichzeitig den Preis für die Schiffsreise mit 65.280,– DM in Rechnung stellte. Sie stellte die Reisedokumente (Bl. 42a, 42b d.A.) aus und übersandte weitere Reiseinformationen.

7. Die Fahrt führte zunächst an der Ostküste Grönlands entlang. Hinter Kap Morris Jessup an der Nordspitze Grönlands wurde das Schiff am 31.8.1993 vom Eis eingeschlossen und saß 4 Tage lang fest. Am 3.9.1993 wurde es durch den Eisbrecher „Y“ befreit und fuhr auf der Ostseite zurück nach Spitzbergen.

8. Die Klägerin und ihr Ehemann sowie andere Reiseteilnehmer meldeten mit Schreiben vom 4.9.1993 (Bl. 45 f. d.A.) Ansprüche auf Reisekostenerstattung an. Das an die „Reiseleitung Quark Expedition“ gerichtete Schreiben wurde deren Mitarbeiter … an Bord übergeben. Mit Schreiben vom 10.10.1993 an die Beklagte (Bl. 47 f. d.A.), welches am 15.10.1993 bei der Beklagten einging, machten die Klägerin und ihr Ehemann Ansprüche geltend. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 18.10.1993 (Bl. 49 d.A.) alle Ansprüche zurück, weil die geschuldeten Reiseleistungen erbracht und Ansprüche verfristet seien. Sie fügte diesem Schreiben eine Stellungnahme der …. (Bl.50 ff. d.A.) bei. Die Klägerin forderte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.1.1994 die Beklagte unter Fristsetzung bis 15.2.1994 zur Zahlung auf.

9. Die Klägerin macht Minderung des Reisepreises wegen eines Mangels der Reise geltend. Sie trägt vor, die Beklagte sei Veranstalterin der Reise und nicht lediglich Vermittlerin gewesen. Der Mangel bestehe darin, daß die Grönlandumrundung nicht durchgeführt worden sei. Die Umfahrung habe nicht gelingen können, weil die Beklagte nicht für die Begleitung durch einen größeren Eisbrecher gesorgt habe.

10. Die Klägerin beantragt,

11. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 32.640,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.2.1994 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Sie trägt vor, sie habe die Reise der … lediglich vermittelt und sei nicht selbst als Veranstalterin aufgetreten. Etwaige Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls verfristet, weil sie nicht binnen Monatsfrist geltend gemacht worden seien. Ferner erhebt sie die Einrede der Verjährung und beruft sich auf den im Prospekt vorgesehenen Haftungsausschluß.

15. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

16. Die Klage ist teilweise begründet.

17. Die Beklagte ist gemäß § 651 d BGB zur Rückerstattung eines Teils des Reisepreises verpflichtet.

18. Die Beklagte war gemäß § 651 a Abs. 1 BGB Veranstalterin der Reise. Sie hat sich durch das Anbringen ihres Firmenaufklebers auf der Vorderseite den Prospekt der … zu eigen gemacht. Hätte sie als Vermittlerin auftreten wollen, so hätte sie ihren Aufkleber an der dafür vorgesehenen Stelle auf der Rückseite des Prospekts angebracht. Sie hat unter dem eigenen Briefkopf ein schriftliches Angebot über die Schiffsreise und eine Flugreise erteilt. Ferner hat sie – wieder unter dem eigenen Briefkopf – die Buchung der Schiffsreise bestätigt, den Reisepreis in Rechnung gestellt und die mit ihrem Namen versehenen Reisedokumente sowie Reiseinformationen übermittelt. Ein Hinweis darauf, daß die Beklagte nicht als Anbieterin, sondern als Vermittlerin der Reiseleistungen auftreten wollte, läßt sich den genannten Urkunden nicht entnehmen. Aus der Sicht der Klägerin und ihres Ehemannes konnte daher nicht zweifelhaft sein, daß ihre Vertragspartnerin die Beklagte war.

19. Die Ansprüche der Klägerin und ihres Ehemannes aus § 651 d BGB sind nicht gemäß § 651 g BGB ausgeschlossen. Zwar ist das Schreiben vom 10.10.1993 erst am 15.10.1993, und somit mehr als einen Monat nach Beendigung der Reise bei der Beklagten eingegangen. Die Frist ist jedoch durch Übergabe des Schreibens vom 4.9.1993 an den Mitarbeiter … der Quark Expedition gewahrt. Er war laut Prospekt Expeditionsleiter. Die Klägerin und ihr Ehemann durften davon ausgehen, daß er das Anspruchsschreiben an die Beklagte als Reiseveranstalterin weiterleiten würde. Inhaltlich handelte es sich bei dem Schreiben eindeutig um die Geltendmachung von Ansprüchen und nicht um ein Abhilfeverlangen.

20. Die Ansprüche der Klägerin und ihres Ehemannes sind nicht gemäß § 651 g Abs. 2 BGB verjährt. Die sechsmonatige Frist begann mit der Ablehnung der Ansprüche durch das Schreiben der Beklagten vom 18.10.1993 (§ 651 g Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Verjährung ist durch die am 16.3.1994 erfolgte Zustellung des Mahnbescheids unterbrochen worden (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Stillstand des Verfahrens zwischen der Erhebung des Widerspruchs (17.3.1994) und dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens (14.9.1994) hat weniger als 6 Monate gedauert, so daß auch in dieser Zeit Verjährung nicht eingetreten ist.

21. Der Umstand, daß die im Prospekt versprochene Umfahrung Grönlands nicht durchgeführt worden ist, stellt einen erheblichen Mangel der Reise im Sinn von § 651 c Abs. 1 BGB dar. Die Tatsache der Erstumrundung ist im Prospekt als herausragendes Merkmal der Reise deutlich herausgestellt. Insbesondere die Umfahrung der Nordspitze und das Durchbrechen extrem dicken Packeises in der Lincoln Sea wird als Heldentat hervorgehoben. Auch die bei der Umfahrung der Westseite zu erwartenden Reize sind im Prospekt ausführlich beschrieben. Daß dieses Programm nicht durchgeführt worden ist, beeinträchtigt den Wert der Reise erheblich und kann nicht als hinzunehmende Unannehmlichkeit gewürdigt werden.

22. Auf die Möglichkeit des Scheiterns der Umfahrung wird im Prospekt nur für den Fall eines außergewöhnlich harten und eisreichen Winters hingewiesen. Nur für diesen Fall kann von der Vereinbarung eines Haftungsausschlusses ausgegangen werden. Die Beklagte behauptet indessen nicht, daß die Reisezeit in ein außergewöhnlich schweres Eisjahr gefallen ist.

23. Vor allem aber ist entgegen der Prospektbeschreibung der zweite, größere Eisbrecher, der die … während der Reise um den Norden Grönlands begleiten und ihr, wenn nötig, den Weg freibrechen sollte, nicht bereitgestellt worden. Es ist daher, wenn man im übrigen von der Richtigkeit der Prospektangaben ausgeht, anzunehmen, daß dieser von der Beklagten bzw. den von ihr eingesetzten Leistungsträgern zu vertretende Umstand zum Scheitern der Umfahrung geführt hat. Die Beklagte behauptet auch nicht, daß auch im Falle des Einsatzes des zweiten Eisbrechers die Umrundung nicht hätte gelingen können.

24. Wegen des festgestellten Mangels ist der Reisepreis gemäß §§ 651 d, 472 BGB im Verhältnis des Wertes der geschuldeten mangelfreien Reise zu der durchgeführten mangelhaften Reise herabzusetzen. Einzelheiten zur Durchführung der Rückreise vom … nach Spitzbergen sind nicht vorgetragen. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin handelte es sich insoweit um eine normale Eismeer-​Kreuzfahrt. Im Hinblick auf das Verhältnis der mangelfreien Reisedauer (17.8. – 30.9.1993) zur Dauer der gestörten Reise (31.8. – 11.9.1993) sowie im Hinblick auf das Fehlen der als herausragendes Merkmal angepriesenen Grönland-​Umrundung erachtet die Kammer eine Minderung in Höhe von 30% des Reisepreises – das sind 19.584,– DM – als angemessen. In dieser Höhe ist die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises verpflichtet.

25. Der Zinsanspruch ist aus § 288 BGB begründet.

26. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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