Verzögerte Gepäckauslieferung

LG Frankfurt: Verzögerte Gepäckauslieferung

Ein Reisender buchte bei einem Reiseveranstalter eine 14-tägige Kreuzfahrt. Weil sein Gepäck erst mit 7-tägiger Verspätung nachgeliefert werden konnte, verlangt er nun eine nachträgliche Reisepreisminderung.

Das Landgericht Frankfurt hat dem Klägerbegehren entsprochen. In der verspäteten Lieferung des Gepäcks sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Reiseleistung zu sehen. Aus diesem Grund stehe dem Reisenden eine entsprechende Entschädigung nach §651c BGB zu.

LG Frankfurt 2-24 S 230/93 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 20.12.1993
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 20.12.1993, Az: 2-24 S 230/93
AG Frankfurt, Urt. v. 22.03.1993, Az: 30 C 4170/93-69
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Hessen-Gerichtsurteile

Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 20. Dezember 1993

Aktenzeichen: 2-24 S 230/93

Leitsatz:

2. Verspätete Gepäcklieferung stellt Reisemangel im Sinne von §651d BGB dar.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte bei einem privaten Reiseveranstalter eine Kreuzfahrt. Auf dem Schiff angekommen, musste der Kläger feststellen, dass sein Gepäck nicht mitbefördert worden war. So verbrachte er die ersten 7 Tage der Fahrt, ohne seinen Koffer.
Aus diesem Grund macht er einen Reisemangel geltend und fordert vom beklagten Reiseveranstalter eine Preisminderung.
Der Veranstalter weigert sich der Zahlung und beruft sich auf eine ansonsten mangelfreie Reiseleistung.

Das Landgericht Frankfurt hat der Klage stattgegeben. Nach §651 c BGB hat der Veranstalter die Reise frei von etwaigen Fehlern zu erbringen, ihren Wert oder Nutzen negativ beeinflussen. Zur zweckmäßigen Beanspruchung einer Reiseleistung gehört es, auf seine Gepäckstücke zugreifen zu können. Die Notwendigkeit, sich im Urlaub täglich mit der ersatzweisen Beschaffung von Kleidung und Verbrauchsgegenständen zu beschäftigen, schmälert den Erholungsfaktor und somit auch den Wert der Reise erheblich.

In der Nicht-Lieferung der Gepäckstücke sei daher ein beachtlicher Reisemangel im Sinne von 651d BGB zu sehen. Vor diesem Hintergrund stehe dem Kläger eine anteilige Reisepreisminderung zu.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AGs Frankfurt am Main vom 22.03.1993 – Az.: 30 C 4170/93-69 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 508,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24.12.1992 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 4/5, die Beklagte 1/5.

Hinsichtlich der Kosten 2. Instanz trägt der Kläger vorab die Kosten der (zurückgenommenen) Anschlußberufung. Im übrigen tragen von den Kosten der Berufungsinstanz der Kläger 3/5, die Beklagte 2/5.

Tatbestand:

5. Von einer nochmaligen Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht nach dem unstreitigen Vorbringen lediglich ein Minderungsanspruch von DM 508,40 (nebst Zinsen) zu.

7. Die Kammer ist der Auffassung, daß der von dem AG zugesprochene Minderungsbetrag von DM 1.271,–, der einem anteiligen Tagespreis entspricht, zu hoch zu bemessen ist. Die Kammer billigt dem Kläger und seiner Ehefrau eine Minderung für die verspätete Anlieferung des Reisegepäcks und die damit verbundenen Mißbilligkeiten in Höhe von 40 % des anteiligen Tagespreises zu. Dabei ist – ebenso wie das AG – von dem Preis für die Schiffsreise in Höhe von 17.800,– DM anzugehen, während der Flugzuschlag für den An- und Abflug in Höhe von 2.720,– DM unberücksichtigt bleibt.

8. Bei der Bemessung des Minderungssatzes von 40 % geht die Kammer von folgenden Erwägungen aus. Nach §§ 651 d I, 472 I BGB ist der Reisepreis anteilig herabzusetzen. Dabei ist neben dem Umfang der Beeinträchtigung zu berücksichtigen, ob und welche Reiseleistungen während des gleichen Zeitraumes mangelfrei erbracht wurden. Das ist in vorliegendem Fall die Schiffsunterkunft und die Verpflegung als maßgebende Hauptleistungen. Beeinträchtigt waren lediglich der Komfort der eigenen Personenausstattung. Die Kammer geht mangels gegenteiligen konkreten Vortrages des Klägers davon aus, daß die üblichen für die Körperpflege notwendigen Gebrauchsgegenstände dem Kläger und seiner Ehefrau zur Verfügung standen, da diese üblicherweise im Handgepäck verstaut sind.

9. Die Beeinträchtigung bestand danach darin, daß dem Kläger und seiner Ehefrau nicht die notwendige Kleidung zur Verfügung stand, um die Reisekleidung abzulegen und sich entsprechend den Gepflogenheiten auf einer Kreuzfahrt zu kleiden. Das betrifft vor allem das Auftreten in einer der Verkehrssitte üblichen Kleidung bei dem ersten Abendessen an Bord. Hinzukommt die bis zum Nachmittag des nächsten Tages verbundene Ungewißheit, ob das Reisegepäck überhaupt rechtzeitig vor Abfahrt des Schiffes noch eintreffen würde. Schließlich ist ein gewisser Zeitaufwand für die Ersatzbeschaffung zu berücksichtigen, der allerdings in Verbindung mit einem „Stadtbummel“ in Vigo und dem Besichtigen der Einkaufsmöglichkeiten gering zu veranschlagen ist. Üblicherweise werden bei Verlust bzw. verspäteter Aushändigung des Reisegepäcks Minderungsbeträge zwischen 20 % und 30 % zugebilligt.

10. Die Kammer hat entsprechend der von ihr gehandhabten Minderungstabelle in der Regel 20 % des Tagespreises als ausreichend erachtet, während 80 % für die Vergütung der Hauptleistungen (Unterkunft, Verpflegung) erhalten bleiben. Sie ist allerdings hier der Auffassung, daß im Hinblick auf die bei einer Kreuzfahrt üblichen Gepflogenheiten, bei dem Abendessen in einer besonders ansprechenden Kleidung aufzutreten, was besonders für die Damen zutrifft (langes Abendkleid, Schmuck etc.) eine Erhöhung des Prozentsatzes auf das Doppelte gerechtfertigt ist. Damit ist allerdings den Belangen des Reisenden hinreichend Rechnung zu tragen. Es muß immerhin davon ausgegangen werden, daß die Mitreisenden bei Mitteilung über den Grund der nicht „standesgemäßen Kleidung“ sicher Verständnis hierfür aufbringen werden und bei den nachfolgenden Abenden während der Kreuzfahrt der Kläger und seine Ehefrau Gelegenheit hatten, durch entsprechende Kleidung einen etwaigen entstandenen „ungünstigen Eindruck“ über ihre nicht gehobenen Verhältnisse wieder auszugleichen.

11. Der Kammer erscheint auch der Hinweis angebracht, daß derartige nicht selten vorkommende „Pannen“, die so kurzfristig wieder behoben werden, von dem Reisenden üblicherweise mit Gelassenheit hingenommen werden und nach deren Beseitigung schnell wieder verblassen. Sie dürften das Erlebnis der Kreuzfahrt nicht mehr beeinträchtigt haben.

12. Die Kammer hat bei der Berechnung der Minderung den anteiligen Tagespreis von DM 1.271,– für beide Reiseteilnehmer zugrundegelegt. Zwar muß nach dem Vortrag des Klägers davon ausgegangen werden, daß in dem verzögert ausgelieferten Koffer „der Ehefrau“ sich nur Kleidungsstücke der Ehefrau des Klägers befanden, so daß auch nur diese sich einen Tag nicht angemessen kleiden konnte, während der Kläger selbst nicht gehindert war, sich in einer der Kreuzfahrt angemessenen Kleidung zu bewegen. Bei dieser Sachlage aber war auch der Kläger durch die Diskrepanz des Kleidungsniveaus selbst beeinträchtigt. Dies gilt vor allem für das Abendessen, da üblicherweise ein solches Auseinanderklaffen in der Kleidungsweise von anderen Teilnehmern der Kreuzfahrt Anlaß zu Fragen und Redereien gibt; der Kläger konnte sich deshalb bei dem Abendessen ebenfalls „nicht wohl in seiner Haut fühlen“. Außerdem hat die Gefahr, daß der Koffer nicht rechtzeitig vor Auslaufen des Schiffes noch eintreffen würde, die Stimmungslage beider Ehegatten gleichmäßig getrübt, ohne daß es darauf ankommt, inwieweit die in erster Linie beeinträchtigte Ehefrau bei dem Stadtbummel in V am Vormittag des Abfahrtstages ihrem Mißmut Ausdruck verlieh.

13. Auf die in der Berufungsbegründung erwähnten Ersatzbeschaffungen ist nicht einzugehen, da die von der Beklagten eingelegte Berufung nur die zugesprochene Minderung von 1.271,– DM betraf. Die mit Schriftsatz vom 29.11.1993 eingelegte Anschlußberufung des Klägers hat dieser nach Belehrung über ihre Unzulässigkeit wieder zurückgenommen.

14. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 92 I, 269 III ZPO.

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