Leistungsausschlusses für psychische Erkrankungen in den Bedingungen der Reisrücktrittsversicherung
LG München: Leistungsausschlusses für psychische Erkrankungen in den Bedingungen der Reisrücktrittsversicherung
Die Kläger forderten die Auszahlung einer Reiserückttrittsversicherung, welche aufgrund des Ausschlusses psychischer Erkrankungen verweigert worden war. In erster und zweiter Instanz wurden die Forderungen abgewiesen, da der Ausschluss psychischer Leiden wirksam ist.
LG München | 6 S 15424/13 (Aktenzeichen) |
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LG München: | LG München, Urt. vom 08.01.2015 |
Rechtsweg: | LG München, Urt. v. 08.01.2015, Az: 6 S 15424/13 |
AG München, Urt. v. 12.06.2013, Az: 172 C 3451/13 | |
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Leitsatz:
2. Der Haftungsausschluss für psychische Erkrankungen bei einer Reiserücktrittsversicherung ist weder überraschend, noch benachteiligend, sondern dient einer reibungslosen Vertragsabwicklung.
Zusammenfassung:
3. Reisende forderten die Auszahlung einer Reiserücktrittsversicherung, nachdem eine Reise aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht angetreten werden konnte. Eben solche waren jedoch gemäß der Allgemeinen Versicherungsbedingungen von der Leistung ausgeschlossen. Die Kläger waren der Auffassung, dass die Ausschlussklausel nicht wirksam sei, da für die Unterscheidung physischer und psychischer Leiden keine nachvollziehbaren Gründe bestünden.
Das Amtsgericht München wies die Klage ab und das Landgericht München die Berufung der Kläger zurück. Die streitgegenständliche Klausel war nicht überraschend, da Ausschlussklauseln gewöhnlicher Bestandteil von Versicherungen sind. Sie war in den Bedingungen auch nicht mehrdeutig formuliert. Außerdem stellte sie keine Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar, da es der reibungslosen und kostengünstigeren Vertragsabwicklung dient, psychische Erkrankungen auszuschließen, weil deren Vorliegen und Verlauf oft langwieriger Untersuchungen bedürfen.
Tenor:
4. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Amtsgerichts München vom 12.06.2013, Aktenzeichen 121 C 3451/13, wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
5. Die Kläger machen Ansprüche aus einer Reiserücktrittsversicherung nebst Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochten Urteil wird gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 1 ZPO Bezug genommen.
6. Das Amtsgericht München hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Leistungsausschluss für psychische Krankheiten in den Versicherungsbedingungen wirksam ist.
7. Gegen dieses, den Klägern am 19.06.2013 zugestellte Urteil, haben diese am 11.07.2013 per Fax Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18.09.2013 (nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist) begründet.
8. Die Kläger sind der Ansicht, der Haftungsaufschluss in den allgemeinen Versicherungsbedingungen für psychische Erkrankungen sei nicht wirksam. Es sei kein wirklich durchgreifender sachlicher Grund erkennbar, psychische Erkrankungen anders zu behandeln als körperliche Erkrankungen.
9. Bei den „allgemeinen Leistungskriterien“, wonach es sich insbesondere um eine plötzlich aufgetretene Erkrankung handeln müsse, die nicht schon beim Abschluss des Reisevertrages vorgelegen habe dürfe, handele sich um hinreichend konkrete Kriterien, die eine Abgrenzung der Leistungsverpflichtung des Versicherers ermöglichten. Der Versicherungsnehmer habe zu beweisen, dass seine Erkrankung eine solche sei, die nicht schon bei Begründung des Vertragsverhältnisses vorgelegen habe und die plötzlich und unerwartet aufgetreten sei. Dies stelle sicher, dass nur ein sehr eng umgrenzter sachlicher Bereich überhaupt „versicherungsfähig“ sei und eine Leistungspflicht des Versicherers auslöse.
10. Gelinge es dem Versicherungsnehmer nachzuweisen, dass er aufgrund einer psychischen Erkrankung, die schwerwiegend sei und die erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages erstmals aufgetreten sei, so wäre das Versicherungsunternehmen leistungsverpflichtet. Bis dahin bestünde eine Leistungspflicht nicht. Diese Vorgehensweise unterscheide sich nicht zwingend von denjenigen, bei der der Versicherungsnehmer aufgrund einer physischen Erkrankung den Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag geltend mache.
11. Kriterien, weswegen eine psychische Erkrankung anders zu behandeln sei als eine physische Erkrankung, sei im streitgegenständlichen Fall nicht erkennbar, weshalb die unterschiedliche Behandlung der möglichen „Reisehindernisse“ durch die Beklagte im Ergebnis willkürlich sei und der potenzielle Kunde der Beklagten mit einer solch willkürlichen Entscheidung der Beklagten nicht zu rechnen brauche.
12. Der Berater der Beklagten habe die Kläger lediglich auf den Abschluss eines Reiseversicherungsvertrages aufmerksam gemacht, nicht jedoch darauf, dass unterschiedliche gesundheitliche Gründe zu unterschiedlichen „Versicherungsfolgen“ führen könnten.
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts München die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.161,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu Händen der Rechtsanwältin … zzgl. 349,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14. Die Kläger beantragen die Zulassung der Revision.
die Berufung zurückzuweisen und beantragt die Nichtzulassung der Revision
16. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Sie trägt vor, dass es sich bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen durch Reisebüros als Abschlussvertreter lediglich um eine untergeordnete Nebentätigkeit der Reisebüros handele. Die Klagepartei könne sich daher nicht darauf berufen, der Abschluss des Versicherungsvertrages sei im Reisebüro „empfohlen“ worden, ohne etwa auf die Versicherungsbedingungen und die dort enthaltenen Versicherungsausschlüsse hinzuweisen. Der Leistungsausschluss gemäß § 8 b) Teil A VB-ERV 2012 sei wirksam. Der Ausschluss sei weder überraschend, noch benachteilige er den Versicherungsnehmer unangemessen.
17. Zum übrigen Berufungsvorbringen der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2014 Bezug genommen.
II.
18. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
19. Wie das Amtsgericht München in dem angegriffenen Urteil zu Recht ausführt, ist der Leistungsausschluss für psychische Erkrankungen in den Versicherungsbedingungen wirksam. Auch ist der Beklagten bei der Vermittlung einer Reiserücktrittsversicherung ein Beratungsverschulden nicht anzulasten. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 47/52) wird in vollem Umfang Bezug genommen.
20. Die Ausschlussklausel für psychische Erkrankungen ist nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB. Danach werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil.
21. Ausschlüsse vom Versicherungsschutz als solche sind nicht ungewöhnlich, sondern Bestandteil der meisten Versicherungsverträge.
22. Bereits in dem Produktinformationsblatt zur Reiserücktritts-Versicherung (inkl. Reiseabbruch-Versicherung) mit Selbstbeteiligung der Europäischen Reiseversicherung AG wird auf Seite 1 deutlich darauf hingewiesen, dass in den Stornokosten- und in der Reiseabbruchversicherung z. B. kein Versicherungsschutz für psychische Erkrankungen besteht.
23. In den Versicherungsbedingungen ist unter § 8 b) ganz klar und deutlich unter der Überschrift „Ausschlüsse“ geregelt, dass bei psychischen Erkrankungen sowie bei Suchterkrankungen kein Versicherungsschutz besteht.
24. Bei dem Haftungsausschluss handelt es sich daher weder um eine überraschende, noch um eine mehrdeutige Klausel.
25. Die Klausel in § 8 b) der Versicherungsbedingungen hält auch der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.
26. Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
27. Eine solche Benachteiligung ist nicht erkennbar.
28. Die Klausel schränkt die Pflichten der Beklagten aus dem Vertrag nicht so ein, dass eine Erreichung des Vertragszwecks gefährdet würde. Für die Mehrzahl der Krankheiten, die zu einem Reiserücktritt führen können, besteht Versicherungsschutz. Nach dem es sich bei der Reiserücktrittsversicherung um einen relativ kurzen überschaubaren Zeitraum handelt, nämlich für die Zeit zwischen Buchung der Reise und Reiseausführung, ist das Risiko, in der Zwischenzeit an einem psychischen Leiden zu erkranken, relativ gering.
29. Der Ausschluss psychischer Erkrankungen dient auch dem Versicherten selbst. Mit dem Ausschluss knüpft die Leistung an objektiv erfassbare Vorgänge an. Dies trägt dem Interesse des Versicherers an einer möglichst zuverlässigen Tarifkalkulation und an einer zeitnahen, mit vertretbaren Kosten ergehenden Entscheidung über die Entschädigung Rechnung. Reiseversicherungen werden in aller Regel über sogenannte Kurzzeitverträge, bezogen auf die Reise, abgeschlossen, wobei gegen eine geringe Prämie ein hohes Risiko versichert werden kann. Eine möglichst reibungslose, kostengünstige Vertragsabwicklung wäre bei der Einbeziehung von psychischen Schäden so nicht mehr gewährleistet. Das Vorliegen von psychischen Erkrankungen und insbesondere deren Entstehungszeit können langwierige Untersuchungen zur Folge haben. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, wer das Vorliegen und den Entstehungszeitpunkt der psychischen Erkrankungen nachzuweisen hat.
30. Für die unterschiedliche Behandlung von den psychischen und physischen Erkrankungen bestehen daher objektive Gründe, sodass der Haftungsausschluss in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht willkürlich ist.
31. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
32. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzung des § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen. Dass ein Haftungsausschluss für psychische Erkrankungen wirksam ist, wurde bereits vom Bundesgerichtshof entschieden (BGH, Urteil vom 23.06.2004, IV ZR 130/03). Es ist zwar zutreffend, dass hinsichtlich der Reiserücktrittsversicherung eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichts noch nicht vorliegt. Bei dem Haftungsausschluss für psychische Erkrankungen handelt es sich aber um allgemeine versicherungsrechtliche Fragen, die auch auf die Reiseversicherung übertragbar sind. Gerade die vom Bundesgerichtshof angeführte Tarifkalkulation ist auf die Reiserücktrittsversicherung im besonderen Maße anwendbar, da es sich hier um Kurzzeitverträge handelt, bei denen gegen eine geringe Prämie ein hohes Risiko versichert werden kann.
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