Haftung des Reiseveranstalters bei Körperschäden wegen mangelhafter Unterkunft

LG Frankfurt: Haftung des Reiseveranstalters bei Körperschäden wegen mangelhafter Unterkunft

Der Ehemann der Klägerin buchte für sich und seine Familie bei dem Beklagten eine Reise nach Gran Canaria mit Unterbringung in einem Hotel. Die Klägerin zündete sich im Hotelappartement mit einem Feuerzeug eine Zigarette an, als es eine Stichflamme gab, die vom Gasherd ausging. Die Klägerin erlitt Verbrennungen an beiden Beinen, am Bauchbereich und an beiden Brüsten. Sie wurde in einem Krankenhaus in Playa del Ingles ärztlich versorgt. Sie verlangt vom Beklagten Ersatz des auf sie entfallenden Anteils des Reisepreises.

In erster Instanz bekam sie vom AG Frankfurt Recht. Auch das Berufungsgericht, das LG Frankfurt, gab der Klägerin Recht.

LG Frankfurt 2-24 S 360/82 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 06.06.1983
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 06.06.1983, Az: 2-24 S 360/82
AG Frankfurt, Urt. v. 5.10.1982, Az: 30 C 10615/81
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 06.06.1983

Aktenzeichen 2-24 S 360/82

Leitsätze:

2. Zur Berechung einer Minderung muss an die einzelnen vom Reiseveranstalter geschuldeten und mangelhaften Leiseungen angeknüpft werden.

Weist die durch den Reiseveranstalter oder durch seinen Leistungsträger bereitgestellte Wohnung bei Übergabe Mängel auf, muss der Veranstalter für etwaige durch diese Mängel auftretende Köfperschäden haften.

Zusammenfassung:

3. Der Ehemann der Klägerin buchte für sich und seine Familie bei dem Beklagten für die Zeit vom 24.6.1981 bis 15.7.1981 eine Reise nach Gran Canaria mit Unterbringung in einem Hotel. Die Klägerin zündete sich im Hotelappartement mit einem Feuerzeug eine Zigarette an, als es eine Stichflamme gab, die vom Gasherd ausging. Die Klägerin erlitt Verbrennungen an beiden Beinen, am Bauchbereich und an beiden Brüsten. Sie wurde in einem Krankenhaus in Playa del Ingles ärztlich versorgt. Sie verlangt vom Beklagten Ersatz des auf sie entfallenden Anteils des Reisepreises in Höhe von 1.419.– DM verlangt und Behandlungskosten i.H.v. 64,- DM, da der Mangel der Wohnung (der beschädigte Gasschlauch) dem Reiseveranstalter zuzurechnen sei.

In erster Instanz bekam sie vom AG Frankfurt Recht. Auch das Berufungsgericht, das LG Frankfurt, gab der Klägerin Recht und sah den Veranstalter als haftbar an.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 5.10.1982 – Az: 30 C 10615/81 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand:

5. Die Klägerin macht Ersatzansprüche aus einem Reisevertrag wegen eines während der Reise erlittenen Körperschadens gegen den Reiseveranstalter geltend.

6. Der Ehemann der Klägerin buchte für sich und seine Familie bei dem beklagten Reiseveranstalter für die Zeit vom 24.6.1981 bis 15.7.1981 eine Reise nach Gran Canaria / Playa del Ingles mit Unterbringung im Appartement – Hotel W.

7. Das Appartement hatte eine komplett eingerichtete Küche; bei dem vorhandenen Küchenherd handelte es sich um einen Gasherd, der durch einen Schlauch an eine Gasflasche angeschlossen war. Die Gasflasche wurde während der Belegungszeit durch die Familie der Klägerin einmal, nämlich am 10.7.1981, durch einen Bediensteten des Hotels ausgewechselt.

8. Am Nachmittag des 13.7.1981 hielt sich die mit nur einer Bikinihose bekleidete Klägerin in der Küche auf. Als sie mit einem Feuerzeug sich eine Zigarette anzündete, gab es eine Stichflamme, die offensichtlich von dem Gasherd ausging. Die Klägerin erlitt Verbrennungen an beiden Beinen, am Bauchbereich und an beiden Brüsten; außerdem wurde ihr vorderes Kopfhaar abgesengt. Sie wurde in einem Krankenhaus in Playa del Ingles ärztlich versorgt.

9. Nach ihren Angaben hat sie für etwa 3 – 4 Tage ihre Stimme verloren. Sie war nach Rückkehr von der Reise etwa eine Woche lang bettlägerig krank, wobei die Brandwunden täglich durch einen Arzt versorgt werden mußten.

10. Nach dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest hat es sich um Verbrennungen zweiten Grades gehandelt, wobei Arbeitsunfähigkeit vom 16.7. – 30.7.1981 bestand.

11. Die Klägerin hat aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes Ersatz von 64.– DM am Urlaubsort aufgewendeten Behandlungskosten sowie Rückzahlung des auf sie entfallenden Anteils des Reisepreises in Höhe von 1.419.– DM verlangt.

12. Sie hat behauptet, die Explosion sei auf einen ca. 3 cm langen Riss in der Gasleitung zwischen Gasflasche und Gasherd zurückzuführen gewesen; der Leistungsträger habe seine Inspektionspflicht schuldhaft verletzt. Der defekte Gasschlauch sei anschließend durch die Hotelleitung ausgetauscht worden.

13. Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.483.– DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

14. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

15. Sie hat vorab die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und im übrigen in Abrede gestellt, dass die Explosion auf eine schadhafte Stelle des Verbindungsschlauches zurückzuführen sei. Die Herdanlage mit sämtlichen Gasleitungen sei drei Monate vor dem Unfall von dem „Servicio Tecnico“ der Hotelanlage W inspiziert worden und der fragliche Schlauch habe einen Garantieaufdruck bis einschließlich Dezember 1981 aufgewiesen. Man habe den Gasschlauch einer näheren Inspektion unterzogen und nichts festgestellt. Die neue Gasflasche sei am 10.7.1981 auch ordnungsgemäß montiert worden.

16. Die Beklagte hat behauptet, der Unfall sei auf überwiegendes Verschulden der Klägerin zurückzuführen gewesen, die sich in unmittelbarer Nähe des Herdes eine Zigarette angezündet habe.

17. Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 5.10.1982 nach dem Klageantrag erkannt; es hat einen Ersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung bejaht. Gegen das am 3.11.1982 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.11.1982 Berufung eingelegt und diese am 13.12.1982 begründet.

18. Die Beklagte wendet sich vor allem gegen die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils, das zu Unrecht einen Riss im Schlauch von 1 – 2 cm als bewiesen angesehen habe. Der Amtsrichter habe ferner die Beweisregeln verkannt sowie sich zum Mitverschulden der Kläger und zu der Höhe des Schadens nicht geäußert.

19. Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

20. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

21. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.

22. Die Kammer hat die Klägerin gemäß § 141 I ZPO zu Informationszwecken über den Hergang des Unfalls, die Verletzungen und den Heilungsverlauf angehört. Insoweit wird auf das Protokoll vom 2. Mai 1983 (Bl. 110 – 112 d.A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

23. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

24. In der Sache selbst muss ihr der Erfolg versagt bleiben. Die Klägerin hat einen Ersatzanspruch auf Zahlung von 1.483.– DM nebst 4 % Prozesszinsen seit 20.11.1981.

I.

25. Ausgangspunkt der Entscheidungsgründe ist die Feststellung, dass die Klägerin die erlittenen Verletzungen durch eine Explosion im Bereich des Gasherdes erlitten hat und dies auf eine schadhafte Stelle des Verbindungsschlauches zwischen Gasherd und Gasflasche kausal zurückzuführen ist.

1)

26. Die Beklagte vermag nicht in Abrede zu stellen, dass die Explosion mit dem Gasherd und der Gaszufuhr in Zusammenhang steht. Dass hierbei ein Defekt am Verbindungsschlauch eine auslösende Rolle gespielt haben muss, entnimmt das Gericht in Übereinstimmung mit dem Vorderrichter dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz unter Heranziehung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis und über die Beweisvereitelung.

a)

27. Das Gericht ist überzeugt, dass der Verbindungsschlauch zwischen Gasherd und Gasflasche undicht war. Dies folgt aus den glaubhaften Bekundungen des Ehemannes der Klägerin, der ausgesagt hat, der fragliche Schlauch habe einen Riss von ca. 1 – 2 cm Länge aufgewiesen, wobei er über die Tiefe des Risses nichts sagen könne. Die von der Beklagten benannten Zeugen M und H vermögen diese klare Aussage nicht zu entkräften.

28. Der Zeuge M konnte zur Sache dienliche Tatsachen nicht mitteilen, da er den fraglichen Schlauch nicht gesehen hat und sich nur in Vermutungen über die Ursache der Explosion ergeht. Die Zeugin H hat zwar ausgesagt, dass ein Riss an dem Schlauch nicht zu erkennen gewesen sei; sie hat jedoch ihre schriftliche Zeugenaussage eingeschränkt, indem sie bekundete: „Bei viel gutem Willen konnte man eine leicht aufgerauhte Stelle „entdecken“, aus welcher jedoch kein Gas ausströmen konnte. Von porös konnte ebenfalls keine Rede sein.“ Damit hat sie eingeräumt, dass an dem Schlauch eine auch ihr aufgefallene, von der Norm abweichende Stelle, war. Für die Antwort auf die Frage, ob aus dieser Stelle Gas ausströmen konnte, fehlt der Zeugin offenbar die sachliche Kompetenz.

b)

29. Letztlich muss die Beklagte sich nach den Grundsätzen über die Beweisvereitelung entgegenhalten lassen, dass der fragliche Schlauch nach Sicherstellung durch den Hotelier heute nicht mehr für eine Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen zur Verfügung steht. Die Beklagte hatte in erster Instanz selbst vorgetragen. dass der fragliche Schlauch ausgewechselt worden sei, „um diesen einer näheren Inspektion zu unterziehen, was auch geschehen ist“ (Schriftsatz vom 9.3.1982, Seite 3). Auch aus der schriftlichen Aussage der Zeugin Hütte ergibt sich, dass der Ehemann der Klägerin den „porösen Schlauch“ als Ursache ansah. Unter diesen Umständen waren in Anbetracht des nicht unerheblichen Körperschadens der Klägerin und der naheliegenden Möglichkeit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen sowohl die Reiseleitung der Beklagten als auch die Leitung des Appartementhotels verpflichtet, den fraglichen Schlauch als Beweisstück sicherzustellen.

30. Die Beklagte hat auf die mit der Terminverfügung des Vorsitzenden gemachten Auflagen nach dem Verbleib des Schlauches im Schriftsatz vom 1.2.1983, Seite 2 mitgeteilt, der Schlauch sei durch den Hotelier bei der Haftpflichtversicherung eingereicht worden, über seinen Verbleib könne nichts mehr in Erfahrung gebracht werden. Die Unmöglichkeit der Vorlage des Schlauches stellt eine Pflichtverletzung der Beklagten dar, so dass sie sich die Unmöglichkeit einer weiteren Klärung der Beschaffenheit des Schlauches im Rahmen der freien Beweiswürdigung entgegenhalten muss.

2)

31. Ist jedoch von der Undichtigkeit des Verbindungsschlauches auszugehen, so spricht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises auch die Vermutung dafür, dass diese Tatsache die maßgebende Ursache für die Explosion gewesen ist.

a)

32. Die Kammer geht von dem Satz der Lebenserfahrung aus, dass bei Undichtigkeit eines Gasschlauches und später eintretenden Gasexplosion alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Gas über diese undichte Stelle ausgetreten ist und sich dann bei Anzünden einer Zigarette entzündet hat. Dieser Satz der Lebenserfahrung ist jedem vernünftigen Betrachter so einsichtig, dass er keiner weiteren Begründung bedarf.

b)

33. Irgendwelche anderen Ursachen, die einen abweichenden Kausalverlauf ernsthaft nahelegen, hat die Beklagte nicht dargetan. Das gilt zunächst von dem Hinweis, dass einer der Gashähne nicht ordnungsgemäß zugedreht war, so dass dort Gas ausströmen konnte. Das erscheint deswegen unwahrscheinlich, weil nach der glaubhaften Schilderung der Klägerin der Gasherd bereits am Vormittag (des Unfalltages) letztmalig in Betrieb war; wäre wirklich der Gashahn morgens nicht richtig geschlossen worden, so wäre bis zum Nachmittag so viel Gas ausgeströmt, dass die Klägerin dessen Geruch bei Betreten der Küche hätten wahrnehmen müssen, zumal nach dem Vortrag der Beklagten das verwendete Butangas einen „geradezu bestialischen Geruch verbreitet, der schlechterdings nicht unbemerkt bleiben kann“ (Schriftsatz der Beklagten vom 9.3.1982, Seite 5). Gerade diese Tatsache spricht dafür, dass durch die undichte Stelle im Schlauch nur wenig Gas ausgeströmt ist, dessen Geruch unbemerkt bleiben konnte.

34. Noch fernerliegend ist die Erwägung der Beklagten, die Klägerin oder ihr Ehemann hätten den Herd von der Wand gehoben, etwa um die Küche zu reinigen, und hierbei die Verbindung des Schlauches von der Gasflasche oder dem Gasherd gelöst. Der zugunsten der Klägerin sprechende Beweis des ersten Anscheins ist nach alledem nicht erschüttert.

II.

35. Nach den unter Ziffer I getroffenen Feststellungen steht der Klägerin ein Ersatzanspruch zu.

1)

36. Der Ersatzanspruch der Klägerin lässt sich zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der Minderung nach §§ 651 c, d BGB mit der Erwägung begründen, die von der Beklagten veranstaltete „Reise“ sei mit einem Mangel behaftet gewesen. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass der von der Klägerin mit der Reise bezweckte Erfolg, insbesondere die erhoffte Erholung, angesichts der erlittenen Verletzungen nicht eingetreten ist. Das reicht jedoch nach Meinung der Kammer nicht aus, einen Mangel im Sinne des § 651 c I BGB zu bejahen, der eine verschuldensunabhängige Gewährleistung begründen kann.

37. Die Feststellung, ob ein Mangel vorliegt, hat nach der Auffassung der Kammer an den einzelnen Reiseleistungen anzuknüpfen, die der Reiseveranstalter nach § 651 a I BGB schuldet und zu einer Gesamtheit von Reiseleistungen – dem Leistungsbündel „Reise“ – verbindet.

38. Eine Beeinträchtigung der Reise als solche vermag dagegen nur Mangelfolgeschäden im Sinne von § 651 f BGB auszulösen, nicht aber eine Minderung dahin zu rechtfertigen, dass hierdurch der Reisepreis für das gesamte Leistungsbündel nach Erbringung der einzelnen Reiseleistungen mehr oder weniger in Wegfall kommt.

39. Soweit die Kammer im Urteil vom 5.12.1977 (2/24 S 222/77) – der sogenannten „Salmonellen-​Entscheidung“ – eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, wird hieran nicht mehr festgehalten.

40. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zwar über ihren Leistungsträger eine Unterkunft zur Verfügung gestellt, die wegen des defekten Gasherdes mit einem Mangel behaftet war. Dieser Mangel rechtfertigte keine Minderung, solange er „latent“ blieb, sich also nicht in einer Verletzung von Rechtsgütern in der Person eines Reisenden manifestierte. Im Falle einer Rechtsgutsverletzung kann die Beeinträchtigung der Reise aber nicht als Stellung einer mangelhaften Unterkunft gesehen werden, sondern als Mangelfolgeschaden, der unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu ersetzen ist.

2)

41. Der Klägerin steht nach § 651 f II BGB in Verbindung mit einer analogen Anwendung des § 538 BGB ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der durch die in der Körperverletzung liegenden Beeinträchtigung der Reise zu erblicken ist. Dieser Ersatzanspruch ist von einem Verschulden der Beklagten nicht abhängig, wie sich aus der analogen Anwendung des § 538 BGB ergibt.

a)

42. Die Kammer ist der Auffassung, dass die in § 651 f BGB enthaltene, durch das Reisevertragsgesetz vom vom 4.5.1979 eingeführte Regelung über die Verpflichtung zum Schadensersatz keine abschließende Regelung enthält, die andere, einschlägige Anspruchsgrundlagen ausschließt. Dies folgt aus der Rechtsnatur des Reisevertrages, wie sie sich bei Beachtung der historischen Entwicklung ergibt.

43. Ursprünglich vermittelte das Reisebüro alter Herkunft einzelne Reiseleistungen im fremden Namen. In der in den Jahren nach 1950 sich ständig aufwärts entwickelnden Reisebranche stellten die Reisebüros einzelne Reiseleistungen wie Transport, Unterkunft, Verpflegung zu einem Gesamtleistungsbündel zusammen und boten dies dem Reisenden gegen Zahlung des Pauschalpreises an. Die von ihnen im Interesse der Freizeichnung verwendete „Vermittlerklausel“ wurden von der Rechtsprechung durch eine ständige Verschärfung eigener Pflichten ausgehöhlt und schließlich durch Annahme eines Werkvertrages außer Kraft gesetzt. (vgl. BGHZ 60, 14 = NJW 1973, 318; BGHZ 61, 275 = NJW 1974, 37; BGH NJW 1974, 1187).

44. Während man zunächst nur als geschuldeten Erfolg das Zustandekommen der Verträge mit den einzelnen Leistungsträgern ansah, ging die spätere Rechtsprechung eindeutig in die Richtung, dass der Reiseveranstalter auch dafür einzustehen hat, dass die einzelnen Reiseleistungen am Zielort zur Verfügung stehen (vgl. etwa Bartl, NJW 1972, 505, 510). Das führte schließlich auch zur Bejahung einer Haftung des Reiseveranstalters für Fälle der Schlechterfüllung. Während die Entwürfe im Rahmen der Regelung über die Haftung mit Recht auf die einzelnen Reiseleistungen abstellten (Ref-​Entwurf 1973, Art. 13 II; Ref. Entwurf 1975, §§ 20 II, 21 I, 22 I, 23 I; Reg. Entwurf 1976, § 15), also an die Dienstleistung des Reiseveranstalters anknüpften (vgl. etwa Eberle, Betr.1973, Beilage Nr. 3 S.5) hat das Reisevertragsgesetz in der Fassung des Rechtsausschusses die Reise in den Mittelpunkt der Regelung über Gewährleistung (§ 651 c BGB) und Schadensersatz (§ 651 f BGB) gestellt.

45. Dabei werde allerdings betont, dass damit eine sachliche Änderung nicht verbunden sei (vgl. die Begründung des Rechtsausschusses zu § 651 c BGB, abgedruckt bei Klatt, Gesetz über den Reisevertrag, S.210). Immerhin erwähnt § 651 a I BGB auch die einzelnen Reiseleistungen im Rahmen der gesetzlichen Definition der Reise. Durch die Annahme eines Werkvertrages und die im Anschluss an § 633 BGB erfolgte Formulierung des § 651 c BGB sollte nach den Intentionen der Rechtsprechung bzw. des Gesetzgebers erreicht werden, dass der Reiseveranstalter im Verhältnis zum Reisenden nach außen die sonst – bei Durchgreifen der Vermittlerklausel – den einzelnen Leistungsträgern obliegende Pflichten übernimmt.

b)

46. Bei einem direkten Rechtsverhältnis zwischen Reisenden und Leistungsträger standen dem einzelnen Reisenden Ansprüche aus einem Beherbergungsvertrag zu, der als gemischter Vertrag u.a. auch mietvertragliche Elemente enthielt und damit dem Reisenden die Ansprüche aus §§ 537, 538 BGB eröffnete (BGH NJW 1963, 1449). Es kann nicht der Sinn der Rechtsprechung über den Werkvertrag bzw. der Gesetzgebung durch Festschreibung dieser Rechtsprechung in der Form des § 651 c BGB sein, die Rechtsstellung des Reisenden durch Ausschaltung dieser Vorschriften zu verschlechtern. Vielmehr bezweckten die Gerichte mit der Annahme des Werkvertrages, der Gesetzgeber durch Schaffen von Regeln über einen „werkvertragsähnlichen“ Reisevertrag lediglich, die dem Gesamtbündel „Reise“ zugeordneten Reiseleistungen in der Person des Reiseveranstalters zusammenzufassen und damit dem Reisenden einen einheitlichen, im Inland befindlichen Schuldner für die Abwicklung des Reisevertrages zur Verfügung zu stellen. Daraus folgt, dass dem Reisenden der ihm bisher gegen den Leistungsträger nach § 538 BGB bestehende Schadensersatzanspruch, der bei Verursachung durch bei Übergabe vorhandener Mängel verschuldensunabhängig ist, nunmehr gegen den Reiseveranstalter zusteht.

47. Die sachliche Rechtfertigung folgt aus der Anwendung des § 651 a BGB, wonach der Reiseveranstalter einzelne Reiseleistungen schuldet, und zwar jeweils nach den für ihre Rechtsnatur geltenden Vorschriften unter Einbeziehung der sekundären Haftungsfolgen. § 651 f BGB ist mithin durch eine analoge Anwendung des § 538 BGB dahin zu erweitern, dass der Reiseveranstalter für solche Schäden ohne Verschulden haftet, die auf Mängel der Unterkunft zurückzuführen sind, die bei Einzug der Kunden in das gebuchte Objekt bereits vorhanden waren.

c)

48. Die hier vertretene Garantiehaftung des Reiseveranstalters aus § 538 BGB ist auch der Sache nach gerechtfertigt. Die strenge Vermieterhaftung des § 538 BGB bei Mängeln der Mietsache, die bei Übergabe an den Mieter vorhanden waren, beruht auf der besonderen Obhut des Vermieters und der daraus folgenden Prüfungspflicht auf Mangelfreiheit (vgl. Voelskow, Münch.Komm. § 538, Rdnr. 6; Hassold, NJW 1974, 1743; Larenz, Schuld R. II, § 48, III, 3 b; Brox-​Elsing, JUS 1976, 1, 3). Die gleiche Sachlage ist auch bei dem Hotelier als dem Betreiber einer Ferienwohnanlage gegeben, der aufgrund des abgeschlossenen Beherbergungsvertrages verpflichtet ist, die zur Verfügung gestellten Unterkünfte laufend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überwachen und sie bei einem Wechsel des Benutzers auf ihre Tauglichkeit und Mangelfreiheit zu überprüfen.

49. Der Gast bzw. Reisende kann erwarten, dass ihm die Unterkunft in einem mangelfreien Zustand überlassen wird und der Hotelier wie ein Vermieter die Garantie übernimmt, dass er die Mietsache ohne Gefährdung benutzen kann. Das zeigt sich gerade bei Appartementanlagen mit technischen Einrichtungen, bei denen den Reiseveranstalter eine Verkehrssicherungspflicht für die Einhaltung gesetzlicher Sicherheitsvorschriften trifft (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1977, 1687).

50. Eine übermäßige Belastung des Reiseveranstalters tritt nach der hier vertretenen Auffassung nicht ein, da auch bei Anwendung der § 651 f BGB der Reiseveranstalter haftet, wenn er nicht den ihm nach § 282 BGB obliegenden Entlastungsbeweis führen kann; außerdem verbleibt ihm die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 651 h I und II BGB (die hier nicht eingreift).

d)

51. Das Gericht ist im vorliegenden Fall überzeugt, dass der fragliche Verbindungsschlauch schon im Zeitpunkt, als die Klägerin am 24.6.1981 das Appartement bezog, undicht war. Es erscheint ausgeschlossen, dass die Undichtigkeit erst durch das Wechseln der Gasflasche am 10.8.1981 herbeigeführt worden ist, zumal nach dem Vorbringen der Beklagten die Gasflasche am 10.7.1981 ordnungsgemäß installiert worden ist.

52. Folglich muss die Beklagte für die Folgen des Unfalls ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden einstehen.

III.

53. Die Beklagte kann der Klägerin auch kein Mitverschulden an der Herbeiführung der Explosion anlasten.

54. Es wurde bereits ausgeführt, dass ein nicht richtiges Verschließen des Gashahnes durch die Klägerin als atypischer Verlauf nach den Gegebenheiten ausscheidet (oben Ziffer I, 2, b).

55. Ebensowenig kann in dem Anzünden der Zigarette in der Nähe des Gasherdes ein Mitverschulden gesehen werden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass sie zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anzeichen für eine Gefahr, insbesondere einen auffälligen Geruch von Gas, wahrgenommen habe. In der Tatsache des Anzündens der Zigarette allein kann aber kein Mitverschulden liegen, da die Klägerin von dem ordnungsgemäßen Zustand des Herdes nebst der Zuleitungen ausgehen konnte.

IV.

56. Der ersatzfähige Schaden der Klägerin besteht in den nicht bestrittenen Aufwendungen für Arztkosten und Medikamente in Höhe von 64.– DM sowie in dem auf die Klägerin anteilig entfallenen Reisepreis von 1.419.– DM, der infolge der Verletzungen der Klägerin nutzlos aufgewendet worden war.

1)

57. Nach dem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attest (Bl. 10 d.A.) und ihren glaubhaften Angaben im Termin vom 2.5.1983 ist davon auszugehen, dass die Klägerin erhebliche Brandverletzungen an verschiedenen Körperteilen erlitten hat, die erhebliche Schmerzen verursachten und sie für die Zeit vom 13.7.1981 bis 30.7.1981, also auf eine Dauer von über 2 Wochen arbeitsunfähig machten. Die Klägerin musste auf die Dauer von einer Woche nach Reiseende das Bett hüten und täglich zum Öffnen der Brandblasen und zum Verbandswechsel den Arzt aufsuchen. Sie hatte für 3 – 4 Tage ihre Stimme verloren. Damit war jedenfalls der mit der Reise beabsichtigte Erholungseffekt weggefallen. Ob die Brandverletzungen solche zweiten Grades waren (so das von der Klägerin vorgelegte Attest) oder aber nur ersten Grades (so die Beklagte unter Berufung auf eine Kurze Diagnose der Clinica S), ist letztlich sekundär und belanglos, obwohl vieles für die Diagnose des deutschen Arztes spricht; denn erfahrungsgemäß lässt sich das Ausmaß von Brandwunden nicht direkt nach dem Einwirken des Brandes erkennen, sondern erst nach einiger Zeit. Die Reise wurde in ihrer Gesamtheit wertlos, so dass die von der Beklagten und ihren Leistungsträgern im übrigen mangelfrei erbrachten Leistungen ihren Sinn verloren. Die Klägerin hat den Reisepreis nutzlos aufgewandt.

2)

58. Die Klägerin kann den nutzlos aufgewendeten Reisepreis nach § 651 f II BGB im Wege des Schadensersatzes ersetzt verlangen. Es bedarf hier keiner Erörterung, inwieweit im Rahmen des Schadensersatzes nach § 249 BGB allgemein fehlgeschlagene Aufwendungen zurückverlangt werden können (vgl. zum Meinungsstand Lange, Schadensersatz, 1979, § 6 IV m.N. 2.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 159 ff; Larenz, Schuld R. I, § 29 II, c; ders, Festgabe Oftinger, 1969, S. 151 ff.). Für den Bereich des Reiseveranstaltungsvortrages bestehen nach Auffassung der Kammer keine Bedenken, den „Frustrationsgedanken“ im Rahmen des Schadensersatzes anzuwenden. Die Rechtsprechung hatte hier schon bisher über § 635 BGB nutzlose Aufwendungen, insbesondere bei vorzeitigem Abbruch der Reise, als ersatzfähig angesehen (OLG Frankfurt, NJW 1967, 1372; hierzu Honsell, JuS 1976, 222, 227; Bartl, Reiserecht, 2. Aufl., Rdnr. 97). Hier folgt die Ersatzfähigkeit des nutzlos aufgewendeten Reisepreises allein aus der Tatsache, dass der Reiseveranstalter die einzelnen Reiseleistungen zu dem Gesamtbündel „Reise“ zusammenfügt und der Reisende die Vergütung im Hinblick auf das „geistige Werk“ des Reiseveranstalters, das Entstehenlassen der Reise, zahlt.

59. Die synallagmatische Verknüpfung zwischen der Reiseveranstaltung und dem Reisepreis rechtfertigt die Rückforderung der nutzlos aufgewendeten Reisevergütung bei Vereitelung oder Beeinträchtigung der Reise, und zwar hier, im Hinblick auf die schweren Folgen und die darinliegende Vereitelung der Reise insgesamt, auch in vollem Umfang.

V.

60. Der Zinsanspruch ist nach §§ 291, 288 I BGB gerechtfertigt.

61. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

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