Gerichtsstand für Klage wegen eines durch Reisebüro geschlossenen Beherbergungsvertrages
BGH: Gerichtsstand für Klage wegen eines durch Reisebüro geschlossenen Beherbergungsvertrages
Der Inhaber eines Hotels in D. legt Revision vor dem Bundesgerichtshof (kurz: BGH) gegen das Urteil des Landgerichts (kurz: LG) Düsseldorf ein.
Das Amtsgericht (kurz: AG) Düsseldorf, sowie das LG Düsseldorf haben die Klage des Hotelinhabers abgewiesen, da die Klage nicht in ihrem Verantwortungsbereich liegen.
BGH | XII ZR 168/04 (Aktenzeichen) |
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BGH: | BGH, Urt. vom 24.01.2007 |
Rechtsweg: | BGH, Urt. v. 24.01.2007, Az: XII ZR 168/04 |
LG Düsseldorf, Urt. v. 08.07.2004, Az: 21 S 104/04 | |
AG Düsseldorf, Urt. v. 09.02.2004, Az: 25 C 17634/03 | |
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Leitsätze:
2. Bestellt ein Reisebüro für seinen Kunden ein Zimmer im eigenen Namen, dann ist normalerweise kein einheitlicher Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen angegeben.
Der Sitz des Reisebüros ist dann Erfüllungsort für Zahlungsansprüche und auch Gerichtsstand für die Zahlungsklage.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger ist ein Hotelinhaber in D. und legt Revision vor dem BGH ein, da seine Klage sowohl vom AG Düsseldorf als auch vom LG Düsseldorf mit der Begründung abgewiesen wurde, dass der Gerichtsstand für eine Zahlungsklage in diesem Fall nicht in Düsseldorf liegt.
Der Kläger machte vor dem AG Düsseldorf gegen ein Reisebüro in E. Zahlungsansprüche aus einem Beherbergungsvertrag geltend.
Das BGH urteilt, die Revision hat keinen Erfolg. Der Sitz des beklagten Reisebüros ist der Erfüllungsort der Zahlungsleistungen, da nichts anderes vereinbart wurde. Somit ist der Gerichtsstand der Zahlungsklage ebenfalls am Erfüllungsort.
Tenor
4. Die Revision gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Juli 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
5. Der Kläger, Inhaber eines Hotels in D., macht gegen die beklagte GmbH, die ein Reisebüro in E. betreibt, vor dem Amtsgericht Düsseldorf Zahlungsansprüche aus einem Beherbergungsvertrag geltend.
6.Die Beklagte buchte für die Zeit vom 18. bis 21. Juni 2003 bei dem Kläger für ihre Kunden zwei Zimmer. Die Rechnung sollte an die Beklagte übersandt und von dieser bezahlt werden.
7. Das Amtsgericht hat nach vorherigem Hinweis auf die fehlende örtliche Zuständigkeit die Klage durch unechtes Versäumnisurteil als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
8.Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
9.Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
10.Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf nicht aus § 29 ZPO, der für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts vorsehe. Der Erfüllungsort bestimme sich nach § 269 BGB. Danach sei der Wohnsitz des Schuldners bzw. der Ort seiner gewerblichen Niederlassung der Leistungsort, wenn nicht die Parteien etwas anderes vereinbart hätten oder sich aus den Umständen ein anderer Leistungsort ergebe.
11.Die Parteien hätten keinen Leistungsort bestimmt. Auch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Vertragsverhältnisses, sei kein vom Sitz der Beklagten abweichender Leistungsort zu entnehmen.
12. Anders als bei einem herkömmlichen Beherbergungsvertrag, bei dem der Gast als Vertragspartner die Beherbergungsleistung selbst in Anspruch nehme und gemäß der Verkehrssitte vor Ort bar bezahle, habe die Beklagte im vorliegenden Fall den Beherbergungsvertrag im eigenen Namen für ihre Kunden abgeschlossen und – für den Kläger erkennbar – den Beherbergungsort nie aufsuchen wollen. Der Leistungsort für die Zahlung, die, wie in der Buchung ausdrücklich vermerkt sei, über die Beklagte habe erfolgen sollen, sei der Sitz der Beklagten und nicht, wie beim herkömmlichen Beherbergungsvertrag, der Beherbergungsort.
II.
13. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
14. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf als Gericht des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO nicht begründet ist.
15. a) Der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO bestimmt sich nach materiellem Recht. Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung vorbehaltlich gesetzlicher Sondervorschriften in der Regel an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz, bei juristischen Personen den Sitz hatte. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt wird, dass die Vertragsparteien einen anderen Leistungsort bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen ergeben (vgl. BGHZ 157, 20, 23 m.w.N., BGH Urteil vom 4. März 2004 – IX ZR 101/03 – NJW-RR 2004, 932).
16. Dabei ist der Leistungsort für jede einzelne Verpflichtung gesondert zu bestimmen. Auch bei gegenseitigen Verträgen richtet er sich für die wechselseitigen Leistungen jeweils nach den unterschiedlichen Wohnsitzen der Vertragsparteien; er ist daher nicht notwendig einheitlich (BGH Urteil vom 9. März 1995 – IX ZR 134/94 – NJW 1995, 1546; Beschluss vom 5. Dezember 1985 – I ARZ 737/85 – NJW 1986, 935; RGZ 140, 67, 69).
17. b) Für die hier geltend gemachten Zahlungsansprüche ist danach gemäß §§ 270 Abs. 4 i.V.m. 269 Abs. 1, 2 BGB, § 17 ZPO der Sitz der beklagten GmbH Erfüllungsort, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben oder sich aus den Umständen nichts anderes ergibt.
18. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten keinen von deren Sitz abweichenden Erfüllungsort am Sitz des Klägers vereinbart.
19. Ein solcher lässt sich auch nicht aus den Umständen entnehmen.
20. aa) Aus welchen Umständen auf einen vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort geschlossen werden kann, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass zu diesen Umständen neben der Natur des Schuldverhältnisses die Beschaffenheit der Leistung und der mutmaßliche Wille der Beteiligten gehören sollten. Diese Begriffe waren im ersten Entwurf zum BGB ausdrücklich aufgeführt, wurden dann aber gestrichen, weil man es für richtiger und einfacher hielt, auf die Umstände des Falles zu verweisen und als einen dieser Umstände die Natur des Schuldverhältnisses hervorzuheben. In dem Protokoll heißt es dazu: „Daß zu den zu berücksichtigenden Umständen vor Allem auch die Beschaffenheit der Leistung gehöre, erschien selbstverständlich. Der mutmaßliche Wille der Beteiligten aber sei nichts Anderes, als was sich aus den Umständen des Falles ergebe, und könne deshalb nicht neben diesen genannt werden.“ (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. 1899, S. 524; BGHZ 157, aaO; Siemon MDR 2002, 366, 369).
21. Auf dieser Grundlage hat die Rechtsprechung bei bestimmten gegenseitigen Verträgen aus den Umständen einen einheitlichen Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung hergeleitet (für den Bauvertrag: BGH Beschluss vom 5. Dezember 1985 – I ARZ 737/85 – aaO; für den Energielieferungsvertrag: BGH Urteil vom 17. September 2003 – VIII ZR 321/02 – NJW 2003, 3418; für den Architektenvertrag, der neben der Planung auch die Bauaufsicht umfasst: BGH Urteil vom 7. Dezember 2000 – VII ZR 404/99 – NJW 2001, 1936; für den Beherbergungsvertrag: LG Kempten BB 1987, 929 m.w.N.; Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 269 BGB Rdn. 13 ff.; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 29 Rdn. 24, 25).
22. bb) Bei Beherbergungsverträgen hat die Rechtsprechung die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsorts am Ort des Hotels darauf gestützt, dass der Gast, der die Bestellung selbst aufgegeben und keine besondere Zahlungsweise vereinbart hat, nach der allgemeinen Verkehrssitte im Beherbergungsgewerbe die Bezahlung stets am Ort der Beherbergung zu erbringen habe (LG Kempten aaO).
23. Im vorliegenden Fall greift diese allgemeine Verkehrssitte nicht. Denn die Beklagte sollte den Ort der Beherbergung nicht selbst aufsuchen und Zahlung nicht vor Ort, sondern nach Rechnungserteilung von ihrem Sitz aus erbringen. Die Parteien sind folglich davon ausgegangen, dass die Zahlung nicht am Ort des Hotels, sondern am Sitz der Beklagten zu erbringen ist.
24. cc) Entgegen der Ansicht der Revision genügt – unabhängig von der vereinbarten Zahlungsweise – nicht allein die besondere Ortsbezogenheit der vertragstypischen Leistung bei dem Beherbergungsvertrag, um aus dessen Natur einen einheitlichen Erfüllungsort am Beherbergungsort zu begründen.
25. Allein deshalb, weil am Ort der Beherbergung der Schwerpunkt des Vertrages liegt, kann ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung nicht bejaht werden (BGHZ 157, 20, 25). Dies hätte nämlich zur Folge, dass, da die vertragstypische Leistung regelmäßig nicht durch die Zahlungsverpflichtung bestimmt wird, nahezu bei jedem Vertragstyp ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung vorläge. Das ist mit der Regelung des § 269 Abs. 1 BGB unvereinbar (BGHZ aaO). Ein einheitlicher Erfüllungsort kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn dafür weitere Umstände festgestellt werden können, wie etwa die o.g. Verkehrssitte oder bei einem Bauvertrag der Umstand, dass auch der Besteller am Ort des Bauwerks mit der Abnahme gemäß § 640 BGB eine seiner Hauptpflichten erfüllen muss. In diesen Fällen, in denen beide Vertragsparteien wesentliche vertragliche Pflichten an einem Ort erbringen müssen, entspricht es der Natur des Schuldverhältnisses, dass die Vertragsparteien ihre gesamten daraus herrührenden Rechtsbeziehungen an diesem Ort erledigen (BGH Beschluss vom 5. Dezember 1985 – I ARZ 737/85 – aaO).
26. Der von der Revision vorgetragene Gesichtspunkt, es sei sachgerecht, die Gerichte am Ort des Hotels über etwaige Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch entscheiden zu lassen, da ihnen die Verhältnisse am besten vertraut seien und eine Beweisaufnahme über behauptete Mängel dort einfach und ohne großen Aufwand durchgeführt werden könne, stellt keinen Umstand dar, der die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Ort der Beherbergung rechtfertigt. Prozessuale Zweckmäßigkeitserwägungen allein können einen von der Regel des § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB abweichenden Leistungsort nicht begründen.
27. dd) Danach lassen sich im vorliegenden Fall keine Umstände feststellen, die einen vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort für ihre Zahlungsverpflichtung begründen.
28. Anders als beim Bauvertrag, bei dem der Besteller eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werkes, am Ort des Bauwerkes erfüllen muss, musste die Beklagte am Ort der Beherbergung keine wesentlichen Pflichten erfüllen. Insbesondere sollte eine Zahlung vor Ort nicht erfolgen.
29. Da eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf für die Zahlungsklage weder aus § 29 a ZPO (vgl. § 29 a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch aus einem anderen Gerichtsstand begründet ist, hat das Landgericht die Berufung zu Recht zurückgewiesen.
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