Geräusche von technischen Einrichtungen des Schiffs als Reisemangel

AG Rostock: Geräusche von technischen Einrichtungen des Schiffs als Reisemangel

Ein Ehepaar trat eine Kreuzfahrtreise, aufgrund von Geräuschen und Vibrationen in ihrer Kabine, nicht an. Sie forderten die Erstattung des Reisepreises.

Die Klage wurde abgewiesen, da die angeblichen Beeinträchtigungen keinen Mangel begründeten.

AG Rostock 47 C 27/15 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 23.09.2015
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 23.09.2015, Az: 47 C 27/15
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 23. September 2015

Aktenzeichen 47 C 27/15

Leitsatz:

2. Geräusche und Vibrationen auf einem Kreuzfahrtschiff, die von technischen Aggregaten und der Fortbewegung ausgehen, müssen das gewöhnliche Maß überschreiten, um einen Mangel zu begründen.

Zusammenfassung:

3. Ein Ehepaar hatte eine Kreuzfahrtreise im Mittelmeer gebucht. Nach dem Betreten des Schiffes in Antalya stellten sie fest, dass in ihrer Kabine Geräusche und Vibrationen zu vernehmen waren. Eine abhilfeweise angebotene, teurere Kabine lehnten sie ab und verließen das Schiff. Sie forderten dann vom Kreuzfahrtunternehmen die Erstattung des Reisepreises, erhielten jedoch nur eine geringe Kulanzzahlung, sodass sie vor dem Amtsgericht Rostock Klage einreichten zusätzlich und eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude forderten.

Das Gericht wies die Klage ab, da keine Mängel ersichtlich waren und der vorzeitige Rücktritt vom Reisevertrag durch die Kläger damit unwirksam. Geräusche und Vibrationen gehören nach der objektiven Auffassung der Kammer zum normalen Schiffsbetrieb. Es hätte den Klägern oblegen, nachzuweisen, dass die Beeinträchtigungen das normale Maß überschritten haben. Jedoch waren ihre Vorträge unzureichend und unglaubwürdig.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger fordert die Rückzahlung des Reisepreises für eine gebuchte Schiffsreise sowie Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude.

6. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Mittelmeerkreuzfahrt für die Zeit vom 06.06.2014 – 13.06.2014 auf dem Schiff der Beklagte XYZ gebucht. Der Reisepreis betrug 2.278,00 €.

7. Bei der Einschiffung in Antalya wurde dem Kläger und seiner Ehefrau die Kabine Nr. 6444 zugewiesen. Sie betraten die Kabine zwischen 14.00 und 14.30 Uhr. Gegen 15.00 Uhr wandten sich der Kläger und seine Ehefrau an der Rezeption des Schiffes an eine Mitarbeiterin der Beklagten und reklamierten – strittige – Vibrationsbeeinträchtigungen. Gegen 21.30 Uhr bot die Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger und seiner Ehefrau eine Balkonkabine an. Hierfür hätten der Kläger und seine Ehefrau einen Aufpreis im Umfang von 110,00 €/Nacht zahlen müssen. Im Übrigen teilte die Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger und seiner Ehefrau mit, dass andere Kabinen, in denen keine Vibrationen oder Geräusche wahrzunehmen seien, nicht zu Verfügung ständen. Daraufhin verließen der Kläger und seine Ehefrau gegen 23.00 Uhr das Schiff und reisten nach Deutschland zurück.

8. Die Beklagte zahlte an den Kläger vom Reisepreis zunächst einen Teilbetrag in Höhe von 69,90 € zurück und übersandte später aus Kulanz einen Scheck über einen Betrag in Höhe von 209,70 €, der vom Kläger eingelöst wurde. Die Differenz zum gezahlten Reisepreis ist Gegenstand der Klage. Zudem fordert der Kläger für sich und seine Ehefrau Schadenersatz wegen vertaner Urlaubszeit in Höhe von jeweils mindestens 500,00 €.

9. Der Kläger behauptet, in der zugewiesenen Kabine seien erhebliche Lärmeinwirkungen aufgetreten. Dieser Lärm sei durch die Klimaanlage und andere Aggregate verursacht worden. Es habe sich um ein Lüftungsgeräusch gehandelt. Aufgrund des Lärms hätten sich der Kläger und seine Ehefrau nicht in Zimmerlautstärke unterhalten können sondern mit mindestens doppelter Lautstärke reden müssen. Weiter trägt der Kläger vor, in der Kabine wären Vibrationen aufgetreten, die von dem Kabinenboden auf die gesamte Einrichtung und die Personen, die sich in der Kabine aufhielten, übertragen worden wären. Diese Vibrationen seien hochfrequent gewesen und hätten sich auf den Körper mit einer solchen Intensität ausgewirkt, wie man dies ansonsten nur von übermäßig lauten Bassmusiktönen kennen würde. Die hochfrequente permanente Vibration habe dazu geführt, dass die Ehefrau des Klägers schon nach kurzer Zeit unter starker Übelkeit gelitten habe. Der erhebliche Lärm in der Kabine sei ebenfalls reklamiert worden.Letztlich trägt der Kläger vor, auch in der angebotenen Balkonkabine seien Vibrationen und Lärm aufgetreten.

10. Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.989,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit gemäß § 651 f. Abs. 2 BGB, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12. Sie behauptet, es seien keine Vibrationen oder Lärm aufgetreten. Wenn es tatsächlich Vibrationen oder Lärm gegeben habe, sei dies nicht erheblich gewesen. Weiter trägt die Beklagte vor, alle Kabinen seien nach einem Standard ISO 2923 schallisoliert. Der Geräuschpegel in den Kabinen läge unterhalb des zulässigen Standards. Dies hätten Experten von Klassifizierungsgesellschaften bestätigt. Weiter trägt die Beklagte vor, dass Vibrationen gerade dann auftreten würden, wenn das Schiff sich noch im Hafen und nicht in Fahrt befinden würde. Der Umfang der Vibrationen und des Lärm sei aufgrund der subjektiven Empfindungen des Klägers und einer Ehefrau beschrieben worden. Objektiv hätten keine Mängel vorgelegen.

13. Das Gericht erhob Beweis über die Behauptungen des Klägers, in der Kabine Nummer 6444 auf dem Schiff XYZ seien am 06.06.2014 erhebliche Lärmeinwirkungen und starke Vibrationen aufgetreten, diese Erscheinungen habe der Kläger bei der Beklagten angezeigt, durch Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugin X. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.09.2015 (Bl. 106 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist zulässig.

15. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht entgegen, dass versehentlich versäumt wurde, die Anträge des Klägers ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung am 02.09.2015 stellen zu lassen. In der vorgenannten mündlichen Verhandlung nahmen die Prozessbevollmächtigten der Parteien Bezug auf im Termin am 06.05.2015 gestellte Anträge. Dabei gingen sowohl die Prozessbevollmächtigen als auch das Gericht irrtümlich davon aus, dass an diesem Tag eine mündliche Verhandlung stattfand. Tatsächlich fand jedoch nur eine Güteverhandlung statt. Allerdings hatten die Prozessbevollmächtigten im Termin am 06.05.2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Damit brachten sie zum Ausdruck, dass die schriftsätzlich angekündigten Anträge Gegenstand der Entscheidung sein sollen.

16. Die Klage ist unbegründet.

17. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückzahlung des vollständigen Reisepreises oder auf Zahlung von Schadenersatz wegen vertaner Urlaubszeit. Die Kündigung der Reise durch den Kläger und dessen Ehefrau, welche in Form des Abbruchs der Reise durch die Vorgenannten erfolgte, war nicht im Sinne von § 651e BGB berechtigt. Ebenfalls liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 651f Abs. 2 BGB nicht vor. Denn im Ergebnis beweist der insoweit die Beweislast tragende Kläger nicht, dass die Reise mit einer erheblichen Mangel im Sinne von § 651c behaftet war.

18. Gemäß § 651c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaft hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Wird wie hier eine Lärmbeeinträchtigung gerügt, muss diese, soweit sie von technischen Aggregaten hervorgerufen wird, über das gewöhnliche Maß hinausgehen. Es liegt auf der Hand, dass bei technischen Einrichtungen, insbesondere, wenn diese mit sich bewegenden Teilen versehen sind, Geräusche entstehen. Diese können auch das subjektive Wohlbefinden beeinträchtigen. Dies allein genügt jedoch nicht. Maßgeblich bleibt weiterhin, dass Lärmbeeinträchtigung objektiv über das Maß hinausgeht, welches typisch für das das Geräusch verursachende technische Aggregat bei ordnungsgemäßer Funktionsweise ist.

19. Hier ist das Gericht nicht in ausreichendem Maße davon überzeugt, dass die nach den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung offensichtlich von der Klimaanlage ausgehenden Geräusche dermaßen laut waren, dass sie den Geräuschpegel, der bei einer ordnungsgemäße Funktionsweise der Klimaanlage entsteht, überstiegen.

20. Bei der Anhörung des Klägers fiel auf, dass dieser sein Hauptaugenmerk bei der Schilderung von Mängeln auf das strittige Vibrieren legte. Auch die Zeugin X vermittelte den Eindruck, dass der Abbruch der Reise weniger dem behaupteten Lärm als dem Vibrieren geschuldet war. Hinzu kommt der Umstand, dass jedenfalls seitens des Gerichts der Eindruck entsteht, dass der Lärm übertrieben dargestellt wird. So trägt der Kläger vor, er habe sich mit seiner Ehefrau nicht in Zimmerlautstärke unterhalten können; beide hätten mit doppelter Lautstärke reden müssen. Dies ist an sich schwer vorstellbar. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang auch, dass die vom Kläger am 06.06.2014 angefertigte schriftliche Mängelrüge (vgl. Anlage 3, Bl. 14 d.A.) keinerlei Hinweise auf erheblichen Lärm in der Kabine enthält. Wenn es in der Kabine tatsächlich derart laut gewesen wäre, dass die Unterhaltung lediglich mit doppelter Lautstärke möglich gewesen wäre, hätte es mehr als nahegelegen, dies auch in der Mängelrüge anzugeben. Im Ergebnis verbleiben erhebliche Zweifel daran, dass die von der Klimaanlage oder ähnlichen Aggregaten ausgehenden Lüftungsgeräusche über das übliche Maß hinausgingen.

21. Nach Anhörung des Klägers und dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung seiner Ehefrau ist das Gericht weiterhin zwar davon überzeugt, dass in der Kabine Vibrationen zu spüren gewesen waren. Auch hier lassen sich die Voraussetzungen für einen Mangel jedoch nicht mit ausreichender Gewissheit feststellen.

22. Bei einem Schiff handelt es sich um einen beweglichen Schwimmkörper, der in sich geschlossen ist und mit Maschinen ausgestattet ist, die aufgrund ihrer beweglichen Teile Schwingungen erzeugen. Dass sich diese Schwingungen auf den Schiffskörper übertragen, ist normal. Ein Fortbewegungsmittel verhält sich so, dass es nicht dauerhaft ohne im Inneren spürbare Bewegungen, Schwingungen oder Vibrationen funktioniert. Dies gilt sowohl für ein Schiff, als auch für Autos, Flugzeuge oder Züge. Wer ein Schiff besteigt muss damit rechnen, dass von der Maschine ausgehende Schwingungen bemerkbar sind. Auch aufgrund oder trotz solcher Bewegungen kann ein Schiff ein „komfortables Zuhause sein“, wie von der Beklagte angepriesen. Der wesentlicher Unterschied zu einem an Land befindlichen Hotel besteht gerade daran, dass es sich bei dem Schiff um ein Fortbewegungsmittel handelt. Hier hat das Gericht, wie bereits dargestellt, aufgrund der Angaben des Klägers sowie der Aussage der Zeugin X keine durchgreifenden Zweifel daran, dass in der Kabine des Klägers Schwingungen bzw. Vibrationen auftraten. Diese wurde plastisch und nachvollziehbar sowohl vom Kläger als auch von seiner Ehefrau beschrieben. Gleichwohl gelingt es dem Kläger nicht, nachzuweisen, dass diese Vibrationen über das übliche, zu erwartende Maß hinausgingen. Nachvollziehbar ist, dass der Kläger und dessen Ehefrau diese Vibrationen subjektiv als unangenehm empfanden. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Vibrationen eine derartige Intensität hatten, dass sie auch unter Berücksichtigung des beabsichtigten Erholungseffektes in einem „komfortablen Zuhause“ einerseits und unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten auf einem Schiff andererseits nicht zumutbar waren.

23. Weiterhin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass diese Vibrationen objektiv geeignet waren, um Übelkeit bei den Passagieren hervorzurufen. So sehr der Kläger und dessen Ehefrau diese Vibrationen subjektiv auch als unangenehm, störend und gesundheitsschädigend empfunden haben mögen, bleibt bei es der Feststellung, ob es sich um einen Mangel handelt, bei einer objektiven Betrachtungsweise. Hiervon ausgehend ist das Gericht im Ergebnis nicht davon überzeugt, dass hier die Vibrationen über das gewöhnliche Maß hinausgingen. Das Auftreten von Vibrationen selbst wird noch nicht als Mangel bewertet.

24. Zusammenfassend genügen die Angaben des Klägers in seiner Anhörung und die Aussage seiner Ehefrau in der Zeugenvernehmung nicht, um das Gericht vom Vorliegen eines Mangels zu überzeugen. Weitere Beweisangebote unterbreitet der Kläger nicht, obwohl es angesichts der Erheblichkeit der vom Kläger geschilderten Lärm- und Vibrationsbeeinträchtigungen nahegelegen hätte, die Mitarbeiterin der Beklagten, die nach dem Sachvortrag des Klägers sich in der zugewiesenen Kabine davon überzeugt habe, dass dort eine permanente Vibration die sich auf den ganzen Körper übertragen habe, wahrnehmbar gewesen sei, als Zeugin zu benennen.

25. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

26. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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