Flugpreis nach der Stornierung

AG Köln: Flugpreis nach der Stornierung

Ein Fluggast buchte bei einem Luftfahrtunternehmen eine Flugreise nach Nordamerika. Am Tag der Abreise stornierte er den Flug. Die Airline erstattet ihm rund 1/5 des Flugpreises.
Der Kläger fordert nun von dem Unternehmen die Rückzahlung des restlichen Reisepreises.

Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger gebuchte Klasse sei ausdrücklich als „nicht stornierbar“ ausgewiesen. Eine Rückzahlung durch die Airline sei folglich ausgeschlossen.

AG Köln 119 C 349/15 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 07.10.2015
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 07.10.2015, Az: 119 C 349/15
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 07. Oktober 2015

Aktenzeichen: 119 C 349/15

Leitsatz:

2. Das Angebot nicht storierbarer Flugreisen ist zulässig.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender bucht bei einem Luftfahrtunternehmen einen Flug von Düsseldorf nach New Jersey. Weil er den Flug kurzfristig nicht wahrnehmen kann, storniert er ihn. Die Airline erstattet ihm daraufhin rund 1/5 des ursprünglich gezahlten Preises.
Hintergrund hierfür war die Buchung des Klägers. Anstatt einen Flug der Kategorie „Economy Flex“ zu buchen, der jederzeit kostenlos storniert werden kann, wählte er die günstiger „Economy Basic“-Klasse, die dem Kunden einen solchen Spielraum nicht gewährt.

Der Kläger hält dieses Verfahren für unrechtmäßig und verklagt die Airline auf Zahlung des Restbetrags.

Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. In dem von beiden Parteien geschlossenen Beförderungsvertrag sei Werkvertrag nach §631 BGB zu sehen. Von diesem könne der Verbraucher jederzeit zurücktreten, solange das Werk, in diesem Fall die Landung am Zielflughafen, noch nicht vollendet sei.

Der Unternehmer habe anschließend die ihm durch die Stornierung ersparten Ausgaben zurückzuzahlen. Dies sei vorliegend in Form einer Steuer- und Gebührenerstattung geschehen.
Auch sei das Angebot zweier Flüge in der Economy Klasse, mit unterschiedlichen Stornierungsvarianten, durchaus zulässig. Während des Buchungsvorgangs sei der Kläger hinreichend darauf aufmerksam gemacht worden, dass bei Buchung der kostengünstigeren Basic-Variante keine gebührenfreie Strornierung möglich sei.

Es handele sich hierbei um eine Individualabrede zwischen Verbraucher und Unternehmer, die durchweg zulässig sei. Dem Kläger stehe in der Folge kein Anspruch auf eine Rückerstattung der Flugkosten zu.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Deutsche Lufthansa AG vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte auf der Internetseite der Deutsche Lufthansa AG im Januar 2014 einen Flug von Düsseldorf nach Newark/New Jersey für den 06.05.2014 (Flugnummer LH 408) und von New York nach Frankfurt für den 12.05.2014 (Flugnummer LH 401).

6. Die Flüge wurden in der Buchungsklasse K gebucht. Der Kläger wählte den Tarif „Economy Basic“.

7. Der Buchungsvorgang läuft auf der Internetseite der Deutsche Lufthansa AG dergestalt ab, dass dem Kunden die Tarifoptionen „Economy Basic“ und „Economy Flex“ angeboten werden. Klickt man einen Tarif an, erscheinen Informationen über die Umbuchung und Erstattung. Im Tarif „Economy Basic“ erscheint in der Zeile „Erstattung“ ein graues Flugzeug und weißes „x“ in einem Kreis (vgl. im Übrigen Anl. B4, Bl. 76 d.A.).

8. Der Flugpreis belief sich insgesamt auf 507,28 EUR und wurde vom Kläger bezahlt.

9. Vor Antritt der Reise stornierte der Kläger seinen Flug. Aufgrund der Stornierung erstattete die Deutsche Lufthansa AG dem Kläger einen Betrag von 104,95 EUR für nicht angefallene Steuern und Gebühren.

10. Mit Anwaltsschreiben vom 13.10.2014 forderte der Kläger die Deutsche Lufthansa AG auf, den restlichen Flugpreis zu erstatten, hilfsweise Auskunft darüber zu erteilen, welche Aufwendungen sie sich erspart habe und welchen Erlös sie im konkreten Fall für den vom Kläger stornierten Flug erhalten habe durch anderweitige Verwendung.

11. Mit E-Mail vom 23.10.2014 wies die Deutsche Lufthansa AG sämtliche Ansprüche unter Hinweis auf die Tarifkonditionen zurück.

12. Auf erneute Aufforderung mit Anwaltsschreiben vom 30.10.2014 teilte die Deutsche Lufthansa AG mit E-Mail vom 17.04.2015 mit, dass eine Erstattung nicht möglich sei und dass der vom Kläger gebuchte Sitzplatz nicht weiter habe verkauft werden können.

13. Der Kläger behauptet, Tarifkonditionen der Deutsche Lufthansa AG, die einer Flugpreiserstattung bei Stornierung entgegenstünden, seien ihm nicht bekannt. Er vertritt die Auffassung, solche Konditionen, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, wären auch unwirksam, weil sie grundsätzlichen Wertungen des Gesetzes (§§ 649, 651 i BGB) entgegenstünden. Grundsätzliche Wertungen des Rechts ließen sich nicht durch verschiedene Tarifoptionen umgehen, die für sich genommen wiederum nur allgemeine Vertragsbedingungen seien. Die Begriffe „Economy Flex“ und „Economy Basic“ seien verwirrend, der Kunde könne nicht erkennen, dass eine Stornierung nicht möglich sei. Die vorgerichtliche Behauptung der Deutsche Lufthansa AG, der Sitzplatz des Klägers habe nicht weiterverkauft werden können, sei unrichtig.

14. Der Kläger beantragt,

15. die Deutsche Lufthansa AG zu verurteilen, an ihn 402,33 EUR zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

16. Die Deutsche Lufthansa AG beantragt,

17. die Klage abzuweisen.

18. Sie ist der Ansicht, die Regelung des § 649 BGB sei auf den Luftbeförderungsvertrag aufgrund dessen Natur nicht anwendbar. Die Vorschrift sei aber wenigstens wirksam abbedungen worden. Aufgrund der verschiedenen Wahlmöglichkeiten liege ein „Aushandeln“ der Vertragsbedingungen vor.

19. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

20. Die Klage ist unbegründet.

21. Der Kläger hat gegen die Deutsche Lufthansa AG keinen Anspruch auf Rückzahlung des restlichen Flugpreises in Höhe von 402,33 EUR gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1, 631, 649 BGB.

22. Die Parteien haben einen Luftbeförderungsvertrag über die streitgegenständlichen Flüge geschlossen. Bei diesem handelt es sich um einen Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB.

23. Die Regelung des § 649 BGB wurde von den Parteien wirksam abbedungen. Danach kann der Besteller den Werkvertrag bis zur Vollendung des Werkes jederzeit kündigen. Der Unternehmer ist berechtigt, bei Kündigung durch den Besteller die vereinbarte Vergütung zu verlangen, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung zustehen.

24. Die Vorschrift des § 649 BGB ist dispositiv; die Parteien können durch Individualabrede abweichende Vereinbarungen treffen, was im vorliegenden Fall geschehen ist.

25. Auch – wie hier in Rede stehend – vorformulierte Vertragsbedingungen können ausgehandelt sein, wenn der Verwender sie als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Erforderlich ist, dass die Ergänzungen nicht lediglich unselbstständiger Art sind (z.B. Anfügen von Namen und Vertragsobjekt), sondern den Gehalt der Regelung mit beeinflussen und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders überlagert wird (BGH, Urt. v. 06.12.2002 – V ZR 220/02 – Juris Ran. 6).

26. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hatte ungeachtet der Frage, ob er den konkreten Wortlaut der Vertragsbedingungen kannte, die freie Auswahl zwischen dem günstigen Tarif „Economy Basic“ und dem deutlich teureren Tarif „Economy Flex“ und damit die Wahl, ob er zu einem bestimmten Preis das Recht der vollen Stornierbarkeit erwirbt, oder ob er bzgl. Stornierbarkeit und Umbuchungsmöglichkeiten Einschränkungen in Kauf nimmt und dafür einen geringeren Preis zahlt. Ein durchschlagender Grund, Vertragsalternativen mit unterschiedlichen Entgeltregelungen der Aushandlungsmöglichkeit nach § 305 Abs. 1 S. 2 BGB zu entziehen und sie unterschiedslos als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln, besteht nicht (vgl. BGH a.a.O. Ran. 7).

27. Für den Tarif „Economy Basic“ wird im Buchungsverlauf deutlich auf die fehlende Stornierbarkeit hingewiesen. Dies ergibt sich optisch bereits daraus, dass das Flugzeugsymbol im entsprechenden Menü mit einem „x“ versehen ist, während bei dem Tarif „Economy Flex“ ein Haken erscheint. Auch wird deutlich zwischen den verschiedenen Möglichkeiten bzgl. Umbuchung und Erstattung differenziert. Zusätzlich erscheint im Buchungsverlauf ein Feld „Erstattung nicht gestattet“, wenn man mit dem Mauszeiger über das Flugzeugsymbol mit dem weißen „x“ fährt, also über das Feld zur fehlenden Stornierbarkeit. Dieser Umstand ist gerichtsbekannt und hätte auch vom Kläger ohne weiteres wahrgenommen werden können.

28. Sofern der Kläger dieses Symbol nicht gesehen hat, kann ihn dies nicht entlasten. Bedient man sich bei der Buchung einer Flugreise der – im Vergleich zu Reisebüros regelmäßig günstigeren – Internetseite einer Fluggesellschaft, so obliegt es dem Kunden, die von der Fluggesellschaft auf der Internetseite zur Verfügung gestellten und ohne weiteren Aufwand – lediglich durch Bewegen des Mauszeigers auf ein Symbol – verfügbaren Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund großer Preisunterschiede für ein bzgl. der Hauptleistungspflicht (Luftbeförderung) identisches Produkt. Daraus ist ohne weiteres ersichtlich, dass das günstige Produkt mit Nachteilen gegenüber dem teureren Produkt verbunden ist. Um welche Nachteile es sich handelt, lässt sich der Internetseite unschwer entnehmen.

29. Der Vortrag des Klägers, insoweit könnte es sich auch um eine andere Getränkeauswahl oder einen flexibel verstellbaren Sitz handeln, erscheint lebensfremd. Der Kläger vermag auch nicht mit dem Argument durchzudringen, die englischen Begriffe „Flex“ und „Basic“ seien nicht verständlich. Zum einen werden die englischen Begriffe durch Symbole und Erläuterung in deutscher Sprache verdeutlicht. Zum anderen trifft den Kunden für den Fall, dass er die Begriffe nicht als aus sich heraus verständlich empfindet, erst Recht die Obliegenheit, sich die weiteren von der Fluggesellschaft zur Verfügung gestellten und unschwer wahrnehmbaren Informationen zu verschaffen.

30. Die Wahlfreiheit des Klägers wurde auch nicht durch Gestaltung der Internetseite der Deutsche Lufthansa AG oder andere Art und Weise überlagert. Die verschiedenen Tarifoptionen stehen auf der Internetseite gleichberechtigt nebeneinander.

31. Damit liegt eine Aushandlung der Vertragsbedingungen zur Stornierbarkeit des Fluges vor, so dass diese nicht dem Kontrollregime der §§ 305 ff. BGB unterliegen. Die Überprüfbarkeit anderer – nicht ausgehandelter – Vertragsbedingungen wie etwa zum Gepäck oder zur Sitzplatzreservierung wird hiervon nicht berührt, worauf es im vorliegenden Fall jedoch nicht ankommt.

32. Da die Vorschrift des § 649 BGB wirksam abbedungen wurde, kommt es auf die Richtigkeit der Behauptung, die Deutsche Lufthansa AG habe den Platz des Klägers nicht mehr anderweitig vergeben können ebenso wenig an, wie auf weiteren Vortrag der Deutsche Lufthansa AG zu ersparten Aufwendungen.

33. Die geltend gemachte Zinsforderung ist mangels Hauptforderung nicht berechtigt.

34. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

35. Die Berufung ist auf Antrag des Klägers zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Nr. 1 Var. 3. ZPO vorliegen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Qualifikation von Vereinbarungen über die Stornierbarkeit von Flugreisen erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Frage der Erstattungsfähigkeit der Entgelte betrifft eine Vielzahl von Streitigkeiten, sodass eine einheitliche Rechtsprechung hierzu umso erstrebenswerter ist.

36. Der Streitwert wird auf 402,33 EUR festgesetzt.

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