Entbehrlichkeit der Mängelrüge bei offensichtlichen Mängeln

AG Bad Homburg: Entbehrlichkeit der Mängelrüge bei offensichtlichen Mängeln

Der Kläger sah in einer vor dem Hotel befindlichen Baustelle einen Reisemangel und forderte von der Reiseveranstalterin eine Reisepreismindung, obwohl er der örtlichen Reiseleitung keine Rüge erteilt hatte. Das AG Bad Homburg gab der Klage statt, weil der Mangel der Beklagten bereits bekannt gewesen war.

AG Bad Homburg 2 C 1152/01  (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 02.08.2001
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 02.08.2001, Az: 2 C 1152/01
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Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 02. August 2001

Aktenzeichen 2 C 1152/01

Leitsatz

2. Bei einem offensichtlichen Reisemangel darf eine Rüge bei der örtlichen Reiseleitung unterbleiben.

Zusammenfassung

3. Der Kläger hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise mit Unterbringung im Hotel. Dort angekommen musste der Kläger feststellen, dass es vor dem Hotel eine Baustelle gab. Auf der Baustelle wurden von 7 bis 21 Uhr morgens große Felsbrocken mit einem Bagger zerkleinert und fortgeschafft. Von der Baustelle ging somit enormer Lärm aus. Außerdem fand er Ungeziefer vor und war mit der Verköstigung höchst unzufrieden. Der Kläger sah darin Reisemängel und forderte von der Beklagten eine Reispreismindung, obwohl er der örtlichen Reiseleitung keine Rüge erteilt hatte.

Das Amtsgericht Bad Homburg gab der Klage nur teilweise statt. Bei einem solch offensichtlichen Mangel konnte eine Rüge bei der örtlichen Reiseleitung unterbleiben. Der enorme Lärm störte die Erholungsphase des Klägers und begründete einen Reisemangel, der über eine Reisepreisminderung Kompensation fand. Für alle weitere Minderungsansprüche fehlte aufgrund der ausgebliebenen Rüge vor Ort die rechtliche Grundlage.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) sowie an den Klägerin zu 2) je DM 576,– nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 des Diskontsatz-​Überleitungs-​Gesetzes vom 09.06.1998 seit dem 25.01.2001 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) jeweils 32 % und die Beklagte 36 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens der Klägerin zu 1) und seitens des Klägers zu 2) durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von jeweils DM 1.100,– abwenden, wenn nicht die Klägerin zu 1) oder der Kläger zu 2) Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Klägerin zu 1) kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 250,– abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger zu 2) kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 250,– abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Die Beklagte ist Reiseveranstalterin. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugpauschalreise nach Kuba, nämlich auf die Insel Cayo Largo, in der Zeit vom 31.07.2000 bis 15.08.2000. Die Unterbringung sollte in dem Hotel … erfolgen. Der Reisepreis betrug pro Person ohne die Kosten für eine Sitzplatzreservierung DM 2.905,–.

6. Bezüglich der Hotelbeschreibung wird auf die der Akte beigefügte Katalogbeschreibung verwiesen.

7. Der Hinflug gestaltete sich in der Weise, daß die Kläger einen zweistündigen Aufenthalt in Havanna hinnehmen mußten.

8. Im Hotel angekommen wurde, den Klägern zunächst ein Zimmer zugewiesen, das von ihnen reklamiert wurde. Noch am selben Tag konnten die Kläger sodann ein anderes Zimmer, in einem neueren Teil der Hotelanlage beziehen.

9. In der Ferienanlage wurden Bauarbeiten durchgeführt. Zirka 50 m vom Zimmer der Kläger entfernt, wurden während der gesamten Urlaubszeit erhebliche Stein- und Erdbewegungen durchgeführt. Unter Zuhilfenahme eines Baggers wurden von morgens 7.00 Uhr bis abends 21.00 Uhr große Felsbrocken zerkleinert, damit diese sodann mit Lastkraftwagen abgefahren werden konnten. Hierdurch entstand ein erheblicher Lärm.

10. Die angebotene Animation fand nicht in deutscher Sprache statt.

11. Vorprozessual hat die Beklagte an die Kläger jeweils DM 150,– zum Ausgleich gezahlt.

12. Das Essen in sämtlichen Restaurants der Anlage sei fad und geschmacklos gewesen, die Speisen seien nicht gewürzt gewesen und eine Nachwürzung sei nicht möglich gewesen, da auf den Tischen die entsprechenden Gewürze gefehlt hätten. Warme Speisen seien zum Teil kalt serviert worden. Während des gesamten Urlaubs hätten die Kläger unter Magen- und Darmbeschwerden gelitten, wobei diese Beschwerden bei weit über 50 % aller Hotelgäste aufgetreten seien.

13. Die Kläger sind der Ansicht, daß ihnen mindestens eine 60 %ige Minderung des Reisepreises zustünde. Zudem stünde ihnen ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude zu.

14. Die Kläger beantragen,

15. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) und an den Kläger zu 2) jeweils DM 1.611,– nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gemäß Diskontsatz-​Überleitungs-​Gesetz seit dem 25.01.2001 zu zahlen.

16. Die Beklagte beantragt,

17. die Klage abzuweisen.

18. Die Beklagte ist der Ansicht, daß ein Non-​Stop-​Flug nicht zugesichert gewesen sei; zudem seien Verspätungen bis zu vier Stunden vom Reisenden hinzunehmen.

19. Darüberhinaus ist die Beklagte der Ansicht, daß eine Minderung nicht in Betracht komme, da die Kläger erst am Abreisetag ihre Mängelrügen vor Ort vorgebracht hätten.

20. Im Hinblick auf die Geruchsbelästigungen aus der Kanalisation ist die Beklagte der Ansicht, daß dieser Anspruch von den Klägern aufgrund der Vorschrift des § 651 g Abs. 1 Satz 2 BGB nicht geltend gemacht werden könne.

21. Darüberhinaus ist die Beklagte der Ansicht, daß die Kläger die Mängel in substantiierter Weise vorgetragen hätten.

22. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

23. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

24. Die Kläger haben einen Anspruch auf eine Reisepreisminderung in Höhe von jeweils 25 % auf der Grundlage der §§ 651 c Abs. 1, 651 d Abs. 1, 472 BGB.

25. Es stellt einen Reisemangel dar, wenn ca. 50 m vom Zimmer der Kläger entfernt die gesamte Urlaubszeit über massive Stein- und Erdbewegungen durchgeführt wurden und ein Bagger von 7.00 Uhr morgens bis 21.00 Uhr abends große Felsbrocken zerkleinerte, damit diese dann wiederum mit Lastkraftwagen abgefahren werden konnten. Durch die hiermit verbundene Lärmbelästigung war der Wert der Reise der Kläger in erheblichem Maße herabgesetzt. Das Gericht wertet den Reisemangel mit einer Minderungsquote von 25 %. Diesbezüglich war eine Mängelrüge gemäß § 651 d Abs. 2 BGB verzichtbar, weil es sich bei diesen Arbeiten um einen derart offensichtlichen Mangel der Reise gehandelt hat, daß dieser jedem Reiseleiter sofort beim Besuch des Hotels ins Auge springen mußte. Die ausdrückliche Rüge bei der Reiseleitung vor Ort war somit zugunsten der Kläger verzichtbar.

26. Weitere Minderungsansprüche stehen den Klägern jedoch nicht zu.

27. Im Hinblick auf die Fluganreise scheitert ein Minderungsanspruch daran, daß ein Non-​Stop-​Flug nicht seitens der Beklagten zugesichert worden ist. Der diesbezügliche Vortrag seitens der Kläger ist unsubstantiiert. Für einen Vortrag im Hinblick auf eine rechtlich relevante Zusicherung hätte es der Angabe weiterer Details insbesondere derjenigen Person bedurft, die eine solche Zusicherung im Namen der Beklagten abgegeben haben soll.

28. Bei dem Zimmerwechsel handelte es sich sodann nicht um einen Umzug innerhalb eines Hotels mit einer entsprechenden höchstrichterlich anerkannten Reisepreisminderung für einen halben Tag, sondern den Klägern wurde ein Ersatzzimmer noch am Tag der Anreise, wenn auch mit etwas Zeitverzögerung, zugewiesen. Daß die hiermit verbundene Verzögerung einen über den Grad einer Unannehmlichkeit hinausgehenden Mangel der Reise hatte begründen können, haben die Kläger nicht in substantiierter Weise dargelegt. Insbesondere reicht die Angabe nicht aus, „mehrere Stunden“ seien durch die Besorgung des Ersatzzimmers verlorengegangen.

29. Was sodann die behaupteten Mängel im Hinblick auf das Ungeziefer angeht, so können die Kläger diesbezüglich keine Minderung verlangen, da sie eine rechtzeitige Mängelrüge vor Ort nicht in substantiierter Weise vorgetragen haben. Eines solchen Vortrages hätte es insbesondere deswegen bedurft, weil die Beklagte vorgetragen hatte, eine solche Mängelrüge sei erst am Abreisetag erfolgt.

30. Unsubstantiiert mangels Angabe näherer Details ist der Vortrag im Hinblick auf nicht vollständig fertiggebaute Wege, offene Kanalisationsabflüsse, einen nicht benutzbaren, da verschmutzten Pool und Bauschutt und Steinberge „überall“. Zudem gilt auch diesbezüglich, daß die Kläger eine Mängelrüge vor Ort nicht in substantiierter Weise dargelegt haben.

31. Eine deutschsprachige Animation war ausweislich der Hotelbeschreibung nicht geschuldet. Mangels einer solchen Angabe konnten die Kläger nicht davon ausgehen, auf Kuba deutschsprechende Animateure zu finden.

32. Schließlich haben die Kläger auch die Qualität der Verpflegung vor Ort nicht gerügt bzw. es fehlt ein entsprechender substantiierter Vortrag zur Mängelrüge. Zudem stellt auch die Beschreibung des Essens als fad und geschmacklos lediglich eine Wertung dar, die nicht im Wege eines Tatsachenbeweises nachgeprüft werden kann.

33. Auch der Vortrag hinsichtlich der Magen- und Darmbeschwerden, die laut Vortrag der Kläger bei rund 50 % aller Hotelgäste aufgetreten sein sollen, ist in dieser Weise unsubstantiiert.

34. Somit bleibt es bei dem klägerischen Anspruch auf eine Minderung in Höhe von 25 % des Reisepreises, wobei von einem Reisepreis in Höhe von je DM 2.905,– auszugehen war. Zudem waren die vorprozessual bereits gezahlten je DM 150,– zu berücksichtigen.

35. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

36. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

37. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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