Bezahlung der Sprachreise 30 Tage vor Reisebeginn

OLG Hamburg: Bezahlung der Sprachreise 30 Tage vor Reisebeginn

Ein Verein für Verbrauchersschutz klagt gegen eine Sprachreiseveranstalterin auf Unterlassung. Diese hatte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln verwendet, welche die (teilweise) Zahlung des Reisepreises 30 Tage vor Reiseantritt forderten.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. Da zum Zeitpunkt der Forderung noch keine vertraglich zugesicherte Leistungspflicht des Verbrauchers bestünde.

OLG Hamburg 5 U 134/84 (Aktenzeichen)
OLG Hamburg: OLG Hamburg, Urt. vom 03.04.1985
Rechtsweg: OLG Hamburg, Urt. v. 03.04.1985, Az: 5 U 134/84
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Oberlandesgericht Hamburg

1. Urteil vom 3. April 1985

Aktenzeichen 5 U 134/84

Leitsätze:

2. Ein Verband ist zur Unterlassungsklage befugt, wenn seine wesentliche Verbandsziele die Beratung und Aufklärung von Verbrauchern sind.

Klauseln in den AGB eines Reiseveranstalters, die

zu einer Anzahlung bei der Anmeldung verpflichten,

bei einer Anmeldung ab 30 Tagen vor Reisebeginn die sofortige Zahlung des gesamten Reisepreises fordern

oder

Umbuchungen wie einen Rücktritt mit Neuanmeldung behandeln

sind unwirksam.

Zusammenfassung:

3. Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen eine Sprachreiseveranstalterin, weil diese beim Vertragsschluss sogenannte Teilnahmebedingungen verwendete, in denen entsprechende Klauseln erstens bei der Anmeldung eine Anzahlung, bei Anmeldung 30 Tage oder weniger vor Reisebeginn die sofortige Zahlung des gesamten Reisepreises forderten und Umbuchungen wie Rücktritte mit Neuanmeldung behandelten.

Das Landgericht Hamburg gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte, die Klauseln nicht mehr zu verwenden. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht Hamburg. Dabei griff sie vor allem die Klagebefugnis des Klägers an und verteidigte die Klauseln als rechtmäßig.

Die Berufung wurde zurückgewiesen. Der Kläger war klagebefugt, da Verbraucherberatung und -aufklärung zu seinen wesentlichen Aufgaben zählten. Die beiden Klauseln über Bezahlung des Reisepreises waren unwirksam, da zu diesem Zeitpunkt kein Vertragsschluss erfolgt war und sich die Beklagte nicht verpflichtet hatte, die Reiseunterlagen auch auszuhändigen. Eine Umbuchung war zudem nicht wie Rücktritt mit Neuanmeldung zu behandeln, da ein Kunde, der den Vertragsinhalt ändert, gerade nicht davon zurücktreten will, zumal bei Rücktritten der Beklagten ein Ausgleichsanspruch zustünde, den der Verbraucher vermeiden will.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 13. April 1984 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,– DM abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 1.000,– DM. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin ist ein eingetragener Verein, welcher nach § 2 seiner Satzung den Zweck verfolgt, „den Bildungswillen in der Öffentlichkeit zu stärken und Aktionen zur Ausschöpfung der Begabtenreserven durchzuführen“ und der es sich darüber hinaus zur Aufgabe gemacht hat, „im gesamten Bereich der Bildung und Information der Verbraucher, vor allem im Bereich gewerblichen Unterrichts einschließlich Fernunterrichts und im Gesamtbereich des Vertriebs von Büchern, Bildungsprogrammen, Lernmitteln, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften den lauteren Geschäftsverkehr im Verbraucherinteresse zu fördern und den unlauteren Wettbewerb im Zusammenhang mit den zuständigen Organen der Rechtspflege zu bekämpfen.“

6. Sie gibt Informationsschriften und Pressemitteilungen heraus (Anlagen K 6 = K 7, K 11 bis K 13) und nimmt auch individuelle Beratungen vor.

7. Zu ihren Mitgliedern gehören neben 28 Einzelpersonen drei Mitgliedsvereine, nämlich der Mieterverein Stuttgart e.V., der Mieterverein Heilbronn e.V. und die Arbeitsgemeinschaft Fellbacher Lohnsteuerberatung e.V. Die Klägerin ist im Jahre 1966 gegründet worden.

8. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die sich auf Sprachreisen, vorwiegend für Schüler und Studenten, spezialisiert hat. Sie hat beim Abschluß ihrer Reiseverträge vorformulierte „Teilnahmebedingungen“ (Anlage K 3) verwendet, welche unter anderem folgende Bestimmungen enthielten:

3.

9. „Bezahlung“

10. Bei der Anmeldung sind DM 150,– pro Person anzuzahlen. Der Restbetrag ist spätestens 30 Kalendertage vor Reisebeginn zu überweisen (Eingang auf dem Konto der SSR GmbH) oder zu zahlen.

11. Bei kurzfristigen Anmeldungen (ab 30 Kalendertagen vor Reiseantritt) wird der gesamte Reisepreis sofort fällig.

6.

12. „Rücktritt/Umbuchung des Kunden“

13. … Umbuchungen gelten stets als Rücktritt vom Vertrag mit nachfolgender Neuanmeldung, d. h. es gelten auch die Regelungen unter Ziffer 2 oben.

14. Die Klägerin hat diese Bestimmungen für nach den Vorschriften des AGBG unwirksam gehalten und nach § 13 AGBG Verurteilung zur Unterlassung verlangt. Zur Begründung hat sie vorgetragen:

15. Sie sei als Verbraucherorganisation nach § 13 AGBG klagebefugt. Das folge nicht nur aus ihrem satzungsgemäß statuierten Vereinszweck, sondern auch ihrer entsprechenden umfangreichen Tätigkeit in diesem Bereich.

16. Die Klausel „Bezahlung“ aus den Teilnehmerbedingungen der Beklagten verstoße gegen § 9 AGBG, weil der Reisende verpflichtet werde, erhebliche Anzahlungen schon vor Vertragsschluß zu leisten.

17. Die Bestimmung in Ziffer 6 der Teilnahmebedingungen, wonach eine Umbuchung als Rücktritt des Kunden angesehen werde, enthalte eine unzulässige Erklärungsfiktion im Sinne des § 10 Nr. 5 AGBG.

18. Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen am Geschäftsführer der Antragsgegnerin, beim Abschluß von Reiseverträgen zu unterlassen, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen, ausgenommen Verträge mit einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäftes, mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder mit einem öffentlichrechtlichen Sondervermögen:

19. „Bezahlung“

20. Bei der Anmeldung sind DM 150,– pro Person anzuzahlen. Der Restbetrag ist spätestens 30 Kalendertage vor Reisebeginn zu überweisen (Eingang auf dem Konto der SSR GmbH) oder zu zahlen. Bei kurzfristigen Anmeldungen (ab 30 Kalendertage vor Reiseantritt) wird der gesamte Reisepreis sofort fällig.

21. „Rücktritt/Umbuchung des Kunden“

22. Umbuchungen gelten stets als Rücktritt vom Vertrag mit nachfolgender Neuanmeldung, d. h. es gelten auch die Regelungen unter Ziffer 2 oben.

23. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

24. Sie hat gemeint, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen eines nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AGBG klagebefugten Verbandes. Es sei nicht ersichtlich und werde bestritten, daß die drei Mitgliedsvereine den in § 2 der Satzung formulierten Vereinszweck aktiv verfolgten. Vielmehr sei davon auszugehen, daß sich die Klägerin – veranlaßt durch ihre drei Mitgliedervereine – auf Teilbereiche des Verbraucherschutzes (Miet- und Steuerrecht) spezialisiert und damit gleichzeitig auch ihre Aktivlegitimation auf diese Gebiete beschränkt habe. Das aber genüge als Voraussetzung für die hier geltend gemachte Klage nicht.

25. Im übrigen hat die Beklagte die Ansicht vertreten, daß die in ihren Teilnahmebedingungen vorgesehene Vorleistungspflicht keine unangemessene Benachteiligung der Reisenden darstelle. Diese diene dazu, eine größere Bindung des Reisenden an sein Angebot zu erreichen, um ihr eigenes Risiko hinsichtlich ihrer eigenen Vorleistungen einzuschränken. Aus wirtschaftlichen Gründen könne sie erst nach Erhalt der Vorauszahlung des Reisenden überprüfen, ob sie den konkreten Reisevertrag erfüllen könne. Deshalb sei eine derartige Vorleistungsklausel auch bei anderen Reiseveranstaltern weitgehend üblich. Im übrigen fielen in aller Regel, weil die Reisenden zumeist persönlich in ihrem Reisebüro erschienen, der Zeitpunkt der Anmeldung und der schriftlichen Bestätigung der Reise zusammen.

26. Zur Klausel „Rücktritt/Umbuchung des Kunden“ hat die Beklagte ausgeführt, daß ein Verstoß gegen die Vorschriften des AGBG nicht vorliege, weil die Behandlung einer Umbuchung als Rücktritt des Kunden der Rechtslage und dem tatsächlichen Geschehen entspreche.

27. Das Landgericht hat mit Urteil vom 13. April 1984 der Klage stattgegeben. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe wird – auch zur Ergänzung des beiderseitigen Parteivorbringens – Bezug genommen. Dagegen hat die Beklagte vollen Umfangs Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte ihre Bedingungen geändert (Anlage B 1) und sich verpflichtet, die Klauseln

3.

„Bezahlung“

Bei der Anmeldung sind DM 150,– pro Person anzuzahlen.

Bei kurzfristigen Anmeldungen (ab 30 Kalendertagen vor Reiseantritt) wird der gesamte Reisepreis sofort fällig.

6.

„Rücktritt/Umbuchung des Kunden“

… Umbuchungen gelten stets als Rücktritt vom Vertrag mit nachfolgender Neuanmeldung.

nicht mehr zu verwenden. Auf den genauen Inhalt der Verpflichtungserklärung wird verwiesen. Daraufhin haben die Parteien insoweit den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Parteien streiten noch um die Wirksamkeit der Klausel:

28. „Der Restbetrag ist spätestens 30 Kalendertage vor Reisebeginn zu überweisen (Eingang auf dem Konto der SSR GmbH) oder zu zahlen“.

29. Die Beklagte führt in erster Linie aus, daß ihrer Ansicht nach die Klägerin nicht klagebefugt sei; § 13 AGBG erfordere, daß die Mitgliederverbände auf demselben Spezialgebiet wie der Dachverband tätig sein müßten. Auch habe die Klägerin nicht dargetan, daß sie selbst eine aufklärende und beratende Tätigkeit auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes tatsächlich ständig und kontinuierlich ausübe.

30. Im übrigen hält die Beklagte die beanstandete Klausel für wirksam.

31. Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit diese nicht für erledigt erklärt ist.

32. Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

33. Die Klägerin tritt den Rechtsausführungen der Beklagten entgegen. Sie hat zu ihrer eigenen Tätigkeit in der Berufungserwiderung Ausführungen gemacht, auf die verwiesen wird. Sie hat ferner mit den Anlagen K 11 bis K 13 weiteres von ihr verfaßtes Informationsmaterial vorgelegt.

34. Auf die Anlagen sowie auf den weiteren Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

35. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I.

36. Zutreffend hat das Landgericht die Klagebefugnis der Klägerin zur Geltendmachung des hier erhobenen Unterlassungsanspruchs aus § 13 AGBG bejaht.

37. Die Klägerin ist selbst beratend und aufklärend im Verbraucherinteresse tätig. Das hat sie spätestens mit ihrer Berufungserwiderung eingehend und unter Vorlage von ihr herausgegebener Informationsschriften vorgetragen. Diese Angaben hat die Beklagte nicht mehr bestritten. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin sowohl in individueller Beratung als auch in allgemein der Öffentlichkeit zugänglichen Broschüren auf Programme für Sprachreisen, Fernunterrichtslehrgänge, Kosmetikausbildung, Heilpraktikerausbildung hinweist, Vergleiche anstellt, Mißstände aufzeigt und über die Inhalte dieser Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten aufklärt. Sie nimmt damit nicht nur gelegentlich, sondern in erheblichem Umfang Verbraucherschutz wahr. Ob dieses Vorbringen der Klägerin verspätet vorgebracht worden ist, kann offenbleiben. Es verzögert nicht die Erledigung des Rechtsstreits.

38. Die geschilderte Tätigkeit der Klägerin erfüllt zugleich ihre satzungsmäßigen Aufgaben, wie das Landgericht im einzelnen ausgeführt hat. Darauf wird verwiesen. Die Bestimmung des § 2 Ziffer 2 der Satzung zeigt außerdem, daß Verbraucherberatung und -aufklärung zwar nicht das einzige, wohl aber eines der wesentlichen Vereinsziele der Klägerin bildet. Das genügt (vgl. MünchKomm-​Gerlach, BGB, 2. Aufl., § 13 Rnr. 66; Staudinger/Schlosser, BGB, 12. Aufl., AGBG § 13 Rnr. 14; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, § 13 Rnr. 7; a.A. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Großkommentar AGB, 2. Aufl., § 13 Rnr. 68).

39. Die Klägerin erfüllt auch die weiteren persönlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG, weil zu ihren Mitgliedern zwei Mietervereine gehören, die – wie unstreitig – ebenfalls im Verbraucherinteresse aufklärend und beratend tätig sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es nicht erforderlich, daß die Unterverbände in demselben Sachbereich wie der klagende Dachverband tätig sind. Die Bestimmung des § 13 AGBG verlangt nur, daß die Unterverbände generell Verbraucherinteressen wahrnehmen, ohne daß dies auch nur Satzungszweck oder der Unterverband rechtsfähig sein muß (Gerlach a.a.O., § 13 Rnr. 70; Schlosser a.a.O., § 13 Rnr. 17). Diese Anforderungen dienen der Sicherung vor mißbräuchlicher Ausnutzung der Klagebefugnis. Das Verbraucherinteresse soll durch ein gewisses Potential von Mitgliedern des klagenden Verbands auch tatsächlich repräsentiert sein (vgl. beispielsweise Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, § 13 Rnr. 67). Über eine sachliche Beschränkung der Klagebefugnis sagt § 13 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG hingegen nichts aus. Diese ergibt sich vielmehr allenfalls aus dem jeweiligen Satzungszweck. Wenn aber wie hier die Unterverbände ihrem Dachverband weitergehende Aufgaben und Bereiche zuweisen, als sie diese selbst wahrnehmen, dann wird die Tätigkeit des Dachverbandes von seinen Mitgliedern ausreichend und ausdrücklich getragen, und es begegnet aus der Sicht des § 13 AGBG keinerlei Bedenken, daß die Klägerin den ihr satzungsgemäß zugewiesenen Bereich voll ausschöpft.

II.

40. Zu Recht hat das Landgericht auch die von der Klägerin angegriffenen Klauseln für unwirksam erklärt. Wegen der noch strittigen Bedingung verbleibt es daher beim angefochtenen Urteil; soweit die Beklagte dem Urteil entsprechende Verpflichtungserklärungen abgegeben hat und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, sind ihr nach § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Im einzelnen gilt folgendes:

1.

41. Ziffer 3 „Bezahlung“

42. Die unter dieser Ziffer beanstandeten AGB enthielten drei Sätze mit unterschiedlichem Regelungsgehalt. Die Beklagte hat sich verpflichtet, die erste und letzte Klausel, also die Sätze eins und drei betreffend die An- bzw. Vorauszahlung bei der Anmeldung zur Reise, nicht mehr zu verwenden, während die die Restzahlung betreffende Bedingung unverändert in ihre neuen Teilnahmebedingungen (Anlage B 1) übernommen worden ist.

a)

43. Die Pflicht, eine Anzahlung oder gar – bei kurzfristiger Anmeldung – den ganzen Reisepreis schon bei der Anmeldung zu leisten (siehe Satz eins und drei), durfte die Beklagte formularmäßig durch AGB schon deshalb nicht begründen, weil im Zeitpunkt der verlangten Zahlung noch kein Vertrag bestand. Ob durch die Zahlung ein vorvertragliches Rechtsverhältnis begründet wurde, ist unerheblich, weil dieses jedenfalls nicht darauf gerichtet war, daß die Beklagte sich verpflichtete, den Reisevertrag auch abzuschließen. Eine derartige Bindung ging sie in ihren Teilnahmebedingungen nicht ein. Daß sie naturgemäß daran interessiert ist, Reiseverträge abzuschließen, macht dies noch nicht zu einer Pflicht. Ebenso unerheblich ist, daß die Beklagte versprochen hat, die Anzahlung zurückzuerstatten, falls die Buchung nicht bestätigt werden sollte (Ziff. 3 Abs. 4 ihrer Teilnahmebedingungen Anlage K 3). In jedem Fall stellte es ein für den Kunden unangemessenes, einseitig den Interessen des Reiseveranstalters dienendes Verlangen dar, den Kunden zu Zahlungen zu veranlassen, bevor die Beklagte auch nur vertragliche Bindungen einging (ebenso KG NJW 1985, 151; Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rn. R 62; Staudinger-​Schwerdtner, BGB, 12. Aufl., § 651 a Rn. 107; Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 333; vgl. auch Löwe, Das neue Pauschalreiserecht, S. 42; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 4. Aufl., Anh. §§ 9 – 11 Rn. 586). Wenn die Beklagte – wie von ihr vorgetragen – die Anzahlung als Druckmittel, den Kunden zum Festhalten an seinem Vertragsangebot zu bewegen, benötigte, konnte sie selbst durch entsprechend beschleunigte Bestätigung der Buchung dazu beitragen, den Vertragsschluß umgehend herbeizuführen und damit die Gefahr, daß ein Kunde abspringt, gering zu halten. Außerdem hat sie selbst dargelegt, daß im Regelfall die Verträge schon bei dem ersten Besuch des Kunden in ihrem Büro zustande kommen. Um so geringer war ihr konkretes Interesse an der Verwendung der beanstandeten Klauseln.

44. Allerdings sind die AGB in dem Zeitpunkt, in welchem die Beklagte die Anzahlung verlangt hat, nämlich schon bei Anmeldung, noch gar nicht bindend gewesen, nämlich mangels Vertragsschluß nicht Vertragsinhalt geworden. Das aber stand dem Unterlassungsbegehren der Klägerin nach § 13 Abs. 1 AGBG nicht entgegen (BGH NJW 1981, 979, 980).

45. Dem rechtsunkundigen Kunden wurde eine Zahlungspflicht vorgetäuscht, die in Wahrheit nicht bestand. Daher war die Klausel nach § 9 Abs. 1 AGB unwirksam.

b)

46. Die Klausel, mit der dem Kunden die Zahlung des restlichen Reisepreises ohne jede Einschränkung spätestens 30 Tage vor Reisebeginn abverlangt wird (siehe Satz zwei), ist ebenfalls nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam und deren Verwendung der Beklagten daher auch in der neuen Fassung ihrer Teilnahmebedingungen zu untersagen.

47. Indem die Beklagte sich nunmehr verpflichtet hat, Anzahlungen bzw. die Vorauszahlung des vollen Reisepreises nicht schon bei der Anmeldung formularmäßig zu verlangen, ist die Bedeutung des zweiten Satzes ihrer bisherigen Bedingungen nicht etwa entfallen. Die Klausel besitzt vielmehr einen selbständigen Regelungsinhalt. Dadurch, daß die Beklagte eine Anzahlung nicht mehr – wie bisher – bei der Anmeldung fordern darf, wird nicht ausgeschlossen, daß sie die Anzahlung bei Vertragsschluß – wie ihre neuen Teilnahmebedingungen zeigen – oder zu irgendeinem sonstigen Zeitpunkt kraft Individualabrede fordert. Dann verbleibt eine Pflicht zur Zahlung des restlichen Reisepreises, dessen Fälligkeit mit der noch im Streit befindlichen, von der Klägerin ebenfalls beanstandeten Klausel bestimmt wird. Mit dem formulierten Inhalt ist sie zu mißbilligen.

48. Die Klage scheitert allerdings nicht schon daran, daß das Verlangen nach voller Vorleistung des Reisepreises gegen das AGB-​Gesetz verstoße. Der Streit um die Gültigkeit der Vorleistungsklausel ist wieder neu entfacht worden. Das in Frankfurt in Gang gebrachte Unterlassungsverfahren gegen einen Verband von Reiseveranstaltern und Reisebüros ist in erster Instanz erfolglos geblieben (LG Frankfurt NJW 1985, 149). Tonner hält die formularmäßige Verpflichtung zur Vorauszahlung des vollen Reisepreises für unwirksam (NJW 1985, 111).

49. Die Bestimmung des § 11 Nr. 2 AGBG steht der Vorauszahlungsklausel nicht im Wege. Diese Vorschrift verbietet den Ausschluß oder die Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts nur insoweit, als es besteht. Wer vorleisten muß, wird also nicht von § 11 Nr. 2 AGBG geschützt. Tonners Ansicht (a.a.O.), § 11 Nr. 2 AGBG hebe die Dispositivität des § 320 BGB auf, ist zwar richtig, hilft aber nicht weiter. Dem AGB-​Gesetz ist es eigen, daß es die Dispositivität mancher Bestimmungen des BGB aufhebt oder ihr Grenzen setzt. Ein „AGB-​fester“ § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB gibt dem Leistungsverweigerungsrecht Bestand, besagt aber nicht, daß Vorleistungspflichten nicht mehr formularmäßig festgelegt werden dürften. Das ist vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen, und das ist auch nicht wünschenswert.

50. Für ein generelles Verbot der Vorleistungsklausel im Reisegewerbe läßt sich auch nicht § 9 AGBG heranziehen. Der Reisende wird nicht unangemessen benachteiligt, wenn er den Reisepreis vor Antritt der Reise in voller Höhe bezahlen muß (vgl. LG Frankfurt a.a.O.). Gegen eine allein ernsthaft zu erörternde Regelung, einen bestimmten Teil des Reisepreises erst bei oder nach Ende der Reise fällig werden zu lassen, sprechen die überwiegenden Interessen der Reiseveranstalter. Daß die Reiseunternehmen den Aufwand, den restlichen Reisepreis einzufordern, und das entsprechende Risiko hinzunehmen hätten, könnte nur überzeugen, wenn belegt würde, daß Schlechterfüllungen der Reiseverträge in einer Häufigkeit eintreten, die das Interesse der Reisenden, mit dem restlichen Reisepreis ein Druckmittel in der Hand zu haben, gegenüber dem Interesse der Reiseunternehmen an voller Vorauszahlung als deutlich schützenswerter erscheinen läßt. Die von Tonner (a.a.O.) vorgeschlagene Einzahlung der Restvergütung auf ein Sperrkonto bringt nichts, weil der Reisende der Auszahlung zustimmen und notfalls darauf verklagt werden muß. Vor dem Hintergrund der inzwischen veröffentlichten, aber durchaus fragwürdigen „Frankfurter Tabelle zur Reiseminderung“ (NJW 1985, 113) könnte ein Abweichen von der vollen Vorauszahlung Reisende geradezu verlocken, anhand der womöglich fortan als „Reiseratgeber“ dienenden Tabelle so viele Mängelpositionen zu sammeln, bis die noch ausstehende Restzahlung vermeintlich erspart bleibt.

51. Satz 2 der Klausel „Bezahlung“ ist aber deshalb unwirksam, weil der volle Reisebetrag 30 Kalendertage vor Reisebeginn fällig gestellt wird, ohne daß sich die Beklagte verpflichtet, die Reiseunterlagen zu übergeben. Ob es überhaupt gestattet sein kann, die Fälligkeit des Reisepreises schon 30 Tage vor Reiseantritt eintreten zu lassen, kann dahinstehen; hierfür mögen bestimmte in der Art dieser Reisen angesiedelte Gründe sprechen können. Die Beklagte kann indes nicht die volle Zahlung entgegennehmen, ohne zugleich die Reiseunterlagen auszuhändigen, die für den Reisenden immerhin eine gewisse Sicherung seines Anspruchs auf die Reiseleistung darstellen, mithin seine grundsätzliche Vorleistungspflicht erträglich machen. Die Beklagte hat nicht erkennen lassen, daß sie es für selbstverständlich hält, die Reiseunterlagen bei Zahlung des Reisepreises auszuhändigen. Wäre es so, hätte sie jedenfalls die letzte Überarbeitung ihrer AGB zum Anlaß genommen, diese den im Reisegewerbe üblichen Fälligkeitsklauseln anzupassen (siehe z. B. die AGB in der Sache LG Frankfurt a.a.O.). Anders wäre es nur zu entscheiden, wenn die Beklagte – wie sie in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz ausführt – in unmittelbarem Zusammenhang und diesem Satz 2 – etwa in dem von der Beklagten so bezeichneten „Vordersatz“ – den (restlichen) Reisepreis erst nach Erhalt der Reisepapiere fällig gestellt hätte. So ist es aber nicht.

2.

52. Ziffer 6 „Rücktritt/Umbuchung des Kunden“

53. Diese Klausel nicht mehr zu verwenden, hat sich die Beklagte ebenfalls verpflichtet; der Rechtsstreit ist insoweit erledigt. Die Beklagte hat aber die Kosten zu tragen, weil die Unterlassungsklage der Klägerin aus § 10 Nr. 5 AGBG begründet war. Daß die beanstandete Klausel eine unzulässige Erklärungsfiktion enthielt, wird von Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig bejaht (vgl. z. B. OLG Frankfurt NJW 1982, 2198; LG München I, AGBE II Nr. 54; Löwe, Das neue Pauschalreiserecht Seite 29; ders. in MünchKomm. § 651 i Rn. 7; Staudinger-​Schwerdtner BGB, 12. Aufl., § 651 i Rn. 86; a. A. LG Berlin, AGBE IV Nr. 102).

54. Die Klausel betraf, wie sich aus dem vorgehenden Satz der Teilnahmebedingungen ergab, alle nachträglichen Änderungen hinsichtlich des Reisetermins, des Reiseziels, des Ortes des Reiseantritts, der Unterkunft und der Beförderung. Ein Kunde, der nachträglich beispielsweise nur das Hotel wechseln, zwei Wochen später als ursprünglich geplant reisen oder mit der Bahn fahren statt fliegen will, hat gerade nicht die Absicht, von dem gesamten Reisevertrag zurückzutreten, sondern will diesen nur anders ausgestalten. Die von der Klägerin beanstandete Klausel legte dem Verlangen des Kunden also einen anderen Erklärungsinhalt bei als gewollt und ausgesprochen worden ist. Stimmte die Beklagte der Umbuchung zu, so wurde damit der bisherige Vertrag abgeändert, ohne daß für einen Rücktritt noch Raum blieb. Dies aber sind gerade die Fälle, die von § 10 Nr. 5 AGBG erfaßt werden (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 5 Rnr. 8), ohne daß einer der in § 10 Nr. 5 a) oder b) normierten Ausnahmen hier vorlagen. Daran ändert sich nichts dadurch, daß – worauf die Beklagte hinweist – der Kunde frei ist, ob er eine Umbuchung wünschen soll oder nicht. Die Beklagte durfte nicht aus diesem Änderungswunsch Rechtsfolgen herleiten, die nicht dem erklärten Willen des Kunden entsprachen und diesen benachteiligten, weil automatisch die Entschädigungsansprüche aus Ziffer 6 der Teilnahmebedingungen ausgelöst wurden. Für den Fall des Rücktritts steht der Beklagten nach § 651 i Abs. 2 Satz 2 BGB i. V. m. Ziffer 6 ihrer Teilnahmebedingungen ein Entschädigungsanspruch zu. Diesen will der Kunde aber gerade vermeiden, wenn er nur eine Änderung des Vertrages anstrebt. Die Beklagte ihrerseits ist nicht verpflichtet, diesem Wunsch nachzukommen. Verweigert sie die Umbuchung, muß es dem Kunden überlassen bleiben, ob er gleichwohl die ursprünglich gebuchte Reise antritt oder nunmehr seinen Rücktritt erklärt. Stimmt die Beklagte aber der Umbuchung zu, so hat sie sich mit einer Vertragsänderung einverstanden erklärt, ohne daß Entschädigungsansprüche nach Ziffer 6 ihrer AGB begründet wären.

55. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 a, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

56. Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage der Sachbefugnis der Klägerin und die unter Ziffer II. 1.) b) behandelte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.

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