Mängelanzeige durch Minderjährigen bei Sprachreise

AG Frankfurt: Mängelanzeige durch Minderjährigen bei Sprachreise

Der Kläger ist Jugendlicher und hatte bei der Beklagten eine Sprachreise gebucht. Nach der Reise verlangt er Minderung wegen anderer Unterkunft als vereinbart.

Dem gab das Gericht nicht statt. Der Kläger hätte den Mangel vor Ort rügen müssen. Dazu sei er auch als 14-Jähriger grundsätzlich selbst in der Lage. Ein Minderungsanspruch im Nachhinein bestehe daher nicht.

AG Frankfurt 30 C 3399/05 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 17.01.2006
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 17.01.2006, Az: 30 C 3399/05
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 17. Januar 2006

Aktenzeichen 30 C 3399/05

Leitsatz:

2. Willigt ein gesetzlicher Vertreter eines Jugendlichen in eine Reise des Jugendlichen ein, so ist anzunehmen, dass dieser vor Ort selbst der Mängelrügeobliegenheit nachkommen kann.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger ist Jugendlicher und hatte bei der Beklagten eine Sprachreise nach England gebucht. Es war eine Unterbringung in einem Doppelzimmer bei einer Gastfamilie vereinbart. Stattdessen wohnte er mit anderen Sprachschülern und einer Aufsichtsperson in einem Appartement. Nach der Reise verlangt er deswegen Minderung des Reisepreises.

Dem gab das Gericht nicht statt. Der Kläger hätte den Mangel vor Ort rügen müssen. Dazu sei er auch als 14-Jähriger grundsätzlich selbst in der Lage. Dies ergebe sich auch daraus, dass der gesetzliche Vertreter in den Reisevertrag eingewilligt hatte, aber nicht telefonisch die Einhaltung des Vertrages überwacht habe. Hierin komme zum Ausdruck, dass der Jugendliche zur Rüge selbst in der Lage gewesen wäre. Eine andere Lösung ließe auch die Möglichkeit des Reiseveranstalters, Abhilfe zu schaffen, entfallen und sorge so für eine ungerechtfertigte Risikoverschiebung. Ein Minderungsanspruch im Nachhinein bestehe daher hier nicht.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte Euro 33,63 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

6. Die Klage ist unbegründet, die Widerklage dagegen begründet.

7. Dem Kläger steht weder ein Minderungs- noch ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 651 c, 651 d, 651 f BGB gegen die Beklagte wegen der Sprachreise … in der Zeit vom 17.7. bis 30.7.05 zu.

8. Dabei kann es zunächst dahinstehen bleiben, ob die erbrachte Reiseleistung durch Unterbringung des Klägers in einem Einzelzimmer in einem Appartement zusammen mit einigen anderen Sprachschülern und mit einer aus … stammenden Betreuerin gegenüber der vereinbarten Leistung der Unterbringung in einem Doppelzimmer in einer englischen Gastfamilie einen Reisemangel darstellt. Unstreitig wurde die anderweitige Unterbringung des Klägers vor Ort nicht beanstandet, so dass einem Minderungs- oder Schadensersatzanspruch die Vorschrift des § 651 d Abs. 2 BGB entgegensteht. Die Mängelanzeige war weder entbehrlich noch ist deren Unterlassung wegen der Minderjährigkeit des Klägers als nicht schuldhaft anzusehen. Von einem 14jährigen Jugendlichen kann erfahrungsgemäß durchaus erwartet werden, dass er in der Lage ist, seine Unzufriedenheit mit den erbrachten Reiseleistungen zum Ausdruck zu bringen, wenn eine solche tatsächlich vorliegt. Da der gesetzliche Vertreter des Klägers offenbar in den Abschluss des Reisevertrags durch den Kläger mit der Beklagten eingewilligt hat, dürfte auch dieser dem Kläger durchaus zugetraut haben, allein vor Ort in England die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wahrzunehmen. Andernfalls hätte der gesetzliche Vertreter dies durch Aufrechterhaltung des Kontaktes zu seinem Sohn während der Dauer der Sprachreise sicherstellen müssen.

9. Sollte die fehlende Mängelanzeige darauf beruht haben, dass der Kläger nicht in vollem Umfang über den vereinbarten Inhalt der Leistungen der Beklagten informiert gewesen sein sollte, so gehört die mangelnde Information des Klägers durch seinen gesetzlichen Vertreter allein zur Risikosphäre des Klägers und kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

10. Sollte es dagegen so gewesen sein, dass dem Kläger die Abweichung von den vereinbarten Leistungen bekannt war, er diese aber zum Zeitpunkt des Aufenthalts in … nicht als nachteilig empfunden hat, so ist die fehlende Mängelrüge dem Kläger ebenfalls zuzurechnen. Durch die Einwilligung in den Vertragsabschluss hat der gesetzliche Vertreter des Klägers auch die Zuständigkeit für Mängelanzeigen und Abhilfeverlangen vor Ort auf seinen minderjährigen Sohn übertragen, da allein dieser eventuelle Mängel während der Reise feststellen konnte. Wollte man dagegen die Entscheidung darüber, ob Reisemängel gerügt werden, nicht dem minderjährigen Reisevertragspartner, sondern allein seinem gesetzlichen Vertreter vorbehalten, so würde § 651 d Abs. 2 BGB bei minderjährigen Jugendlichen, die mit Einwilligung ihrer Eltern einen Reisevertrag schließen, jegliche Bedeutung verlieren. Den Reiseveranstaltern wäre damit in diesen Fällen die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit genommen, durch rechtzeitige Abhilfe von als mangelhaft gerügten Umständen den Minderungs- oder Schadensersatzansprüchen des Reisenden zu begegnen. Dies hätte zur Folge, dass in vielen Fällen die minderjährigen Jugendlichen am Reiseziel beanstandungslos die von ihnen als ordnungsgemäß empfundenen Reiseleistungen entgegennehmen, nach Rückkehr dann jedoch Umstände als Reisemangel rügen, die sie während ihres Ferienaufenthalts nicht als nachteilig empfunden haben, die aber nicht den Gefallen ihrer gesetzlichen Vertreter finden. Eine solche Risikoverlagerung zu Lasten der Reiseveranstalter unter Aushebelung der Vorschrift des § 651 d Abs. 2 BGB erscheint – zumindest solange es sich nicht um ganz gravierende Reisemängel handelt – nicht gerechtfertigt. Die Unterbringung des Klägers in einem Appartement mit einigen anderen Sprachschülern mit Beaufsichtigung und Versorgung durch eine Betreuerin stellt gegenüber einer Unterbringung in einer Gastfamilie – bei der es sich laut Reisebedingungen durchaus auch um eine Einzelperson bei Unterbringung zusammen mit anderen Sprachschülern handeln konnte – keine besonders gravierende Leistungsänderung dar, so dass der Kläger selbst in der Lage und befugt war, zu entscheiden, ob er diese Unterbringung als vertragsgemäß akzeptieren wollte. Sollte der gesetzliche Vertreter des Klägers nicht bereit gewesen sein, seinem Sohn diese Befugnis einzuräumen, so hätte er entweder den Reisevertrag zugunsten seines Sohnes im eigenen Namen abschließen müssen oder bereits während des Aufenthalts des Klägers in England durch telefonischen Kontakt sicherstellen müssen, dass eventuell auftretende Reisemängel unverzüglich gerügt werden.

11. Nach alledem steht einem Minderungs- oder Schadensersatz des Klägers die fehlende Mängelanzeige gemäß § 651 d Abs. 2 BGB entgegen. Die Klage war daher abzuweisen.

12. Der Beklagten steht dagegen aufgrund der unberechtigten Inanspruchnahme durch den Kläger ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, soweit diese nicht als Kosten des Rechtsstreits festsetzbar sind. Die Höhe der in der Honorarrechnung vom 19.9.05 angesetzten Gebühr ist nicht zu beanstanden.

13. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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