Anspruch auf immateriellen Schadensersatz bei Änderung des Abflugflughafens und der Flugzeiten

AG Hannover: Anspruch auf immateriellen Schadensersatz bei Änderung des Abflugflughafens und der Flugzeiten

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise gebucht. Einige Monate vor der Reise wurden durch die Beklagte die Flugzeiten und Flughäfen geändert. Daraufhin kündigte der Kläger die Reise und die Beklagte erstattete die geleistete Anzahlung. Zusätzlich verlangt der Kläger nun Minderung und Schadensersatz.

Das Gericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Lediglich hinsichtlich der An- und Abreisetag bestehe ein Minderungsrecht in Höhe des jeweiligen Tagesreisepreises. Von einer weitergehenden Vereitelung des Urlaubs ging das Gericht, auch wegen der frühzeitigen Mitteilung durch die Beklagte, nicht aus.

AG Hannover 426 C 9598/11 (Aktenzeichen)
AG Hannover: AG Hannover, Urt. vom 10.01.2012
Rechtsweg: AG Hannover, Urt. v. 10.01.2012, Az: 426 C 9598/11
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Amtsgericht Hannover

1. Urteil vom 10. Januar 2012

Aktenzeichen 426 C 9598/11

Leitsatz:

2. Eine Änderung des Abflugflughafens kann eine Minderung des Reisepreises für den jeweiligen Tag begründen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise für sich und seine Familie gebucht. Einige Monate vor der Reise wurden durch die Beklagte die Flugzeiten und Flughäfen geändert. Daraufhin kündigte der Kläger die Reise und die Beklagte erstattete die geleistete Anzahlung. Zusätzlich verlangt der Kläger nun Minderung und Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude.

Das Gericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Lediglich hinsichtlich der An- und Abreisetag bestehe ein Minderungsrecht in Höhe des jeweiligen Tagesreisepreises. Von einer weitergehenden Vereitelung des Urlaubs ging das Gericht, auch wegen der frühzeitigen Mitteilung durch die Beklagte, nicht aus. Durch die Änderung der Anreisebedingungen sei die Reise auch nicht derart erheblich beschädigt, dass Schadensersatzansprüche bestünden.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 474,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.7.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Reisevertrag geltend.

6. Der Kläger hatte im Januar 2011 über ein Reisebüro für sich, seine Ehefrau und seine beiden Töchter eine Flugpauschalreise bei der Beklagten gebucht. Die Reise sollte vom 23.08. bis 06.09.2011 nach … stattfinden. Der Kläger, der in der Nähe von … wohnt, hatte sich für eine Flugverbindung von und bis … entschieden. Der Hinflug von … sollte nach Angaben des Reisebüros um 14.00 Uhr starten. Etwa im Mai 2011 teilte das Reisebüro dem Kläger mit, dass die gebuchten Flüge gestrichen worden seien. Als Alternative wurden dem Kläger Flüge von und nach … angeboten. Zudem konnte die Reise nicht mehr vom 23.08. bis 06.09.2011, sondern vom 24.08. bis 07.09.2011 durchgeführt werden. Der Flug sollte um 10.30 Uhr in … starten, der Rückflug aus … sollte um 6.00 Uhr abgehen. Als Ausgleich für diese Änderungen bot die Beklagte dem Kläger eine Reduzierung des Reisepreises um 25,-​- Euro an.

7. Nachdem der Kläger mehrfach vergeblich gegenüber der Beklagten auf Einhaltung des von ihm gebuchten Reisezeitraumes und des Flughafens … bestand, kündigte er der Beklagten gegenüber den Reisevertrag, woraufhin diese ihm den gesamten Reisepreis in Höhe von 3.324,-​- Euro bzw. die geleistete Anzahlung erstattete.

8. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.07.2011 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers darüber hinaus Schadensersatzansprüche gem. § 651 f Abs. 2 BGB in Höhe von 100 % des Reisepreises geltend und verlangte zudem die Begleichung der entstandenen vorprozessualen Anwaltskosten in Höhe von 359,49 Euro unter Fristsetzung bis zum 18.07.2011.

9. Der Kläger behauptet, die Änderung des Flughafens von … nach … wäre eine erhebliche Strapaze gewesen, da die Anreise von seinem Wohnort nach … mehr als doppelt so zeitintensiv sei wie nach …. Darüber hinaus sei die Verlegung des Reisezeitraumes um einen Tag für ihn und seine Familie nicht akzeptabel gewesen. Im Hinblick auf die ursprüngliche Abflugzeit 14.00 Uhr ab … hätte der Kläger bequem am 23.08.2011 mit der Bahn anreisen und die Flugreise antreten können. Durch die Vorverlegung der Abflugzeit ab … auf 10.30 Uhr wäre eine Anreise per Zug am Abflugtag nicht möglich gewesen. Der Kläger und seine Familie hätten somit entweder in den frühen Morgenstunden mit dem Auto nach … fahren müssen oder eine Zugverbindung bereits einen Tag zuvor wählen müssen. Zudem wäre die Anreise nach … auch strapaziöser gewesen, da es keine direkte Zugverbindung gebe, so dass der Kläger mit Familie und Reisegepäck hätte umsteigen müssen. Außerdem sei eine Rückkehr am 06.09.2011 nötig gewesen, da eine seiner Töchter bereits am 07.09.2011 wieder hätte arbeiten müssen und er selbst auch bereits am 07.09.2011 Termine gehabt habe.

10. Er sei deswegen zur Kündigung der Reise berechtigt gewesen und habe darüber hinaus einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100 % des Reisepreises, da durch Verschulden der Beklagten die geplante Reise völlig vereitelt worden sei.

11. Der Kläger beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.324,-​- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2011 zu zahlen;

13. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Nebenkosten in Höhe von 359,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2011 zu zahlen.

14. Die Beklagte beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Zur Begründung trägt sie vor, dem Kläger habe kein Kündigungsgrund zugestanden, da sie sich eine Änderung der Flugzeiten und der Streckenführung ausweislich der Reisebestätigung vorbehalten habe. Bei einer Flugpauschalreise sei eine Gesamtschau anzustellen, in der das gesamte gebuchte Leistungspaket bestehend aus Flug, Unterkunft, Verpflegung etc. zu berücksichtigen sei. Im Hinblick darauf sei die Reise durch die Verlegung der Abflugzeiten und des Flughafens nicht erheblich beeinträchtigt worden. Hinzu komme, dass die Beklagte die Änderungen mehrere Monate vor Reiseantritt mitgeteilt habe, so dass der Kläger genügend Zeit gehabt habe, eine andere Reise zu buchen, was er sicherlich auch getan haben werde.

17. Schließlich seien die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig, da sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts nicht in Verzug befunden habe.

18. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19. Die Klage ist nur im geringen Umfang begründet.

20. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 651 d Abs. 1 BGB Minderungsansprüche aus Reisevertrag. Die Änderungen des Flughafens von … nach …, die damit verbundenen Flugzeitenänderungen und vor allem die Verlegung des Reisezeitraumes um einen Tag stellen auch bei einer Pauschalreise insgesamt keine bloße Unannehmlichkeit mehr dar, die von dem Reisenden zumutbar und hinzunehmen sind.

21. Im Allgemeinen sind Flugzeitänderungen dann als Reisemangel anzusehen, wenn nicht nur der erste und der letzte Reisetag betroffen sind und insbesondere die Nachtruhe des Reisenden beeinträchtigt wird (vgl. Führich, Reiserecht, RdNr. 314 d m. w. N.). Dies ist vorliegend der Fall gewesen. Auch wenn der Kläger keinen Anspruch darauf hatte, am zunächst gebuchten Abflugtag um 14.00 Uhr von … abzufliegen, weil sich die Beklagte berechtigterweise bei Abschluss des Vertrages eine Änderung der Flugzeiten vorbehalten hat, so musste der Kläger die Verlegung der Reise um einen Kalendertag nicht mehr als bloße Unannehmlichkeit hinnehmen. Zusammen mit der Verlegung des Abflughafens wäre es nämlich zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Nachtruhe des Klägers gekommen. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass zwischen … und … nahezu stündlich eine ICE-​Verbindung der Deutschen Bahn existiert, wobei die Fahrtzeit nach Kenntnis des Gerichts etwas mehr als 2 Stunden beträgt. Eine derartige gute Zuganbindung existiert von … nach … jedoch nicht, zumindest hat die Beklagte dies trotz des Bestreitens des Klägers nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Aller Voraussicht nach hätte der Kläger mit seiner Familie demnach tatsächlich bereits am Abend vor dem angebotenen Abflug mit dem Zug nach … anreisen müssen und die Nacht auf dem Flughafen oder in einem Hotel verbringen müssen, wodurch weitere Kosten entstanden wären. Im Hinblick darauf, dass – wie die Beklagte selbst vorträgt – die Anreise zum Flughafen per Bahn für den Kläger kostenlos gewesen wäre, musste der Kläger es auch nicht akzeptieren, in den frühen Morgenstunden mit dem PKW von … nach … zu fahren.

22. Für den Rückflug muss dasselbe gelten. Nach Angaben der Beklagten sollte der Rückflug in … um 6.00 Uhr starten, so dass auch dadurch die Nachtruhe beeinträchtigt worden wäre, weil zuvor ja noch der Transfer vom Hotel zum Flughafen hätte stattfinden müssen.

23. Insgesamt hält das Gericht im Hinblick darauf, dass vorliegend die Flugzeiten, der Reisezeitraum und auch der Abflughafen geändert worden sind, eine Minderung von jeweils 100 % des Tagespreises, mithin 2 x 237,42 Euro für angemessen. Daran ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass die Änderungen dem Kläger bereits mehrere Monate vor Reiseantritt mitgeteilt worden sind. Entscheidend ist, dass die Hin- und Rückreise zum Urlaubsort zum Nachteil des Klägers und in nicht nur unerheblicher Weise geändert worden sind.

24. Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche gem. § 651 f Abs. 2 BGB stehen dem Kläger jedoch nicht zu. Durch die aufgezeigten Änderungen des Reisevertrages wurde die Reise insgesamt nicht derart erheblich beeinträchtigt, dass dem Kläger ein Anspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zusteht.

25. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass bei einer Flugpauschalreise die vorhandenen Mängel in einer Gesamtschau zum Vertrag zu betrachten sind. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht die mit den Änderungen einhergehenden Beeinträchtigungen der Reise nicht für derart erheblich, dass der Kläger zur Kündigung des Vertrages berechtigt gewesen wäre. Die Reise sollte 14 Tage lang dauern, so dass Beeinträchtigungen bei Hin- und Rückflug an 2 Tagen objektiv gesehen die Reise nicht erheblich beeinträchtigen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte auf die Kündigung des Klägers die geleistete Anzahlung zurückgeleistet hat.

26. Darüber hinaus geht das Gericht nach wie vor davon aus, dass der Kläger für sich und seine Familie eine alternative Reise gebucht hat. Trotz Hinweises des Gerichts vom 27.10.2011 in der Terminsladung hat der Kläger hierzu nicht näher vorgetragen. Soweit der Kläger behauptet hat, er und eine seiner Töchter hätten zwingend am 06.09.2011 wieder in Deutschland sein müssen, hat er diesen Vortrag nicht hinreichend schlüssig unter Beweis gestellt. Zum Beweis hierfür hat er nur Zeugnis seiner Ehefrau angeboten. Deren Vernehmung würde jedoch einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen, da der Kläger nicht genügend Anknüpfungspunkte für seine Behauptung vorgetragen hat. Erforderlich wäre darüber hinaus weitergehender Vortrag, z. B. Vorlage des Terminkalenders und Darlegung, weswegen Termine nicht hätten verlegt werden können, Angaben zur genauen beruflichen Tätigkeit seiner Tochter und weswegen diese zwingend am 07.09.2011 wieder hätte arbeiten müssen etc..

27. Der Kläger hat gem. §§ 286, 288 BGB einen Anspruch auf Ersatz der gesetzlichen Verzugszinsen, da er mit anwaltlichem Schreiben vom 06.07.2011 die Beklagte wirksam unter Fristsetzung bis zum 18.07.2011 in Verzug gesetzt hat. Die geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten stellen jedoch keinen ersetzungsfähigen Verzugsschaden dar, weil sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts durch den Kläger nicht bereits in Verzug befunden hatte.

28. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger daher im Ergebnis nicht zu.

29. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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