Anmeldefrist für Gewährleistungsansprüche

BGH: Anmeldefrist für Gewährleistungsansprüche

Vorliegend buchte der Kläger mit seiner Ehefrau eine Flugpauschalreise, welche eine kombinierte Schiffs- und Mietwagenfahrt beinhaltete. Während dieser Reise rügte er den Zustand des Mietwagens und den Mangel an Informationen über die Reiseroute. Dies teilte er der Beklagten schriftlich mit und kündigte ein gerichtliches Vorgehen an, um Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.

Das Revisionsgericht entschied, dass es ausreichend ist, wenn der Kläger seine Rechte bereits während der Reise geltend macht und dadurch die gesetzliche Frist gewahrt ist. Außerdem ist es nicht nötig, diese nach Beendigung der Reise nochmals geltend zu machen.

BGH VII ZR 5/87 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 22.10.1987
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 22.10.1987, Az: VII ZR 5/87
OLG München, Urt. v. 25.11.1986, Az: 13 U 4490/86
LG München, Urt. v. 27.06.1986, Az: 29 O 13475/85
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Bundesgerichtshof

1.Urteil vom 22. Oktober 1987

Aktenzeichen VII ZR 5/87

Leitsatz:

2. Macht der Reisende bereits während der Reise Gewährleistungsansprüche geltend, muss er diese nicht nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise wiederholen, um seine Rechte zu wahren.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchten der Kläger und seine Ehefrau über ein Reisebüro bei der Beklagten eine Flugpauschalreise nach Kanada und Alaska mit kombinierter Schiffs- und Mietwagenfahrt für die Zeit vom 13. August bis 10. September 1984. Der Kläger war jedoch unzufrieden mit dem Zustand des Mietwagens und rügte den Mangel an Informationen über die Reiseroute. Dies teilte er auch noch während der Reise der Beklagten schriftlich mit und kündigte eine gerichtliche Auseinandersetzung an.

Das Berufungsgericht entschied, dass dem Kläger keine Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln der Pauschalreise zustehen, da er sie nicht innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise, sondern erst mit der am 28. Oktober 1985 zugestellten Klage geltend gemacht hatte. Die Klage gegen das K. Reisebüro und die unterstellte unverzügliche Benachrichtigung der Beklagten genügen nicht, weil der Inhaber des Reisebüros nicht Vertreter der Beklagten gewesen sei.

Das Revisionsgericht hingegen entschied anders. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gemäß §651g I BGB gewahrt, indem er der Beklagten schriftlich mitteilte, dass er nach der Rückkehr von der Reise gerichtlich gegen sie vorgehen werde. Das Gesetz verlangt mithin nicht, dass der Reisende, der bereits auf der Reise Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend gemacht hat, dies nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise wiederholt, um seine Rechte zu wahren.

 Tatbestand:

4. Der Kläger und seine Ehefrau buchten über ein Reisebüro in K. bei der Beklagten eine Flugpauschalreise nach Kanada und Alaska mit kombinierter Schiffs- und Mietwagenfahrt für die Zeit vom 13. August bis 10. September 1984. Der Reisepreis betrug insgesamt 16.784 DM.

5. Mit Schreiben vom 25. August 1984, welches der Beklagten am 4. September 1984 zuging, rügte der Kläger den Zustand des Mietwagens und einen Mangel an Informationen über die Reiseroute. Am Anfang des Schreibens heißt es:

„bereits heute weise ich Sie darauf hin, daß ich unmit­telbar nach Rückkehr von dieser Reise gerichtlich gegen Sie vorgehen werde, …“

und am Schluß:

„Sie wissen jetzt jeden­falls, was auf Sie zukommt, sobald wir unser Domizil wieder erreicht haben.“

6. Die Beklagte äußerte sich auf dieses Schreiben nicht. Angeblich verklagte der Kläger am 1. Oktober 1984 das Reisebüro wegen der Reisemängel.

7. Mit der am 17. Juli 1985 eingereichten, der Beklagten am 28. Oktober 1985 zugestellten Klage hat der Kläger  zugleich aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau  8.392 DM (= 50% des Reisepreises) nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat eine Versäumung der einmonatigen Ausschlußfrist (§ 651g Abs. 1 BGB) eingewandt und die Einrede der Verjährung erhoben. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen; das Berufungsurteil ist veröffentlicht in NJW-​RR 1987, 369. Mit der  zugelassenen  Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe:

8. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß dem Kläger Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln der Pauschalreise nicht mehr zustünden, weil er sie nicht innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise, sondern erst mit der am 28. Oktober 1985 zugestellten Klage geltend gemacht habe. Die Klage gegen das K. Reisebüro und die unterstellte unverzügliche Benachrichtigung der Beklagten genügten nicht, da der Inhaber des Reisebüros nicht Vertreter der Beklagten gewesen sei.

9. Das bereits auf der Reise an die Beklagte gerichtete Schreiben mit Rüge verschiedener Mängel und Ankündigung gerichtlichen Vorgehens nach Heimkehr habe die Einhaltung der Frist des § 651g Abs. 1 BGB nicht entbehrlich gemacht. Zwar habe der Kläger in seinem Schreiben bereits ein gerichtliches Vorgehen angekündigt und damit kaum eine Abhilfe durch den Reiseveranstalter bezweckt. Es sei aber nicht ausgeschlossen erschienen, daß er bei ruhiger Abwägung nach Rückkehr von der Reise die Mängel nicht mehr als so schwerwiegend empfinden und von einer Klage absehen würde. Es sei nicht unbillig, von einem Reisenden, der bereits während der Reise Mängel gerügt und ein gerichtliches Vorgehen gegen den Reiseveranstalter angekündigt habe, zu verlangen, innerhalb eines Monats nach Beendigung der Reise wenigstens pauschal unter Bezugnahme auf die vor Ort erhobene Mängelrüge ausdrücklich Gewährleistungsansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend zu machen und damit unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß er die gerügten Mängel nach wie vor als schwerwiegend empfinde. Daran habe es hier gefehlt.

10. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

11. Hat der Kläger, wie er behauptet, innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise, also bis zum 10. Oktober 1984, Klage gegen das K. Reisebüro erhoben, so hat er zwar damals den falschen Schuldner für seine Gewährleistungsansprüche verklagt. Zugleich hat er dann aber durch Zustellung der Klageschrift das Reisebüro davon unterrichtet, daß er Ansprüche wegen Mängeln der bei ihm gebuchten Reise geltend mache (zu Prozeßhandlungen als privatrechtlichen Willenserklärungen vgl. Senatsurteile BGHZ 68, 38, 41; 88, 174, 176).

12. Für diese Mitteilung war der Inhaber des Reisebüros entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Empfangsvertreter der Beklagten. Denn Reisebüros, die wie hier von einem Reiseveranstalter ständig mit der Vermittlung von Vertragsschlüssen betraut sind, üben Handelsvertretertätigkeit im Sinne der §§ 84ff. HGB aus (vgl. BGHZ 62, 71, 73; 82, 219, 221). Gemäß § 91 Abs. 2 HGB gelten sie dann auch ohne Abschlußvollmacht als ermächtigt, Erklärungen für den Geschäftsherrn entgegenzunehmen, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht. Daher ist nicht nur eine Filialagentur des Reiseveranstalters, sondern auch das selbständige Reisebüro in der Regel ermächtigt, für den Reiseveranstalter die Erklärung des Reisenden entgegenzunehmen, er mache Gewährleistungsansprüche geltend (so auch LG Frankfurt NJW 1985, 1167, 1168; LG Hannover NJW-​RR 1987, 177; Tonner, Der Reisevertrag, 2. Aufl., § 651g Rdn. 9; Tempel NJW 1987, 1532, 1533; Jauernig/Teichmann, BGB 4. Aufl., § 651g Rdn. 1; a.A. OLG Frankfurt MDR 1982, 752; Bartl, Reiserecht, 2. Aufl., Rdn. 106; Löwe in MünchKomm, BGB § 651g Rdn. 9; Staudinger/Schwerdtner, BGB 12. Aufl., § 651g Rdn. 10 m.w.N.; Palandt/Thomas, BGB 46. Aufl., § 651g Anm. 1a).

13. Es nimmt für den Reiseveranstalter Aufgaben wahr, für deren Erledigung er sonst durch eine eigene, kostenträchtige Betriebsorganisation zu sorgen hätte und schuldet ihm demgemäß die umgehende Weitergabe einer Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen. Damit ist dem berechtigten Interesse des Reiseveranstalters an alsbaldiger Unterrichtung von auf ihn zukommenden Ansprüchen Genüge getan, welchem die verhältnismäßig kurze Anmeldefrist des § 651g Abs. 1 BGB Rechnung trägt (vgl. Senat BGHZ 90, 363, 367).

14. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei klargestellt, daß das alles nur für die Anmeldung der Ansprüche nach Beendigung der Reise gem. § 651g Abs. 1 BGB gilt, nicht aber für Mängelanzeige und Abhilfeverlangen am Urlaubsort gem. §§ 651c Abs. 2, 3; 651d Abs. 2 BGB. Die Rüge am Urlaubsort soll dem Reiseveranstalter vor allem Gelegenheit geben, vorhandene Mängel abzustellen (Senatsurteil BGHZ 90, 363, 367/368). Dann aber muß sie so bald wie möglich beim Reiseveranstalter selbst oder bei dessen Vertretern vor Ort angebracht werden. Für solche Rügen ist daher nach dem mit ihnen verfolgten besonderen Zweck das Reisebüro, bei dem die Reise lediglich gebucht worden ist, in keinem Fall der richtige Adressat.

15. Nach dem Vortrag des Klägers hat das K. Reisebüro die in der Klageerhebung ihm gegenüber liegende Anmeldung der Gewährleistungsansprüche unverzüglich an die Beklagte weitergegeben. Es ist jedoch nicht erforderlich, die dazu fehlenden Feststellungen nachzuholen. Die Revision hat nämlich schon aus den nachstehenden Gründen Erfolg.

16. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 25. August 1984 die Frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gemäß § 651g Abs. 1 BGB gewahrt. Er hat darin der Beklagten eindeutig und vorbehaltlos mitgeteilt, daß er nach Rückkehr von der Reise Ansprüche aus bestimmten Mängeln gegen sie einklagen werde. Damit hat er den gesetzlichen Erfordernissen der Anspruchswahrung genügt.

17. Der Kläger hat seinen Gewährleistungsanspruch vor Ablauf der gesetzlichen Frist, also vor dem 10. Oktober 1984, angemeldet. Sein Schreiben ist der Beklagten am 4. September 1984 zugegangen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso OLG Düsseldorf NJW 1985, 148) verlangt das Gesetz nicht, daß der Reisende, der bereits auf der Reise Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend gemacht hat, dies nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise wiederholt, um seine Rechte zu wahren. Die Bestimmung „innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise“ bedeutet nichts anderes als eine Bestimmung der Dauer und des Ablaufs der Ausschlußfrist. Sie gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem der Reisende seinen Anspruch spätestens angemeldet haben muß, will er ihn nicht verlieren. Weder die Entstehungsgeschichte noch der Zweck der Bestimmung rechtfertigen zu Lasten des Reisenden die Einschränkung, dieser könne nur innerhalb des bezeichneten Monats seine Rechte wahren.

18. Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags, der das Reisevertragsgesetz vom 4. Mai 1979 entworfen hatte, hat in seinem Bericht (BT-​DS 8/2343 S. 11) auf § 21 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über den Reiseveranstaltungsvertrag (BT-​DS 8/786 S. 8,32) und auf dessen Begründung verwiesen. § 21 E hatte vorgesehen, daß der Reisende Ansprüche … innerhalb eines Monats … geltend zu machen habe (Satz 1); die Frist beginne mit dem Tag, an dem die Reise nach dem Vertrag enden sollte, oder  bei späterer Beendigung  am Tag der tatsächlichen Beendigung der Reise (Satz 2). Satz 3 lautete wie der heutige § 651g Abs. 1 Satz 2 BGB. In der Begründung heißt es, die Bestimmung sehe vor, daß der Reisende Ansprüche … spätestens einen Monat nach Beendigung der Reise geltend zu machen habe; … die Frist beginne mit dem Tage zu laufen, an dem die Reise nach dem Vertrag enden sollte; dieser Fristbeginn sei auch dann maßgebend, wenn der Reisende die Reise vorzeitig abbreche oder gar nicht antrete (aaO S. 32).

19. Den Verfassern des Regierungsentwurfs ging es demnach allein darum, den Zeitpunkt festzulegen, bis zu dem der Reisende Gewährleistungsansprüche geltend zu machen hat. Nichts deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber mit seiner gegenüber § 21 E kürzeren Fassung des § 651g Abs. 1 BGB nicht nur das Ende der Anmeldefrist hat bestimmen, sondern mit den Worten „innerhalb eines Monats“ allein diesen Zeitraum einer wirksamen Anspruchswahrung hat vorbehalten wollen. Vielmehr spricht der Umstand, daß die Frist immer mit dem vertraglich vorgesehenen Ende der Reise beginnt, auch wenn diese früher beendet oder gar nicht erst angetreten wird, dafür, daß es dem Gesetzgeber allein darum gegangen ist, zugunsten des Reiseveranstalters im Regelfall sicherzustellen, daß dieser bis zu dem genannten Zeitpunkt von Gewährleistungsansprüchen des Reisenden erfährt.

20. Eine einengende Auslegung der gesetzlichen Bestimmung, wie sie das Berufungsgericht in vermeintlicher Übereinstimmung mit dem Senat (BGHZ 90, 363) vornimmt, läßt sich auch nicht aus einer Gesamtschau des Reisevertragsrechts, insbesondere aus der Interessenlage der Beteiligten herleiten. Ein schutzwürdiges Interesse des Reiseveranstalters, erst nach vertraglich vorgesehener Beendigung der Reise (noch einmal) davon in Kenntnis gesetzt zu werden, daß der Reisende Gewährleistungsansprüche geltend macht, ist nicht zu erkennen.

21. Zwar muß bei den Erklärungen des Reisenden deutlich zwischen einer Mängelrüge oder einem Abhilfeverlangen gemäß §§ 651c und d BGB und der Erhebung von Ansprüchen wegen der gerügten Reisemängel nach § 651g Abs. 1 BGB unterschieden werden. Während  wie ausgeführt  die Anzeige am Urlaubsort dem Reiseveranstalter vor allem Anlaß und Gelegenheit geben soll, vorhandene Mängel abzustellen, bezweckt die rechtzeitige Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen, dem Reiseveranstalter Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Reiseleistungen und bei der Durchsetzung von Regreßansprüchen gegen Leistungsträger möglichst zu ersparen (Senat BGHZ 90, 363, 367/368 m.N.). Wie es aber wegen dieses Unterschiedes nicht notwendig ist, daß der Reiseveranstalter erst nach dem Ende der Reise erfährt, wegen welcher Mängel der Reisende Ansprüche erhebt (Senat aaO 368/369), so erscheint es auch nicht in seinem berechtigten Interesse erforderlich, erst danach verbindlich zu erfahren, daß der Reisende Ansprüche geltend macht (ebenso Tonner aaO Rdn. 11, noch weitergehend Rdn. 12). Vielmehr setzt ihn eine möglichst frühe Kenntnis von ernstlichen Ansprüchen des Reisenden umso eher in den Stand, die Berechtigung der zur Anspruchsbegründung angeführten Mängel zu überprüfen und Regreßansprüche abzusichern (vgl. Senat aaO 370).

22. Allerdings muß der Reisende, der bereits auf der Reise in Verbindung mit der Beanstandung erheblicher Reisemängel Gewährleistungsansprüche geltend machen will, dies dem Reiseveranstalter eindeutig und vorbehaltlos mitteilen. Eine Mängelanzeige mit dem bloßen Vorbehalt von Gewährleistungsansprüchen, etwa falls nicht Abhilfe geschaffen werde, genügt für die Anspruchswahrung nicht. Denn nicht aus jedem am Urlaubsort gerügten Mangel werden nach Beendigung der Reise Ansprüche abgeleitet, sei es weil der Reisende sich mit Abhilfemaßnahmen zufrieden gibt, sei es weil er den Mangel hinterher nicht mehr als so schwerwiegend empfindet (Senat aaO 369). Andererseits kann für die Anspruchsanmeldung nicht eine Formulierung gefordert werden, die es ausgeschlossen erscheinen läßt, daß der Reisende seine Ansprüche fallen lasse oder von einer angekündigten Klage Abstand nehme. Solche abstrakten Erwägungen vermögen einer eindeutigen Willenserklärung des Reisenden nicht ihre Bedeutung und Ernstlichkeit zu nehmen. Folgerichtig müßte sonst die Wirksamkeit jeder Anspruchsanmeldung in Zweifel gezogen werden, weil es niemals auszuschließen ist, daß ein Gläubiger seinen geltendgemachten Anspruch nicht mehr weiterverfolgt oder seine Klage zurücknimmt (vgl. Tempel aaO).

23. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wäre es daher unbillig und eine nicht gebotene Förmelei (vgl. Senatsurteil BGHZ 88, 174, 180 zu § 651g Abs. 2 Satz 3 BGB), von einem Reisenden, der bereits während der Reise Mängel gerügt und ein gerichtliches Vorgehen gegen den Reiseveranstalter eindeutig und vorbehaltlos angekündigt hat, zu verlangen, dies nach der Rückkehr binnen eines Monats zu wiederholen (so auch Tempel aaO und NJW 1985, 149).

24. Das Schreiben des Klägers vom 25. August 1984 enthält eine derart eindeutige und vorbehaltlose Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen.

25. Anfang und Schluß seines Schreibens lassen keinen Zweifel daran, daß der Kläger fest entschlossen war, unmittelbar nach seiner Rückkehr gegen die Beklagte gerichtlich vorzugehen. Nach Schilderung des Straßenzustands, der Autobereifung, des Fehlens jeder Pannenhilfe oder Information und anderer Reisemängel ging er davon aus, daß die Beklagte nun wisse, was nach seiner Rückkehr auf sie zukomme. Irgendeinen Vorbehalt weist das Schreiben nicht auf.

26. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, konnte hier die umfangreiche Mängelrüge kaum als Abhilfeverlangen verstanden werden, denn Abhilfe kam hier den Umständen nach gar nicht in Betracht. Vielmehr ging es ersichtlich allein um eine Begründung der angekündigten Klage. Das Schreiben konnte daher von der Beklagten verständigerweise nur als Anspruchsanmeldung verstanden werden.

27. Eine rechtliche Einordnung oder Bezifferung der geltendgemachten Ansprüche ist nicht erforderlich (so auch Bartl aaO Rdn. 107; Löwe aaO Rdn. 12; Tonner aaO Rdn. 5; unklar Staudinger/Schwerdtner aaO Rdn. 14).

28. Der Klageanspruch ist auch nicht verjährt.

29. Die Beklagte hat sich auf die wirksame Anspruchsanmeldung nicht geäußert. Sie hat es versäumt, die Gewährleistungsansprüche zurückzuweisen, wenn sie sie schon nicht befriedigen wollte. Infolgedessen war die Verjährung bis zur Klageerhebung gehemmt (§ 651g Abs. 2 Satz 3 BGB). Erstmals mit der Klageerwiderung ist die Beklagte den Ansprüchen des Klägers entgegengetreten.

30. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches nunmehr die Berechtigung des Klageanspruchs zu prüfen haben wird.

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