Haftung für Gepäckverlust und Mitverschulden

AG Baden-Baden: Haftung für Gepäckverlust und Mitverschulden

Ein Fluggast nahm eine Luftfahrtgesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch, aufgrund dem Abhandenkommen on Schmuck auf dem gebuchten Flug.

Das Amtsgericht Baden-Baden wies die Klage zurück und entschied, dass der Klägerin aufgrund von Mitverschulden kein Schadensersatz zusteht.

AG Baden-Baden 6 C 58/98 (Aktenzeichen)
AG Baden-Baden: AG Baden-Baden, Urt. vom 28.07.1999
Rechtsweg: AG Baden-Baden, Urt. v. 28.07.1999, Az: 6 C 58/98
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Amtsgericht Baden-Baden

1. Urteil vom 28.07.1999

Aktenzeichen:6 C 58/98

Leitsätze:

2. Flugreisende, welche wertolle Gegenstände, wie zu Beispiel Schmuck, nicht im persönlichen Gewahrsam mit sich führen wollen, trifft im Falle eines Gepäckverlustes der Vorwurf einer groben Sorgfaltspflichtverletzung.

Dem Reisenden ist in solchen Fällen ein die Haftung des Luftfrachtführers vollständig ausschließendes Mitverschulden zuzurechnen.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte ein Fluggast bei einem Luftfahrtunternehmen eine Flugreise. Den wertvollen Schmuck geringen Umfangs den sie bei sich führte gab sie als Reisegepäck auf und nahm es nicht im Handgepäck mit. Während des Fluges kam der Schmuck abhanden.

Die Klägerin begehrt einen Schadensersatz für den abhanden gekommenen Schmuck.

Das Amtsgericht Baden-Baden wies die Klage zurück und entschied, dass der Klägerin kein Schadensersatz aufgrund von Mitverschulden zusteht. Das Luftfahrtunternehmen hat den ihr nach Art. 20 Warschauer Abkommen oder § 651 f Abs. 1 BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Allerdings steht dem Anspruch der Klägerin ein Mitverschulden der Klägerin entgegen, welches zu einem Haftungsausschluss der Beklagten führt. Das Mitführen von wertvollen Schmuckstücken stellt einen groben Verstoß gegen die zu beachtende Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten dar, wenn wertvolle Schmuckstücke geringen Umfangs in Reisegepäck, anstelle im Handgepäck oder sicher verwahrt in persönlichen Gewahrsam des Reisenden mitgeführt werden.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

7. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Zwar besteht dem Grunde nach eine Haftung der Beklagten für den eingetretenen Schaden der Klägerin, wobei dahingestellt bleiben kann, ob insoweit als Anspruchsgrundlage Art. 18 des Warschauer Abkommens, oder falls der Schmuck auf dem Transportweg von F nach L abhanden gekommen sein sollte, § 651 f BGB als Anspruchsgrundlage die Haftung der Beklagten begründet. In jedem Fall hat die Beklagte den ihr nach Art. 20 Warschauer Abkommen oder § 651 f Abs. 1 BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch ein Mitverschulden der Klägerin entgegen, welches zu einem Haftungsausschluss der Beklagten führt. Die Klägerin hat dadurch, dass sie die Schmuckgegenstände im nach eigenem Vortrag Werte von mindestens 4.600,00 DM im Reisegepäck befördert hat, die in eigenen Angelegenheiten zu beachtende Sorgfalt so erheblich verletzt, dass damit das Verschulden der Beklagten als Luftfrachtführer oder Reiseveranstalter vollständig verdrängt wird. Bei dem heutigen Masseflugreisenverkehr muss der Reisende stets mit der Möglichkeit des Verlustes von aufgegebenem Reisegepäck rechnen. Von daher stellt es einen groben Verstoß gegen die zu beachtende Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten dar, wenn wertvolle Schmuckstücke geringen Umfangs in Reisegepäck, anstelle im Handgepäck oder sicher verwahrt in persönlichen Gewahrsam des Reisenden mitgeführt werden. Das Verschulden der Klägerin überwiegt insbesondere deshalb, da es für die Klägerin einen geringen Aufwand dargestellt hätte und es ihr auch zumutbar gewesen wäre, die Schmuckstücke in ihrem persönlichen Gewahrsam während der Rückreise zu transportieren, und diese nicht im Reisegepäck aufzubewahren. Dem Umstand, dass gerade das Reisegepäck einem besonderen Verlustrisiko ausgesetzt ist, trägt auch die in den Reiseunterlagen der Beklagten enthaltene Bestimmung Rechnung — unabhängig von der Frage, ob diese im vorliegenden Fall der Klägerin ausgehändigt wurden –, wonach darauf hingewiesen wird, dass Wertgegenstände nicht in das aufgegebene Gepäck, sondern ins Handgepäck gehören. Auch die Regelung in den allgemeinen Bedingungen für die Reisegepäckversicherung (§ 1 Nr. 4 AVBR) macht den Rechtsgedanken deutlich, dass für den Verlust von Schmucksachen nur unter ganz engen Voraussetzungen gehaftet wird. Natürlich sind die allgemeinen Bedingungen für die Reisegepäckversicherung im vorliegenden Falle nicht anwendbar. Aus ihnen wird jedoch der Rechtsgedanke deutlich, dass zur Erhaltung des Versicherungsschutzes für den Verlust von Schmucksachen den Versicherten strenge Sorgfaltspflichten in eigenen Angelegenheiten treffen. Nach den vorgenannten Regelungen sind Schmucksachen nur versichert, so lange sie entweder bestimmungsmäßig getragen oder benutzt werden oder in persönlichem Gewahrsam sicher verwahrt mitgeführt werden oder — dies entspricht von der Vergleichbarkeit her dem vorliegenden Falle — in einem verschlossenen Behältnis untergebracht sind, welches erhöhte Sicherheit auch gegen die Wegnahme des Behältnisses selbst bietet, was bei der Unterbringung von Schmucksachen in einem Reisekoffer nicht zu bejahen ist (vgl. Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rn. 673, Seite 644).

8. Der Einwand der Klägerin, auch das Handgepäck wäre zeitweise dem freien Zugriff Dritter ausgesetzt gewesen, wenn sie sich beispielsweise auf die Flugzeugtoilette begäbe oder während des Fluges schliefe, ist nicht überzeugend. Gerade bei Schmuckstücken erheblichen Wertes und geringen Umfanges wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, die Schmuckstücke — was bei Bargeld im übrigen selbstverständlich ist — in persönlichem Gewahrsam bei sich zu führen.

9. Aufgrund des überwiegenden Verschuldens der Klägerin (Art. 21 Warschauer Abkommen, § 254 BGB) ist sie mit ihrem Schadensersatzanspruch ausgeschlossen.

10.  Dahingestellt bleiben kann deshalb, ob ein Anspruch der Klägerin nicht auch aus anderen Gründen (keine rechtzeitige Anspruchsanmeldung, falls der Beklagten der Nachweis gelänge, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kläger vor Reiseantritt ausgehändigt wurden; Frage, ob der Schmuck tatsächlich entwendet wurde; Gesamtgewicht des Gepäcks oder das Gewicht der entwendeten Gegenstände für die Haftungssumme maßgebend) nicht gegeben wäre.

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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