Verstorbener Reiseteilnehmer ist kein Reisemangel

AG Bonn: Verstorbener Reiseteilnehmer ist kein Reisemangel

Die Teilnehmerin einer Pauschalreise tritt verfrüht die Rückreise an, weil sie sich durch den Tod eines anderen, ihr unbekannten, Reiseteilnehmers nicht in der Lage sieht den Urlaub weiterhin zu genießen.
Im Nachhinein fordert sie vom Veranstalter eine Übernahme der Rückreisekosten.

Das Amtsgericht Bonn hat die Forderung der Klägerin abgewiesen. Durch das Ableben eines ihr unbekannten Mitreisenden sei kein rechtlich nachvollziehbarer Grund zum Abbruch der Reise gegeben.

AG Bonn 16 C 53/06 (Aktenzeichen)
AG Bonn: AG Bonn, Urt. vom 24.08.2006
Rechtsweg: AG Bonn, Urt. v. 24.08.2006, Az: 16 C 53/06
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Bonn

1. Urteil vom 24.08.2006

Aktenzeichen: 16 C 53/06

Leitsatz:

2. Verstirbt während einer Urlaubsreise ein Reiseteilnehmer, so ist dies kein Reisemangel, welche für die anderen Reiseteilnehmer Schadensersatzansprüche begründen könnte.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, eine Urlaubsreise nach Norwegen. Während dieser Urlaubsreise kam ein Reiseteilnehmer ums Leben. Die Klägerin, welche selbst nicht betroffen war, von diesem Todesfall, verlangte nach dem Ereignis von der Beklagten einen früheren Rückflug in die Heimat.
Da bei der Klägerin kein Hindernis festgestellt werden konnte, welches sie an der Fortsetzung der Urlaubsreise hindern könnte, versprach die Beklagte keine Rückreisekostenübernahme.

Die Klägerin begehrte gerichtlich nach der Rückreise die Erstattung der Rückreisekosten.
Das Amtsgericht Bonn hat der Klägerin die Rückreisekostenrückerstattung jedoch nicht zugesprochen. Die Beklagte organierte zwar die verfrühte Rückreise und nahm den Wunsch der Kostenübernahme auf, bestätigte diesen aber zu keiner Zeit.
Gemäß § 670 BGB sind der Resiseteilnehmerin derartige Aufwendungen zu ersetzen, die sie den Umständen nach für erforderlich hielt.

Vorliegend konnte das Gericht jedoch keine ausreichenden Gründe feststellen, warum die Klägerin nicht weiter an der Reise teilgenommen hat.
In der Folge wurde ihr der Anspruch auf die Rückreisekosten verwehrt.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 211,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2005 auf einen Betrag von 184,93 Euro sowie seit dem 10.3.2003 auf einen Betrag von 26,39 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Ohne Tatbestand gem. 313 a Abs. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

7. Der Kläger kann von der Beklagten Erstattung der von ihm gemachten Aufwendungen für den Rückflug der Beklagten am 4.8.2005 von O nach E in Höhe von 184,93 Euro aus dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes nach Auftrag gem. § 670 BGB verlangen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten mit Fax vom 3.8.2005 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für die außervertragsgemäßen Kosten der Rückreise nicht aufkomme. Zwar hat die Beklagte die Kläger unstreitig darauf hingewiesen, dass ein kostenfreier Rücktransport mit dem Flugzeug erwartet werde. Ein solcher Rücktransport ist dann anschließend vom Kläger auch organisiert worden. Eine Kostenfreiheit diesbezüglich hat der Kläger der Beklagten aber nicht zugesichert. Im Hinblick auf das Fax des Klägers vom 3.8.05 konnte die Beklagte auch nicht damit rechnen, dass der Kläger die entsprechenden Kosten übernahm, wenn er dies nicht ausdrücklich bestätigte. Wenn die Beklagte den Kläger also beauftragte, die entsprechende Flugreise für sie zu buchen, liegt hierin ein Auftrag im Sinne der §§ 662 ff BGB für den der Kläger mangels abweichender Vereinbarung der Parteien Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB verlangen kann.

8. Die hiergegen von der Beklagten eingebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Der Beklagten stand zum einen kein Kündigungsrecht gem. § 651 e BGB zu, das zur Folge gehabt hätte, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, die Beklagte kostenfrei zurück zu befördern. Denn die Reise war nicht Mängel behaftet im Sinne von § 651 c BGB. Durch den unstreitigen Steinschlag ist die Beklagte selbst körperlich nicht beeinträchtigt worden. Objektiv gesehen war die Fortsetzung der Reise möglich. Die Fortsetzung der Reise war der Beklagten auch nicht unzumutbar im Sinne von § 651 e Abs. 1 Satz 2 BGB. Unzumutbarkeit im Sinne der genannten Vorschrift stellt nicht auf die objektive Erheblichkeit der Beeinträchtigung ab sondern darauf, dass die Fortsetzung der Reise gerade den betreffenden Reisenden wegen eines in seiner Person liegenden Umstandes unzumutbar ist. Mängel in der Person der Beklagten lagen aber nicht vor. Die seelische Beeinträchtigung, die auf Seiten der Beklagten zweifellos vorlag, stellt kein Kriterium der Unzumutbarkeit im Sinne von § 651 e Abs. 1 Satz 2 BGB dar.

9. Die Beklagte war auch nicht berechtigt, den Reisevertrag gem. § 651 j BGB zu kündigen. Zwar stellte der Unfall, der den Tod der Reisenden Frau L zur Folge hatte, sicherlich höhere Gewalt im Sinne von § 651 j BGB dar. Als Folge dieser höheren Gewalt wurde die Fortsetzung der Reise jedoch weder erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt. Denn die Fortsetzung der Reise war objektiv gesehen ohne jede weitere Beeinträchtigung möglich.

10. Der Forderung des Klägers steht auch keine anderweitige Vereinbarung zwischen den Parteien entgegen. Zwar hat unstreitig die Beklagte gegenüber dem Kläger einen kostenlosen Rücktransport gefordert. Ausdrücklich hat der Kläger dieser Forderung der Beklagten niemals zugestimmt. Im Hinblick auf das Fax des Klägers vom 3.8.2005 konnte die Beklagte auch nicht damit rechnen, dass der Kläger den Rücktransport tatsächlich kostenlos durchführte. Wenn sie dann den Kläger mit der Organisation des Rücktransports beauftragte, besteht ein Anspruch des Klägers gem. § 670 BGB.

11. Ersparte Aufwendungen auf Klägerseite, die der Forderung des Klägers entgegen gehalten werden könnten, sind von Beklagtenseite nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Unstreitig ist die Beklagte nach dem Vorfall, obwohl zwischen den Parteien lediglich auf einem Campingplatz vereinbart war, in einem Hotel untergebracht worden.

12. Die Beklagte selbst hat diese Kosten offensichtlich nicht gezahlt. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass diese von der Polizei gezahlt worden sind. Vernünftiger Weise können sie nur von dem Kläger als Reiseveranstalter übernommen worden sein. Im Hinblick hierauf hat der Kläger überobligationsmäßige Leistungen erbracht. Es ist nicht erkennbar, in wie weit dem Kläger im Hinblick auf diese überobligationsmäßigen Leistungen durch die frühzeitige Beendigung des Reisevertrages Kosten erspart worden sind.

13. Zinsen und geltend gemachte außergerichtliche Anwaltskosten, die der Höhe nach unstreitig sind, sind aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gem. § 286, 288 BGB gerechtfertigt.

14. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 11, 713 ZPO.

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