Zwischenstopp kein weiterer Erfüllungsort
AG Berlin -Wedding: Zwischenstopp kein weiterer Erfüllungsort
Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch. Der Fluggast buchte einen Direktflug von Frankfurt nach Miami mit lediglich einen Zwischenstopp in New York. Nachdem der Weiterflug mehrfach verschoben und im Anschluss gestrichen wurde, buchte der Reisegast eigenständig einen neuen Direktflug zum Ankunftsort. Die Beklagte ist der Meinung für die entstandenen Kosten nicht zu haften, weil es sich um einen außergewöhnlichen Umstand handelt.
Das Gericht entschied die Klage zu zulassen und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen. Der Weiterflug wurde annulliert, womit dem Fluggast eine Entschädigung zu steht.
AG Berlin-Wedding | 18 C 180/09 (Aktenzeichen) |
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AG Berlin-Wedding: | AG Berlin-Wedding, Urt. vom 15.02.2010 |
Rechtsweg: | AG Berlin-Wedding, Urt. v. 15.02.2010, Az: 18 C 180/09 |
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Leitsatz:
2. Bucht ein Reisegast einen Direktflug, so kann dieser nicht mehrere Zwischenstopps beinhalten.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger eine Flugreise bestehend aus Hin- und Rückflug von Frankfurt am Main nach Miami. Dieser Flugreise beinhaltete lediglich ein Zwischenstopp in New York. Auf dem Flughafen New York wurde der Weiterflug nach Miami mehrfach verschoben und schließlich auf den Folgetag verlegt. Dieser Flug am Folgetag sollte aber nicht wie von den Klägern gebucht ein Direktflug nach Miami ist, sondern sollte eine erneute Zwischenlandung in Atlanta beinhalten. Der Kläger war damit nicht einverstanden und buchte selber einen Weiterflug nach Miami von New York aus ohne Zwischenlandung. Der Kläger erhebt nun Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung von der Beklagte, welche die Flugreise durchgeführt hat.
Die Beklagte ist der Meinung, dass das Gericht in Berlin nicht zuständig sei, da sie ein amerikanisches Flugunternehmen mit Hauptsitz in den USA sei. Des Weiteren seien die Flugverspätungen auf außergewöhnliche Umstände zurück zu führen und sie seien daher nicht schadensersatzpflichtig.
Das Gericht entschied der Klage stattzugeben.
Es handelt sich zwar um eine amerikanische Fluglinie, aber der Flug sei in Berlin gestartet, womit auch das Gericht in Berlin zuständig sei. Des Weiteren sei hier auch die Fluggastverordnung anwendbar, da der Abflugort in einem EU- Mitgliedstaat liegt. Der Direktflug von New York nach Miami war nicht nur verspätet, sondern wurde schließlich annulliert und der Kläger einem andren Flug zugeteilt. Dem Kläger steht somit eine Reisepreisminderung zu.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) bis 3) jeweils 400,– Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. April 2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die jeweilige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in der jeweiligen Höhe leisten.
Tatbestand:
5. Die Kläger buchten am 07.10.2008 über das in G. ansässige Reisebüro „…“ unter anderem eine Flugreise von Berlin nach Miami (und zurück), über die sich eine schriftliche Buchungsbestätigung vom 07.10.2008 verhält. Wegen dieser Bestätigung und die entsprechenden Flugtickets wird auf die Anlagen K 1 – 3, Blatt 6 bis 9 der Akte Bezug genommen. Flug und Rückflug sollten jeweils unter Vornahme einer Zwischenlandung in New York erfolgen.
6. Bei dem – komplett durch die Beklagte durchgeführten – Hinflug wurde der für 19:30 Uhr bestimmte Weiterflug von New York nach Miami zunächst mehrfach zeitlich verschoben und dann endgültig auf den nächsten Tag umgebucht, wobei nunmehr kein Direktflug nach Miami erfolgen, sondern eine Zwischenlandung in Atlanta eingeschoben werden sollte. Die Kläger buchten daraufhin auf eigene Initiative hin einen eigenen unmittelbar nach Miami führenden Weiterflug.
7. Sie machen eine Entschädigung gemäß der VO (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: „VO Nr. 261“) in Höhe von je 400,00 Euro geltend, zu der sie die Beklagte mit Schreiben vom 10.03.2009 unter Fristsetzung bis zum 31.03.2009 aufforderten (vgl. Blatt 12 bis 15 der Akte).
wie erkannt.
die Klage abzuweisen.
10. Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts und vertritt die Auffassung, die Vorschriften der VO Nr. 261 seien vorliegend nicht anwendbar. Dies gelte zum einen, weil die Probleme erst bei der Zwischenlandung in New York aufgetreten seien und sie, die Beklagte, ihren Sitz und ihre Hauptniederlassung – unstreitig – in den Vereinigten Staaten von Amerika hat.
11. Sie vertritt die Auffassung, nicht Vertragspartnerin der Kläger geworden zu sein. Vielmehr habe das Reisebüro in G. den Klägern eine Gesamtheit von Reiseleistungen verschafft.
12. Sie behauptet, an dem Ausfall des Fluges treffe sie kein Verschulden, weil das Flugzeug aufgrund von nicht aus ihrer, der Beklagten, Sphäre stammender außergewöhnlicher Umstände nicht habe starten dürfen.
13. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
14. Das AG Wedding ist für die Entscheidung international und örtlich zuständig.
15. In diesem Zusammenhang kann zunächst dahinstehen, ob hierbei auf die Vorschriften der VO Nr. 261, aus denen die Kläger ihre vorliegend geltend gemachten Ansprüche herleiten, abzustellen ist oder – da es sich der Sache nach um einen internationalen Flug handelt – auf die Bestimmungen des Warschauer Abkommens (WA) oder des Montrealer Übereinkommens (MÜ).
16. Denn in allen Fällen ist dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Abflugort, hier Berlin-Tegel, befindet. Dies ist das AG Wedding.
17. Für die Ansprüche aus der VO Nr. 261 gilt dies gemäß den Ausführungen im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 09.07.2009 (C – 204/08), denen zufolge Ansprüche aus der genannten Verordnung sowohl bei dem Gericht am Ort des Abflugs als auch dem Ort der Ankunft geltend gemacht werden können (vgl. die nach Juris zitierte Entscheidung, Absätze Nr. 43 und 44).
18. Für aus dem WA und dem MÜ resultierende Ansprüche gilt dies, weil die in ihnen bestimmten – ausschließlichen – Gerichtsstände nach Art. 28 WA und Art. 33 MÜ unter anderem den „Bestimmungsort“ der Beförderung als ausschlaggebenden Ort bestimmen. Denn auch dies führt zu einer Maßgeblichkeit des hiesigen Gerichtsstandes, weil im Falle der Buchung eines Hin- und Rückfluges der Bestimmungsort der Ort ist, an dem der Reisende ursprünglich abgeflogen ist (vgl. Führich, Reiserecht, 5. Auflage, Rn. 1095; BayOLG NJW-RR 2001, 1258 (zu Warschauer Abkommen). Vorliegend haben die Kläger sowohl den Hinflug nach Miami als auch den Rückflug von dort nach Berlin einheitlich gebucht.
19. Auf den Abflugort Berlin ist in diesem Zusammenhang auch bezüglich der weiteren Beförderung von New York aus nach Miami auszugehen, weil die Kläger bei der Beklagten einheitlich einen Direktflug nach Miami mit einer von der Beklagten – offensichtlich aus wirtschaftlichen Gründen – durchgeführten Zwischenlandung in New York gebucht haben (vgl. zu diesem Verständnis des Begriffs des Direktfluges: Schmid, Die Rechtsprechung zur Flugverspätung und zur Änderung von Flugrouten …, RRa 2005, 151 ff.; Schmid, Die Bewährung der neuen Fluggastrechte in der Praxis, NJW 2006, 1841 (1842)).
20. In solchen Fällen kann dem Luftfahrtunternehmen nicht zum Vorteil in Gestalt einer Nichtanwendung der VO (EG) Nr. 261/2004 gereichen, dass sie den – einheitlich gebuchten – Flug in mehrere Segmente aufteilt. Denn durch den Zwischenstopp wird auch kein weiterer Erfüllungsort begründet (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 09.07.2009 (C – 204/08) a. a. O., Absatz 40; auch Lehmann, Wo verklagt man Billigflieger wegen Annullierung, Überbuchung …, NJW 2007, 1500 (1502)).
21. An dieser auch von Schmid in RRa 2008, 202 (205) überzeugend vertretenen Auffassung hält das Gericht auch angesichts der neueren Rechtsprechung des BGHs jedenfalls in demjenigen Fall fest, in dem – wie hier – alle Beförderungen in Folge einer einheitlichen Buchung bei dem ausschließlich tätig werdenden durchführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden. Insofern unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Fall auch von dem durch den BGH entschiedenen Sachverhalt, in dem die Weiterbeförderung durch ein anderes Luftfahrtunternehmen vorgenommen werden sollte.
22. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen der Annullierung des Fluges von New York nach Miami zu, Art. 5 Abs. 3 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 261.
23. Der betreffende Flug wurde nicht nur verspätet durchgeführt, sondern komplett abgesagt, da eine Umbuchung auf einen verschiedenen, am nächsten Tag stattfindenden Flug mit einer anderen Flugroute (über Atlanta) erfolgen sollte. Dass die Kläger in diesen anderen Flug nicht in Anspruch nahmen, steht Ansprüchen wegen der Annullierung nicht entgegen. Denn von dem weiteren Verhalten des Flugreisenden ist ein Ausgleichsanspruch nach der VO Nr. 261 nicht abhängig.
24. Der klägerische Anspruch ist zu Recht gegen die Beklagte gerichtet, und zwar zumindest als ausführendes Luftfahrtunternehmen.
25. Zunächst ist festzustellen, dass die Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Reisevertrag mit dem Reisebüro … abgeschlossen haben. Zwar verhält sich die Buchungsbestätigung des Reisebüros nicht nur über den Flug mit der Beklagten nach Miami, sondern auch über eine Hotelreservierung und einen PKW-Anmietung. Aus der Buchung geht jedoch hervor, dass das Reisebüro nicht etwa als Veranstalter dieser Gesamtheit von Reiseleistungen aufgetreten ist, sondern lediglich die jeweiligen Reiseteile für die betreffenden Veranstalter vermittelt hat. Dies ergibt sich allein bereits aus dem letzten Absatz der Buchung, der lautet: „Wir vermitteln im Namen und auf Rechnung oben genannter Leistungsträger die aufgeführten Leistungen. Es gelten die Bedingungen der jeweiligen Reiseveranstalter“. Hierdurch wird deutlich, dass das Reisebüro – wie die Beklagte in Teilen ihrer Ausführungen selbst argumentiert (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 29.01.2010, Abschnitt II, letzter Absatz) – Maklerin beziehungsweise Vermittlerin der jeweiligen einzelnen Leistungen aufgetreten ist und gerade nicht als Veranstalter einer Gesamtheit von Reiseteilen. Das den Flug betreffende Vertragsverhältnis ist daher zwischen den Klägern und der Beklagten zu Stande gekommen.
26. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen ist. Als solches haftet sie bei Eingreifen der sonstigen Voraussetzungen der VO Nr. 261 unmittelbar (vgl. Weise, Konkurrenzen der VO (EG) Nr. 261/2004 …, TranspR 2006, 340 (342)).
27. Die Haftung der Beklagten als dem ausführenden Luftfahrtunternehmen gilt auch unabhängig davon, dass die Beklagte ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, mithin einem Land, das nicht zu den Mitgliedsstaaten gehört. Denn die Vorordnung gilt bereits für alle Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaates, das den Bestimmungen des Vertrages unterliegt, einen Flug antreten, Art. 3 Abs. 1 a) der VO Nr. 261. Die Kläger haben ihren einheitlich durch die Beklagte durchgeführten Flug in Berlin Tegel, mithin auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, einem Mitgliedstaat, angetreten.
28. Wie oben ausgeführt kommt es nicht darauf an, ob das Beförderungsproblem erst an einem außerhalb dieses Gebietes liegenden Ort aufgetreten ist. Denn es handelte sich bei der Landung in New York lediglich um eine Zwischenlandung, die den einheitlich nach Miami gebuchten Flug unterbrach und nicht eine neue Luftbeförderung von New York aus begründete. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Wertung als einheitliche oder in Abschnitte getrennte mehrere Luftbeförderungen von den vorgeschilderten Erwägungen hinsichtlich eines einheitlichen Erfüllungsortes abweichen sollten. Insofern ist der Fall auch mit einem Hin- und Rückflug nicht zu vergleichen, die jedenfalls gesondert zu behandeln sind (vgl. Palandt- Sprau, BGB, 69. Auflage, Einf v § 631, Rn 17 b).
29. Da der Flug annulliert wurde und mindestens 1500 km betrug, beläuft sich der klägerische Ausgleichsanspruch auf je 400,00 Euro, Art. 7 Abs. 1 b), Art. 5 Abs. 1 c) der VO Nr. 261.
30. Eine Verpflichtung zur Ausgleichszahlung ist auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 der VO Nr. 261 deshalb entfallen, weil die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen gewesen wäre, die auch unter Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeidbar gewesen wäre. Die Beklagte nicht dargetan, dass derartige außergewöhnliche, von ihr nicht zu beeinflussen Umstände vorlagen. Hierzu reicht der völlig pauschale Vortrag, sie habe wegen einer Anordnung der Flugaufsicht und damit aus nicht aus ihrer Sphäre stammenden Umständen nicht starten können, nicht aus. Denn es ist in keiner Weise erkennbar, welche Gründe konkret hinter einem eventuellen Startverbot standen.
31. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, der aufgrund erfolglosen Ablaufs der im klägerischen Aufforderungsschreiben vom 10.03.2009 bis zum 31.03.2009 gesetzten Frist eingetreten ist, §§ 286, 288 BGB.
32. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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