Wetterbedingter Ausfall einer Kilimandscharo-​Überschreitung

OLG Frankfurt: Wetterbedingter Ausfall einer Kilimandscharo-​Überschreitung

Die Kläger buchten bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Kenia-Reise. Bestandteil war eine Kilimandscharo-​Überschreitung. Im Zuge dessen sollten Übernachtungen im Krater des Kilimandscharo, sowie eine Gipfelbesteigung erfolgen. Dies konnte aufgrund von Dauerregen  nicht durchgeführt werden. Die Kläger begehren deswegen Reisepreisminderung.

In erster Instanz sprach das LG Frankfurt den Klägern jeweils Minderungsansprüche i.H.v. 60 % des Reisepreises zu. Auf die Berufung des Beklagten hin änderte das OLG Frankfurt den Anspruch auf 50 %.

OLG Frankfurt 16 U 66/99 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 09.12.1999
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 09.12.1999, Az: 16 U 66/99
LG Frankfurt, Urt. v. 02.03.1999, Az: 2/21 0 309/98
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Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 09.12.1999

Aktenzeichen 16 U 66/99

Leitsatz:

2. Bietet der Reisevereranstalter im Rahmen einer Reise einen Ausflug mit detailierten Ausführungen in der Reisebeschreibung an und kann der Ausflug so wie er beschrieben wurde aufgrund von Wetterverhältnissen nicht durchgeführt werden, so haftet der Veranstalter hierfür, sofern er in der Reisebschereibung auf eine evtl. wetterbedingten Ausfall hingewiesen hat.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger buchten bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Kenia-Reise. Bestandteil dieser Reise war eine Kilimandscharo-​Überschreitung. Im Zuge dessen sollten laut Reisebeschreibung zwei Übernachtungen im Krater des Kilimandscharo, sowie eine (optionale) Gipfelbesteigung erfolgen. Dies konnte indessen aufgrund von Dauerregen und Niesel nicht durchgeführt werden. Die Kläger begehren deswegen Reisepreisminderung vom Reiseveranstaler. Dieser weist eine evtl. Einstandspflicht mit dem Verweis auf das allgemeine Lebensrisiko von sich.

In erster Instanz sprach das LG Frankfurt den Klägern jeweils Minderungsansprüche i.H.v. 60 % des Reisepreises zu. Der Beklagte ging in Berufung. Das OLG Frankfurt sah die zugesprochenen 60 % als überhöht an und änderte die Quote auf 50 % des Reisepreises.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 1999 (Az.: 2/21 0 309/98) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an jeden der Kläger 4.399.– DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. März 1998 zu zahlen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten für die erste Instanz tragen die Kläger je 12,5 % und die Beklagte 75 % selbst.

Von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen die Beklagte 75 % und die Kläger 25 % selbst.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten für die zweite Instanz tragen die Kläger je 8,5 % und die Beklagte 83 % selbst.

Von den zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen die Beklagten 83 % und die Kläger 17 % selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger sind jeweils mit 879,80 DM, die Beklagte ist mit 8.798.– DM beschwert.

 

Tatbestand:

5. Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe:

6. Die zulässige Berufung ist nur zum geringeren Teil begründet.

7. Zutreffend hat das Landgericht den Klägern einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises zugebilligt (§ 651d Abs. 1 BGB). Der Senat bemisst die Minderung – anders als das Landgericht – auf 50 % des für die Berechnung maßgebenden Reisepreises von je 8.798.– DM, so dass jedem der Kläger 4.399.– DM zuzusprechen sind.

8. Der Leistungsinhalt der von der Beklagten geschuldeten Leistung ergibt sich aus der Anlage zum Schreiben der Firma … an die Kläger vom 20. Mai 1997, mit dem deren Anmeldung vorgemerkt wurde. Mit Schreiben vom 30. Juni 1997 teilte die Firma … den Klägern mit, dass ihre Anmeldung an die Beklagte weitergeleitet worden sei; diese werde den Klägern die „offizielle Bestätigung“ zukommen lassen, was unter dem 8. Oktober 1997 auch geschah.

9. In der Anlage zum Schreiben vom 20. Mai 1997 heißt es:

10. „Kilimanjaro, mit 5.896 Metern höchster Berg Afrikas. Wir bieten als erster Tourveranstalter eine echte Bergüberschreitung mit zwei Übernachtungen im Krater an. Warum wir so mutig sind? Wir haben zwanzig Jahre Kilimanjaro-​Erfahrung und führen unsere Teilnehmer sehr langsam in die große Höhe – in 8 Marschtagen, so dass jeder eine optimale Akklimatisation erreicht. Wir haben die besten Bergführer, Träger (nur ausgesuchte Leute mit Kratererfahrung) und die beste Ausrüstung: Messzelt, Stühle, Gaskocher usw. Der Höhepunkt einer Kilimanjarobesteigung ist nicht der Gipfelsieg, sondern der Aufenthalt im Krater mit seinen großartigen Eisfeldern. Wer den Gipfel nicht besteigen möchte, kann mit uns die Überquerung durchführen und erreicht mit eigenem Führer das … Hotel zwei Tage vor der Gipfelmannschaft. Reiseleitung ….

11. Im Schreiben vom 30. Juni 1997 wird u.a. ausgeführt:

„Gerne möchten wir Sie nochmals besonders darauf hinweisen, dass sie keine normale Studienreise, sondern eine echte FOTOREISE gebucht haben. Das bedeutet, dass das Interesse der Teilnehmer in erster Linie in der Fotografie liegt“.

12. Unter diesen Umständen hat das Landgericht mit seiner Beurteilung Recht, dass die Reise – auch unter Berücksichtigung der in gewisser Weise erschwerten Bedingungen – in erster Linie auf das Fotografieren ausgerichtet war, wobei die geschuldete Leistung insbesondere darin bestand, den Reiseteilnehmern Gelegenheit zum Fotografieren an den Orten zu bieten, die in der Reisebeschreibung ausdrücklich hervorgehoben wurden, nämlich vor allem „im Krater und seinen großartigen Eisfeldern“, wo zwei Übernachtungen vorgesehen waren, aber auch auf dem Gipfel, den zu besteigen zwar jedem freigestellt war, der aber jedenfalls auf Wunsch bestiegen werden konnte.

13. Dass Krater und Gipfel nicht erreicht wurden und dementsprechend auch das dort besonders reizvolle Fotografieren nicht möglich war, ist unstreitig. Hierbei handelte es sich auch um einen (erheblichen) Mangel, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

14. Die Beklagte beruft sich demgegenüber ohne Erfolg darauf, dass Dauerregen und Nebel, die ihrem Vorbringen zufolge geherrscht und das Erreichen des Kraters sowie des Gipfels letztlich verhindert haben sollen, zum allgemeinen Lebensrisiko gehörten und daher keine Einstandspflicht des Reiseveranstalters auslösen könnten. Selbst wenn die Witterungsverhältnisse so ungünstig wie behauptet gewesen sein sollten – nach Darstellung der Kläger trat während des Aufstiegs lediglich „hin und wieder starker Regen“ auf –, hätte sich damit kein von den Klägern hinzunehmendes Umwelt- bzw. Umfeldrisiko verwirklicht (vgl. dazu Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rn. 197 m.w.N.). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Dauerregen und Nebel am Kilimanjaro, also in einer Hochgebirgsgegend, wo mit derartiger Witterung auch in Afrika zu rechnen ist, überhaupt Umstände darstellen, auf die sich der Reiseveranstalter mit der Begründung berufen kann, sie seien von ihm nicht beherrschbar und deshalb habe er für den Misserfolg einer Bergexpedition nicht einzustehen, wenn sie an solchen Umständen scheitere. Selbst wenn man dies bejahen würde, hätte der Reiseveranstalter eine Umweltbeobachtungspflicht und daraus abgeleitet eine Informationspflicht gegenüber dem Reisenden, in deren Verletzung ein selbständiger Reisemangel läge (Führich, a.a.O., Rn. 197). Diese Verpflichtung hat die Firma … als Erfüllungsgehilfin der Beklagten auf jeden Fall verletzt. Denn die Firma W mit ihrer „zwanzig Jahre Kilimanjaro-​Erfahrung“ (so ihre eigene Vorstellung in der Reisebeschreibung) musste wissen, dass Dauerregen und Nebel den Aufstieg erschweren oder gar unmöglich machen könnten. Auf der Grundlage dieser Kenntnis, die sie den Klägern voraus hatte, musste die Beklagte in der Reisebeschreibung darauf hinweisen, dass unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen – eben bei Dauerregen und/oder Nebel – der Krater oder gar der Gipfel nur unter erschwerten Bedingungen oder auch gar nicht zu erreichen sein könnten. Ein solcher Hinweis wurde jedoch nicht gegeben.

15. Vor diesem Hintergrund sind auch die übrigen von den Klägern gerügten Mängel und die Einwendungen der Beklagten zu beurteilen. Im einzelnen:

16. Was die Beklagte mit der Behauptung sagen will, die Kläger hätten in einer Höhe von ca. 4.800 m „starke körperliche Anstrengungen und Entkräftung“ verspürt, wird nicht weiter ausgeführt. Daran lag es jedenfalls nicht, dass der Krater nicht erreicht wurde.

17. Es mag sein, dass 2,66 Träger pro Reiseteilnehmer im allgemeinen reichen. Unter außergewöhnlichen Verhältnissen, wie sie hier herrschten, war diese Durchschnittszahl aber offensichtlich nicht genug. Das hat die Beklagte vorprozessual auch nicht anders gesehen. In ihrem Schreiben an die Kläger vom 27. März 1998 heißt es nämlich, die Träger seien „durch das permanent extreme Wetter überfordert“ gewesen; sie „waren … durchnässt und froren“; selbst schwarze Träger seien „machtlos gegen die Höhenkrankheit“ (offenbar soll dies die Krankheit gewesen sein, an der 10 Träger gelitten haben sollen). Auch dazu muss sich die Beklagte vorhalten lassen, dass es ihre Sache war, für eine ausreichende Zahl gesunder und belastbarer Träger zu sorgen, so dass der Erfolg der Tour auch unter erschwerten Bedingungen gewährleistet blieb.

18. Der Auffassung der Beklagten, die Gipfelbesteigung sei lediglich als ein „bewerbender Text“ einer Hochgebirgsexpedition aufzufassen, kann nicht gefolgt werden. Es mag sein, dass sich auf dem Weg zum Kilimanjaro „viel ereignen kann“. Die Frage ist aber, ob die Gründe, die letztlich zum Scheitern der Gipfelbesteigung führten, solche waren, die für die Beklagte kalkulierbar waren oder nicht. Die Erschwernisse durch ungünstige Witterungseinflüsse mit ihren Folgewirkungen auf Ausrüstung und Träger waren bei „zwanzig Jahren Kilimanjaro-​Erfahrung“ beherrschbar. Jedenfalls fehlte es an dem Hinweis, dass man für die Gipfelbesteigung nicht garantieren könne, wenn es zu extrem schlechtem Wetter kommen sollte. Hierbei ist im übrigen zu bedenken, dass eine Tour zum Kilimanjaro landläufig nicht als Bergbesteigung mit Steigeisen, Seil und Eispickel verstanden wird, sondern als eine Tour, die für sportliche und gesunde Leute, die gut zu Fuß sind, unter sachkundiger Führung zu schaffen ist. Dieser Erwartungshorizont bestimmt auch den Umfang von Aufklärungspflichten der Beklagten.

19. Dass die Zelte vor Beginn der Expedition überprüft wurden, ändert nichts an der Tatsache, dass sie später nicht geflickt oder nicht gegen mitzuführende Ersatzzelte ausgetauscht werden konnten. Die Beklagte hatte „beste Ausrüstung“ zugesagt, sie war daher auch dazu verpflichtet, geeignetes Ausrüstungsmaterial als Ersatz vorzuhalten.

20. Auf den Ausfall des Reiseführers … geht die Berufung nicht ausdrücklich ein. Deshalb kann auf die auch insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.

21. Zutreffend hebt das Landgericht ferner darauf ab, dass – abgesehen von Krater und Gipfel – auch weitere in der Reisebeschreibung besonders hervorgehobene Ziele, die gerade für das Fotografieren lohnend gewesen wären, nicht erreicht wurden.

22. Dagegen stellt es keinen erheblichen Reisemangel dar, dass die Kläger auf Hockern mit Stoffbezug statt auf „Stühlen“ (so die Reisebeschreibung) sitzen mussten.

23. Bei der hier gebotenen Gesamtbetrachtung ist eine Minderung des Reisepreises um 60 %, wie das Landgericht sie für richtig gehalten hat, nach Auffassung des Senats überhöht. Unter Berücksichtigung der von den Mängeln nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigten Reiseteile erscheint vielmehr eine Minderung um maximal 50 % angemessen. Bei deren Berechnung sind auch die im Reisepreis enthaltenen Flugkosten anteilig zu mindern, obwohl die Flugleistung an sich mangelfrei war (LG Hannover, NJW-​RR 99, 1004). Daraus ergibt sich ein zuzusprechender Betrag von jeweils 4.399.– DM (50 % von 8.798.– DM).

24. Dass die Minderungsansprüche weder nach § 651d Abs. 2 noch gemäß § 651g Abs. 1 BGB ausgeschlossen sind und auch nicht wegen einer nicht wahrgenommenen Mängelabhilfe scheitern (§ 651c Abs. 2 BGB), hat das Landgericht ebenfalls zutreffend dargelegt. Die Berufung nimmt diese Ausführungen auch hin.

25. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

26. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Eine Vollstreckungsschutzanordnung hatte zu unterbleiben, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt (§ 713 ZPO).

27. Der Wert der Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

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