Verspäteter Co-Pilot ist kein außergewöhnlicher Umstand

AG Frankfurt: Verspäteter Co-Pilot ist kein außergewöhnlicher Umstand

Ein Fluggast nimmt ein Luftfahrtunternehmen auf Ausgleichzahlung in Anspruch, aufgrund einer Flugverspätung.

Das Amtsgericht entschied, dass dem Fluggast die Ausgleichzahlung zusteht und es sich bei der Verspätung des Co-Piloten um keinen besonderen Umstand handelt.

AG Frankfurt  32 C 1488/13 (41) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 19.11.2013
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 19.11.2013, Az:  32 C 1488/13 (41)
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19. November 2013

Aktenzeichen 32 C 1488/13 (41)

Leitsatz:

2. Verspätet sich der Co-Pilot zum geplanten Abflug des Flugzeuges, wegen eines Schneechaos, liegt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vor.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug, welcher jedoch verspätet durchgeführt wurde. Der Grund für diese Verspätung war, dass das Flugzeug nicht rechtzeitig starten konnte, da ein Crew-Mitglied gefehlt hat. Durch ein Schneechaos schaffte der Co-Pilot es nicht rechtzeitig an seinem Arbeitsort zu erscheinen. Der Kläger begehrt eine Ausgleichszahlung im Sinne des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Das beklagte Luftfahrtunternehmen setzt dieser Forderung entgegen, dass ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgelegen habe und somit eine Haftung entfällt.

Das Amtsgericht Frankfurt gab der Klage statt und entschied, dass dem Kläger die begehrte Zahlung zustehe. Der Co-Pilot hätte bei seinem Arbeitsweg die Wetterlage berücksichtigen müssen. Zudem hätte das Luftfahrtunternehmen eine Ersatzcrew bereitstellen können. Es handelt sich bei dem Verspätungsgrund nicht um einen außergewöhnlichen Umstand.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2013 zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

5. Von seiner Darstellung wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die zulässige Klage ist begründet.

7. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf eine Ausgleichszahlung von 600 Euro ergibt sich aus einer analogen Anwendung von Art. 5, 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 EG-VO Nr. 261/2004. Die analoge Anwendung der Annullierungsvorschriften auf Verspätungsfälle ist mittlerweile auch durch BGH Xa ZR 95/06 vom 18.02.2010 geklärt. Sämtliche Voraussetzungen sind erfüllt.

8. Auf das Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen i.S.v. Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 261/2004 kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Der Ausnahmetatbestand greift nicht. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

9. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 5 Abs. 3 EG-VO als Ausnahmebestimmung eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 – C-549/07, Slg. 2008 I 11061 = NJW 2009, 347 = RRa 2009, 35 Rn. 20 – Wallentin-Hermann). Zwar können Wetterverhältnisse, die zu Annullierungen oder Verspätungen führen, außergewöhnliche Umstände im Sinne der genannten Vorschrift darstellen. Dem Luftverkehrsunternehmen obliegt es aber, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass es ihm auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden, mit denen es konfrontiert war und die zur Annullierung des Flugs geführt haben (EuGH, aaO Rn. 40 f.).

10. Vor diesem Hintergrund führte der Vortrag der Beklagten zu den Gründen, aus denen das für die Beförderung vorgesehene Flugzeug nicht rechtzeitig verfügbar war, nicht zu einer Entlastung gemäß Art. 5 Abs. 3 EG-VO.

11. Die Beklagte hätte darlegen müssen, welche anderen personellen, materiellen und finanziellen Mittel ihr zur Verfügung standen, um den Flug zum geplanten Zeitpunkt durchzuführen und aus welchen Gründen es ihr gegebenenfalls nicht zumutbar war, auf diese Ressourcen zurückzugreifen. Der Vortrag der Beklagten lässt nicht hinreichend erkennen, ob und welche Möglichkeiten bestanden, adäquat auf das Schneechaos in Frankfurt zu reagieren. Darüber hinaus geht aus den Darlegungen der Beklagten nicht hervor, welche Möglichkeiten in Betracht kamen, sich bereits vorab auf die nicht ungewöhnlichen Witterungsverhältnisse vorab einzustellen.

12. Die Verspätung des streitgegenständlichen Fluges ist darüber hinaus unstreitig auch darauf zurückzuführen, dass ein Co-Pilot nicht rechtzeitig verfügbar war. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass das Fehlen des Co-Piloten auf die widrigen Schneeverhältnisse zurückzuführen ist, hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan, dass die eingetretene Verzögerung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

13. Die Beklagte hätte die Verspätung vermeiden können, indem sie in Frankfurt eine Ersatzcrew, bzw. einen Ersatz- Co-Piloten zur Verfügung gestellt hätte. Die Beklagte hatte aufgrund der behaupteten anhaltenden widrigen Wetterverhältnisse Anlass dafür anzunehmen, dass eine Ersatzcrew benötigt wird. In dieser konkreten Situation hätte die Beklagte deshalb dafür Sorge tragen müssen, in Frankfurt eine Ersatzcrew vorzuhalten, die im Falle von wetterbedingten Personalausfällen eingesetzt werden kann.

14. Das Vorhalten einer Crew stellt auch eine zumutbare Maßnahme dar. Denn um zu vermeiden, dass jede auf dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände beruhende Verspätung, sei sie auch geringfügig, zwangsläufig zur Annullierung oder Verspätung des Fluges führt, muss ein vernünftig handelndes Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig planen, um über eine gewisse Zeitreserve zu verfügen und den Flug möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände weiter durchführen zu können (vgl. EuGH Urt. v. 12.5.2011, Az. C-294/10, R 28, zit. nach juris).

15. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

16. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

17. Die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor.

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