Verhaltenspflichten des Reiseveranstalters
OLG Köln: Verhaltenspflichten des Reiseveranstalters
Die Klägerin klagte vor dem LG Köln gegen eine Versicherungsgesellschaft, die mit Reiseveranstaltern Versicherungsverträge abschließt, in dessen Rahmen Entschädigungsleistungen erbracht werden, wenn Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters ausfallen. Sie begehrt von der Beklagten das Unterlassen der Verwendung von AGB-Klauseln. Das LG gab dem Kläger Recht.
Das OLG Köln wies die Klage auf die Berufung der Beklagten hin ab.
OLG Köln | 6 U 59/99 (Aktenzeichen) |
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OLG Köln: | OLG Köln, Urt. vom 17.12.1999 |
Rechtsweg: | OLG Köln, Urt. v. 17.12.1999, Az: 6 U 59/99 |
LG Köln, Urt. v. 24.02.1999, Az: 26 O 47/98 | |
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Leitsatz:
2. Klauselverwender iSv AGBG § 1 Abs 1 ist bei einer zwischen Versicherungsgesellschaft und Reiseveranstalter geschlossenen Versicherung, die Entschädigung im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters leistet, der reisewillige Kunde.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger, die Verbraucherzentrale B.-W. e.V., klagte vor dem LG Köln gegen eine Versicherungsgesellschaft, die mit Reiseveranstaltern Versicherungsverträge abschließt, in dessen Rahmen Entschädigungsleistungen erbracht werden, wenn Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters ausfallen. Der Kläger begehrt von der Beklagten das Unterlassen der Verwendung von AGB-Klauseln, welche nach seiner Sicht Vebraucherinteressen rechtswidrig schädigt. Die Klauseln besagten u.a., dass eine Anzahlung nur zu 10 %, höchstens aber 500,- DM erstattungsfähig war. Das LG Köln gab dem Kläger Recht.
Das OLG Köln wies die Klage auf die Berufung der Beklagten hin ab.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.02.1999 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 26 O 47/98 – geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
Die Beschwer des Klägers wird auf 30.000,00 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
5. Bei dem Kläger handelt es sich um die Verbraucherzentrale B.-W. e.V., dessen Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.11.1999 ausdrücklich unstreitig gestellt hat. Die Beklagte, die A. + M. Versicherung AG, schließt mit Reiseveranstaltern Versicherungsverträge, die Entschädigungsleistungen für den Fall vorsehen, dass Reiseleistungen infolge Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters ausfallen, wenn und soweit der Reisewillige Zahlungen nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze und nur innerhalb bestimmter Fälligkeitszeiträume erbringt. Die bei ihr versicherten Reiseveranstalter verpflichtet die Beklagte vertraglich, mit den Reisenden keine abweichenden Zahlungsmodalitäten zu vereinbaren. In ihren Sicherungsscheinen, die die Beklagte den bei ihr versicherten Reiseveranstaltern aushändigt und die der Reiseveranstalter an seinen reisewilligen Vertragspartner weitergibt, sind bestimmte Klauseln enthalten, die nach Auffassung des Klägers gegen § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG verstoßen. Der Kläger beanstandet, dass nach den Versicherungsbedingungen vor Reisebeginn Versicherungsschutz für Anzahlungen nur bis zu 10 % des Reisepreises, höchstens jedoch 500,- DM, besteht und dass sich der Versicherungsschutz für weitere Zahlungen nur auf solche Zahlungen erstreckt, die frühestens einen Monat vor dem aus der Buchungsbestätigung ersichtlichen Abreisetag geleistet worden sind.
der Beklagten unter gleichzeitiger Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verträgen über die Versicherung von Reiseleistungen zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen, ausgenommen Verträge mit einem Kaufmann im Rahmen eines Handelsgeschäfts, mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder mit einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen:
7. a) Vor Reisebeginn besteht ausschließlich für folgende Zahlungen Versicherungsschutz:
Für Anzahlungen: Bis zu 10 % des Reisepreises, die jedoch nicht mehr als DM 500,- betragen dürfen.
8. b) Vor Reisebeginn besteht ausschließlich für folgende Zahlungen Versicherungsschutz:
Für weitere Zahlungen: Frühestens einen Monat vor dem aus der Buchungsbestätigung ersichtlichen Abreisetag.
9. c) Höhere Anzahlungen oder frühere Zahlungen des Reisepreises sind nicht versichert.
10. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
11. Durch das angefochtene Urteil vom 24.02.1999, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 94 ff. d.A.), hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständlichen Klauseln unterliefen die in § 651k Abs. 1, 3 und 4 BGB enthaltenen Bestimmungen, benachteiligten den Reisenden entgegen Treu und Glauben unangemessen und seien deshalb wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
12. Gegen das ihr am 18.03.1999 zugestellte Urteil des Landgerichts vom 24.02.1999 hat die Beklagte am 16.04.1999 Berufung eingelegt und diese nach zweifacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.06.1999 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
13. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, der Reiseveranstalter und nicht sie sei Verwender der vorformulierten, mit der Klage angegriffenen Vertragsbedingungen. In der Sache habe das Landgericht zu Unrecht einen Verstoß gegen § 9 AGBG angenommen.
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
16. Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.
17. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
18. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, die streitgegenständlichen Klauseln benachteiligten den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, sie seien deshalb gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
19. Nicht anzuschließen vermag sich der Senat allerdings der Auffassung der Beklagten, sie sei nicht der Verwender der vorformulierten Vertragsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG. Zwar ist es richtig, dass Vertragspartner der Beklagten ausschließlich der Reiseveranstalter ist. Träger des versicherten Interesses ist allerdings allein der reisewillige Kunde. Dieser soll grundsätzlich davor geschützt werden, dass er den normalerweise erst nach Beendigung der Reise fälligen Reisepreis verliert, wenn er ihn vor Reiseantritt begleicht und der Reiseveranstalter insolvent wird. Es handelt sich mithin um eine Fremdversicherung, bei der durch Aushändigung des Sicherungsscheins im Sinne des § 651k Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 75 Abs. 2 VVG sichergestellt ist, dass der reisewillige Kunde des Vertragspartners der Beklagten den materiellen Anspruch unmittelbar gegen den Versicherer geltend machen kann.
20. Kann demnach nicht in Zweifel gezogen werden, dass die Beklagte Verwender der vorformulierten Vertragsbedingungen und damit passivlegitimiert ist, scheitert der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedoch daran, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 AGBG nicht vorliegen. Nach § 9 Abs. 1 AGBG sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Eine solche Abweichung hat das Landgericht hier mit der Begründung angenommen, nach § 651k BGB dürfe der Reiseveranstalter vor Beendigung der Reise Zahlungen nur dann entgegennehmen, wenn er dem Reisenden gleichzeitig einen Sicherungsschein übergebe, der diesen bis zur Höhe des gezahlten Reisepreises gegen das Insolvenzrisiko des Veranstalters absichere, § 651k Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, von dieser Regelung könne gemäß § 651l BGB zum Nachteil des Reisenden nicht abgewichen werden. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Gesetzgeberisches Ziel des § 651k BGB war es, den Reisenden vor Schäden infolge der Zahlungsunfähigkeit oder der Insolvenz des Veranstalters abzusichern. Das ist dadurch geschehen, dass der Reiseveranstalter von dem Reisenden den vereinbarten Reisepreis grundsätzlich erst nach Beendigung der Reise verlangen kann. Fordert der Reiseveranstalter von seinem Kunden vor Beendigung der Reise Zahlungen auf den Reisepreis, muss er den Reisenden gegen das Insolvenzrisiko absichern. Hierzu hat der Reiseveranstalter unter anderem die Möglichkeit, dem Reisenden einen Sicherungsschein zu übergeben und ihm so einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer zu verschaffen (§ 651k Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 BGB). Letztlich bedeutet die Regelung des § 651k Abs. 4 BGB damit, dass der Reiseveranstalter von seinem Kunden nur versicherte Zahlungen verlangen darf.
21. Nach ihrem unstreitigen Sachvortrag verpflichtet die Beklagte jeden bei ihr um Versicherungsschutz nachsuchenden Reiseveranstalter, im Außenverhältnis, also im Verhältnis des Reiseveranstalters zu dessen reisewilligen Kunden, ausschließlich kongruente Fälligkeitsbedingungen zu vereinbaren. Im Verhältnis zum Versicherer ist der Versicherungsnehmer also vertraglich verpflichtet, von seinen reisewilligen Kunden bei Anzahlungen nicht mehr als 10 % des Reisepreises, höchstens jedoch 500,- DM zu verlangen, außerdem darf er weitere Zahlungen frühestens 1 Monat vor dem aus der Buchungsbestätigung ersichtlichen Abreisetag fordern. Halten sich der Reiseveranstalter und der Reisende an diese gesetzlichen Bestimmungen und vertraglichen Vereinbarungen, zahlt der Reisende also vor Reisebeginn pflichtgemäß nur den Teil des Reisepreises, den er im Falle der Insolvenz seines Vertragspartners per zu seinen Gunsten abgeschlossener Fremdversicherung von dem Versicherer zurückerhält, ist dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, deren Adressat der Reiseveranstalter und nicht der Versicherer ist, genüge getan. Verlangt und/oder erhält der Reiseveranstalter dagegen von dem Reisenden Zahlungen, die er weder fordern noch vereinnahmen darf, weil er mit seinem Versicherer eine kongruente Deckung nicht vereinbart und deshalb gegen die zwingende Regelung des § 651k Abs. 4 BGB verstoßen hat, sanktioniert der Gesetzgeber das zum einen dadurch, dass er die zum Nachteil des Reisenden abweichende Vereinbarung für nichtig erklärt (§ 651l BGB), zum anderen dadurch, dass er die Bestrafung des Reiseveranstalters durch Verhängung eines Bußgeldes vorsieht, § 147b GewO. Sind aber im Reisevertrag vereinbarte Fälligkeitsregelungen, die vom Versicherungsschutz nicht erfasst werden, mit der Folge nichtig, dass sich der Reisende hierauf nicht einzulassen braucht, wird er nicht dadurch unangemessen benachteiligt, dass sich der Versicherer darauf beruft, er – der Reisende – habe ohne entsprechende vertragliche Verpflichtung zu früh und/oder zu viel bezahlt. In diesem Fall beruht das Ausfallrisiko im Insolvenzverfahren ausschließlich darauf, dass der Reisende eine Leistung erbracht hat, die zu erbringen er nicht verpflichtet war.
22. In seiner Auffassung, dass die mit der Klage konkret angegriffenen Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhalten, sieht sich der Senat durch zwei Überlegungen bestärkt: Bei anderer Auffassung würde nämlich zum einen der Versicherer gezwungen sein, ausnahmslos alle Anzahlungen eines Reisewilligen abzusichern, auch und gerade die nicht geschuldeten, aber vom Reiseveranstalter verlangten. Dies liefe praktisch auf eine gesetzliche Zwangsversicherung per Richterrecht hinaus, obschon der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 147b GewO einerseits und des § 651l BGB andererseits vorgegeben hat, welche Rechtsfolgen Verstöße des Reiseveranstalters gegen §§ 651a bis 651k BGB haben sollen und wie sie zu ahnden sind. Zum anderen wäre die Regelung des § 651l BGB ohne praktische Bedeutung. Sie liefe nämlich weitestgehend leer, weil inkongruente Fälligkeits- und Zahlungsbedingungen in den Vertragsverhältnissen zwischen Reiseveranstalter und Versicherer auf der einen und Reiseveranstalter und Reisendem auf der anderen Seite dann, wenn die Auffassung des Klägers richtig wäre, stets über die Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG solange angeglichen werden müssten, bis sie einander deckungsgleich gegenüberstehen.
23. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sowie über die Festsetzung der Beschwer folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108, 546 Abs. 2 ZPO.
24. Mit Rücksicht darauf, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 12.11.1999 übereinstimmend vorgetragen haben, die mit der Klage angegriffenen Klauseln seien in Reiseversicherungsverträgen der vorliegenden Art weitverbreitet und üblich, hat der Senat gemäß § 546 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der mit der Klage angegriffenen Fälligkeits- und Zahlungsklauseln höchstrichterlich überprüfen zu lassen.
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